Urteil des LG Mosbach vom 05.12.2008

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LG Mosbach Beschluß vom 5.12.2008, 1 Qs 75/08
Einspruch gegen Strafbefehl: Zustimmung des Verteidigers zum Beschlussverfahren
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wertheim vom 10.11.2008 wird
kostenpflichtig verworfen.
Gründe
1 Das Amtsgericht Wertheim erließ gegen die nicht verteidigte Verurteilte am 13.10.2008 einen Strafbefehl mit
einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen zu je 55,00 Euro. Gegen den am 15.10.2008 zugestellten
Strafbefehl legte die Verurteilte am 23.10.2008 Einspruch ein und beschränkte diesen auf die Tagessatzhöhe.
Gleichzeitig beantragte sie, „ohne Durchführung einer Hauptverhandlung einen entsprechenden Beschluss auf
Reduzierung der Tagessätze zu fassen“. Die Staatsanwaltschaft Mosbach stimmte daraufhin einer
Entscheidung durch Beschluss zu. Am 10.11.2008 setzte das Amtsgericht Wertheim gemäß § 411 Abs. 1 Satz
3 StPO den Tagessatz auf 50,00 Euro fest. Hiergegen wendet sich die Verurteilte mit ihrer sofortigen
Beschwerde, mit der sie eine Ratenzahlung erstrebt.
2 Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht von einer Anordnung
von Zahlungserleichterungen abgesehen. Es ist derzeit nicht ersichtlich, dass die sofortige Zahlung der
Geldstrafe der Verurteilten unzumutbar wäre. Die Höhe der Geldstrafe liegt nur geringfügig über dem
gesetzlichen Nettoeinkommen der Verurteilten. Aussagekräftige Unterlagen über Verbindlichkeiten oder Angaben
zum sonstigen Vermögen legt die Verurteilte nicht vor. Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass
eine Ratenzahlung weder erwogen noch bewilligt worden ist. Der Verurteilten bleibt unbenommen, gegenüber der
Vollstreckungsbehörde gemäß § 459 c StPO erneut Zahlungserleichterungen zu beantragen.
3 Ergänzend bemerkt die Kammer, dass das Amtsgericht gemäß § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO durch Beschluss
entscheiden durfte, obwohl die Verurteilte keinen Verteidiger hatte. § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO ist dahingehend
auszulegen, dass eine Zustimmung des Verteidigers nur dann einzuholen ist, wenn der Verurteilte auch
tatsächlich einen Verteidiger hat. Eine generelle Mitwirkungspflicht eines Verteidigers lässt sich weder aus dem
Sinn der Regelung noch aus dem Gesetzeswortlaut herauslesen (aA BeckOK Graf/Volk/Temming StPO § 411
Rn 2.1).
4 § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO ist eine vereinfachte Möglichkeit, zugunsten des Angeklagten im Beschlussverfahren
die Höhe der Tagessätze einer Geldstrafe zu überprüfen. Durch die schriftliche Darlegung der finanziellen
Verhältnisse durch Belege (Lohnabrechnung, Bescheid über Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe, Kontoauszüge)
sollte eine mit überflüssigem Aufwand verbundene Hauptverhandlung vermieden werden (BT-Drucks. 15/3482 S.
22). Der vom Gesetzgeber bezweckten Vereinfachung würde es zuwiderlaufen, das Beschlussverfahren nur in
den Fällen anzuwenden, in denen ein Verteidiger beauftragt ist. Die Annahme einer generellen Mitwirkungspflicht
eines Verteidigers hätte in der täglichen Praxis zur Folge, dass in einem wesentlichen Teil der Verfahren, in
denen der Einspruch auf die Tagessatzhöhe beschränkt wurde, eine Hauptverhandlung durchgeführt werden
müsste.
5 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die erforderliche Zustimmung des Verteidigers mit seiner unabhängigen
Stellung sowie seiner Kontroll- und Aufklärungsfunktion begründet (BT-Drucks aaO). Ist jedoch überhaupt kein
Verteidiger beauftragt, kann seine Stellung nicht beeinträchtigt werden. Im übrigen ist der Angeklagte durch das
Verschlechterungsverbot und die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde ausreichend geschützt.
6 Auch aus dem Wortlaut kann eine zwingende Zustimmung eines Verteidigers nicht geschlossen werden. Denn §
411 Abs. 1 Satz 3 StPO besagt nur, dass der Verteidiger zum Beschlussverfahren zustimmen muss. Hat der
Angeklagte keinen Verteidiger, kann auch ein solcher nicht zustimmen. Insbesondere kann keine Parallele zu
dem wortlautgleichen § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO gezogen werden, wo bei einer einverständlichen Verlesung
vorausgesetzt wird, dass der Angeklagte einen Verteidiger hat. Im Strafbefehlsverfahren ist nach §§ 420 Abs. 1,
Abs. 3, 411 Abs. 2 Satz 2 StPO die Zustimmung des Verteidigers zur Verlesung nach § 251 StPO nur
erforderlich, soweit er anwesend ist. Nichts anderes kann aber auch im Beschlussverfahren nach § 411 Abs. 1
Satz 3 StPO gelten.
7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.