Urteil des LG Paderborn vom 03.11.2009

LG Paderborn (vollmacht, ausfertigung, innenverhältnis, beurkundung, generalvollmacht, wert, höhe, gegenstand, umstand, einfluss)

Landgericht Paderborn, 3 T 5/09
Datum:
03.11.2009
Gericht:
Landgericht Paderborn
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 T 5/09
Tenor:
Für die Notariatsgebühren zu der Urkunderolle-Nr. …. verbleibt es für die
Vorsorgevollmacht (hier: Generalvollmacht) bei dem von dem Beteiligten
zu 1.) angenommenen Geschäftswert von 100.000,00 €.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Beteiligte zu 1.) beurkundete am 15.10.2008 unter der Urkundenrolle-Nummer …..
eine Vorsorgevollmacht, Patienten- und Betreuungsverfügung der am ….. geborenen
Beteiligten zu 2.), durch die sie ihre am …. geborene Tochter mit einer in der
Vorsorgevollmacht enthaltenen Generalvollmacht ermächtigte, sie in allen persönlichen
und vermögensrechtlichen Interessen und Angelegenheiten zu vertreten. Die Vollmacht
ist im Innen-, jedoch nicht im Außenverhältnis beschränkt. Sie soll weder durch den Tod,
noch durch etwa eintretende Geschäftsunfähigkeit erlöschen. Sie soll auch dann
wirksam bleiben, wenn ein Betreuer bestellt ist.
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Die Beteiligte zu 2.) beantragte, ihr sowohl eine beglaubigte Abschrift als auch eine auf
den Namen der Bevollmächtigten lautende Ausfertigung der Urkunde zu erteilen. Der
Beteiligte zu 1.) übersandte der Beteiligten zu 2.) die angeforderten Dokumente am
17.10.2008. Der Bevollmächtigten wurde von dem Beteiligten zu 1.) hingegen keine
Ausfertigung der Vollmachtsurkunde übergeben.
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Für die Beurkundung der Generalvollmacht berechnete der Beteiligte zu 1.) unter der
Annahme eines Geschäftswertes von 100.000,00 € ausgerichtet am Vermögen der
Beteiligten zu 2.) als Vollmachtgeberin die Hälfte der vollen Gebühr (5/10) gemäß §§ 38
Abs. 2 Nr. 4, 44 Abs. 2 b KostO in Höhe von 103,50 € netto.
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Nach der Prüfung der Notariatsgeschäfte durch den Beteiligten zu 3.) am 21.11.2008
wurde der Beteiligte zu 1.) um Erläuterung der Geschäftswerte mit Hinweis auf eine
Entscheidung des Landgerichts Paderborn mit dem Aktenzeichen 3 T 6/05 gebeten.
Dieser verteidigte seine Wertansätze. Der Beteiligte zu 3.) wies den Beteiligten zu 1.)
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daraufhin durch Schreiben vom 30.03.2009 an, eine Entscheidung des Landgerichts
einzuholen, die unter dem 20.04.2009 beantragt worden ist.
Der Beteiligte zu 3.) als vorgesetzte Dienstbehörde des Notars vertritt in
Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. 3 T 6/05 LG
Paderborn) die Auffassung, dass der Umstand, dass die Bevollmächtigte zunächst keine
Ausfertigung der Vollmachtsurkunde erhalten, sondern diese zu Händen der
Vollmachtgeberin erteilt werden sollte, eine Einschränkung der Vollmacht bedeute.
Dieser Umstand sei bei der Geschäftswertfestsetzung durch einen Wertabschlag in
Höhe von 30 % zu berücksichtigen.
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Der Beteiligte zu 1.) ist der Ansicht, als Geschäftswert sei das volle Aktivvermögen –
hier unstreitig 100.000,00 € – ohne Abzug von Verbindlichkeiten maßgebend. Die
Beschränkung im Innenverhältnis sei unerheblich und rechtfertige demgegenüber keine
Wertabzüge. Es habe mit der Urkundentätigkeit nicht zu tun, ob die ausgestellte
Ausfertigung in die Hände des Bevollmächtigten gelange oder im vorläufigen Besitz der
Vollmachtgeberin verbleibe. Denn darauf habe er keinen Einfluss.
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II.
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Die gemäß § 156 Abs. 6 S. 1 KostO a.F. zulässige Anweisungsbeschwerde ist der
Sache nach unbegründet.
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1. Als Geschäftswert für die Beurkundung der Generalvollmacht ist der von dem
Beteiligten zu 1.) gemäß § 41 Abs. 2 KostO zugrunde gelegte Geschäftswert in Höhe
von 100.000,00 € beizubehalten.
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Für eine im Hinblick auf das Innenverhältnis für den Fall der Geschäfts- und
Handlungsunfähigkeit der Vollmachtgeberin beschränkte, im Außenverhältnis aber
unbeschränkte Vorsorgevollmacht ist in Abkehr der bisherigen Kammerrecht-sprechung
für die Geschäftswertbestimmung kein Wertabschlag vorzunehmen.
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a) Denn grundsätzlich bestimmt sich der Geschäftswert nach dem Wert des
Rechtsverhältnisses, auf das sich die beurkundete Erklärung bezieht, § 39 Abs. 1 S. 1
KostO. Nach § 41 Abs. 2 KostO ist der Wert einer allgemeinen Vollmacht nach freiem
Ermessen zu bestimmen. Dabei sind der Umfang der erteilten Ermächtigung und das
Vermögen des Vollmachtgebers angemessen zu berücksichtigen. Zur Höhe des
Vermögens hat der Beteiligten zu 1.) unter Vorlage eine beglaubigten Ablichtung der
Urschrift ausgeführt, dass die Beteiligte zu 2.) den Wert der Vollmacht (des
Aktivvermögens) mit 100.000,00 € angeben hat.
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Bei einer sachlich und zeitlich unbeschränkten Generalvollmacht ist das volle
Aktivvermögen zugrunde zu legen. Nur wenn die Vollmacht sachlich und/oder zeitlich
beschränkt ist, ist der Wert entsprechend herabzusetzen. Nach diesen Grundsätzen
bestimmt sich auch der Wert einer Vorsorgevollmacht als Generalvollmacht.
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Die vorliegend von der Beteiligten zu 2) erteilte Vollmacht umfasst sämtliche
vermögensrechtliche und nicht vermögensrechtliche Angelegenheiten. Sie ist im
Außenverhältnis unbeschränkt und hat weder aufschiebend bedingte (i.S.d. § 158 BGB)
noch zeitlich beschränkte (i.S.d. § 163 BGB) Rechtswirkungen. Folglich ist die
Beurkundung mit dem vollen Aktivvermögen der Vollmachtgeberin zu bewerten.
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b) Einen Abschlag vom Aktivvermögen aufgrund des Umstandes, dass die Vollmacht im
Innenverhältnis nur für den Fall der Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit der
Beteiligten zu 2.) gelten soll und dass die Beteiligte zu 2.) als Vollmachtgeberin eine
Ausfertigung nur zu ihren Händen beantragt hat, um sie der Bevollmächtigten zu
gegebener Zeit, eventuell verbunden mit weiteren bestimmten Anweisungen
auszuhändigen, ist nach Auffassung der Kammer nicht gerechtfertigt.
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aa) Maßgeblich für die Bestimmung des Geschäftswertes ist allein der objektive Inhalt
der beurkundeten Erklärung. Beschränkungen einer Vollmacht, die sich allein aus dem
Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem oder aus den
Begleitumständen ergeben, sind nicht zu berücksichtigen. Denn die Vollmacht ist in
ihrer Wirksamkeit von dem Innenverhältnis unabhängig. Für den Vollmachtswert kommt
es für die Urkundstätigkeit des Notars nicht darauf an, was der Bevollmächtigte tun soll,
sondern darauf, was dieser aufgrund der Vollmacht tun kann.
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Somit unterscheidet sich die hier von dem Kostengläubiger beurkundete Vollmacht
wesentlich von derjenigen, die Gegenstand der Entscheidung des OLG Stuttgart vom
15.03.2000, Az. 8 W 183/98, ZNotP 2001, 37 war, und bei der das OLG den Ansatz nur
des hälftigen Vermögens als Geschäftswert als im Rahmen des nach § 41 Abs. 2 KostO
eingeräumten Ermessens liegend akzeptiert hat. Die vom OLG Stuttgart zu bewertende
Vollmacht sollte überhaupt nur gelten, wenn der Bevollmächtigte im Besitz einer
Ausfertigung der Vollmachtsurkunde war. Die Ausfertigung konnte der Bevollmächtigte
nur beantragen, wenn durch Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses nachgewiesen wurde,
dass die Vollmachtgeberin geschäftsunfähig war oder insoweit Zweifel bestanden.
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Dagegen ist die hier vom Beteiligten zu 1.) beurkundete Vollmacht eher mit der
Fallgestaltung vergleichbar, wie sie einer Entscheidung des OLG Oldenburg vom
13.07.2005, Az. 3 W 31/05, FGPrax 2005, 274 und einer Entscheidung des OLG
Frankfurt vom 22.01.2007, Az. 20 W 397/04, ZNotP 2007, 237 zugrunde lag. Auch dort
sollte die Vollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt gelten und enthielt nur im
Innenverhältnis die Anweisung, dass die Vollmacht insbesondere dann gelten sollte,
wenn die Vollmachtgeberin nicht mehr selbst für sich sorgen konnte.
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Dieser Rechtsauffassung ist deshalb zu folgen, weil Gegenstand der Beurkundung
lediglich die Vollmacht und nicht das ihr zu Grunde liegende Rechtsverhältnis ist und
deshalb grundsätzlich nur Beschränkungen der Vollmacht selbst und nicht solche, die
das Innenverhältnis betreffen, für die Bewertung der Vollmacht maßgeblich sein können.
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bb) Dass die Bevollmächtigte von den ihr eingeräumten Befugnissen erst dann
Gebrauch machen darf, wenn ihr eine Ausfertigung der Vollmacht in Händen hält und
die weiten Voraussetzungen eingetreten sind, schränkt die beurkundeten Erklärungen in
ihrem Umfang ebenfalls nicht ein.
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Für die Bestimmung des Geschäftswertes der Beurkundung einer Vollmacht kann es
mangels Einfluss des Beteiligten zu 1.) keine Rolle spielen, ob die Beteiligte zu 2.) als
Vollmachtgerberin der Bevollmächtigten die Ausfertigung unmittelbar nach der
Beurkundung oder zu einem späteren Zeitpunkt aushändigt, da dies dem Beteiligten zu
1.) bei der Bestimmung des Wertes nicht bekannt war (vgl. OLG Zweibrücken,
Beschluss vom 28.04.2008, Az. 3 W 250/07, ZNotP 2008, 462 ff.).
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2. Gebühren und Auslagen werden in diesem Verfahren weder von dem Beteiligten zu
1.) aufgrund § 156 Abs. 6 S. 3 KostO a.F. noch von den Beteiligten zu 2.) oder zu 3.)
erhoben.
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3. Die weitere Beschwerde gemäß § 156 Abs. 2 KostO a.F. wird wegen der
grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.
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