Urteil des LG Paderborn vom 22.06.2010

LG Paderborn (abmahnung, wider besseres wissen, geschäftsführung ohne auftrag, negative feststellungsklage, wiederholungsgefahr, agb, höhe, verfügung, antrag, richtigstellung)

Landgericht Paderborn, 6 O 61/10
Datum:
22.06.2010
Gericht:
Landgericht Paderborn
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 61/10
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Antragstellern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegner Sicherheit in
derselben Höhe vor der Vollstreckung leisten.
Tatbestand
1
Die antragstellende Rechtsanwaltskanzlei nimmt die antragsgegnerische
Rechtsanwaltskanzlei auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Handelns in Anspruch.
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Mit Schreiben vom 31.05.2010 mahnte sie die Antragsgegnerin anlässlich zweier
Abmahnschreiben der Antragsgegnerin an Dritte vom 07. und 18.05.2010 ab mit dem
Verlangen einer strafbewehrten Erklärung, es zukünftig zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken, insbesondere wie in den Werbeschreiben
vom 07.05. und 18.05.2010 geschehen, im Zusammenhang mit Abmahnschreiben an
Personen, welche nicht ihre Mandaten seien, um Einzelfallmandate zu werben und
insbesondere in den Abmahnschreiben eine wort- oder inhaltsgleiche Formulierung wie
folgt zu verwenden:
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"Gern sind wir Ihnen bei der Richtigstellung Ihres Internetauftritts behilflich und
reichen auch unverbindlich aktuelle AGB per Mail.
4
Bitte beachten sie bei Ihrem Internetauftritt die Umstellung der
Widerrufsbelehrung zum 11.05.2010!
5
[…]
6
[…]
6
Aktuelle Belehrungen und Informationen zu den sonstigen In formationspflichten
erhalten Sie unter ………. oder bei jedem deutschen Wettbewerbsanwalt."
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und sich darüber hinaus zur Erstattung der Kosten der Abmahnung nach einem
Gegenstandswert von 100.000,00 € in Höhe von 1.720,20 € zu verpflichten.
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Die Antragsgegnerin erwiderte daraufhin mit Schreiben vom 31.05.2010 wie folgt:
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"Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich erklären wir zur
Vermeidung einer Wiederholungsgefahr und eines EV-Verfahrens, es künftig
schuldhaft zu unterlassen, dem Gegner einer wettbewerbsrechtlichen
Abmahnung anzubieten, bei der Richtigstellung des Internetauftritts behilflich zu
sein oder AGB zu reichen oder Informationen in Wettbewerbssachen in Bezug
auf einen Einzelfall zu reichen oder per Mail AGB zur Verfügung zu stellen oder
anzubieten, aktuelle Belehrungen und Informationen per Mail dazu anzubieten,
und werden im Falle einer Verletzung der Erklärung eine Vertragsstrafe von bis
zu EURO 5.100,00 zahlen, deren Höhe von Ihnen bestimmt und im Streitfalle
unter Abbedingung des § 348 HGB von einem zuständigen Gericht überprüft
werden kann."
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Dessen ungeachtet bestritt sie in diesem Schreiben die Behauptung der Antragstellerin,
in den streitgegenständlichen Abmahnschreiben um Einzelmandate geworben zu
haben, und rügte darüber hinaus zum einen die Erhebung von Gebühren in eigener
Sache und zum anderen den zugrunde gelegten Streitwert als zu 1000% überhöht. Die
Abmahnung der Antragstellerin sei deshalb aus zivil- und strafrechtlichen Gründen zu
beanstanden und greife unberechtigt in ihren eingerichteten und ausgeübten
Kanzleibetrieb ein, weshalb gleichzeitig eine Gegenabmahnung ausgesprochen werde
mit dem Verlangen, die Abmahnung vom 31.05.2010 bis zum 05.06.2010
zurückzunehmen, da sie ansonsten negative Feststellungsklage beim Landgericht
……….. einreichen würden.
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Vor diesem Hintergrund beantragt die Antragstellerin nunmehr den Erlass einer
einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin mit dem Antrag, diese zu
verpflichten, es zu unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, insbesondere wie in den
Werbeschreiben vom 07.05.2010 und 18.05.2010 geschehen, im
Zusammenhang mit Abmahnschreiben an Personen, welche nicht Mandanten
der Rechtsanwälte ……. sind, eine wort- oder inhaltsgleiche Formulierung wie
folgt zu verwenden:
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a)
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"Gern sind wir Ihnen per Mail im Sinne der GoA bei der Richtigstellung Ihres
Internetsauftritts behilflich und reichen auch unverbindlich aktuelle AGB per
Mail."
15
bzw.
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"Gern sind wir Ihnen bei der Richtigstellung Ihres Internetauftritts behilflich und
17
reichen auch unverbindlich aktuelle AGB per Mail."
oder
18
b)
19
Aktuelle Belehrungen und Informationen zu den sonstigen Informationspflichten
erhalten Sie unter ………. oder bei jedem deutschen Wettbewerbsanwalt."
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Den Gesellschaftern der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der
Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen im Antrag zu Ziffer 1. ein
Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht
beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monate angedroht.
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Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Antragsgegnerin habe sich durch die
beanstandeten Abmahnschreiben vom 07. und 18.05.2010 wettbewerbswidrig
verhalten, da sie mit den beanstandeten Passagen um Einzelfallmandate werbe. Die
streitgegenständlichen Passagen seien auch irreführend. Die Antragsgegnerin
behaupte hier, unverbindliche Hilfestellung zu geben. Tatsächlich bringe die
Formulierung dies aber nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, insbesondere löse eine
Übersendung rechtlicher Informationen durch eine Anwaltskanzlei automatisch
Gebührentatbestände des RVG aus. Ihr Unterlassungsanspruch sei nicht durch die
abgegebene Unterlassungserklärung befriedigt, da die Antragsgegnerin gleichzeitig
eine Gegenabmahnung ausgesprochen habe und zur Rücknahme ihrer Abmahnung
vom 31.05.2010 aufgefordert habe. Demgemäß sei die Wiederholungsgefahr durch die
abgegebene Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin nicht beseitigt.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, sich durch die streitgegenständlichen Abmahnschreiben nicht
wettbewerbswidrig verhalten zu haben. Insbesondere aber sei die Abmahnung vom
31.05.2010 rechtsmissbräuchlich, da im überwiegenden Gebühreninteresse
ausgesprochen, was durch den angesetzten, weit überhöhten Gegenstandswert und
überhaupt durch die Berechnung von Gebühren im vorliegenden Fall der
Eigenvertretung belegt werde. Im Übrigen sei die Abmahnung vom 31.05.2010 auch
inhaltlich unbestimmt und die angegangene Kammer örtlich auch nicht zuständig.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und im Übrigen wird auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen. Er ist nicht
zulässig.
28
Die Kammer ist allerdings zumindest hinsichtlich der in dem Abmahnschreiben der
Antragsgegnerin an die in …… ansässige abgemahnte Frau ….. vom 18.05.2010
beanstandeten Textpassagen zuständig, da der insoweit behauptete
Wettbewerbsverstoß im örtlichen Landgerichtsbezirk begangen worden ist.
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Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist unzulässig, da eine
Wiederholungsgefahr nicht mehr besteht. Die Antragsgegnerin hat sich dem geforderten
Unterlassungsverlangen mit Schreiben vom 31.05.2010 (K 5) zwar ohne Anerkennung
einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich und im vollen Umfang unterworfen. Sie ist
damit dem Unterlassungsbegehren der Antragstellerin nachgekommen, sodass eine
Wiederholungsgefahr nicht mehr besteht. Die Unterlassungserklärung ist strafbewehrt,
sodass die Antragstellerin im Fall der Wiederholung des beanstandeten
wettbewerbswidrigen Verhaltens den sich daraus ergebenden Strafanspruch geltend
machen kann.
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Die Erfüllung des Unterlassungsbegehrens ist nicht durch das in demselben Schreiben
seitens der Antragsgegnerin im Wege der Gegenabmahnung gestellte Verlangen auf
Rücknahme der Abmahnung vom 31.05.2010 konterkariert worden. Das Verlangen
ändert erklärtermaßen ("zur Vermeidung einer Wiederholungsgefahr und eines EV-
Verfahrens") nichts an der Rechtsverbindlichkeit der abgegebenen
Unterlassungserklärung. Mit diesem Verlangen wendet sich die Antragsgegnerin
vielmehr im Wesentlichen gegen die Annahme eines Streitwerts von 100.000,00 € und
das Verlangen zur Bezahlung der Kosten der Abmahnung in Höhe von 1.780,20 €.
Dieses Verlangen war zudem berechtigt, wie sich aus den nachfolgenden
Ausführungen ergibt.
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Auch wenn man von einem Fortbestand der Wiederholungsgefahr auf Grund der
möglicherweise widersprüchlichen Erklärungen der Antragsgegnerin in ihrer
Gegenabmahnung vom 31.05.2010 ausgeht, ist das streitgegenständliche
Unterlassungsbegehren rechtsmissbräuchlich, da es der Bestätigung der Abmahnung
der Antragstellerin vom 31.05.2010 und der in diesem Zusammenhang geltend
gemachten Abmahnkosten von 1.780,20 € dient. Diese Forderung ist ersichtlich
ungerechtfertigt, was insoweit auch der nach eigenem Bekunden vornehmlich in Fragen
des Wettbewerbsrechts tätigen Antragstellerin bekannt gewesen sein muss. Bei einer
Abmahnung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum
Wettbewerbsrecht die (Selbst)Beauftragung eines Anwalts weder unter dem
Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag noch unter
schadensersatzrechtlichen Aspekten erforderlich, wenn der Abmahnende in typischen,
unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen selbst über eine hinreichende eigene
Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfügt (vgl. BGH WRP 2007,
428; m.w.N.). Das ist bei der Antragstellerin nach eigener Darlegung zweifelsfrei der
Fall. Neben dem deshalb von vornherein bereits dem Grunde nach nicht berechtigten
Gebührenerstattungsanspruch fällt vorliegend erschwerend ins Gewicht, dass der
angesetzte Gegenstandswert von immerhin 100.000,00 € erkennbar zu mehr als 100 %
übersetzt ist. Die Geltendmachung dieses Gebührenanspruchs wider besseres Wissen
lässt erkennen, dass die Abmahnung der Antragstellerin vom 31.05.2010 ungeachtet
ihrer nicht unberechtigten Verärgerung über die beanstandeten Textpassagen in den
Abmahnschreiben der Antragsgegnerin vornehmlich dem Gebührenerzielungsinteresse
diente. Sie ist damit rechtsmissbräuchlich, § 8 Abs. 4 UWG.
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Nach alledem war der Verfügungsantrag der Antragstellerin mit der Kostenfolge des §
91 Abs.1 ZPO zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 6, 711
ZPO.
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