Urteil des LG Paderborn vom 01.09.2009

LG Paderborn (behandlungsfehler, operation, verhandlung, lege artis, höhe, tag, durchführung, gutachten, arzt, tod)

Landgericht Paderborn, 2 O 429/07
Datum:
01.09.2009
Gericht:
Landgericht Paderborn
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 429/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld aus eigenem,
abgetretenem und im Wege gesetzlicher Erbfolge übergegangenem Recht.
2
Die Klägerin ist die Ehefrau und Miterbin des am 25.10.2006 verstorbenen …….. Dieser
befand sich in der Zeit vom 09.10.2006 bis zum 13.10.2006 wegen einer Operation
eines Nabelbruchs und seiner Prostata in dem Haus des Beklagten in Behandlung.
Weitere Erbin ist die Tochter des Verstorbenen, ….., die ihre etwaigen Ansprüche an
ihre Mutter, die Klägerin, abgetreten hat.
3
Der Ehemann der Klägerin unterzog sich am 09.10.2006 den o.g. Operationen.
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Im Anschluss daran stieg der Anteil der Leukozyten in seinem Blut. Außerdem stieg der
Kreatininwert des Ehemannes der Klägerin, woraufhin eine Sonographie durchgeführt
wurde. Dabei konnte eine Niere nicht aufgefunden werden.
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Zuvor hatte ein bei dem Beklagten beschäftigter Arzt einen Wundabstrich genommen.
Bei Eingang des Ergebnisses um 20:45 Uhr wurde die Antibiose umgestellt, ein
weiteres CT veranlasst und aufgrund des Ausmaßes der Infektion eine weitere
Operation vorgenommen.
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Am 12.10.2006 zeigte sich der Verband des Herrn ….. eitrig durchsetzt. Es wurde eine
Nachoperation vorgenommen. Der Zustand des Ehemannes der Klägerin
verschlechterte sich weiterhin. Er wurde in das Universitätsklinikum Düsseldorf
überwiesen, wo eine durch Gasbranderreger (Clostridien) hervorgerufene Sepsis
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diagnostiziert wurde, die schließlich zum Tod des Ehegatten der Klägerin führte.
Die Klägerin behauptet, der Tod ihres Ehegatten sei auf Sorgfaltspflichtverletzungen im
Hause des Beklagten zurückzuführen. Bereits die Zustandsverschlechterung nach der
ersten Operation hätte auf eine bakterielle Infektion hingedeutet, die von dem Beklagten
nicht therapiert worden sei. Gleiches gelte hinsichtlich der erhöhten Leukozytenwerte.
8
Ihrem Ehemann, so behauptet die Klägerin weiter, sei bereits am ersten postoperativen
Tag Nahrung verabreicht worden, obwohl das Pflegepersonal angewiesen gewesen
sei, dies erst am vierten postoperativen Tag zu tun. Es könne nicht ausgeschlossen
werden, dass die Nahrungsverabreichung mitursächlich für die Infektion gewesen sei.
9
Die Klägerin behauptet ferner, im Krankenhaus des Beklagten lägen hygienische
Defizite vor. Ein ordnungsgemäßes Hygienemanagement hätte die Infektion verhindert.
Insbesondere sei die Sepsis bei einer erforderlichen perioperativen
Antibiotikaprophylaxe nicht entstanden. Zudem habe die Durchführung zweier
Operationen während derselben Narkose das Risiko des Ehegattens der Klägerin
erhöht, was man auch daran erkenne, dass die Infektion von der Nabelgegend
ausgegangen sei. Es sei anzunehmen, dass die Verbandswechsel nicht
ordnungsgemäß erfolgt seien. Der obere und der untere Tupfer seien angenäht
gewesen und nur der obere habe ausgewechselt werden können, was zur Sepsis
beigetragen habe. Auch wenn die Infektion erst am 12.10.2006 feststellbar gewesen
wäre, hätte der Tod des Herrn …… verhindert werden können. Die Diagnose der
Gasbrandinfektion sei zu spät erfolgt. Jedenfalls hätte sie bereits am Morgen des
12.10.2006 erfolgen müssen, als die Niere bei einer Ultraschalluntersuchung nicht
aufgefunden wurde.
10
Schließlich behauptet die Klägerin, ihr seien Todesfallkosten für u.a. Grabstein, Sarg,
öffentliche Abgaben, Bewirtungsaufwand und Todesanzeigen in Höhe von insgesamt
10.428,11 € entstanden. Außerdem habe sie Fahrtkosten in Höhe von 312,48 € zu
tragen gehabt, weil sie 1.488,00 km wegen der Erkrankung ihres Mannes habe
zurücklegen müssen.
11
Der Verstorbene, führt die Klägerin aus, habe 60 % ihres Haushalts geführt. Für ihren
jetzigen Einpersonenhaushalt fielen 21,7 Stunden an, sie ist daher der Ansicht, sie habe
einen Anspruch auf Ersatz von 15 Stunden, Bemessen nach der Entgeltgruppe 2 TVöD,
hochgerechnet auf einen Monat 544,00 €. In der Zeit von November 2006 bis August
2007 sei ein Schaden in Höhe von 5.440,00 € entstanden.
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Dieser werde sich auch in Zukunft ergeben. Er sei nach § 42 Abs. 2 GKG auf eine
Zeitspanne von 60 Monaten zu begrenzen, woraus sich ein Betrag in Höhe von
32.640,00 € ergebe. Daher sei der Feststellungsantrag begründet.
13
Die Klägerin ist der Auffassung, für die aufgrund der fehlerhaften Behandlung erlittenen
Schmerzen ihres Ehemannes habe sie als Erbin einen übergegangenen
Schmerzensgeldanspruch in Höhe von mindestens 10.000,00 €.
14
Die Klägerin beantragt,
15
16
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu
zahlen, dessen konkrete Bemessung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts
gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit Rechtshängigkeit,
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 16.205,35 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche zukünftigen
materiellen Schäden zu ersetzen, welche ihr aus der fehlerhaften Behandlung
ihres verstorbenen Ehemannes …… im Hause der Beklagten in der Zeit vom
09.10.2006 bis zum 13.10.2006 noch entstehen werden, soweit die hierauf
gerichteten Ansprüche nicht auf Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte
übergegangen sind bzw. übergehen werden.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Der Beklagte behauptet, die Behandlung sei stets lege artis durchgeführt worden. Auch
die hygienischen Bedingungen seien auf dem von Wissenschaft und Technik
vorgeschriebenen Stand gewesen. Die Infektion mit den Gasbranderregern sei am
Mittag des 12.10.2006 aufgetreten, eine Clostridieninfektion habe typischerweise eine
Inkubationszeit von fünf Stunden. Der Ehemann der Klägerin sei in den ersten
postoperativen Tagen weitgehend beschwerdefrei gewesen, Fieber und Puls seien erst
in den frühen Mittagsstunden bis 16.00 Uhr des 12.10.2006 gestiegen. Der Anstieg der
Leukozyten habe sich innerhalb der postoperativen Bandbreite befunden.
20
Eine Antibiotikaprophylaxe, behauptet der Beklagte, sei nicht erforderlich gewesen.
21
Die Beklagte behauptet weiter, angesichts der kurzen Leidenszeit sei das von der
Klägerin geforderte Schmerzensgeld übersetzt, zum geltend gemachten
Haushaltsführungsschaden werde unschlüssig vorgetragen und der Verstorbene habe
auch nicht bis zu seinem Tod die überwiegende Haushaltstätigkeit verrichtet.
22
Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß der Beschlüsse vom 12.01.2008, 10.04.2008
und 23.04.2008. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sachverständigengutachten der Profes. …. und von ….. verwiesen (Bl. 91 ff. dA). Die
Sachverständigen haben ihre Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom
01.09.2009 erläutert, bezüglich des Inhalts der Erläuterungen wird auf das Protokoll der
mündlichen Verhandlung verwiesen.
23
Entscheidungsgründe
24
Die zulässige Klage ist unbegründet.
25
I.
26
Die Klägerin hat gegen den Beklagte keinen Anspruch auf Schmerzensgeld, weder aus
vertraglicher Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, noch wegen unerlaubter
27
Handlung nach § 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB oder einer anderen Vorschrift. Alle diese
Haftungstatbestände setzen eine Pflichtverletzung voraus, die hier nun zu bejahen ist.
1.
28
Es ist der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gelungen,
Pflichtverletzungen, also Behandlungsfehler des Beklagten zu beweisen.
29
a)
30
Nach den Ausführungen des Sachverständigen ……. (S. 17 d.GA), denen die Kammer
folgt, sind postoperative Wundinfektionen schicksalhaft, wenn nicht Hygienemängel
nachgewiesen werden können. Auch bei aseptischen, also keimfreien Eingriffen treten
in 2 % bis 5 % der Fälle postoperative Wundinfektionen auf (S. 24 d.GA). Die
Nichteinhaltung der erforderlichen Hygiene würde allerdings einen Behandlungsfehler
darstellen.
31
Hygienemängel im Haus des Beklagten sind jedoch nicht ersichtlich.
32
Die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, ein Hygieneplan existiere bei der
Beklagten nicht, ist nicht haltbar. Dieser lag dem Gericht und auch den
Sachverständigen bei Erstellung ihres Gutachtens vor. Er wurde der Klägerin zudem vor
der mündlichen Verhandlung durch die Kammer zugesandt.
33
Der Vortrag der Klägerin bezüglich der Nichteinhaltung des Plans ist unsubstantiiert, die
Klägerin hätte an Hand des ihr jedenfalls nachträglich zugestellten Hygieneplans
darlegen müssen, welche Hygienemaßnahmen unterlassen worden sein sollen.
34
Jedenfalls stimmen die Sachverständigen darin überein, dass keine Hygienemängel
vorgelegen haben.
35
Der Sachverständige …… hielt die Hygienemaßnahmen während der Durchführung der
Operation für ausreichend, was er an Hand des Operationsberichtes beurteilen konnte.
Lediglich eine zusätzliche Desinfektion des Nabelbereichs konnte der Sachverständige
nicht feststellen. In der mündlichen Verhandlung stellte der Sachverständige jedoch
durch Einsichtnahme in den Operationsbericht fest, dass der Nabelbereich des
Verstorbenen nicht – wie es aufgrund seiner Adipositas zu erwarten gewesen wäre –
einen besonders tief ausgeprägten Nabelkanal aufwies, sondern der Nabelbereich im
Zeitpunkt der Operation vielmehr erhöht war, weshalb von einer mangelhaften Hygiene
des Nabelbereichs nicht ausgegangen werden könne. Dies ist für die Kammer ohne
Weiteres nachvollziehbar, eine Ausprägung der zu desinfizierenden Fläche nach außen
hin ist denknotwendig einfacher zugänglich und damit leichter desinfizierbar als eine
starke Vertiefung.
36
Auch der Sachverständige ….. konnte keinen Anhaltspunkt für die Nichteinhaltung des
Hygieneplans, den er als ausgesprochen gut organisiert beurteilt (S. 20 d.GA),
entdecken (S. 23 d.GA). Zwar führt ……. in seinem Gutachten (S. 23) aus, dass eine
Dokumentation hinsichtlich der Hygienemaßnahmen nicht existiere, allerdings hat er in
seiner Erläuterung in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sich dies lediglich
auf eine überobligatorische Dokumentation beziehen sollte, etwa bezüglich der Art des
Desinfektionsmittels oder der Desinfektion selbst. Der Sachverständige hat dazu zudem
37
klargestellt, dass eine solche Dokumentation unüblich und nicht erforderlich ist.
b)
38
Die gemeinsame Operation des Nabelbruchs und der Prostata stellt entgegen der
Behauptungen der Klägerin keinen Behandlungsfehler dar. Davon ist die Kammer nach
den Ausführungen der beiden Sachverständigen in ihren jeweiligen Gutachten
überzeugt.
39
Der Sachverständige ….. stellt fest (S. 24 d. GA), dass die gleichzeitige Operation
keinen Behandlungsfehler darstellt. Der Sachverständige …. führt dazu aus (S. 5 d. GA),
dass durch die gemeinsame Operation dem Ehemann der Klägerin das Risiko einer
zweiten Operation erspart wurde, während der Eingriff selbst nur geringfügig
ausgeweitet worden sei.
40
Die Kammer schließt sich diesem Ergebnis der beiden Sachverständigen an. Nach der
allgemeinen Lebenserfahrung sind Operationen stets mit Risiken verbunden, sei es
aufgrund einer erforderlichen weiteren Narkose oder möglichen weiteren Fehlerquellen
des behandelnden Personals, etwa bei der Desinfektion des Operationsraumes oder
des Operationsbesteckes. Durch die zeitgleiche Durchführung der Operationen entfallen
die Risiken einer weiteren Operation an einem anderen Tag.
41
c)
42
Die unterlassene perioperative Antibiotikaprophylaxe stellt keinen Behandlungsfehler
dar.
43
Nach den Ausführungen des Sachverständigen ….. in seinem Gutachten und in der
mündlichen Verhandlung wird eine perioperative Antibiotikaprophylaxe auch im
Zusammenhang mit Operationen an Bereichen, die das Cloristidium perfringens sogar
in starkem Maße beherbergen, nicht empfohlen (S. 19 f. d.GA). Der Sachverständige
begründet dies nachvollziehbar mit der Seltenheit einer durch dieses Bakterium
hervorgerufenen Gasbrandinfektion. Wenn diese Prophylaxe schon bei Operationen in
Bereichen, in denen das Bakterium sehr häufig vorkommt, wie dem Dickdarm oder dem
weiblichen Genital, nicht erforderlich ist, dann ist es für die Kammer schlüssig, dass eine
solche Antibiotikaprophylaxe ebenfalls bei Operationen in Bereichen, in denen das
Bakterium kaum vorkommt, nicht erforderlich ist.
44
Der Sachverständige …… führte in seinem Gutachten (S. 96) zwar aus, dass die – nach
seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung allerdings unverbindlichen –
Leitlinien der europäischen urologischen Gesellschaft aus dem Jahr 2008 und die
derzeit aktuellen Empfehlungen der amerikanischen urologischen Gesellschaft die
Durchführung einer Antibiotikaprophylaxe – insbesondere bei risikogefährdeten
Patienten – empfehlen würden. In der mündlichen Verhandlung am 01.09.2009 schloss
er sich allerdings den Ausführungen des Sachverständigen ….. an, dass es sich bei
dem Unterlassen dieser Antibiotikaprophylaxe nicht um einen Behandlungsfehler
handele, auch wenn er selber in seiner Klinik vor jeder Operation eine solche
durchführen würde. Der Sachverständige begründete dies damit, dass es keine ärztliche
Pflicht gebe, eine Antibiotikaprophylaxe durchzuführen. Jedenfalls könne nicht von
einem groben Behandlungsfehler ausgegangen werden.
45
Dem schließt sich die Kammer an, die insoweit von zwei übereinstimmenden
Sachverständigengutachten ausgeht. Ein Behandlungsfehler kann nicht in dem
Unterlassen einer von dem Arzt nicht geforderten Behandlungsmaßnahme gesehen
werden. Ein Behandlungsfehler bezeichnet eine im konkreten Fall – unter Einsatz der
von dem handelnden Arzt zu fordernden medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen –
nicht vertretbare Entscheidung über diagnostische sowie therapeutische Maßnahmen
oder eine nicht ausreichend sorgfältige Durchführung dieser Maßnahmen (vgl. BGH
NJW 1987, 2292.).
46
2.
47
Im Übrigen kann dahinstehen, ob es sich bei der unterlassenen Antibiotikaprophylaxe
und der Art und Weise der Wundversorgung sowie der streitigen Verabreichung von
Nahrung am ersten postoperativen Tag um Behandlungsfehler handelt. Selbst wenn
dies untestellt würde, wäre es der Klägerin nicht gelungen, die Ursächlichkeit möglicher
Behandlungsfehler der Ärzte des Beklagten zu beweisen. Von einer solchen
Ursächlichkeit ist die Kammer nach der Durchführung der Beweisaufnahme nicht
überzeugt.
48
Die Klägerin ist bezüglich der Ursächlichkeit beweisbelastet. Eine Beweislastumkehr
wäre lediglich beim Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers gegeben (Palandt-
Sprau, BGB 68. Aufl. 2009, § 823 Rn. 162.). Ein grober Behandlungsfehler ist bei einem
eindeutigen Verstoß des behandelnden Arztes gegen bewährte ärztliche
Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse gegeben, wenn dieser
Fehler aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich ist, weil er einem Arzt
schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH NJW 2001, 2792.).
49
a)
50
Selbst wenn man somit von einem Behandlungsfehler aufgrund der unterlassenen
perioperativen Antibiotikaprophlyaxe ausgehen wollte, hätte die Klägerin nicht die
Ursächlichkeit dieses Fehlers für die Gasbrandinfektion ihres Ehemannes bewiesen.
Zwar führt …….. aus (S. 96 f. d.GA), dass der Erreger, der letztlich zum Gasbrand geführt
hat, auf das empfohlene Antibiotikum, nämlich Cephalosporine der zweiten Generation,
sensibel gewesen wäre. Der Sachverständige trägt allerdings ebenso vor, dass ihm die
Beurteilung, ob der Gasbrand hätte verhindert werden können, in der Rückschau nicht
möglich sei. Dem stimmt …… zu (S. 21 d.GA), der zudem anmerkt, dass auch bei der
Durchführung einer Antibiotikaprophylaxe postoperative Wundinfektionen auftreten
können. Das entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung. Es gibt hinreichend
Fälle, in denen die Verabreichung von Medikamenten nicht zu einer Heilung oder
Verhinderung von Krankheiten geführt hat.
51
b)
52
Eine mangelhafte Wundversorgung, wie von der Klägerin behauptet, ist für die Kammer
nicht erkennbar. Der Sachverständige ….. hat festgestellt, dass entgegen den
Behauptungen der Klägerin keine Tupfer angenäht worden seien, sondern mit
Klammern befestigt worden wären. Der Sachverständige … erklärte darüber hinaus (S.
24 d. GA), dass durch die Verwendung von Klammern ohnehin keine Gasbrandinfektion
habe entstehen können. Das ist für die Kammer nachvollziehbar. Die Gasbrandinfektion
wird durch ein Bakterium, nämlich das Cloristidium perfringens, hervorgerufen (S. 17
53
d.GA). Dieses findet sich beim Menschen vornehmlich im Magen-Darm-Trakt und im
weiblichen Genitaltrakt, gelegentlich ist es auf der Haut oder in der Mundschleimhaut zu
finden. Insofern kann sich die Kammer nicht vorstellen, inwiefern durch die Vernähung
eines Tupfers mit der Hautwunde eine Infektion entstehen könnte. Eine Ursächlichkeit
des Tupfers wäre nur denkbar, wenn das Bakterium sich auf diesem befunden hätte,
was klägerseits weder vorgetragen, noch unter Beweis gestellt wird. In diesem Fall
käme es allerdings nicht darauf an, ob der Tupfer an die Wunde geklammert oder
genäht gewesen wäre.
c)
54
Auf ein Verabreichen von Nahrung am ersten postoperativen Tag, wie von der Klägerin
dargelegt, hat sich …. zufolge in den Unterlagen kein Hinweis gefunden. Außerdem, so
führt der Sachverständige aus, bestehe zwischen Nahrungsverabreichungen und
Gasbrandinfektion kein vernünftiger Zusammenhang (S. 27 d. GA).
55
Auch dies ist für die Kammer ohne Weiteres nachvollziehbar. Eine Infektion setzt
jedenfalls den Kontakt mit dem Erreger voraus. Es ist weder dargelegt noch ist es für die
Kammer naheliegend, dass der Gasbranderreger über die angeblich am ersten
postoperativen Tag verabreichte Nahrung in den Körper des Ehemannes der Klägerin
gelangt ist.
56
3.
57
Die vorgenannten Ausführungen des Sachverständigen sind für die Kammer in jeder
Hinsicht nachvollziehbar und plausibel, so dass sie sich die Feststellungen des
Sachverständigen zu Eigen macht. Zweifel an deren Fachkompetenz bestehen nicht.
58
Soweit die Klägerin sich des Weiteren auf einen Diagnosefehler wegen verspäteter
Feststellung der Infektion beruft, hat sie dies nicht bewiesen. Sie trägt schon keine
Symptome vor, aus denen die behandelnden Ärzte auf die zum Tode führende Infektion
hätten schließen können.
59
a)
60
Insbesondere das unstreitig am Tag nach der Operation gegebene erhöhte Schwitzen
sowie die Schwankungen des Blutdrucks und Erbrechen stellen keinen Anhaltspunkt für
die Infektion des Ehemannes der Klägerin mit den Gasbranderregern dar. Diesbezüglich
hat der Sachverständige ……. in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es sich
dabei um gewöhnliche Nacherscheinungen der Narkose gehandelt haben könne, was
für die Kammer nicht zweifelhaft ist. Dass die Anwendung von Medikamenten, die es
ermöglichen, an einem Patienten operative Eingriffe vorzunehmen, zu erheblichen
Nebenwirkungen führen und Einfluss auf die Körperfunktionen nehmen kann, drängt
sich geradezu auf.
61
b)
62
Auch der Anstieg der Leukozyten am 11.10.2006 stelle, nach den überzeugenden
Erläuterungen von ……, kein eindeutiges Zeichen für eine Gasbrandinfektion dar. Es
handele sich bei Leukozyten um ein sehr unspezifisches Parameter. Hieraus könnten
keine eindeutigen Schlüsse gezogen werden. Nach den Ausführungen des
63
Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung erfordere das Feststellen eines
enormen Leukozytenanstieges die genaue Beobachtung des Patienten, aber keine
weiteren diagnostischen Maßnahmen. Es ist klägerseits schon nicht dargelegt, dass
eine sorgfältige Beobachtung des Ehemannes der Klägerin seitens des Beklagten
unterblieben wäre.
c)
64
Hinsichtlich der Nichterkennbarkeit einer Niere des Ehemannes der Klägerin anlässlich
der Ultraschalluntersuchung, so führt der Sachverständige weiter aus, bestehe keine
Beziehung zu dem Gasbrand. Eine solche ist klägerseits nicht dargelegt und für die
Kammer auch sonst nicht erkennbar. Die Gasbrandinfektion führt zum Absterben des
infizierten Gewebes. Inwiefern sich dies auf eine Ultraschalluntersuchung auswirken
könnte, ist nicht ersichtlich.
65
d)
66
Insgesamt stellt der Sachverständige überzeugend und konsequent dar, dass die
Diagnose des Gasbrandes, dessen fataler Verlauf bereits am 11.10.2006 nicht mehr
aufzuhalten gewesen wäre, vor dem 12.10.2006 nicht möglich gewesen sei.
67
II.
68
Infolge des Fehlens einer Pflichtverletzung der Ärzte des Beklagten sind auch die
weiteren, klägerseits geltend gemachten Ansprüche nicht gegeben.
69
III.
70
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.
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