Urteil des LG Münster vom 05.05.2006

LG Münster: in verkehr bringen, verordnung, pfand, hersteller, entstehung, materialien, markt, schutzfunktion, telekommunikation, vollstreckbarkeit

Landgericht Münster, 24 O 154/05
Datum:
05.05.2006
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
4. Kammmer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 O 154/05
Tenor:
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger als eingetragener Verein zum Zwecke der Bekämpfung unlauteren
Wettbewerbs nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt wettbewerbswidrigen
Verhaltens in Anspruch.
2
Er meint, die Beklagte verhalte sich wettbewerbswidrig, indem sie Milchprodukte in
Einweggetränkeverpackungen vertreibe ohne für diese Verpackungen ein Pfand zu
erheben und ohne an einem Rückführungssystem für gebrauchte Verpackungen
beteiligt zu sein. Dieses Verhalten hält der Kläger auf der Grundlage der
Verpackungsverordnung für unlauter im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren
Wettbewerb (UWG).
3
Die Verpackungsverordnung enthält u.a. folgende Regelungen:
4
"§ 1 Abfallwirtschaftwirtschaftliche Ziele
5
Diese Verordnung bezweckt, die Auswirkungen von Abfällen aus Verpackungen auf die
Umwelt zu vermeiden oder zu verringern.....
6
§ 6 Rücknahmepflichten für Verkaufsverpackungen
7
Abs. 1: Der Vertreiber ist verpflichtet, vom Endverbraucher gebrauchte, restentleerte
Verkaufsverpackungen am Ort der Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe
unentgeltlich zurückzunehmen....
8
Abs. 3: Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 2 entfallen bei Verpackungen, für
9
die sich der Hersteller oder Vertreiber an einem System beteiligt, das flächendeckend im
Einzugsgebiet des nach Abs. 1 verpflichteten Vertreibers eine regelmäßige Abholung
gebrauchter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe
in ausreichender Weise gewährleistet....
§ 8 Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht für Einweggetränkeverpackungen
10
Abs. 1: Vertreiber, die Getränke in Einweggetränkeverpackungen mit einem
Füllvolumen von 0,1 Liter bis 3 Liter in Verkehr bringen, sind verpflichtet, von ihrem
Abnehmer ein Pfand in Höhe von mindestens 0,25 € einschließlich Umsatzsteuer je
Verpackung zu erheben....
11
Abs. 2: Abs. 1 findet nur Anwendung auf nicht ökologisch vorteilhafte
Einweggetränkeverpackungen ..."
12
Die Beklagte vertreibt Milchprodukte in Einwegverpackungen wie mit den in den
nachfolgenden Klageantrag zu I 1 einbezogenen Lichtbildern dargestellt. Pfandbeträge
erhebt die Beklagte dabei nicht.
13
Mit dem durch den Klageantrag zu I 2 in Bezug genommenen Schreiben hat die
Beklagte ihre Abnehmer dahingehend informiert, aus ihrer Sicht bestehe eine
Pfanderhebungspflicht nicht.
14
Der Kläger hat die Beklagte vorprozessual abgemahnt. Mit dem Klageantrag zu II
begehrt er Ersatz des durch die Abmahnung entstandenen Kostenaufwandes.
15
Der Kläger ist der Auffassung:
16
Die Beklagte verstoße gegen die in § 8 Abs. 1 VerpackungsVO normierte Pfandpflicht.
Nach Sinn und Zweck der Verpackungsverordnung beziehe sich die Verpflichtung zur
Pfanderhebung auch auf ökologisch vorteilhafte Einwegverpackungen.
17
Aus dem Verstoß gegen die Verpackungsverordnung ergebe sich auch ein
wettbewerbswidriges Verhalten. Die Beklagte verschaffe sich nämlich in unlauterer
Weise einen Absatzvorteil. Die Verpackungsverordnung habe neben ökologischen
Zielsetzungen auch den Zweck, die Interessen der Mitbewerber zu schützen, also einen
Wettbewerbsbezug.
18
Zur Begründung ihrer letztgenannten Auffassung bezieht sich der Kläger u.a. auf einen
Beschluss des Kammergerichts vom 15.4.2005 (Az.: #######).
19
Der Kläger beantragt,
20
I. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Getränke in Einwegverpackungen wie
nachstehend beschrieben zu vertreiben, ohne vom Abnehmer ein Pfand zu erheben;
21
II. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 189,00 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen
Basiszinssatz ab dem 2.11.2005 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
22
Die Beklagte beantragt,
23
die Klage abzuweisen.
24
Sie ist der Auffassung:
25
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche kämen schon deshalb nicht in Betracht, da die
Vorschriften der Verpackungsverordnung, wie auch das Oberlandesgericht L in einem
Urteil vom 27.6.2003 (Az.: ##########) ausgeführt habe, keinen
wettbewerbsrechtlichen Bezug hätten. Die Verpackungsverordnung habe vielmehr
ausschließlich den Regelungszweck, den Umweltschutz zu stärken.
26
Die Pfanderhebungspflicht erstrecke sich zudem sowohl nach dem Wortlauf als auch
nach Sinn und Zweck der Verpackungsverordnung nicht auf die durch sie, die Beklagte,
in Verkehr gebrachten ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen. Eine andere
Auslegung der Verordnung unterliege auch verfassungsrechtlichen Bedenken.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
28
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
29
Die Klage hat keinen Erfolg.
30
Die aus dem Gesichtspunkt eines wettbewerbswidrigen Verhaltens gestellten
Unterlassungsbegehren gemäß den Klageanträgen zu I 1 und I 2 sind nicht begründet.
Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG
bestehen zugunsten des Klägers nicht.
31
Dementsprechend steht dem Kläger auch ein Anspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auf
Ersatz der vorprozessualen Abmahnkosten nicht zu.
32
Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt in Anspruch, diese verschaffe
sich durch Rechtsbruch, nämlich Verstoß gegen die Verpackungsverordnung, in
unlauterer Weise einen Wettbewerbsvorteil.
33
Mit der Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG in der
Fassung der Bekanntmachung vom 3.7.2004) hat die wettbewerbsrechtliche
Verfolgbarkeit von evtl. Gesetzesverstößen jedoch eine Einschränkung erfahren.
34
Gemäß § 4 Nr. 11 UWG n.F. kommt ein unlauteres Verhalten eines Wettbewerbers in
Betracht, wenn dieser einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu
bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
35
Ein Gesetzesverstoß ist damit nur dann unter dem Gesichtspunkt des
Wettbewerbsrechts relevant, wenn die verletzte Norm zumindest eine sekundäre
wettbewerbsbezogene Schutzfunktion aufweist, also zumindest auch das Verhalten im
Wettbewerb regeln soll. Ein Marktverhalten ist damit nicht schon dann unlauter, wenn
damit Vorteile aus einem Verstoß gegen ein Gesetz ausgenutzt werden, sondern nur,
wenn gerade gegen eine Norm verstoßen wird, die auch einen wettbewerbsbezogenen
Regelungszweck hat. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, alle nur
denkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit Wettbewerbshandlungen auch
wettbewerbsrechtlich zu sanktionieren (vgl. Baumbach/Hefermehl-Köhler, § 4 UWG Rn.
36
11.6).
Diese Neuregelung des UWG entspricht damit der neueren Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs. So hat der Bundesgerichtshof in der grundlegenden Entscheidung
vom 11.5.2000, NJW 2000, 3351 - Abgasemissionen - die Frage, ob der Vertrieb von
unter Verstoß gegen Umweltvorschriften hergestellten Waren wegen der dabei
erreichten Kosteneinsparungen wettbewerbswidrig sei, mit der Begründung verneint, die
verletzten Vorschriften hätten nicht den Zweck, das Marktverhalten zu regeln. In
nachfolgenden Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die Erforderlichkeit eines
zumindest sekundären wettbewerbsrechtlichen Schutzzwecks unterstrichen (z.B.: in
NJW 2002, 2645 - Elektroarbeiten - und NJW 2003, 586 - Altautoverwertung - ).
37
Nach Auffassung der für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zuständigen
Kammer für Handelssachen fehlt der Regelung in § 8 Abs. 1 Verpackungsverordnung
eine - auch - wettbewerbsbezogene Zielsetzung.
38
Die Kammer für Handelssachen folgt nicht der Auffassung des Kammergerichts C in
dessen Beschluss vom 15.4.2005 (Az.: #########), ein Verstoß gegen die
Pfanderhebungspflicht gemäß § 8 Verpackungsverordnung stelle zugleich einen
Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar. Sie teilt vielmehr die rechtliche
Einschätzung des Oberlandesgerichts L in dessen Urteil vom 27.6.2003 (Az.: ########)
zu § 6 Verpackungsverordnung, die Verpackungsverordnung verfolge allein
abfallwirtschaftliche und umweltpolitische Ziele.
39
Die Begründung des Kammergerichts C, aus dem primären Zweck der
Verpackungsverordnung, die Auswirkungen von Abfällen auf die Umwelt zu vermeiden,
folge notwendigerweise der weitere, das Verhalten der Hersteller und Vertreiber von
Produkten in Verpackungen auf dem Markt zu regeln, erscheint nicht überzeugend.
Diese rechtliche Beurteilung findet weder in dem Wortlaut der Verpackungsverordnung
noch in den Materialien zu deren Entstehung eine hinreichende Stütze.
40
Die Zielsetzung der Verpackungsverordnung ist in deren § 1 wie folgt beschrieben:
41
"Abfallwirtschaftliche Ziele
42
Diese Verordnung bezweckt, die Auswirkungen von Abfällen aus Verpackungen auf die
Umwelt zu vermeiden oder zu verringern."
43
Eine auch wettbewerbsrechtliche Zielrichtung klingt in diesem Wortlaut nicht an, anders
als z.B. in den Eingangsvorschriften des Postgesetzes und des
Telekommunikationsgesetzes.
44
So lautet § 1 des Postgesetzes:
45
"Zweck dieses Gesetzes ist es, durch Regulierung im Bereich des Postwesens den
Wettbewerb zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende
Dienstleistungen zu gewährleisten."
46
In § 1 des Telekommunikationsgesetzes heißt es:
47
"Zweck dieses Gesetzes ist es, durch eine technologieneutrale Regulierung den
48
Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und leistungsfähige
Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern....".
Die Regelung in § 8 der Verpackungsverordnung ist durch die von der Bundesregierung
am 12.1.2005 beschlossene Dritte Verordnung zur Änderung der
Verpackungsverordnung eingefügt worden. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass
dieser Verordnung ist § 24 Abs. 1 Nr. 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes.
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz verfolgt ausschließlich abfallwirtschaftliche
und umweltpolitische, nicht wettbewerbsbezogene, Ziele.
49
Die Zweckrichtung der dritten Änderungsverordnung zur Verpackungsverordnung ist
zudem in der Begründung der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 15/4107 vom
3.11.2004) wie folgt beschrieben:
50
"Ziel der Änderungsverordnung ist eine Begrenzung und Vereinfachung der
Pfandregelung sowie deren Anpassung an neue Erkenntnisse aus Ökobilanz-
Untersuchungen."
51
Greifbare Anhaltspunkte für eine auch wettbewerbsregelnde Zielsetzung der
Verpackungsverordnung bestehen damit nicht. Zwangsläufige Auswirkungen der
Verordnung auf den Wettbewerb stellen sich damit lediglich als reflexartig dar.
Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche werden dadurch nicht begründet.
52
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
53
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
54