Urteil des LG Münster vom 16.09.2010

LG Münster (handelsvertreter, auskunft, freiwillige leistung, anlage, treu und glauben, höhe, kündigung, bezug, tätigkeit, antrag)

Landgericht Münster, 024 O 94/09
Datum:
16.09.2010
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
024 O 94/09
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt,
an die Klägerin 39.700,-- € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem
jeweiligen Basiszinssatz ab dem 27.05.2009 zu zahlen,
sowie der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche weiteren Gelder
ihm die Firma G bis zum 31.10.2007 zugewendet hat,
und die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner der Klägerin erteilten
Auskunft, während der Laufzeit des Handelsvertretervertrages bis
einschließlich zum 31.10.2007 nicht für die G konkurrierend tätig
geworden zu sein, insbesondere keine Geschäfte oder Verträge bei
dieser eingereicht zu haben, an Eides statt zu versichern.
Hinsichtlich der Klageanträge zu 1) (Zahlung von 18.810,19 € mit
Nebenforderungen) und zu 5) (Auskunft zur Verwendung der Software
für eine private Finanzstrategie) wird die Klage abgewiesen.
Der Klageantrag zu 4) (Versicherung an Eides statt) wird im Übrigen
abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,-- €
vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin ist ein Unternehmen der Wirtschaftsberatung und Finanzbetreuung.
2
Der Beklagte war ab Februar 2003 als Handelsvertreter für die Klägerin tätig.
3
Der Vertragsbeziehung der Parteien liegt der schriftliche "Handelsvertretervertrag" vom
07.01./07.02.2003 zugrunde, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 1 zur
Klagebegründung (Bl. 32 ff. d. A.) verwiesen wird.
4
Bis Mitte des Jahres 2007 war der Beklagte bei der Klägerin als Führungskraft in der
Funktion eines Teammanagers tätig.
5
Mit Schreiben vom 23.07.2007 erklärte der Beklagte die Kündigung des
Handelsvertretervertrages mit sofortiger Wirkung.
6
Die Klägerin wiedersprach mit Schreiben vom 27.07.2007 der fristlosen Kündigung und
bestätigte die Kündigung als fristgemäß zum 31.10.2007.
7
In der Folgezeit hielt die Klägerin dem Beklagten u. a. vor, er sei vertragswidrig bereits
für die Konkurrenz tätig.
8
In einem Schreiben vom 19.10.2007 (Anlage K 8, Bl. 42 d. A.) teilte der Beklagte der
Klägerin u. a. folgendes mit:
9
"Ihre Vorwürfe und Unterstellungen entsprechen nicht der Wahrheit. Wie Sie
richtigerweise feststellten, befinde ich mich noch bis einschließlich 31. Oktober 2007 in
Ihren Diensten. So lange werde ich mich an meine vertraglichen Pflichten halten und
diese erfüllen. Auch in der Vergangenheit habe ich mich niemals vertragswidrig oder
gesetzeswidrig verhalten. Ohne zu wissen, auf welchen Wettbewerber Sie hier pauschal
anspielen, lasse ich Sie wissen, dass ich keinen Wettbewerber unterstützt, Geschäfte
oder Verträge für einen solchen eingereicht, vermittelnd, unterstützend oder fördernd
aufgetreten bin oder mich in sonstiger Weise vorwerfbar verhalten habe."
10
Der Beklagte nahm schließlich eine Tätigkeit als Handelsvertreter für die neu
gegründete G auf, ein in Konkurrenz zur Klägerin stehendes Unternehmen.
11
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünden gegen den Beklagten Ansprüche einerseits
aus dem Handelsvertretervertrag mit diesem und andererseits im Hinblick auf dessen
Tätig werden für die G zu.
12
Sie beantragt,
13
1.
14
den Beklagten zu verurteilen, an sie 18.810,10 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen
über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 10.470,49 € ab dem 05.09.2008 (Zustellung
des Mahnbescheides) und auf weitere 8.339,70 € ab dem 27.05.2009 (Zustellung
der Anspruchsbegründung) sowie weitere 12,50 € zu zahlen,
15
2.
16
den Beklagten zu verurteilen, an sie 39.700,-- € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen
über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 27.05.2009 (Rechtshängigkeit) zu
zahlen,
17
3.
18
den Beklagten im Wege der Stufenklage zu verurteilen,
19
a)
20
in der ersten Stufe
21
ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche weiteren Gelder ihm die Firma G bis zum
31.10.2007 zugewendet hat,
22
b)
23
in der zweiten Stufe
24
ggf. die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner zu Ziffer 3 lit. a) erteilten Auskunft an
Eides statt zu versichern,
25
c)
26
in der dritten Stufe
27
an sie die sich aus der Auskunft gemäß Ziffer 3 lit. a) ergebenden weiteren Beträge
nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit Zustellung der Anspruchsbegründung zu zahlen,
28
4.
29
den Beklagten zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner ihr erteilten
Auskunft, während der Laufzeit des Handelsvertretervertrages bis einschließlich
zum 31.10.2007 nicht für die G oder ein anderes im Wettbewerb zu ihr, der
Klägerin, stehendes Unternehmen konkurrierend tätig geworden zu sein,
insbesondere keine Geschäfte oder Verträge bei einem anderen Wettbewerber
eingereicht, ihn mittelbar oder unmittelbar gefördert und/oder in sonstiger Weise
unterstütz zu haben, an Eides statt zu versichern,
30
5.
31
den Beklagten zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, in welchen Fällen er
unter Zuhilfenahme ihrer, der Klägerin, Software für welche Kunden eine private
Finanzstrategie gefertigt und welche Gebühren er hierfür vereinnahmt hat.
32
Der Beklagte beantragt,
33
die Klage abzuweisen.
34
Er ist der Auffassung, die geltend gemachten Forderungen seien sämtlich nicht
berechtigt.
35
Hinsichtlich der einzelnen Klageanträge stellt sich der Sach- und Streitstand im
36
Wesentlichen wie folgt dar:
Klageantrag zu 1):
37
Die Klägerin ist der Auffassung, aus der Abrechnung des Vertragsverhältnisses unter
Berücksichtigung der bereits geleisteten Provisionsvorschüsse stehe im Ergebnis zu
ihren Gunsten ein Guthaben von jedenfalls 18.810,19 € offen.
38
Wie in Ziffer 5.8 des Handelsvertretervertrages vorgesehen, wurde das Provisionskonto
des Beklagten zur Handelsvertreter-Nr. ##### im Kontokorrent geführt.
39
Nach der seitens des Beklagten erklärten Kündigung stellte die Klägerin den Beklagten
von seinen Aufgaben frei und richtete zugleich ein weiteres Provisionskonto zur Zweit-
Nr. #### ein.
40
Unter Hinweis auf die als Seiten 14 ff. in die Klagebegründung eingebundene
Kontenübersicht ab dem Monat Februar 2003 (Bl. 22 ff. d. A.) errechnet die Klägerin
bezogen auf das Hauptkonto einen Soll-Saldo zum Nachteil des Beklagten
41
in Höhe von 19.018,07 €,
42
nämlich bei Provisionsvorschüssen in einer Gesamthöhe
43
von 319.777,08 €
44
gegenüber tatsächlich verdienten Provisionen
45
in Höhe von 300.751,01 €.
46
Davon bringt die Klägerin ein auf dem Zweitkonto
47
vorgehaltenes Guthaben von 182,54 €
48
sowie die dort vorgehaltene Stornoreserve von 25,34 €
49
in Abzug und errechnet so den Klagebetrag von 18.810,19 €.
50
Die Parteien streiten in dem vorliegenden Rechtsstreit über die Berechtigung
verschiedener Abzugspositionen, welche die Klägerin zu Lasten des Beklagten in das
Kontokorrent eingestellt hat. Insbesondere zu einzelnen im Hinblick auf die Stornierung
von Verträgen und auch auf eine Vertragsstrafe erfolgten Buchungen haben die
Parteien ausführlich vorgetragen.
51
Streitig ist u. a., ob die Klägerin zu Recht oder zu Unrecht dem Beklagten zunächst als
EAS (Sonderbonus) und als WZW (Wertzuwachswettbewerb) gutgeschriebene Beträge
mit einer Teilsumme von 18.316,39 €
52
wieder belastet hat.
53
Mit der als Anlage K 21 (Bl. 214 f.) zur Akte gereichten Provisionsabrechnung Nr. #####
für den Zeitraum vom 22.07.2007 bis zum 26.08.2007 hat die Klägerin den Beklagten
54
über folgende Belastungen unterrichtet:
EAS 2006 - 5.676,51 €
55
EAS 2005 - 8.129,42 €
56
EAS 2004 - 936,24 €
57
WZW 2007 - 1.135,30 €
58
und WZW 2006 - 2.438,83 €.
59
Die Klägerin ist der Auffassung, aufgrund des Ausscheidens des Beklagten sei sie
berechtigt, die erfolgsabhängigen Sonderbonifikationen und die sogenannten
Wertzuwachswettbewerb-Zahlungen rück zu belasten.
60
In diesem Zusammenhang verweist sie darauf, sie habe im Jahre 2004 ein neues
Vergütungs- und Karrieresystem eingeführt, mit welchem sich auch der Beklagte
einverstanden erklärt habe. Danach sei festzuhalten, dass die
Sonderbonifikationszahlung eine freiwillige Leistung darstelle, die auf Vorschussbasis
erfolge und die Treue des Handelsvertreters zum Unternehmen würdige. Die
entsprechenden Zahlungen seien daher vom Grunde her rückzahlbar. Die
Rückzahlungsverpflichtung entfalle nur, sofern sich der Handelsvertreter auch über den
Zeitpunkt der Auszahlung hinaus mindestens für weitere 12 Monate in einem
ungekündigten Vertragsverhältnis zu ihr, der Klägerin, befinde.
61
Im Einzelnen nimmt die Klägerin insoweit auf die schriftlichen Unterlagen vom
16./18.02.2004 (Anlagen K 24 und K 25, Bl. 219 – 222 d. A.) Bezug sowie auf die
Erklärungen des Beklagten vom 23.07.2004 (Anlage K 26, Bl. 223 d. A.), vom
25.02.2005 (Anlage K 27, Bl. 224 d. A.), vom 20.02.2006 (Anlage K 28, Bl. 225 d. A.)
und vom 07.03.2007 (Anlage K 29, Bl. 226 d. A.).
62
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 14.08.2007 (Anlage K 34, Bl. 469 f. d. A.) der
Rückbuchung des Betrages von 18.316,30 € widersprochen.
63
Er meint, für die Rückbelastung fehle ein Rechtsgrund. Es handele sich keineswegs um
eine freiwillige Leistung, sondern um eine durch Tätigkeit verdiente Vergütung. Die
Regelungen zu dem Rückforderungsvorbehalt liefen zudem auf eine gemäß § 89 Abs. 2
HGB unzulässige und unwirksame Kündigungserschwernis hinaus.
64
Der Beklagte wendet sich zudem gegen die Belastung mit Kosten in Höhe von
insgesamt 837,28 €
65
für die Überlassung der Zeitschrift "Finanzplaner".
66
Er ist der Meinung, es handele sich dabei um eine Unterlage im Sinne von § 86 a HGB,
welche ihm die Klägerin habe unentgeltlich zur Verfügung stellen müssen.
67
Dem tritt die Klägerin entgegen. Sie verweist darauf, bei der Zeitschrift "AWD
Finanzplaner" handele es sich nicht um eine Kundenzeitschrift, sondern um ein
Wirtschafts- und Finanzmagazin, welches Informationen rund um die Themen Geld und
68
Lifestyle biete; es habe auch keine Verpflichtung des Beklagten bestanden, diese
Zeitschrift zu beziehen.
Die Klägerin meint außerdem, der Beklagte sei daran gebunden, dass er in der
Vergangenheit den jeweiligen Monatssalden nicht widersprochen, also diese anerkannt
habe. Teilweise seien die Forderungen auch verjährt. Außerdem könnten die
Gegenforderungen wegen des Aufrechnungsverbotes in Ziffer 12.4 des
Handelsvertretervertrages nicht berücksichtigt werden.
69
Klageantrag zu 2):
70
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 39.700,-- € mit der Begründung, der Beklagte
habe entsprechende Zahlungen durch die Konkurrentin G als Handgelder im Hinblick
auf den Wechsel erhalten und habe diese pflichtwidrig entgegengenommenen Beträge
auszukehren.
71
Dazu behauptet die Klägerin:
72
Der Beklagte sei unter Verstoß gegen das Konkurrenzverbot in Ziffer 7.2 des
Handelsvertretervertrages bereits vor Ablauf dieses Vertrages per 31.10.2007 für die G
tätig geworden. Von dieser sei er auf der Karrierestufe eines Regionalleiters
eingebunden worden und habe für jede von ihm im Eigenumsatz vermittelte
Produktionseinheit 13,-- €, statt wie zuvor von ihr, der Klägerin, 10,00 €, erhalten. Er
habe sein gesamtes aus 11 Handelsvertretern bestehendes Team abgeworben und
dazu veranlasst, die Verträge mit ihr, der Klägerin, zu kündigen. Schon vor Beendigung
des mit ihr, der Klägerin, bestehenden Vertragsverhältnisses habe der Beklagte in B ein
Büro für die G eingerichtet und dieses zur Büroschlüssel-Nr. B ### geführt. Durch die G
habe er zunächst den Alias-Namen G D # zugeordnet bekommen. Bereits in der Zeit
vom 03.09.2007 bis zum 07.09.2007 habe er an Vertriebsschulungen der G
teilgenommen.
73
In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf folgende unstreitigen Umstände:
74
Der Beklagte erhielt von der G am 31.07.2007 einen
75
Betrag von 25.700,-- €
76
und am 20.09.2007 weitere 7.000,-- €
77
sowie am 25.09.2007 weitere 7.000,-- €.
78
Die 11 dem Beklagten zugeordneten Handelsvertreter erklärten im Jahre 2007, ab dem
12.07.2007, die Kündigung des Vertragsverhältnisses, und zwar die Handelsvertreter I
zum 31.10.2007, B1 zum 31.08.2007, S zum 31.10.2007, M zum 31.08.2007, T zum
31.12.2007, T1 zum 31.10.2007, U zum 31.10.2007, C zum 31.08.2007, S1 zum
30.09.2007, W zum 31.08.2007 und W1 zum 31.08.2007.
79
Da der Beklagte die Handgelder auch im Hinblick auf die Abwerbung dieser
Handelsvertreter erhalten habe, so meint die Klägerin, sei er auf der Grundlage der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (insbesondere Urteil vom 02.04.2001 zu sog.
Schmiergeldern) verpflichtet, ihr die empfangenen Beträge herauszugeben.
80
Der Beklagte bestreitet, vor Ende Oktober 2007 für die Konkurrenz tätig geworden zu
sein oder andere Handelsvertreter abgeworben zu haben.
81
Er behauptet:
82
Von der Kündigung weiterer Handelsvertreter ab dem 12.07.2007 habe er erst nach
seiner Rückkehr aus I 1 erfahren und dann selbst mit der eigenen Kündigung vom
23.07.2007 darauf reagiert. Die – unstreitigen – Zahlungen der G an ihn seien
keinesfalls sog. "Kopfgelder" gewesen. Es habe sich vielmehr vereinbarungsgemäß um
Überbrückungsgeldzahlungen gehandelt, vor dem Hintergrund, dass die Klägerin im
Wesentlichen Zahlungen eingestellt habe und er, der Beklagte, seinen Lebensunterhalt
habe bestreiten müssen. Die Zahlungen seitens der G seien also ausschließlich als
Vorschüsse im Hinblick auf nach Oktober 2007 zu erbringende Tätigkeiten erfolgt. Er
habe sich also diese Zahlungen auf Provisionen anrechnen lassen müssen.
83
Als Anlage B 3 hat der Beklagte in Ablichtung einen zwischen der G und ihm
geschlossenen "Finanzberatervertrag" vorgelegt, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt
333 f. d. A. Bezug genommen wird. Gemäß Ziffer 3 der Vertragsurkunde sollte
Vertragsbeginn der 01.11.2007 sein. Neben der oberhalb der Unterschriften eingefügten
Formulierung "H, den ..." ist ein Datum nicht eingetragen.
84
Als Anlage B 16 (Bl. 553 ff. d. A.) hat der Beklagte außerdem einen auf den
10.10.2007/05.11.2007 datierten "Sideletter zum Finanzberatervertrag" eingereicht, auf
dessen Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird.
85
An der Veranstaltung der G vom 03.09.2007 bis zum 07.09.2007 habe er zwar
teilgenommen; es habe sich dabei aber lediglich um eine Informationsveranstaltung im
Hinblick auf die künftige Tätigkeit gehandelt.
86
Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 14.09.2009 u. a. auf ein
Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Celle (Az.: 11 U 36/09) hingewiesen, in
welchem deutlich gemacht worden sei, dass den Handelsvertreter die sekundäre
Darlegungs- und Beweislast für die konkrete Bestimmung der durch die G empfangenen
Handgelder treffe. Mit Schriftsatz vom 27.11.2009 hat sie als Anlage K 45 eine
Ablichtung des Urteils des Oberlandesgerichts Celle vom 29.10.2009 zur Akte gegeben.
87
Klageantrag zu 3):
88
Mit diesem Antrag begehrt die Klägerin im Rahmen einer Stufenklage zunächst
Auskunft, um dann ggf. auf einer weiteren Stufe die Versicherung der Richtigkeit erteilter
Auskünfte an Eides statt und auf einer weiteren Stufe einen eventuellen Zahlungsantrag
zu verfolgen.
89
Sie ist der Auffassung, der Beklagte habe Auskunft darüber zu erteilen, welche
zusätzlichen Zahlungen über den Betrag von 39.700,-- € hinaus er in der Zeit bis zum
31.10.2007 durch die G erhalten habe.
90
Der Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, nicht zur Auskunft über weitere
Zahlungen bis zum Vertragsende mit der Klägerin am 31.10.2007 verpflichtet zu sein, da
der Erhalt von Zahlungen nicht wettbewerbswidrig sei.
91
Klageantrag zu 4):
92
Mit diesem Antrag nimmt die Klägerin den Beklagten auf Versicherung der Richtigkeit
bisher erteilter Auskünfte an Eides statt in Anspruch.
93
Klageantrag zu 5):
94
Die Klägerin macht insoweit – zur Vorbereitung eines eventuellen Zahlungsanspruchs –
einen Auskunftsanspruch in Bezug auf die Verwendung ihrer Software durch den
Beklagten zur Erstellung einer sogenannten privaten Finanzstrategie für Kunden
geltend.
95
Zur Begründung führt sie aus, der Beklagte habe von Kunden für die Fertigung dieser
sogenannten privaten Finanzstrategien jeweils eine Gebühr von 95,-- € vereinnahmt
und nicht an sie, die Klägerin, abgeführt. Nunmehr wende sich der Beklagte aber gegen
die Belastung mit Kosten für die ihm zur Verfügung gestellte Software. Falls ihm diese
Kosten wieder gutzuschreiben seien, müsse jedenfalls ein Bereicherungsausgleich
durchgeführt werden.
96
Der Beklagte wendet diesbezüglich ein, die Erstellung privater Finanzstrategien habe
zum regelmäßigen Beratungskonzept der Klägerin gehört, schon um möglichst
umfassend Daten der Kunden zu erhalten. Dementsprechend habe es hierfür auch ein
von der Klägerin vorgefertigtes Formular gegeben. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem
Rechtsgrund er nunmehr verpflichtet sein solle, sogenannte Schutzgebühren an die
Klägerin auszukehren.
97
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
98
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
99
Die Klage ist teilweise begründet.
100
Über die Klageanträge zu 1), 2), 4) und zu 5) kann abschließend entschieden werden.
101
Der Klageantrag zu Ziffer 3) beinhaltet eine gemäß § 254 ZPO zulässige Stufenklage.
Insoweit kann zunächst nur über das in der ersten Stufe gemäß 3 a) gestellte
Auskunftsbegehren entschieden werden (vgl. auch Zöller-Greger, Kommentar zur
Zivilprozessordnung, § 254 ZPO Rdnr. 7). Die je nach dem Inhalt der zu erteilenden
Auskunft auf den weiteren Stufen zu 3 b) und 3 c) zu stellenden Anträge sind noch nicht
zur Entscheidung reif.
102
Deshalb war das vorliegende Urteil insgesamt als Teilurteil gemäß § 301 ZPO zu
verkünden.
103
Hinsichtlich der einzelnen Klageanträge gilt Folgendes:
104
Klageantrag zu 1):
105
Dieser Antrag bleibt ohne Erfolg.
106
Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus dem
Kontokorrentvertrag der Parteien gemäß § 355 HGB wegen einer Überzahlung gemäß §
812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB, § 87 a Abs. 3 S. 2 HGB nicht zu.
107
Es kann nicht festgestellt werden, dass sich aus dem Abrechnungsverhältnis der
Parteien im Ergebnis ein Guthaben zugunsten der Klägerin ergibt.
108
Dabei kann die Mehrzahl der vielfältigen von den Parteien aufgeworfenen Fragen
letztlich dahingestellt bleiben.
109
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch von 18.810,19 €
110
ist jedenfalls deshalb zu verneinen, weil die beiden im Tatbestand dieses Urteils
konkreter dargestellten Einzelpositionen zu Lasten der Klägerin in der
Kontokorrentabrechnung in Abzug zu bringen sind, nämlich 18.316,30 €
111
wegen der Sonderzuwendungen EAS/WZW und
112
weitere 837,28 €
113
im Hinblick auf die Zeitschrift "AWD Finanzplaner".
114
Schon nach Abzug dieser beiden Positionen steht fest, dass ein Guthaben zu Gunsten
der Klägerin nicht besteht.
115
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Beklagte sei mit
Einwendungen gegenüber der Saldenabrechnung ausgeschlossen, weil er Einwände
hätte früher geltend machen müssen.
116
Gemäß § 812 Abs. 2 BGB kann nämlich ein sachlich unrichtiges Saldoanerkenntnis
widerrufen werden. Es werden dann nur die verbindlichen Einzelposten unabhängig
von den unzutreffend eingebuchten Positionen verrechnet (vgl. Baumbach/Hopt,
Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 355 HGB Rdnr. 10 m.w.N.).
117
Im Übrigen hat der Beklagte hinsichtlich der Rückbelastung in Höhe von 18.316,39 €
gemäß Abrechnung zum 26.08.2007 bereits mit Schreiben vom 14.08.2007, also
unverzüglich, widersprochen.
118
Auch das Aufrechnungsverbot gemäß Ziffer 12.4 des Handelsvertretervertrages greift
nicht zugunsten der Klägerin ein, da Sie selbst gegenüber unstreitigen
Provisionsansprüchen des Beklagten mit nach ihrer Auffassung bestehenden
Rückforderungsansprüchen die Aufrechnung erklärt.
119
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung
berufen. Auch insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sie im Juli 2007 die
Gegenansprüche von 18.316,30 € gegenüber nicht verjährten Provisionsforderungen
des Beklagten erhoben hat und nicht etwa der Beklagte nach Ablauf der Verjährungsfrist
erstmals Ansprüche in dieser Höhe geltend macht. Im Übrigen greift die
Verjährungseinrede gemäß § 215 BGB deshalb nicht durch, weil sich die gegenseitigen
Ansprüche bereits in unverjährter Zeit aufrechenbar gegenüber gestanden haben.
120
Die Klägerin war nicht berechtigt, wie mit der Provisionsabrechnung Nr. #####
geschehen, die als EAS-Sonderbonus und WZW-Wertzuwachswettbewerb
gutgeschriebenen Beträge zurück zu buchen. Aus Vereinbarungen, nach welchen
entsprechende Leistungen freiwillig und im Falle einer Kündigung innerhalb von 12
Monaten rückzahlbar sein sollen, kann die Klägerin Rechte nicht herleiten.
121
Zunächst ist nicht ersichtlich, inwieweit diese Abreden für Sondergratifikationen gelten
sollen, hinsichtlich derer der Berechnungszeitraum im Juli 2007 bereits mehr als 12
Monate zurück lag. Dieses betrifft jedenfalls die EAS 2005 in Höhe von 8.129,42 €, die
EAS 2004 in Höhe von 936,24 € und die WZW 2006 in Höhe von 2.438,83 €.
122
Im Übrigen sind die entsprechenden Vereinbarungen unwirksam.
123
Im Rahmen der Beurteilung kann letztlich offen bleiben, ob die Unwirksamkeit aus § 89
a Abs. 1 S. 2 HGB folgt, weil durch die Vertragsregelung eine Kündigung in
unzulässiger Weise erschwert wird (insoweit bejahend Landgericht Hannover, Urteil
vom 08.01.2009, Az.: 3 O 341/07; verneinend Oberlandesgericht Celle, Urteil vom
29.10.2009, Az.: 11 U 36/09).
124
Die Unwirksamkeit der Abrede folgt jedenfalls aus § 307 Abs. 1 BGB aufgrund einer
darin enthaltenen unangemessenen Benachteiligung des Handelsvertreters.
125
Das Gericht teilt insoweit die Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg in dessen
Beschluss vom 16.02.2010, Az.: 6 U 164/09 OLG Naumburg, die auch von dem
Landgericht Rostock vertreten wird (Urteil vom 25.09.2009, Az.: 8 O 11/09 LG Rostock).
126
Wie insbesondere das Oberlandesgericht Naumburg überzeugend ausgeführt hat, ist
auch im Lichte der Berufsfreiheit gemäß Artikel 12 GG zu bedenken, dass
Rückzahlungsklauseln bezüglich gewährter Sonderzahlungen nicht zu einer
Behinderung in der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit führen dürfen. Vor
diesem Hintergrund schränkt die seitens der Klägerin vorgesehene 12-monatige
Bindungsfrist, wie das OLG Naumburg im Einzelnen ausführlich dargelegt hat, die
Entschließungsfreiheit des Handelsvertreters in einem Ausmaß ein, das durch den mit
der Sonderzuwendung verfolgten Zweck nicht mehr gerechtfertigt ist. Die
Sonderzuwendung hat eine Doppelfunktion. Sie soll einerseits Belohnung für die im
zurückliegenden Abrechnungszeitraum geleistete Tätigkeit darstellen. Andererseits soll
sie auch einen Anreiz zu weiterer Unternehmenstreue bieten. Die Regelung, wonach im
Falle einer Kündigung für den 12-Monatszeitraum die gesamte Sondergratifikation
zurückzuzahlen ist, wird dem Zweck, neben künftiger Betriebstreue auch den Erfolg der
Tätigkeit im zurückliegenden Bezugszeitraum zu belohnen, nicht mehr gerecht. Der eine
Teil der Doppelfunktion bleibt dabei unberücksichtigt. Diese Konsequenz erscheint
unverhältnismäßig und angesichts der mit der Vertragsregelung verfolgten
Zweckrichtungen nicht mehr zu rechtfertigen. Da der Handelsvertreter – hier der
Beklagte - dadurch in unangemessener Weise benachteiligt wird, hält die Regelung der
Inhaltskontrolle nicht stand, mit der Folge, dass aus ihr insgesamt Rechtswirkungen
nicht hergeleitet werden können.
127
Weitere 837,28 €
128
hat die Klägerin dem Beklagten zu Unrecht als Kostenbeteiligung für die Zeitschrift
129
"AWD-Finanzplaner" abgezogen.
Das Oberlandesgericht Celle hat in dem Urteil vom 10.10.2009 (Az.: 11 U 50/09)
ausgeführt, gemäß § 86 a HGB habe die Klägerin ihren Handelsvertretern diese
Zeitschrift kostenlos zur Verfügung stellen müssen. Zur weiteren Begründung hat das
OLG Celle auf die ausführliche Stellungnahme des Oberlandesgerichts Köln in dessen
Urteil vom 11.09.2009 (Az.: 19 U 64/09) zu dem Umfang der seitens des Unternehmers
dem Handelsvertreter zur Verfügung zu stellenden Unterlagen Bezug genommen. Diese
Ausführungen sind überzeugend. Gemäß § 86 a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem
Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie
Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur
Verfügung zu stellen. Diese Bestimmung ist eine konkrete Ausprägung der allgemeinen
Rechtspflicht des Unternehmers, den Handelsvertreter zur Ausführung seiner Tätigkeit
in die Lage zu versetzen und ihn dabei zu unterstützen. Der Begriff der "Unterlagen" ist
dabei weit zu fassen; dazu gehören auch sonstige Dinge, die der Handelsvertreter
speziell zur Anpreisung bei der Kundschaft benötigt, z. B. sonstiges Werbematerial,
Musterstücke oder Musterkollektionen (vgl. Baumbach/Hopt, § 86 a HGB Rdnr. 5
m.w.N.). Der Handelsvertreter soll dadurch in die Lage versetzt werden, die
Gegenstände gegenüber den Kunden bei der Absatzvermittlung einzusetzen. Der
Unternehmer hat grundsätzlich alle produktspezifischen Hilfsmittel aus seiner Sphäre
bereitzustellen, auf die der Handelsvertreter objektiv oder nach seinem pflichtgemäßen
Ermessen zur Ausübung seiner Tätigkeit und zur Anpreisung der Ware angewiesen ist
(OLG Köln, a.a.O. unter II 1 der Entscheidungsgründe). Der Handelsvertreter selbst hat
dagegen produktunspezifische, allgemeine Hilfsmittel, die auch ein Handelsvertreter
benötigt, der andere Produkte vertreibt, selbst anzuschaffen. Dazu gehören
insbesondere Büromaterialien, die üblicherweise allgemein für einen derartigen
Gewerbebetrieb benötigt werden. Um ein solches allgemein zur Ausstattung des
Unternehmens eines Handelsvertreters erforderliches Betriebsmittel handelt es sich bei
der Zeitschrift "AWD-Finanzplaner" nicht.
130
Klageantrag zu 2):
131
Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus dem Handelsvertretervertrag in Verbindung
mit §§ 675, 667 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der durch die G geleisteten
39.700,-- €.
132
Gemäß §§ 675, 667, 2. Alternative BGB hat der Handelsvertreter dem Unternehmer
alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.
133
Aus der Geschäftsbesorgung erlangt ist dabei jeder Vorteil, den er im inneren
Zusammenhang mit Führung des Geschäftes und nicht nur bei dieser Gelegenheit erhält
(vgl. Palandt-Sprau, § 667 BGB Rdnr. 3 m. N. aus der Rechtsprechung).
134
Dazu gehören auch Provisionen, Sondervergütungen, Schmiergelder und ähnliche
Zuwendungen, die der Handelsvertreter ohne vorherige Billigung des Unternehmers
von einem Dritten erhält, unabhängig davon, ob dem Unternehmer dadurch ein Schaden
entsteht (Baumbach/Hopt, § 86 HGB Rdnr. 17 und 23; Palandt-Sprau, § 667 BGB Rdnr.
3 m.w.N.; vgl.. auch BGH NJW 2001, 2476 ff.).
135
Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist davon auszugehen, dass der
Beklagte die insgesamt 39.700,-- € von der G als derartige Zahlungen erhalten hat,
136
nämlich im Hinblick auf seine Stellung als Führungskraft bei der Klägerin und den
erwünschten Wechsel in das Vertriebssystem der G.
Die Klägerin hat entsprechende Tatsachen substantiiert vorgetragen. Der Beklagte hat
dieses Vorbringen nicht ausreichend entkräftet. Er hat seinerseits nicht hinreichend
Tatsachen dargelegt, die einer Beweisaufnahme zugänglich wären, um ggf. einen
abweichenden Geschehensablauf feststellen zu können.
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Das Oberlandesgericht Celle hat in seinem Urteil vom 29.10.2009 (Az.: 11 U 36/09) im
Hinblick auf Zahlungen der G von 19.500,-- € am 19.07.2007 und weiterer 12.500,-- €
am 28.08.2007 an einen anderen Handelsvertreter der Klägerin folgendes ausgeführt:
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"Die Zahlungen stellen ein so starkes Indiz für eine Konkurrenztätigkeit des Beklagten
dar, dass diesen zumindest eine gesteigerte sekundäre Behauptungslast trifft. Er hätte
folglich darlegen müssen, aus welchem Grund, wenn nicht für die gleichzeitige
Ausübung einer Konkurrenztätigkeit, er diese Zahlungen erhalten hat. Die Behauptung
des Beklagten, die Zahlungen seien im Hinblick auf zukünftige Tätigkeiten geleistet
worden, reicht aus den oben genannten Gründen nicht aus."
139
Diese Überlegungen gelten entsprechend auch hier.
140
Der Beklagte hat mit dem allgemein gehaltenen Hinweis, die Zahlungen von 25.700,- €
am 31.07.2007, weiteren 7.000,-- € am 20.09.2007 und nochmals 7.000,-- € am
25.09.2007 seien für künftige Tätigkeiten ab November 2007 erfolgt, die Höhe und die
Umstände der erbrachten Leistungen nicht plausibel erklärt.
141
Der als Anlage B 16 vorgelegte Sideletter zum Finanzberatervertrag datiert erst vom
10.10./05.11.2007 und lässt deshalb nur bedingt Rückschlüsse auf die Abreden im Juli
2007 zu.
142
In dem als Anlage B 3 vorgelegten "Finanzberatervertrag" ist zwar als Vertragsbeginn
der 01.11.2007 eingetragen. Es fällt jedoch auf, dass im Zusammenhang mit den
Unterschriften nicht – wie dort durch die Formulierung "H, den ..." vorgesehen – ein
Datum der Unterzeichnung eingetragen wurde.
143
Auffällig ist zudem der zeitliche Zusammenhang zwischen den Zahlungen und den
durch die 11 dem Beklagten zugeordneten Handelsvertreter erklärten Kündigungen.
144
Gleiches gilt für die Tatsache, dass der Beklagte bereits in der Zeit vom 03.09.2007 bis
zum 07.09.2007 eine Veranstaltung der G besuchte.
145
Vor diesem Hintergrund war in Anbetracht der gesteigerten sekundären Darlegungslast
des Beklagten sein Bestreiten und Vorbringen dazu nicht ausreichend, er habe die
Zahlungen nicht für den Wechsel von der Klägerin zur G erhalten.
146
Der Betrag von 39.700,-- € ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288
BGB wie beantragt zu verzinsen.
147
Klageantrag zu 3):
148
Im Rahmen der gemäß § 254 ZPO zulässigen Stufenklage ist zunächst über den auf der
149
ersten Stufe gestellten Auskunftsantrag gemäß Ziffer 3 a) zu befinden.
Dieser Antrag hat Erfolg.
150
Der Beklagte ist gemäß §§ 675, 666 BGB und nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben gemäß § 242 BGB verpflichtet, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,
welche weiteren Gelder ihm die G bis zum 31.10.2007 zugewendet hat.
151
Die Auskunft ist vor dem Hintergrund eines eventuellen weiteren Herausgabeanspruchs
auch auf möglicherweise zusätzlich von dem Beklagten empfangene Gelder innerhalb
der Vertragslaufzeit bis zum 31.10.2007 zu erstrecken. Die Klägerin ist nämlich in
entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang weiterer Zahlungen im Unklaren, und
der Beklagte kann die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft
unschwer geben.
152
Dass in dem Zeitraum bis zum 31.10.2007 seitens der G möglicherweise weitere
Leistungen an den Beklagten erbracht wurden, kann nach seinem bisherigen
Vorbringen nicht ausgeschlossen werden. So hat sich der Beklagte bisher hierzu
lediglich dahingehend geäußert, er halte sich nicht zu weiteren Auskünften für
verpflichtet.
153
Klageantrag zu 4):
154
Dieser Antrag ist teilweise begründet.
155
Der Auskunftsverpflichtete hat entsprechend §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB die
Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt gemäß § 261 BGB zu versichern, soweit nach
seinem Gesamtverhalten Grund zu der Annahme besteht, die Angaben seien
möglicherweise unzutreffend (vgl. Palandt-Heinrichs, §§ 259 – 261 BGB, Rdnr. 30).
156
In Bezug auf die Angaben des Beklagten, er sei bis zum 31.10.2007 nicht für die G in
Konkurrenz zur Klägerin tätig geworden, ist diese Annahme begründet. Anlass dafür
bieten einerseits die unstreitigen Zahlungen mit einer Gesamtsumme von 39.700,-- €
und andererseits die Tatsache, dass der Beklagte unstreitig im September 2007
jedenfalls eine mehrtätige Veranstaltung der G besucht hat.
157
Abzuweisen ist der Antrag allerdings, soweit die Klägerin die Versicherung auch in
Bezug auf eine Konkurrenztätigkeit für andere im Wettbewerb zu ihr stehenden
Unternehmen begehrt. Aus dem Sach- und Streitstand ergeben sich keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte Kontakt zu einem anderen Unternehmen als der
G gehabt haben könnte.
158
Der Tenor der Verurteilung ist außerdem dahingehend einzuschränken, dass die
unbestimmten und damit nicht vollstreckungsfähigen Formulierungen wie "mittelbar oder
unmittelbar gefördert und/oder in sonstiger Weise unterstützt zu haben" entfallen.
159
Klageantrag zu 5):
160
Dieser Antrag ist nicht begründet.
161
Die Klägerin hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen den
162
Beklagten darauf, ihr Auskunft darüber zu erteilen, in welchen Fällen er unter
Zuhilfenahme ihrer Software eine private Finanzstrategie gefertigt und welche Gebühren
er hierfür vereinnahmt hat.
Das Gericht teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle (Urteil vom 10.12.2009,
Az.: 11 U 50/09), dass der Klägerin gegen ihre Handelsvertreter ein entsprechender
Auskunftsanspruch nicht zusteht, weil Zahlungsansprüche, die mit der Auskunft
vorbereitet werden könnten, insoweit nicht gegeben sind. Es fehlt an einer
Anspruchsgrundlage, zumal die Klägerin den Beklagten mit den Software-Gebühren für
das Programm zur Erstellung der "privaten Finanzstrategie" belastet hat.
163
Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits kann nach dem Grundsatz der
einheitlichen Kostenentscheidung in diesem Teilurteil noch nicht ergehen. Sie ist dem
Schlussurteil vorzubehalten.
164
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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