Urteil des LG Münster vom 28.02.2005

LG Münster: zwangsvollstreckung, belastung, grundstück, verfügung, urkunde, vormerkung, nummer, fotokopie, eigentümer, eltern

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Münster, 2 O 831/04
28.02.2005
Landgericht Münster
2. Zivilkammer
Urteil
2 O 831/04
Die Beklagte wird verurteilt, ihre Zustimmung zur Löschung der im
Grundbuch des Amtsgerichts S, Grundbuch von S rechts, Blatt 1352, Flur
X, Flurstück X, lfd. Nummer 10, zu ihren Gunsten eingetragene
Zwangssiche-rungshypothek mit einem Nennbetrag von 14.396,29 € zu
erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstrecken-den Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Tatbestand:
Die Kläger sind die Eltern des Eigentümers des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch
des Amtsgerichts S, Grundbuch von S rechts, Blatt 1352, Flur X,
Flurstück X, lfd. Nummer 10. Die Kläger hatten dem Eigentümer, ihrem Sohn,
im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aufgrund notariellen Vertrages vom
2001. des Notars K, UR.-Nr. ##### in S das vorgenann-
te Grundstück übertragen und an diesen aufgelassen, der Sohn der Kläger ist am
2001. als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden.
In § 5 des notariellen Vertrages vom 02.10.2001 ist u. a. folgendes geregelt:
Der Übertragsnehmer verpflichtet sich, vor einer vollständigen oder teil-
weisen Veräußerung oder Belastung des Übertragsgegenstandes die
Zustimmung der Erschienenen zu 1.) und 2.) einzuholen. Kommt der
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Übertragsnehmer dieser Verpflichtung nicht nach, so ist er auf Verlangen
der Erschienenen zu 1.) und 2.) verpflichtet, an diese den Übertragsge-
genstand kosten- und lastenfrei zurückzuübertragen. Die Kosten der Rück-
übertragung trägt der Übertragsnehmer.
Zur Sicherung dieses Rückübertragungsanspruchs bewilligen und bean-
tragen die Vertragsparteien die Eintragung einer Vormerkung zur Siche-
rung des Anspruchs auf Auflassung zugunsten der Erschienenen zu 1.)
und 2.) als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB, jedoch im Range nach
dem in § 4 vereinbarten Wohnrecht auf dem Übertragsgegenstand.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den in Fotokopie zu den Gerichtsakten ein-
gereichten notariellen Vertrag vom 02.10.2001 - Bl. 6/12 der Gerichtsakten - ver-
wiesen.
Nach Eigentumsumschreibung geriet der Sohn der Kläger in finanzielle Schwierig-
keiten, auf Antrag der Beklagten wurde am 04.03.2004 eine Zwangssicherungshypo-
thek zu deren Gunsten in Höhe eines Betrages von 14.296,29 € eingetragen, hin-
sichtlich der Einzelheiten wird auf den in Fotokopie zu den Gerichtsakten eingereich-
ten Grundbuchauszug vom 14.09.2004 verwiesen.
Auf der Grundlage des notariellen Vertrages vom 02.10.2001, unter Bezugnahme auf
dessen § 5, schlossen die Kläger und deren Sohn am 30.03.2004 einen notariellen Vertrag
vor dem Notar K in S, in dem sich der Sohn der Kläger verpflichtete, das vorgenannte
Grundstück an die Kläger zurückzuübertragen, gleich-
zeitig erklärte er die Auflassung und bewilligte die Eigentumsumschreibung zugunsten der
Kläger im Grundbuch.
Die Kläger nehmen die Beklagte unter Bezugnahme auf § 5 des notariellen Vertrages
vom 02.10.2001 auf Zustimmung zur Löschung der zugunsten der Beklagten
eingetragenen Zwangssicherungshypothek in Höhe des Nennbetrages von 14.396,29 € in
An-
spruch.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch
des Amtsgerichts S, Grundbuch von S rechts, Blatt 1352, Flur X,
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Flurstück X, lfd. Nummer 10, zu ihren Gunsten eingetragene Zwangssiche-
rungshypothek mit einem Nennbetrag von 14.396,29 € zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält sich zur Abgabe der von den Klägern begehrten Zustimmung zur Erteilung
der Löschungsbewilligung für nicht verpflichtet. Sie meint, § 888 BGB enthalte nur die
notwendige Ergänzung zu der in § 883 Abs. 2 BGB angeordneten relativen Unwirksamkeit
der Verfügungen, die den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch beeinträchtigten.
Die Ansprüche jedoch, die durch die Vormerkung gesichert seien, seien in § 5 der
notariellen Urkunde vom 02.10.2001 ausdrücklich, abschließend geregelt. In jedem Fall
handele es sich somit um eine von oder mit dem Übertragsnehmer, dem Sohn der Kläger,
veranlassten rechtsgeschäftlichen Verfügung, die der Sohn der Kläger ohne Zustimmung
der Übertragsgeber, den Klägern, in Bezug auf den Übertragsgegenstand treffe.
Ausdrücklich seien jedoch nicht Verfügungen und Belastungen erwähnt, die der
Übertragsnehmer, der Sohn der Kläger, selbst nicht rechtsgeschäftlich veranlasst habe,
somit etwa ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Übertragsnehmers oder
Zwangsvollstreckung, wie vorliegend, in das Vermögen des Übertragsnehmers, somit
auch, wie vorliegend, in das Grundstück.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Den Klägern steht der gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur
Löschung der im Klageantrag näher gezeichneten Zwangssicherungshypothek nach §§
888 Abs. 1, 883 Abs. 2 BGB zu.
Zugunsten der Kläger war eine Auflassungsvormerkung nach § 883 Abs. 1 S. 1 BGB
in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen.
Die Regelung in § 5 des notariellen Vertrages vom 02.10.2001 erfasst dem Wortlaut nach
nur rechtsgeschäftliche Verfügungen, dagegen keine Verfügungen im Wege der
Zwangsvollstreckung, vorliegend der Zwangssicherungshypothek. Nach dem Wortlaut
verpflichtet sich der Übertragsnehmer, der Sohn der Kläger, nur, vor einer vollständigen
oder teilweisen Veräußerung oder Belastung des Übertragsgegenstandes, somit einer
rechtsgeschäftlichen Verfügung, die Zustimmung der Kläger einzuholen. Vorliegend ist
jedoch, ausgehend von dem ausdrücklichen Wortlaut des § 5 des notariellen Vertrages
vom 02.10.2001, von einer Regelungslücke auszugehen. Es bestehen keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsparteien des notariellen Vertrages durch nicht
ausdrückliche Aufführung der Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung eine Regelung
dahin treffen wollten, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung den
Rückübertragungsanspruch zugunsten der Kläger nicht begründen. Diese vertragliche
Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB zu
schließen. Dabei ist die vertragliche Regelung entsprechend dem hypothetischen
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Parteiwillen zu ergänzen, es ist darauf abzustellen, was die Vertragsparteien bei einer
angemessenen Abwägung ihrer Interessen vereinbart hätten, wenn sie den nicht
geregelten Fall bedacht hätten (Palandt-Heinrichs, 64. Auflg., § 157 Rd-Nr. 7 mit weiteren
Nachweisen). Aus den Gesamtumständen der Vertragsgestaltung ergibt sich danach,
dass die Kläger sicherstellen wollten, dass eine Veräußerung oder Belastung durch ihren
Sohn gegen ihren Willen nicht stattfinden sollte. Hätten die Kläger somit bei Abschluss des
notariellen Vertrages berücksichtigt, dass eine Belastung des Grundbesitzes auch im Wege
der Zwangsvollstreckung erfolgen kann, hätten sie die vertragliche
Ausgestaltung von § 5 des notariellen Vertrages vom 02.10.2001 entsprechend
vorgenommen und auch diesen Fall der "Belastung" im Wege der Zwangsvollstreckung
ausdrücklich geregelt. Dieser Interessenlage der Kläger hätte sich deren Sohn
redlicherweise nicht verschließen können, was sich im übrigen auch daraus ergibt, dass er
in Verfolgung des Rückübertragungsanspruchs nach § 5 der notariellen Urkunde vom
2001. aufgrund notarieller Urkunde vom 30.03.2004 das Grundstück an die Klä-
ger auch rückaufgelassen hat.
Danach ergibt sich im Wege der Auslegung, dass die Ansprüche der Kläger auf Rück-
überlassung auch nicht durch Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung gefährdet
sein sollten. Für eine derartige Auslegung spricht im übrigen weiterhin, dass es im
Ergebnis keinen Unterschied macht, ob der Sohn der Kläger die Belastung
rechtsgeschäftlich, auf eigene Initiative, vornimmt oder aber seine Gläubiger gezwungen
sind,
im Wege der Zwangsvollstreckung gegen ihn vorzugehen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.