Urteil des LG Potsdam vom 14.03.2017

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Gericht:
LG Potsdam 5.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 T 710/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 34 InsO, § 305 Abs 1 Nr 1 InsO,
§ 305 Abs 3 S 2 InsO
(Insolvenzverfahren: Anfechtbarkeit der Mitteilung des Eintritts
der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO)
Tenor
Das Verfahren wird zur Entscheidung auf die Kammer übertragen, §§ 4 InsO, 348 Abs.3
Nr. 2 ZPO.
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird festgestellt, dass die
Voraussetzungen für den Eintritt der Rücknahmefiktion gem.§ 305 Abs.3 Satz 2 InsO
nicht vorliegen.
Dem Amtsgericht wird aufgegeben, den Antrag vom 16.8.2006 unter Berücksichtigung
der Rechtsauffassung der Kammer zu bescheiden
Gründe
I.
Die Schuldnerin beantragte mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16. 8.
2006 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen unter
Beifügung der ausgefüllten amtlichen Vordrucke .
Als Anlage 2 war eine Bescheinigung ihres Verfahrensbevollmächtigten über das
Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs beigefügt, wobei als Begründung
angegeben war, dass die Gläubiger einem Erlass der Forderung nicht zugestimmt
haben.
Als Anlage 4 war eine Vermögensübersicht beigefügt, aus der sich ergibt, dass die
Schuldnerin über ein durchschnittliches Arbeitseinkommen von 930 € verfügt.
In den Anlagen 7 bis 7c - Schuldbereinigungsplan für das gerichtliche Verfahren - waren
die beteiligten Gläubiger mit ihren jeweiligen Forderungen benannt.
Unter dem Punkt „Erläuterung zur vorgeschlagenen Schuldenbereinigung“ war vermerkt
„Nullplan/Erlass der Forderung “.
Das Amtsgericht teilte der Schuldnerin mit Schreiben vom 21. 8.2006 unter Hinweis auf
§ 305 Abs.3 Satz 2 InsO unter anderem mit, dass dem Antrag der außergerichtliche
Schuldenbereinigungsplan nicht beigefügt und die wesentlichen Gründe für das
Scheitern des Plans nicht dargelegt seien.
Der eingereichte Schuldenbereinigungsplan sei nicht vollständig und nicht hinreichend
bestimmt. Es fehlten Regelungen, inwieweit Bürgschaften, Pfandrechte und andere
Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden sollten.
Auch sei nicht geregelt, welche Leistungen der Schuldner zu welchem Zeitpunkt an
welchen Gläubiger zu erbringen habe. Die Schuldnerin nahm mit Schriftsatz ihres
Verfahrensbevollmächtigten vom 28.8.2006 ergänzend Stellung. Auf den Inhalt des
Schriftsatzes (Bl. 35-38 d GA) wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 23.10.2006 hat das Amtsgericht die Antragstellerin darauf
hingewiesen, dass ihr Antrag seit dem 24.9.2006 gem. § 305 Abs.3 Satz 2 InsO als
zurückgenommen gelte, da entgegen der gerichtlichen Aufforderung eine Abschrift des
außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanes nicht vorgelegt worden sei.
Der Schuldner hat hiergegen mit am 3.11.2006 beim Amtsgericht eingegangenem
Schriftsatz vom 2.11.2006 sofortige Beschwerde eingelegt. Auf den Inhalt des
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Schriftsatz vom 2.11.2006 sofortige Beschwerde eingelegt. Auf den Inhalt des
Beschwerdeschreibens wird Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem
Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Gegen die Mitteilung des Eintritts der Rücknahmefiktion des § 305 Abs.3 InsO sei ein
Rechtsmittel nicht gegeben.
Im Übrigen sei dieses auch nicht begründet, nachdem die Schuldnerin dem Antrag eine
Abschrift des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplanes nicht beigefügt habe. Die
Auffassung, wonach der Plan nicht notwendigerweise in körperlicher Gestalt durch
Beifügung eines gesonderten Schriftstückes einzureichen sei, widerspreche dem klaren
Wortlaut des § 305 Abs.1 Nr.1 InsO und werde von der Kommentarliteratur auch in
keinem Fall so ausgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen die Mitteilung der Rücknahmefiktion
des § 305 Abs.3 InsO ist in entsprechender Anwendung des § 34 InsO zulässig und
begründet.
Das Gesetz sieht zwar weder gegen die Aufforderung des Insolvenzgerichts nach § 305
Abs.2 Satz 1 InsO noch hinsichtlich der kraft Gesetzes eintretenden Rücknahmewirkung
oder gegen den Eintritt der Wirkung feststellende Mitteilungen oder Beschlüsse ein
Rechtsmittel vor, so dass gegen die entsprechende Mitteilung oder den feststellenden
Beschluss eine sofortige Beschwerde vor dem Hintergrund des mit der Regelung des §
305 InsO verfolgten Beschleunigungszwecks grundsätzlich nicht statthaft ist (BGH, WM
2003, 2390) .
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat der Senat in der Entscheidung vom
16.10.2003 allerdings offen gelassen, ob die Beschwerde in analoger Anwendung des §
34 Abs.1 InsO ausnahmsweise dann statthaft ist, wenn die gerichtliche Aufforderung im
Hinblick auf die beizubringenden Unterlagen und Erklärungen nicht erfüllbar ist oder vom
Insolvenzgericht Anforderungen gestellt werden, die mit der Regelung des § 305 Abs.1
InsO nicht im Einklang stehen (BGH, NJW-RR 2005, 403 f).
Hiervon geht die Kammer im Anschluss an das Oberlandesgericht Celle (u.a. ZIP 2001,
340-342) weiterhin (so auch mit Beschluss vom 22.5.2006 zu 5 T 314/06/35 IK 316/06 )
aus. Entscheidungen des Insolvenzgerichtes, mit denen die Rücknahmefiktion des § 305
Abs.3 Satz 2 InsO ausgelöst bzw. festgestellt werden soll, stellen sich nämlich für den
Fall, dass sie darauf beruhen, dass dem Schuldner Auflagen gemacht worden sind, die
mit den in § 305 Abs.1 InsO enthaltenen formalen Kriterien nicht in Einklang stehen,
faktisch als Zurückweisung des Insolvenzantrages dar. Eine Beschränkung der
Anfechtbarkeit auf inhaltlich unzulässige Anforderungen (so wohl OLG Köln, NJW 2000,
317) erscheint vor diesem Hintergrund nicht vertretbar.
Soweit das Amtsgericht die Mitteilung der Rücknahmefiktion vom 23.10.2006 darauf
gestützt hat, dass die Schuldnerin entgegen der gerichtlichen Aufforderung vom
21.8.2006 den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan nicht eingereicht habe, da -
wie sich aus dem Nichtabhilfebeschluss ergibt - eine Ablichtung des Schreibens an die
Gläubiger nicht zur Akte gereicht wurde, steht die Forderung des Amtsgerichts nicht im
Einklang mit der Regelung des § 305 Abs.1 Nr.1 InsO.
Nach der genannten Vorschrift ist eine Bescheinigung einer geeigneten Person oder
Stelle einzureichen, aus der sich ergibt, dass eine außergerichtliche Einigung mit den
Gläubigern auf der Grundlage des Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem
Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist; der Plan ist beizufügen und die
wesentlichen Gründe für sein Scheitern sind darzulegen.
Den dahingehenden Anforderungen ist mit dem Eröffnungsantrag der Schuldnerin
genügt. Mit der Anlage 2 zum Eröffnungsantrag liegt eine Bescheinigung des
Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin vor, aus der sich ergibt, dass der
Einigungsversuch am 25.7.2006 gescheitert ist. Soweit es unter dem Punkt „Wesentliche
Gründe für das Scheitern des Einigungsversuchs“ heißt: „ Einem Erlass der Forderung
wird nicht zugestimmt“ genügt dies den Anforderungen an die Vorlage des
außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans. Der Vorlage eines körperlich
gesonderten Plans bedarf es, wie die Kammer dies bereits an anderer Stelle zum sog.
„Nullplan“ entschieden hat, nicht.
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Soweit nach der vom Amtsgericht herangezogenen Kommentierung (u.a. Frankfurter-
Kommentar - Grote, § 305 Rdn. 13b) der beizulegende Plan in der Regel aus einer Kopie
des Angebotes bestehen soll, welches den Gläubigern zugesandt wurde oder aus einer
kurzen schriftlichen Erörterung des Gesamtplanes, ist dies im Hinblick auf den Zweck,
wonach das Gericht mögliche Änderungen des Schuldenbereinigungsplans gegenüber
dem ursprünglichen Vergleichsvorschlag ersehen und somit besser einschätzen können
soll, ob eine Verbesserung des Angebotes des Schuldners eine höhere
Zustimmungsquote erwarten lässt, im Falle des außergerichtlichen und gerichtlichen
Nullplans jedenfalls entbehrlich.
Eine Vorlage der Schreiben ist auch nicht zu dem Zweck der Prüfung geboten, ob eine
außergerichtliche Einigung tatsächlich ernsthaft versucht worden ist. Die dahingehende
Prüfung obliegt dem Insolvenzgericht vor dem Hintergrund der insoweit erteilten
Bescheinigung nicht.
Nachdem die Nichtvorlage der vorgerichtlichen Korrespondenz mit den Gläubigern nicht
geeignet ist, die Rücknahmefiktion des § 305 InsO auszulösen, ist die Beschwerde
begründet und dem Amtsgericht war aufzugeben, den Antrag vom 16.8.2006 erneut zu
bescheiden.
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