Urteil des LG Münster vom 17.06.2010

LG Münster (einstellung des verfahrens, schuldner, einstellung, antrag, vorläufige einstellung, beschwerde, zwangsversteigerung, finanzierung, zpo, vergleich)

Landgericht Münster, 05 T 258/10
Datum:
17.06.2010
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
05 T 258/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Ahaus, 7 K 114/06
Schlagworte:
Zwangsversteigerung, Schuldnerantrag auf erneute Einstellung
Normen:
ZVG § 30b; ZVG § 30; ZVG § 30a
Leitsätze:
Der Schuldner hat kein erneutes Antragsrecht gem. §§ 30a, 30b ZVG,
wenn ein auf Bewilligung des Gläubigers gem. § 30 ZVG eingestelltes
Verfahren auf Antrag des Gläubigers fortgesetzt wird.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Schuldner
zurückgewiesen.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 34.767,85 € festgesetzt.
Gründe:
1
Auf Antrag der Gläubigerin vom 14.11.2006 ordnete das Amtsgericht wegen eines
dinglichen Anspruchs in Höhe von 347.678,48 € mit Beschluss vom 20.11.2006 die
Zwangsversteigerung des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes an. Mit
Schreiben vom 03.12.2006 beantragten die Schuldner die vorläufige Einstellung der
Zwangsvollstreckung gem. § 30a ZVG. Der Antrag wurde mit Beschluss des
Amtsgerichts vom 14.03.2007 zurückgewiesen. Die Beschwerde der Schuldner blieb
ohne Erfolg.
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Nach Einholung eines Wertgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. L setzte das
Amtsgericht mit dem Beschluss vom 05.03.2008 den Verkehrswert auf 596.000 € fest.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Schuldner blieb ohne Erfolg.
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Mit Beschluss vom 11.08.2009 beraumte das Amtsgericht einen Versteigerungstermin
auf den 09.11.2009 an. Dieser wurde wieder aufgehoben, weil das Verfahren mit
Beschluss vom 20.08.2009 auf Bewilligung der Gläubigerin gem. § 30 ZVG einstweilen
eingestellt wurde. Mit Beschluss vom 08.02.2010 wurde das Verfahren auf Antrag der
Gläubigerin fortgesetzt.
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Mit Schreiben vom 21.02.2010 beantragten nunmehr die Schuldner ihrerseits, das
Verfahren gem. § 30a ZVG einstweilen einzustellen. Die Versteigerung des Objektes
werde hierdurch vermieden, da durch freie Veräußerung des Hauses der volle
Verkehrswert als Kaufpreis erzielt und dieser für die Schuldentilgung verwendet werde.
Ein notarieller Kaufvertrag und Belege für die Finanzierung durch den Käufer würden
vorliegen. Der Antragsschrift waren der Entwurf eines notariellen Kaufvertrages (Blatt
427 ff. der Akten) und Darlehensanfragen an die X und die K (Blatt 436 ff. der Akten)
beigefügt.
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Mit Schriftsatz vom 23.02.2010 beantragten die Schuldner nochmals die Einstellung des
Verfahrens für 6 Monate gem. § 30a ZVG, da es zu einem umfassenden Vergleich mit
der Gläubigerin gekommen sei. Dieser hätte zwar bis zum 31.12.2009 erfüllt sein
müssen, jedoch habe die Gläubigerin eine entsprechende Karenz zugelassen. Die
Schuldner würden durchgängig 3.000,00 Euro an die Gläubigerin entsprechend dem
Vergleich zahlen. Es sei zu erwarten, dass es kurzfristig zur Realisierung des
Vergleiches komme.
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Die Gläubigerin beantragte, den Antrag zurückzuweisen. Nach dem Vergleich sei u.a.
vereinbart worden, dass die Schuldner bis zum 31.12.2009 einen Betrag von
596.000,00 Euro zahlen. Vor diesem Hintergrund habe die Gläubigerin die
Zwangsversteigerung eingestellt. Seitdem würden sich die Schuldner um eine
Finanzierung bemühen, was aber nicht möglich zu sein scheine. Die Schuldner hätten
auch nicht wie vereinbart monatlich 3.000,00 Euro gezahlt, jedenfalls bisher nicht für
Januar 2010. Die Finanzierung des Objektes durch die angeblichen Käufer sei nicht
dargelegt.
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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.03.2010 hat das Amtsgericht den Antrag der
Schuldner auf einstweilige Einstellung des Verfahrens zurückgewiesen. Die
Finanzierung bezüglich des freihändigen Verkaufes sei nicht nachgewiesen. Die
Vorlage von Kreditanfragen sei nicht ausreichend.
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Hiergegen wenden sich die Schuldner mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 01.04.2010.
Der Vortrag der Gläubigerin sei nicht richtig. Die Rate für Januar sei am 02.02.2010 bei
der Gläubigerin eingegangen, der Betrag für Februar am 02.03.2010. Die
Umfinanzierung stehe unmittelbar bevor, nachdem die Schuldner jetzt grünes Licht für
eine Finanzierung bekommen hätten. Dass dieses so schwierig sei, liege daran, dass
ein Versteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen sei. Da die Gläubigerin ja die
monatlichen Raten erhalte, entstehe ihr bei einer Einstellung der Zwangsversteigerung
kein Nachteil.
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Die Gläubigerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Es gebe keine
Finanzierung, die unmittelbar bevorstehe. Dies ergebe sich schon daraus, dass die
Schuldner unter dem 29.03.2010 einen neuen Vergleichsvorschlag bezüglich eines
freihändigen Verkaufs unterbreitet hätten. Die Schuldner würden bereits seit 2006
versuchen, das Verfahren zu verzögern.
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Die Schuldner bestreiten eine Verzögerungsabsicht. Der Vergleich habe bisher leider
nicht umgesetzt werden können. Sie seien aber nach wie vor um eine Umfinanzierung
bemüht.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten der Kammer zur
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Entscheidung vorgelegt. Die Einstellungsvoraussetzungen gem. § 30a ZVG seien nach
wie vor nicht gegeben.
Die Beschwerde ist gem. §§ 30b Abs. 3 ZVG, 567, 569 ZPO zulässig. In der Sache hat
sie jedoch keinen Erfolg.
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Der Antrag der Schuldner gem. § 30a ZVG ist bereits unzulässig, da die Notfrist von 2
Wochen gem. § 30b Abs. 1 ZVG am 06.12.2006 abgelaufen war und der (rechtzeitig
gestellte) Antrag der Schuldner vom 03.12.2006 bereits mit Beschluss vom 14.03.2007
rechtskräftig zurückgewiesen worden ist. Das entsprechende Recht der Schuldner ist
damit prozessual verbraucht.
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Wenn ein Verfahren aus anderen Gründen, z.B. wie hier gem. § 30 ZVG, eingestellt war
und dann wieder fortgesetzt wird, führt dies nicht zu einem erneuten Antragsrecht der
Schuldner, ihnen ist auch keine erneute Belehrung zuzustellen (vgl. Stöber, ZVG, 18.
Auflage, § 30b Rn. 10.3). Auch neue Gründe rechtfertigen ein erneute Einstellung gem.
§ 30a ZVG nicht (Stöber, a.a.O., § 30b Rn. 12). Die Kammer schließt der insoweit
herrschenden Auffassung an. Denn es wäre mit dem klaren und eindeutigen Wortlaut
von § 30c Abs. 1 S. 1 ZVG, der eine erneute Einstellungsmöglichkeit nur nach einer
vorangegangenen Einstellung nach § 30a ZVG, nicht aber nach § 30 ZVG vorsieht,
nicht vereinbar, dem Schuldner auch dann ein erneutes Antragsrecht nach § 30a ZVG
einzuräumen, wenn diese Möglichkeit (ein erstes Mal) durch fruchtloses
Verstreichenlassen der Frist gemäß § 30b Abs. 1 S. 2 ZVG oder durch bestandskräftige
Ablehnung des Antrages durch das Vollstreckungsgericht verbraucht wurde (LG
Aachen, Beschluss vom 20.10.2008, Az. 3 T 304/08 m.w.N.). Aus der
Gesetzessystematik ergibt sich, dass während des laufenden Verfahrens eine
Einstellung nur noch mit Bewilligung des Gläubigers, nämlich nach § 30 ZVG, erfolgen
kann. Dadurch soll sicherlich auch erreicht werden, dass der Schuldner das Verfahren
nicht immer wieder durch neue Einstellungsanträge verzögern kann. Im vorliegenden
Fall ist die Gläubigerin mit einer erneuten Einstellung aber gerade nicht einverstanden.
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Selbst wenn der Antrag zulässig wäre, könnte er keinen Erfolg haben, da er auch
unbegründet ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen
Entscheidung in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 05.05.2010 Bezug
genommen. Die Schuldner haben nicht glaubhaft gemacht, dass durch die Einstellung
des Verfahrens für die Dauer von 6 Monaten die Zwangsversteigerung vermieden
werden kann. Weder für eine Umfinanzierung noch für einen freihändigen Verkauf
liegen derzeit ausreichende Belege vor.
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Soweit der Antrag der Schuldner als solcher gem. § 765a ZPO ausgelegt werden kann,
hat er ebenfalls keinen Erfolg. Die Vorschrift des § 765a ZPO ist eine
Ausnahmeregelung, die generell eng auszulegen ist. Dies gilt umso mehr, wenn die
Voraussetzungen der §§ 30 ff ZVG durch § 765a ZPO umgangen werden sollen. Auf
Seiten der Schuldner ist zu berücksichtigen, dass zwar eine gewisse Aussicht besteht,
dass das Eigenheim freihändig veräußert werden kann und die Schulden mit dem
Kaufpreis vollständig abgelöst werden können. Allerdings liegt nach wie vor weder ein
notarieller Kaufvertrag noch eine Finanzierungsbestätigung vor, was darauf hindeutet,
dass diese Aussicht bereits gescheitert ist. Um eine Umfinanzierung bemühen sich die
Schuldner bereits nach eigenem Vortrag seit längerer Zeit vergeblich. Ob und wann
eine solche zustande kommt, ist völlig ungewiss (vgl. hierzu auch Stöber, a.a.O.,
Einleitung Rn. 55.1 – der Hinweis auf eine geplante Umschuldung genügt nicht).
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Auf der anderen Seite sind die Interessen der Gläubigerin zu berücksichtigen. Das
Verfahren läuft bereits seit dem Jahr 2006. Die Schuldner hatten somit ausreichend
Gelegenheit, die Zwangsversteigerung abzuwenden. Ein weiteres Zuwarten ist der
Gläubigerin auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Schuldner
monatliche Raten von 3.000,00 Euro zahlen, nicht zuzumuten. Die Gläubigerin möchte
nicht nur Raten erhalten, sondern sie möchte, dass der Kredit zurückgeführt wird. Dieser
titulierte Anspruch der Gläubigerin unterfällt ebenso dem Schutz des Art. 14 GG wie das
Eigenheim der Schuldner.
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Unter Abwägung aller Umstände kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die
Zwangsvollstreckung nicht wegen einer besonderen Härte, die mit den guten Sitten
nicht vereinbar ist, einzustellen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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