Urteil des LG Mönchengladbach vom 27.04.2006

LG Mönchengladbach: vergütung, berechnungsgrundlage, beendigung, belastung, verwaltung, besitz, verkehrswert, vermögenswert, zugehörigkeit, amt

Landgericht Mönchengladbach, 5 T 22/06
Datum:
27.04.2006
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 22/06
Schlagworte:
Insolvenzverwaltervergütung des vorläufigen Verwalters, nach Beendi-
gung der vorläufigen Insolvenzverwaltertätigkeit bekannt gewordene
Forderung des Schuldners ist nicht masseerhöhend
Normen:
InsVV §§ 10, 11
Leitsätze:
In die Berechnungsgrundlage für die Festsetzung der Vergütung des
vorläufigen Insolvenzverwalters ist eine Forderung des Schuldners, die
dem vorläufigen Insolvenzverwalter erst nach Be-endigung des
vorläufigen Insolvenzverfahrens bekannt geworden ist, nicht
masseerhöhend einzustellen. Ein solcher Massezufluss ist nicht auf die
Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters zu-rückzuführen und
würde zu einer doppelten Belastung mit Insol-venzverwaltervergütungen
führen (Fortführung von BGH, Be-schluss vom 10.11.2005 - IX ZB
168/04)
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte.
Beschwerdewert: 14.530,96
I.
1
Der Beteiligte wurde am 16. Mai 2002 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit
Zustimmungsvorbehalt bestellt. Sein Amt als vorläufiger Insolvenzverwalter endete
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 18. September 2002 unter
gleichzeitiger Bestellung des Beteiligten zum Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom
21. Oktober 2002 hat das Amtsgericht die Vergütung des Beteiligten für die vorläufige
Insolvenzverwaltung nach einem Wert der Masse von 6.007,26 € auf einen Betrag von
600,73 € festgesetzt. Nach Beendigung des vorläufigen Insolvenzverfahrens erlangte
der Beteiligte Kenntnis von einer Forderung des Schuldners in Höhe von
4.195.080,00 €. Von diesem Betrag realisierte er aufgrund eines Vergleichs
1.000.000,00 €, die der Masse – nach Beendigung des vorläufigen Insolvenzverfahrens
– zugeflossen sind.
2
Unter dem 6. Dezember 2005 beantragte der Beteiligte für seine Tätigkeit als vorläufiger
Insolvenzverwalter eine weitere Vergütung in Höhe von 14.530,96 € und brachte hierbei
einen Wert der Masse von 1.006.726,00 € in Ansatz. Der Beteiligte vertritt die
Auffassung, für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage sei dieser Wert zu
berücksichtigen, ohne dass es auf die entfaltete Tätigkeit und die Kenntnisnahme von
der Forderung während des vorläufigen Insolvenzverfahrens ankomme. Er beruft sich
hierbei auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 2005 ― IX ZP 230/03.
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Das Amtsgericht hat den Vergütungsfestsetzungsantrag mit der angefochtenen
Entscheidung zurückgewiesen und ausgeführt, der Bundesgerichtshof gehe in seiner
Entscheidung davon aus, dass nur solche Vermögenswerte zu berücksichtigen seien,
die zur "Ist-Masse", also zu dem vom vorläufigen Insolvenzverwalter in Besitz zu
nehmenden oder sonst für die Masse zu reklamierenden Vermögen gehörten. Hieraus
folge, dass die Forderung dem Beteiligten vor Beendigung der vorläufigen Verwaltung
bekannt gewesen sein müsse, was unstreitig nicht der Fall sei.
4
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beteiligten. Das Amtsgericht hat
dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung
vorgelegt.
5
II.
6
Die gemäß § 64 Abs. 3 InsO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen
Erfolg.
7
Das Amtsgericht geht zu Recht davon aus, dass in die Berechnungsgrundlage für die
Festsetzung der vorläufigen Insolvenzverwaltervergütung solche Forderungen nicht
einzustellen sind, die zwar vor Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung
bestanden haben, dem vorläufigen Insolvenzverwalter aber erst nach diesem Zeitpunkt
bekannt geworden sind.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Grundlage für die Berechnung
der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 10, 11 in Verbindung mit § 1
InsVV) der Wert der "Insolvenzmasse" bei Beendigung seiner vorläufigen
Insolvenzverwaltung. Zu berücksichtigen sind solche Vermögenswerte, die zu dem
genannten Zeitpunkt zum gesicherten und verwalteten Vermögen gehört haben.
Entscheidend ist die Zugehörigkeit zur "Ist-Masse", also zu dem vom Insolvenzverwalter
in Besitz zu nehmenden oder sonst für die Masse zu reklamierenden Vermögen.
Forderungen des Schuldners sind mit ihrem Verkehrswert im Zeitpunkt der Beendigung
der vorläufigen Verwaltung in die Berechnungsgrundlage aufzunehmen (BGH,
Beschluss vom 12. Januar 2006 – IX ZP 127/04; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2005 – IX
ZP 230/03; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2004 – IX ZP 589/02; JURIS).
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Danach ist im Grundsatz als Stichtag für den Wert der Insolvenzmasse auf den Zeitpunkt
der Beendigung der vorläufigen Insolvenzverwaltung abzustellen mit der Folge, dass an
diesem Stichtag zwar bestehende, dem vorläufigen Insolvenzverwalter aber unbekannte
Forderungen nicht in die Berechnungsgrundlage aufzunehmen sind.
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Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 10. November 2005 (IX ZP 168/04, JURIS), die zur Vergütung
des vorzeitig abgelösten Insolvenzverwalters bei nachträglichem Massezufluss
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ergangen ist. Nach dieser Entscheidung, deren Grundsätze auf den vorliegenden
Sachverhalt übertragbar sind, gilt folgendes:
"Bei Massezuflüssen, die erst nach Beendigung des Amtes des ausgeschiedenen
Insolvenzverwalters, jedoch vor der gerichtlichen Festsetzung seiner Vergütung,
stattgefunden haben, ist zu differenzieren.
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Solche Massezuflüsse sind in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des
ersten Insolvenzverwalters einzustellen, falls jene ausschließlich Folge seiner
Tätigkeit sind. Es reicht nicht aus, dass der ausgeschiedene Insolvenzverwalter den
späteren Massezufluss lediglich in die Wege geleitet hat, dieser dann aber erst
durch Bemühungen seines Nachfolgers abgeschlossen worden ist. Abgesehen
davon, dass der Massezufluss tatsächlich erst nach dem Ausscheiden des ersten
Insolvenzverwalters vollzogen worden ist, muss dieser alles getan haben, was den
Massezufluss bewirkt hat. Beispielsweise zählen Sicherheiten, die erst nach dem
Ausscheiden des ersten Insolvenzverwalters infolge von Verhandlungen mit den
Sicherungsnehmern, die der Erstinsolvenzverwalter noch abgeschlossen hat,
freigegeben werden, zu dem von ihm verwalteten Vermögen. Hat der
ausgeschiedene Insolvenzverwalter einen Anfechtungsrechtsstreit nach §§ 129 ff.
InsO durchgefochten und zahlt der Anfechtungsgegner nach dem Verwalterwechsel,
ist dieser Massezufluss ebenfalls dem ausgeschiedenen Insolvenzverwalter
zuzurechnen.
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Ist die bis zur Festsetzung der Vergütung des ersten Insolvenzverwalters erfolgte
Masseanreicherung nicht – oder nicht nachweisbar – ausschließlich auf seine
Bemühungen zurückzuführen, erscheint es vielmehr als möglich, dass auch
Bemühungen des neuen Insolvenzverwalters dazu beigetragen haben, kann der
dadurch bewirkte Massezufluss bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung
des ersten Insolvenzverwalters nicht berücksichtigt werden. Denn der Zufluss ist
auch bei der Vergütung des zweiten Insolvenzverwalters zugrunde zu legen, und
zwar durch Einstellen in die Berechnungsgrundlage. Dann kann er nicht zugleich in
die Berechnungsgrundlage für den ersten Insolvenzverwalter Eingang finden, weil
dies zu einer doppelten Belastung der Masse mit Insolvenzverwaltervergütungen
führen würde. Den Massezufluss unterschiedslos sowohl bei dem früheren
Insolvenzverwalter als auch bei dem Nachfolger zu berücksichtigen, verbietet sich
außerdem deshalb, weil beide zumeist in verschiedenem Umfang tätig geworden
sind und in unterschiedlichem Maße zu dem Massezufluss beigetragen haben.
Entsprechend den unterschiedlichen Tätigkeitsbeiträgen zu differenzieren, ist nicht
möglich, weil ein zur Masse zu rechnender Vermögenswert entweder ganz oder gar
nicht, jedoch nicht anteilig als Berechnungsgrundlage dienen kann. Auch
entstünden anderenfalls erhebliche Abgrenzungsprobleme."
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Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, käme ein Einstellen der
Forderung in Höhe von 1.000.000,00 € in die Berechnungsgrundlage nur dann in
Betracht, falls der spätere, nach Beendigung des vorläufigen Insolvenzverfahrens
erfolgte Massezufluss ausschließlich Folge der Tätigkeit des Beteiligten als vorläufiger
Insolvenzverwalter wäre. Das ist unstreitig nicht der Fall, da ihm die Forderung vor
Beendigung des vorläufigen Insolvenzverfahrens nicht bekannt war. Folglich konnte er
bezüglich dieser Forderung auch keine Tätigkeit ausüben, die eine tätigkeitsbezogene
Vergütung nach sich ziehen könnte. Denn für diese Tätigkeit erhält der Beteiligte eine
Vergütung im Rahmen seines Amtes als Insolvenzverwalters. Eine "Doppelvergütung"
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scheidet aus, da dies zu einer unzulässigen Belastung der Masse führen würde.
III.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 4 InsO.
17
Der Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, da sie auch ohne Zulassung
statthaft ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 64 Abs. 3 InsO).
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Fuchs
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