Urteil des LG Mönchengladbach vom 26.07.2006

LG Mönchengladbach: zustellung, anspruch auf rechtliches gehör, urkunde, anschrift, südafrika, zwangsvollstreckung, auskunft, postfach, aufenthalt, erlass

Landgericht Mönchengladbach, 5 T 242/06
Datum:
26.07.2006
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 242/06
Schlagworte:
Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung einer notariellen Urkunde
Normen:
BGB § 185
Leitsätze:
Zum Nachweis der Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung (§
185 Nr. 1 ZPO) einer notariellen Urkunde im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr.
5 ZPO genügt grundsätzlich die Vorlage aktueller Auskünfte des für den
letzten bekannten Wohnort des Zustelladressaten zuständigen
Einwohnermelde- und Postamts (im Anschluss an BGH, Beschluss vom
14.02.2003 - IXa ZB 56/03).
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird a u f g e h o b e n .
Das Amtsgericht Erkelenz wird angewiesen, die öffentliche Zu-stellung
zu bewilligen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Beschwerdewert: 3.000,00 €.
G r ü n d e : I.
1
Durch notariellen Vertrag vom 19. September 1995 verpflichtete sich der Antragsgegner
gegenüber der Antragstellerin zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 100.000,00 DM,
fällig zum 31. Dezember 2005. Gleichzeitig unterwarf er sich wegen dieser
Zahlungsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen. Die
Antragstellerin beabsichtigt, gegen den Beteiligten die Zwangsvollstreckung zu
betreiben, da eine Zahlung nicht erfolgt ist.
2
Der Antragsgegner wohnt nicht mehr unter der im Rubrum genannten Anschrift in H..
Ausweislich der Auskunft aus dem Melderegister des Bürgermeisters der Stadt
Hückelhoven meldete sich der Antragsgegner am 9. September 2003 zur Adresse
........../Südafrika ab. Hierbei handelt es sich um ein Postfach. Eine Zustellung unter
dieser Postfach-Anschrift konnte nicht erfolgen. Ein per Einschreiben mit Rückschein
versandtes Schreiben kam von dort mit dem Vermerk "unbekannt" zurück.
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Die Antragstellerin hat die öffentliche Zustellung der notariellen Urkunde vom
19. September 1995 beantragt. Das Amtsgericht Erkelenz hat den Antrag mit dem
angefochtenen Beschluss vom 31. Mai 2006 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der
Antragsgegner sei nicht unbekannten Aufenthalts im Sinne von § 185 Nr. 1 ZPO, da er
nach Südafrika verzogen sei. Ob die Entscheidung des BGH vom 14. Februar 2003
(NJW 2003, 1530) auf den vorliegenden Fall anwendbar sei, könne dahinstehen. Die
Antragstellerin habe keine Auskunft des zuletzt zuständigen Postamtes eingeholt, wie
dies vom BGH neben der Auskunft des Einwohnermeldeamtes kumulativ verlangt
werde. Die Voraussetzungen des § 185 Nr. 2 ZPO seien gleichfalls nicht dargelegt.
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Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie vertritt die
Auffassung, dass es bei der öffentlichen Zustellung im Rahmen der
Zwangsvollstreckung ausreichend sei, wenn der Antragsteller zum Nachweis des
unbekannten Aufenthaltes eine Melderegisterauskunft vorlege. Vorsorglich hat die
Antragstellerin im Beschwerdeverfahren eine Mitteilung der Deutschen Post AG
vorgelegt, wonach der Antragsgegner unter der vormaligen Anschrift in Hückelhoven
nicht zu ermitteln sei.
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Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der
Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
6
II.
7
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
8
Die Frage, ob die öffentliche Zustellung zu bewilligen ist, richtet sich vorliegend nach
§ 185 Nr. 1 ZPO, da der Antragsgegner unbekannten Aufenthaltes ist. Allein der
Umstand, dass sich der Antragsgegner mutmaßlich in Südafrika aufhält, führt entgegen
der Auffassung des Amtsgerichts nicht dazu, dass er bekannten Aufenthaltes ist mit der
Folge, das § 185 Nr. 2 ZPO anwendbar wäre. Denn bekannt im Sinne dieser Vorschrift
ist der Aufenthalt nur, wenn eine zustellungsfähige Anschrift vorliegt, die Zustellung
allerdings nicht möglich oder erfolgversprechend ist. Das ist nicht der Fall. Dass für den
Beteiligten ein Postfach (P.O.-Box) in Südafrika existiert oder existiert hat, steht dem
unbekannten Aufenthalt im Sinne von § 185 Nr. 1 ZPO nicht entgegen (Musielak/Wolst,
ZPO, 4. Aufl., § 185 Rn. 2).
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Streitig ist vorliegend allein die Frage, welche Nachweise die Antragstellerin für die
Voraussetzung des unbekannten Aufenthaltes erbringen muss. In diesem
Zusammenhang ist für das Erkenntnisverfahren (Zustellung einer Klageschrift und einer
rechtsmittelfähigen Entscheidung) anerkannt, dass ein unbekannter Aufenthalt im
Hinblick auf Artikel 103 GG (rechtliches Gehör) erst nach eingehenden Ermittlungen
angenommen werden kann. Neben Nachfragen beim zuletzt zuständigen Post- und
Einwohnermeldeamt sind zusätzlich Nachforschungen beim letzten bekannten
Vermieter, bei Hausgenossen, Nachbarn und dem Arbeitgeber sowie gegebenenfalls
weiteren Behörden (Polizei, Bundesverwaltungsamt bei Ausländern) erforderlich.
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Der BGH hat mit Beschluss vom 14. Februar 2003 (IX a ZB 56/03 – NJW 2003, 1530)
allerdings entschieden, dass zum Nachweis der Voraussetzungen für die öffentliche
Zustellung beim Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses grundsätzlich
die Vorlage aktueller Auskünfte des für den zuletzt bekannten Wohnort des Schuldners
zuständigen Einwohnermelde- und Postamt genügt. Zur Begründung hat der BGH
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ausgeführt, dass bei der Abwägung zwischen dem Justizgewährungsanspruch des
Antragstellers mit den Belangen des Zustellungsadressaten im Fall der
Forderungspfändung in der Regel an den Nachweis des unbekannten Aufenthaltes des
Schuldners wegen dessen wesentlich geringeren Schutzbedürfnisses weniger strenge
Anforderungen zu stellen seien als für die öffentliche Zustellungen an den Beklagten. Im
Erkenntnisverfahren werde das rechtliche Gehör und die Rechtsverfolgungs- und
Rechtsverteidigungsmöglichkeit der Partei durch die öffentliche Zustellung unmittelbar
berührt, während ein vergleichbares Schutzbedürfnis bei der Forderungspfändung nicht
bestehe.
Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, der die öffentliche Zustellung einer
notariellen Urkunde betrifft, übertragbar. Zwar handelt es sich bei der Zustellung der
notariellen Urkunde im Sinne von § 750 Abs. 1 in Verbindung mit § 795 ZPO nicht um
eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme, da durch die Zustellung die Voraussetzung für
den Beginn der Zwangsvollstreckung erst geschaffen wird. Jedoch wird der
Antragsgegner durch die öffentliche Zustellung der notariellen Urkunde eben so wenig
unmittelbar in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör berührt. Der Antragsgegner hat an
der Errichtung der notariellen Urkunde vom 19. September 1995 mitgewirkt, da es sich
um einen gegenseitigen Vertrag handelt. Die notarielle Urkunde ist ihm mithin bekannt.
Gleichfalls ist ihm aufgrund der Fälligkeitsregelung und aufgrund des dinglichen
Arrestes des Amtsgerichts München vom 15. Dezember 2003 bekannt, dass die
Zwangsvollstreckung droht. Ferner ist bei der Abwägung zwischen dem
Justizgewährungsanspruch der Antragstellerin und dem Schutzbedürfnis des
Antragsgegners zu berücksichtigen, dass Letzterer die Ermittlung seines Aufenthaltes
willkürlich erschwert. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass der Antragsgegner in einem
Familienverfahren vor dem OLG Celle trotz Aufforderung durch den Berichterstatter vom
8. November 2005 seine aktuelle ladungsfähige Anschrift, die seinem dortigen
Prozessbevollmächtigten im Übrigen bekannt sein muss, nicht mitgeteilt hat. Vor diesem
Hintergrund hat der Justizgewährungsanspruch der Antragstellerin gegenüber dem
Schutzbedürfnis des Antragsgegner Vorrang.
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Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren auch eine Auskunft der Deutschen Post
AG vorgelegt, wonach der Antragsgegner unter der vormaligen Anschrift in Hückelhoven
nicht zu ermitteln ist. Ob dies vor dem Hintergrund, dass eine Zustellung unter der
Postfachanschrift in Südafrika per Einschreiben mit Rückschein mit dem Vermerk
"unbekannt" zurückgekommen ist, erforderlich war, kann dahingestellt bleiben.
Jedenfalls genügt die Antragstellerin den Anforderungen des BGH (a.a.O.) an den
Nachweis des unbekannten Aufenthaltes.
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Die Antragstellerin hat somit den Nachweis der Voraussetzungen für die öffentliche
Zustellung gemäß § 185 Nr. 1 ZPO erbracht. Der angefochten Beschluss war daher
aufzuheben und das Amtsgerichts zugleich anzuweisen, die öffentliche Zustellung
entsprechend dem Antrag vom 11. Januar 2006 zu bewilligen.
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III.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 574 ZPO
nicht vorliegen.
17
Fuchs
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