Urteil des LG Münster vom 08.07.2010

LG Münster (pflege, irreführende werbung, ärztliche verordnung, werbung, ausbildung, tätigkeit, bezeichnung, irreführung, podologe, prüfung)

Landgericht Münster, 024 O 27/10
Datum:
08.07.2010
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
024 O 27/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassen einer Werbeanzeige in Anspruch.
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Die Klägerin ist Podologin und unterhält eine Praxis für Podologie in H. Die Beklagte mit
Sitz in H ist als Fußpflegerin tätig.
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In der Ausgabe der Zeitschrift Grenzlandwochenpost vom 04.02.2010 warb die Beklagte
mit der Aussage "Praxis für medizinische Fußpflege I...".
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Die Klägerin ist der Auffassung, diese Werbeaussage sei wettbewerbswidrig. Die
Beklagte verstoße damit gegen die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren
Wettbewerb, des Heilmittelwerbegesetzes und auch des Heilpraktikergesetzes. Bei den
angesprochenen Verkehrskreisen, nämlich den Patienten, werde mit der Anzeige der
unzutreffende Eindruck erweckt, dass die Beklagte als medizinische Fußpflegerin tätig
sei, also einen Titel trage, der nach dem Podologengesetz erlaubnispflichtig ist. Es
werde der Eindruck erweckt, die Beklagte verfüge in ihrer Person von Ausbildung und
Fähigkeit her über den Qualitätsstandard, den das Podologengesetz für diejenigen
Berufsangehörigen vorbehalten habe, die die entsprechende Ausbildung durchlaufen
und eine staatliche Prüfung erfolgreich abgelegt hätten.
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In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin u.a. auf eine Stellungnahme des
Bundesministeriums für Gesundheit vom 19.11.2009 (Anlage K 3 zur Klage, Bl. 15 f.
d.A.).
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €,
ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu werben
mit "Praxis für medizinische Fußpflege", wie dies in der Zeitschrift
Grenzlandwochenpost (GWP) in der Ausgabe vom 04.02.2010 auf Seite 19
geschehen ist, ohne eine der Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Podologengesetz
zu erfüllen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt unter Hinweis auf Entscheidungen unter anderem des Oberlandesgerichts
Naumburg und des Oberlandesgerichts Frankfurt die Auffassung, mit ihrer Werbung sei
eine Irreführung schon deshalb nicht verbunden, weil in den angesprochenen
Verkehrskreisen nicht bekannt sei, welche Voraussetzungen an die Führung der
Berufsbezeichnung eines Podologen oder medizinischen Fußpflegers geknüpft sind. Im
Übrigen könne eine exakte Trennung zwischen kosmetischer und medizinischer
Fußpflege auch nicht vorgenommen werden, da die vorsorgende kosmetische
Fußpflege zugleich auch medizinisch sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Eine irreführende Werbung der Beklagten unter Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11, 5 UWG, §
1 Heilpraktikergesetz oder § 3 Heilmittelwerbegesetz ist nicht anzunehmen.
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Dabei ist zunächst herauszustellen, dass, wie sich aus der Begründung des
Podologengesetzes vom 04.12.2001 ergibt, mit dem Gesetz nicht bezweckt ist, anderen
Anbietern als Podologen Leistungen im Bereich der medizinischen Fußpflege zu
untersagen. Geschützt und von einer Ausbildung nebst staatlicher Prüfung abhängig
gemacht ist lediglich die Führung des Titels "Podologe" oder "medizinischer
Fußpfleger", nicht aber die Tätigkeit als solche. In der Begründung des
Gesetzesentwurfes durch die Bundesregierung heißt es (Bundestagsdrucksache
14/7107):
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"Auch die geplante gesetzliche Regelung schließt die Bezeichnung der Behandlung als
medizinische Fußpflege z.B. auf ihrem Praxisschild nicht aus; jedoch gewährleistet die
neue Berufsbezeichnung dem Patienten auf die Zukunft gesehen eine Abgrenzung der
Behandler."
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Der Beklagten kann also nicht entgegengehalten werden, sie werbe durch die
Bezeichnung "medizinische Fußpflege" unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot.
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Auch eine Irreführung der angesprochenen Patienten kann nicht angenommen werden.
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Die Kammer schließt sich insoweit der Einschätzung des Oberlandesgerichts
Naumburg in dessen Urteil vom 04.03.2004 (Aktenzeichen 7 U 58/03 OLG Naumburg)
an, wonach innerhalb der angesprochenen Verkehrskreise die Tatsache nicht bekannt
ist, dass die Führung der Berufsbezeichnung eines Podologen besondere
Voraussetzungen hat und dass die angesprochenen Verkehrskreise sich daran
orientieren, ob durch den Gewerbetreibenden entsprechende fußpflegerische
Leistungen angeboten werden, nicht aber an der Berechtigung zur Führung einer
Berufsbezeichnung.
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Gleicher Auffassung ist auch das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 07.06.2005,
Aktenzeichen 14 U 198/04), welches betont, der Begriff "Podologe" sei außerhalb der
Fachkreise nicht bekannt; insbesondere sei nicht bekannt, dass derjenige, der sich als
Podologe oder als medizinischer Fußpfleger bezeichne, eine zweijährige Ausbildung
durchlaufen und eine staatliche Prüfung absolvieren müsse.
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Davon ausgehend überzeugen die Bewertungen des Oberlandesgerichts Naumburg
und des Oberlandesgerichts Frankfurt, eine Irreführung der Patienten scheide aus, weil
die Verkehrskreise mit einer Werbung für "medizinische Fußpflege" nicht die Auffassung
verbinden, die werbende Person erfülle die Voraussetzungen des Podologengesetzes.
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Hinzu kommt, dass der Beklagten die Werbung für eine erlaubte Tätigkeit auch aus
verfassungsrechtlichen Gründen nicht untersagt werden kann. Die durch Artikel 12 GG
gewährleistete Freiheit der Berufsausübung beinhaltet nämlich auch die Möglichkeit, für
berufliche Tätigkeiten zu werben, deren Ausübung nicht gesetzlich beschränkt ist.
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Die Kammer teilt auch insoweit die rechtliche Bewertung des Oberlandesgerichts
Frankfurt in der Entscheidung vom 07.06.2005, die dort mit folgenden Formulierungen
wiedergegeben ist:
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"Selbst wenn aber mittlerweile einzelne Interessenten für medizinische Fußpflege über
die Vorschriften des Podologengesetzes informiert wären und deshalb die
Irreführungsgefahr im Einzelfall zu bejahen wäre, könnte der Beklagten der Hinweis auf
die von ihr angebotenen Dienste als "med. Fußpflege" nicht verboten werden. Da die
erlaubte wirtschaftliche und berufliche Betätigung und auch die berufliche oder
gewerbliche Außendarstellung einschließlich der Werbung in den Schutzbereich des
Artikels 12 GG fallen, müssen die Vorschriften des UWG unter Beachtung dieses
Grundrechts ausgelegt werden, so dass ein Verbot einer Außendarstellung oder
Werbung im Einzelfall unverhältnismäßig sein kann. So liegt der Fall hier. Die Beklagte
übt die Tätigkeit "medizinische Fußpflege" weiterhin erlaubtermaßen aus. Die
Irreführungsgefahr durch die Angabe "med. Fußpflege" und ihre Bedeutung für die
relevanten Verkehrskreise ist gering, weil besonders schutzbedürftige Patienten, die auf
die Behandlung eines qualifizierten Podologen wegen einer Erkrankung angewiesen
sind, medizinische Fußpflege auf ärztliche Verordnung in Anspruch nehmen werden
und von der Beklagten mangels Kassenzulassung ohnehin nicht behandelt werden
können. Unter diesen Umständen wäre es im Hinblick auf den vom Grundgesetz
garantierten Schutz der erlaubten beruflichen Betätigung unverhältnismäßig, der
Beklagten die Bezeichnung ihrer Tätigkeit mit Außenwirkung als "med. Fußpflege" zu
verbieten."
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Der Klägerin war eine Gelegenheit zur Stellungnahme auf den Schriftsatz der Beklagten
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vom 05.07.2010 nicht einzuräumen, weil dieser Schriftsatz nicht als
Entscheidungsgrundlage der Kammer berücksichtigt worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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