Urteil des LG Münster vom 04.10.2010

LG Münster (zpo, konto, schuldner, betrag, arbeitgeber, einkommen, beschwerde, pfändung, teil, höhe)

Landgericht Münster, 5 T 564/10
Datum:
04.10.2010
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
5. Zivil-(Beschwerde-)Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 564/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Münster, 33 M 931/08
Schlagworte:
P-Konto, Pfändungsschutzkonto, Doppelpfändung, Feigabe,
Arbeitseinkommen
Normen:
§ 850 k Abs. 4 ZPO
Leitsätze:
Das Vollstreckungsgericht kann im Fall einer Doppelpfändung von
Arbeitseinkommen und Gehaltskonto gem. § 850 k Abs. 4 ZPO das
gesamte Gehalt des Schuldners freigeben, das monatlich von einem
bestimmten Arbeitgeber auf das Gehaltskonto überwiesen wird. Eine
Bezifferung des "pfändungsfreien Betrages" gem. § 850 k Abs. 4 ZPO ist
nicht erforderlich.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Wert für das Beschwerdeverfahren: 4.129,08 Euro
Gründe:
1
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem
Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts I vom 02.08.2006, Az. ##-#######-#-#,
wegen einer Forderung in Höhe von 181,96 Euro. Auf Antrag der Gläubigerin erließ das
Amtsgericht am 08.04.2008 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem
u.a. das Konto Nr. ### ### ### des Schuldners bei der Drittschuldnerin gepfändet
wurde. Dieses Konto wird unstreitig als sog. "P-Konto" gem. § 850k ZPO geführt.
2
Am 30.06.2010 beantragte der Schuldner, gem. § 850k Abs. 4 ZPO die erfolgte
Pfändung bezüglich der Lohn- und Gehaltszahlungen auf dem Konto Nr. ### ### ### in
Höhe des monatlichen pfandfreien Einkommens aufzuheben. Der monatlich von seinem
Arbeitgeber auf dieses Konto gezahlte Betrag entspreche dem monatlichen
3
unpfändbaren Einkommen, da dieses Einkommen bereits durch Beschluss des
Amtsgerichts N mit dem Az. 33 M ###/## gepfändet sei.
Mit Beschluss vom 12.07.2010 hat das Amtsgericht die "... Pfändung der Forderung des
Schuldners auf Auszahlung des Kontoguthabens, Kontonummer ###m ### ### bei der
Drittschuldnerin bezüglich des Lohnes/des Gehaltes, welches von der BEV
(Bundeseisenbahnvermögen) in T auf das gepfändete Konto überwiesen wird, bis auf
weiteres aufgehoben (§§ 850c, 850k ZPO), soweit das Konto die erforderliche Deckung
aufweist. Dieser Betrag entspricht dem monatlich auf dem Konto eingehenden
unpfändbaren Einkommen des Schuldners, das ebenfalls durch Beschluss des
Amtsgerichts N – Az. 33 M ###/## – gepfändet ist."
4
Am 01.09.2010 hat der Schuldner gem. § 850 k Abs. 4 ZPO beantragt, einen
betragsmäßig eindeutig bestimmten, pfändungsfreien Betrag festzusetzen. Zur
Begründung hat er angeführt, die Drittschuldnerin akzeptiere die gerichtliche
Beschlussfassung vom 12.07.2010 nicht. Diese sei nicht umsetzbar. Das Amtsgericht
hat mit Beschluss vom gleichen Tag diesen Antrag zurückgewiesen. In der Begründung
hat es ausgeführt, dem Schuldner fehle das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag.
Eine konkrete Bezifferung des pfändungsfreien Betrages bringe für den Schuldner nur
Rechtsnachteile. Da das Arbeitseinkommen Schwankungen unterliege, könne kein
fester Betrag genannt werden. Sonst würde es zu einer unzulässigen Doppelpfändung
kommen. Die Verwendung des Begriffs "Guthaben" in § 850k ZPO erfordere nicht
zwingend eine Bezifferung. Zudem widerspreche sie dem Sinn und Zweck der
Gesetzesänderung, nämlich der Vereinfachung des Verfahrens und der Schutz des
Schuldners.
5
Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen Beschwerde vom
01.09.2010. Zur Begründung gibt er an, der angefochtene Beschluss sei unbestimmt
und könne daher von der Drittschuldnerin nicht umgesetzt werden.
6
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten der
Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
7
Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.
8
Die Kammer schließt sich der Auffassung des Amtsgerichts an, dass der Tenor des
Beschlusses vom 12.07.2010 hinreichend bestimmt ist und von der Drittschuldnerin
umgesetzt werden kann.
9
Aufgrund der gegenüber dem Arbeitgeber ausgebrachten Lohnpfändung (33 M ###/##)
wird auf das Konto des Schuldners bei der Drittschuldnerin monatlich nur noch der
pfändungsfreie Teil des schuldnerischen Einkommens überwiesen, da der darüber
hinausgehende Teil des Arbeitseinkommens bereits vom Arbeitgeber an die
Gläubigerin abgeführt wird. Eine nochmalige Prüfung der Berechnung des Arbeitgebers
durch das Vollstreckungsgericht ist nicht notwendig und nicht vorgesehen.
10
Aufgrund der von der Höhe des Einkommens abhängigen unterschiedlichen
Pfändungsfreigrenzen gem. § 850c ZPO wird dieser vom Arbeitgeber auszuzahlende
pfändungsfreie Betrag jeden Monat unterschiedlich hoch sein, da das
Arbeitseinkommen schwanken kann, z.B. durch Zahlung von Weihnachtsgeld, Zulagen
o.ä.. Es würde daher dem Sinn des effektiven Schuldnerschutzes widersprechen, einen
11
Freibetrag einmalig betragsmäßig festzusetzen. Denn wenn der Betrag anhand des
Einkommens zur Zeit der Antragstellung festgesetzt werden würde, könnte es passieren,
dass bei einem z.B. durch Weihnachtsgeld erhöhten Einkommen im Monat Dezember
gem. § 850c ZPO unpfändbare Beträge gleichwohl an den Gläubiger ausgezahlt
werden würden.
Da das Vollstreckungsgericht im Vorhinein nicht wissen kann, in welchem Umfang das
Einkommen des Schuldners schwankt, müsste der Schuldner, um diesem Problem zu
begegnen, ggf. jeden Monat einen neuen Pfändungsschutzantrag stellen, was nicht dem
Sinn und Zweck des § 850k ZPO, nämlich das Verfahren bei Kontopfändungen zu
vereinfachen, entsprechen würde. Hinzu kommt, dass dem Schuldner hierdurch
gravierende Rechtsnachteile drohen würden. Denn dann liefe er Gefahr, dass das
Kreditinstitut den den Freibetrag überschreitenden Teil des Einkommens bereits vor
entsprechender Antragstellung an den Gläubiger abgeführt haben könnte. Eine solche
Vorgehensweise ist nach Ansicht der Kammer seitens des Gesetzgebers nicht gewollt.
12
Ebenfalls nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen dürfte die alternative
Möglichkeit der Festsetzung eines betragsmäßig bezeichneten, jedoch utopisch hohen
Freibetrages durch das Vollstreckungsgericht, den der jeweils überwiesene
Einkommensbetrag voraussichtlich zu keiner Zeit überschreiten wird.
13
Vielmehr wird gerade der hier vorliegende Fall von § 850k Abs. 4 ZPO erfasst. In
Abweichung zu dem grundsätzlichen Inhalt des § 850k ZPO, einen pfandfreien
Sockelbetrag unabhängig von dessen Herkunft zu schützen, kann das
Vollstreckungsgericht gem. § 850k Abs. 4 ZPO abweichende Anordnungen treffen (vgl.
Zöller, ZPO, 28. Auflage, Anh § 850k Rn. 10). Die pauschale Anordnung der Freigabe
des gesamten, monatlich vom Arbeitgeber des Schuldners auf das gepfändete Konto
überwiesenen Arbeitseinkommens, unabhängig von dessen tatsächlicher Höhe, ist
nach Auffassung der Kammer eine solche abweichende Anordnung im Sinne des
Gesetzes.
14
§ 840k Abs. 4 ZPO spricht zwar von der Festsetzung eines "pfändungsfreien Betrages",
jedoch ergibt sich weder aus vorgenannter Formulierung noch aus der Begründung des
Gesetzgebers (BT-Drucksache 16/7615; BT-Drucksache 16/12714) die Notwendigkeit
der "betragsmäßig bezifferten" Festsetzung eines pfändungsfreien Betrages. Im
Gegenteil, es war die Absicht des Gesetzgebers, den Schuldner auch im Rahmen des
bargeldlosen Zahlungsverkehrs effektiv zu schützen und ihm auch im Rahmen des "P-
Kontos" den Teil seines Arbeitseinkommens zu belassen, der den für die Pfändung von
Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsfreigrenzen entspricht (Stöber,
Forderungspfändung, 15. Auflage, Rn. 1300k; BT-Drucksache 16/12714, Seite 1 und
19-20).
15
Der angefochtene Beschluss ist auch hinreichend bestimmt, da der freigegebene Betrag
durch die Bezeichnung "... Forderung des Schuldners auf Auszahlung des
Kontoguthabens, Kontonummer ### ### ### bei der Drittschuldnerin bezüglich des
Lohnes/Gehaltes, welches von der BEV (Bundeseisenbahnvermögen) in T auf das
gepfändete Konto überwiesen wird, ..." individualisierbar ist. Dies ergibt sich zudem
daraus, dass auch vor Einführung des sog. "P-Kontos" zur Aufhebung der Pfändung des
pfändungsfreien Einkommens auf einem gepfändeten Konto stets ein ähnlich lautender
Beschluss durch das Amtsgericht erlassen wurde, der von der jeweiligen
Drittschuldnerin auch umgesetzt wurde. Insoweit war und ist der Tenor hinreichend
16
bestimmt. Sollte die Drittschuldnerin das pfändungsfreie Einkommen dennoch nicht
auszahlen, kann der Schuldner sein Recht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
durchsetzen.
Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da es sich vorliegend um eine
Rechtsfrage von besonderer Bedeutung handelt und höchstrichterliche Rechtsprechung
bisher nicht ergangen ist.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
18