Urteil des LG Mönchengladbach vom 26.07.2007

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Landgericht Mönchengladbach, 5 T 16/07
Datum:
26.07.2007
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 16/07
Schlagworte:
Kostenfestsetzungsverfahren, Mehrvertretungszuschlag,
Wohnungseigentümer, Wohnungseigentümergemeinschaft
Normen:
ZPO § 91 Abs. 1, VV RVG Nr. 1008
Leitsätze:
Den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die im
Rahmen eines Wohn-geldverfahrens Erstattung ihrer außergerichtlichen
Kosten verlangen können, steht der Mehrvertretungszuschlag gem. VV
RVG Nr. 1008 nicht zu. Denn es ist nicht notwendig, dass alle
Miteigentümer den Wohngeldanspruch geltend machen. Sie hätten ihren
An-spruch auch als teilrechtsfähiger Verband geltend machen können.
Tenor:
Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.09.2006 wird teilweise ab-
geändert und wie folgt neu gefasst:
Auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts Viersen vom 21.07.2006
sind von der Antragsgegnerin 593,44 € nebst fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 03.08.2006 an die An-
tragsteller zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller als Ge-
samtschuldner zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 503,43 €
I.
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Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin einer Wohnung in der im Rubrum bezeichneten
Wohnungseigentumsanlage. Die Antragsteller sind die übrigen Eigentümer. Sie haben
zunächst als Eigentümergemeinschaft gegen die Antragsgegnerin einen Mahnbescheid
erwirkt, in welchem sie 2.222,79 Euro rückständiges Wohngeld geltend gemacht haben.
Mit Schriftsatz vom 29.03.2006 haben sie das Aktivrubrum in der Weise geändert, dass
nunmehr die Wohnungseigentümer gem. einer anliegenden Liste den
Wohngeldanspruch geltend machen. Außerdem haben sie den Zahlungsantrag auf
3.182,79 Euro erhöht. Nachdem im Laufe des Verfahrens beide Parteien den
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Hauptanspruch für erledigt erklärt haben, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom
21.07.2006 der Antragsgegnerin die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten
der Antragsteller auferlegt. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat daraufhin auf
Antrag der Antragsteller mit Beschluss vom 11.09.2006 angeordnet, dass die
Antragsgegnerin an die Antragsteller 1.096,87 Euro an Kosten zu erstatten habe. Dabei
hat sie antragsgemäß 2,0 Erhöhungsgebühren als Mehrvertretungszuschlag gem. Nr.
1008 VV RVG berücksichtigt. Dagegen hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde
eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass der Mehrvertretungszuschlag gem. Nr. 1008 VV
RVG nicht gerechtfertigt sei, weil die Antragssteller zur kostensparenden
Vorgehensweise gem. § 91 ZPO verpflichtet seien und deshalb die
Wohnungseigentümergemeinschaft selbst als eine Rechtsperson die Ansprüche hätte
geltend machen können. Die Antragsteller sind dem Rechtsmittel mit
Rechtsausführungen entgegengetreten. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht
abgeholfen und diese der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der
Mehrvertretungszuschlag gem. Nr. 1008 VV RVG steht den Antragstellern nicht zu, weil
es sich insoweit nicht um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung gem. § 91 Abs. 1
ZPO handelt.
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1.
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Im Beschluss vom 21.07.2006 hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin die
Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller auferlegt. Die
Auffassung der Antragsteller, ihnen stehe die Erhöhungsgebühr zu, weil das
Amtsgericht ohne jede Einschränkung die Kosten den Antragstellern auferlegt habe, trifft
nicht zu. Denn das Amtsgericht hat lediglich eine Kostengrundentscheidung getroffen
und damit entschieden, dass sich die Antragsteller nicht an den Kosten des Verfahrens
beteiligen müssen, die Antragsgegner vielmehr alle Kosten des Verfahrens zu tragen
haben. Die Höhe dieser Kosten, insbesondere welche Kosten angefallen und
erstattungsfähig sind, bleibt allein der Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren
vorbehalten. In diesem Verfahren ist nicht nur zu prüfen, ob die geltend gemachten
Kosten überhaupt entstanden sind, es ist vielmehr gem. § 91 Abs. 1 ZPO auch zu
prüfen, ob diese Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig
waren. Waren sie nicht notwendig, so hat die Partei diese Kosten selbst zu tragen.
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Die Geltendmachung der Wohngeldansprüche durch die einzelnen
Wohnungseigentümer war nicht notwendig. Spätestens seit der Entscheidung des BGH
vom 02.06.2005 (NJW 2005, 2061f) ist es als geklärt anzusehen, dass eine
Wohnungseigentümergemeinschaft rechts- und parteifähig ist, soweit sie bei der
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt. Es
brauchen also nicht die einzelnen Miteigentümer klagen, sondern die
Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband kann klagen und verklagt werden. Da
jede Partei zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet ist, kann sie gem. § 91
Abs. 1 ZPO nur eine Erstattung der notwendigen Kosten verlangen. Es mag – worauf
das Amtsgericht hingewiesen hat – gleichwohl zulässig sein, den Anspruch von den
einzelnen Miteigentümern geltend zu machen (so BGH, Beschluss vom 18.02.2002, VIII
ZB 6/02, NJW 2002, 2958f). Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob dies auch
notwendig war. Denn nur dann wären die dadurch entstandenen Kosten gem. § 91 Abs.
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1 ZPO erstattungsfähig. Hier war es nach der Entscheidung des BGH vom 02.06.2005
nicht mehr notwendig, den Wohngeldanspruch von den einzelnen Miteigentümern als
Gesamtgläubiger geltend zu machen. Da die Antragsgegnerin erstmals am 19.09.2005
gemahnt worden ist, ist davon auszugehen, dass der Auftrag zur gerichtlichen
Geltendmachung erst nach diesem Zeitpunkt, also auch nach der Entscheidung vom
02.06.2005, erteilt worden ist. Bei kostensparender Verfahrensweise hätten die
Antragsteller, der neuen Rechtsprechung des BGH folgend, ihren Anspruch nicht
einzeln sondern als Verband gerichtlich geltend machen können, so dass ein
Mehrvertretungszuschlag nicht gerechtfertigt ist.
Die Richtigkeit dieser Auffassung wird indirekt bestätigt durch die Entscheidung des
BGH vom 26.02.2003 (VIII ZB 69/02, JurBüro 2004, 145f). Darin hat der BGH den
Mehrvertretungszuschlag nur deshalb für gerechtfertigt angesehen, weil der
Klageauftrag vor der Entscheidung des BGH vom 18.02.2002 (NJW 2002, 1207f) erteilt
worden war, in welcher der BGH erstmals ausdrücklich die Parteifähigkeit einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts – vergleichbar mit einer
Wohnungseigentümergemeinschaft – bejaht hatte. Diese Auffassung teilt im Übrigen
auch das Brandenburgische Oberlandesgericht in der von der Antragsgegnerin
vorgelegten Entscheidung (6 W 12/06). Darin heißt es: "Der Beklagten ist zuzugeben,
dass wegen dieser Entscheidung des BGH alles dafür spricht, dass ein
Mehrvertretungszuschlag künftig nicht mehr als erstattungsfähig angesehen werden
kann, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Prozess als Verband Rechte
aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geltend macht."
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2.
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Die erstattungsfähigen Kosten sind danach wie folgt zu berechnen:
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Verfahrensgebühr Nr. 3100
217,00 € * 1,3
282,10 €
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG
20,00 €
Zwischensumme netto
302,10 €
16 % MwSt Nr. 7008 VV RVG
48,34 €
Zwischensumme brutto
350,44 €
verauslagte Gerichtskosten
202,50 €
verauslagte Gerichtskosten
40,50 €
593,44 €
11
3.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, da – soweit ersichtlich – die Frage, ob den
Wohnungseigentümern der Mehrvertretungszuschlag auch in den Fällen zusteht, in
denen der Wohngeldanspruch auch von der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst
geltend gemacht werden kann, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
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Jopen Fuchs Vogt
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