Urteil des LG Mönchengladbach vom 10.01.2007

LG Mönchengladbach: erlöschen des anspruchs, vergütung, nachlass, entstehung, fristbeginn, rechtskraft, realisierung, ermessen, mittellosigkeit, vollstreckung

Landgericht Mönchengladbach, 5 T 416/06
Datum:
10.01.2007
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 416/06
Schlagworte:
Erlöschen des Anspruchs auf Betreuervergütung 15 Monate nach
Entstehung des Anspruchs, Anspruch gegen Betreuten und Staatskasse
Normen:
BGB §§ 1836 a.F. (jetzt BGB § 1836 i.V.m VBVG § 2)
Leitsätze:
Die Einhaltung der 15-Monats-Frist wird mit der erstmaligen
Geltendmachung des Be-treuervergütungsanspruchs gegenüber dem
Vormundschaftsgericht gewahrt. Stellt sich später heraus, dass der
gegen den Betreuten festgesetzte Anspruch wegen Mittello-sigkeit nicht
realisiert werden kann, so ist die 15-Monatsfrist bei anschließender Gel-
tendmachung des Anspruchs gegenüber der Staatskasse nicht erneut zu
beachten
Tenor:
In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Grevenbroich vom
22.11.2005 wird der ehemaligen Betreuerin für die Zeit von Juli 2001 bis
De-zember 2001 eine Vergütung von 1.507,95 € und für die Zeit von
Januar 2002 bis Mai 2002 eine Vergütung von 913,45 € , jeweils zu
zahlen aus der Landeskasse, bewilligt.
I.
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Die Beteiligte zu 1. war bis zum Tode der Betroffenen deren Betreuerin. Mit Schreiben
vom 19.03.2002 beantragte sie die Festsetzung ihrer Vergütung aus dem Vermögen der
Betroffenen für die Zeit von Juli 2001 bis Dezember 2001 in Höhe von 1.507,95 €. Mit
Beschluss vom 20.03.2003 wurde diese Vergütung gegen den Nachlass festgesetzt,
nachdem die Betroffene zwischenzeitlich verstorben war. Mit weiterem Schreiben vom
20.01.2003 beantragte die Beteiligte zu 1. die Festsetzung ihrer Vergütung aus dem
Nachlass der Betroffenen für die Zeit von Januar 2002 bis Mai 2002 in Höhe von 913,45
€, die mit Beschluss vom 30.04.2003 antragsgemäß festgesetzt wurde. Nachdem
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Beteiligten zu 1. gegen den Erben fruchtlos
verlaufen waren, beantragte sie mit Schreiben vom 20.01.2004, die Vergütung aus der
Staatskasse zu bewilligen. Nach Anhörung des Beteiligten zu 2. wies das Amtsgericht
den Antrag mit Beschluss vom 22.11.2005 zurück, weil der Anspruch nicht binnen 15
Monaten seit seiner Entstehung geltend gemacht worden sei und deshalb gem. § 1836
Abs. 2 BGB a.F. erloschen sei. Die Beteiligte zu 1. habe nicht zeitnah nach Zugang der
Festsetzungsbeschlüsse gegen den Nachlass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
eingeleitet.
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Dagegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie ist der
Auffassung, dass sie ihre Vergütung aus dem Nachlass hätte realisieren können, wenn
sie daran nicht durch erheblich verzögerliche Arbeitsweise des Amtsgerichts gehindert
worden wäre.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese der Kammer zur
Entscheidung vorgelegt.
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II.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Die Beteiligte zu 1. kann
gem. §§ 1908i Abs. 1, 1836a, 1836 Abs. 2 BGB a.F. Zahlung ihrer Vergütung für die Zeit
von Juli 2001 bis Mai 2002 aus der Landeskasse verlangen. Der Auffassung des
Amtsgerichts, der Anspruch sei wegen Verstreichens der 15-Monatsfrist gem. § 1836
Abs. 2 BGB a.F. erloschen, vermag die Kammer nicht zu folgen.
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Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Beteiligte zu 1. nicht zeitnah
nach erstmaliger Festsetzung ihrer Vergütung gegen den Erben vorgegangen war,
kommt es nicht an. Der Vergütungsanspruch erlischt gem. § 1836 Abs. 2 BGB a.F. 15
Monate nach Entstehung des Anspruches nur dann, wenn der Anspruch nicht innerhalb
dieser Frist gegenüber dem Vormundschaftsgericht geltend gemacht worden ist. Dabei
ist es für die Einhaltung der Frist unerheblich, ob der Anspruch zunächst gegenüber der
Betreuten bzw. gegenüber dem Nachlass geltend gemacht wird oder ob später die
Staatskasse in Anspruch genommen wird, weil sich zwischenzeitlich die Mittellosigkeit
der Betreuten herausgestellt hat (so Münchener-Kommentar-Wagenitz, BGB, § 1836
Rdn. 58). Denn es handelt sich in beiden Fällen um denselben Anspruch, nämlich den
Anspruch des Betreuers auf Vergütung für die von ihm erbrachten
Betreuungsleistungen, unabhängig davon, ob der Betreute selbst oder die Staatskasse
zu seiner Befriedigung berufen ist (so BT-Drucksache 13/7158 S. 27). Ein Wechsel auf
der Schuldnerseite ändert an der Art des Anspruchs nichts. Hat somit der Betreuer
einmal die Frist des § 1836 Abs. 2 BGB a.F. gewahrt – dies ist hier bei den Anträgen
vom 19.03.2002 und 20.01.2003 unzweifelhaft der Fall – , so sind etwaige spätere
Verzögerungen bei der Geltendmachung gegenüber der Staatskasse unschädlich.
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Dies ergibt sich auch aus folgender Überlegung: Maßgeblicher Fristbeginn gem. § 1836
Abs. 2 BGB a.F. ist die Entstehung des Anspruchs. Würde man nach einer
fehlgeschlagenen Realisierung des Anspruches gegenüber dem Betreuten oder dessen
Erben die erneute Einhaltung der 15-Monatsfrist – wie es das Amtsgericht getan hat –
verlangen, so müsste zur Festlegung des Fristbeginns geprüft werden, wann der
Anspruch gegen die Staatskasse entstanden ist. Das wäre mit unvertretbaren
Unwägbarkeiten verbunden. Denn die subsidiäre Haftung der Staatskasse kommt nicht
erst dann in Betracht, wenn unzweifelhaft feststeht, dass der Betreute mittellos ist,
sondern auch schon dann, wenn sich im Rahmen der Amtsaufklärung die Mittellosigkeit
nicht positiv feststellen lässt (so OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.02.1996, FamRZ
1996, 819). Es liegt im Ermessen des Betreuers, welche
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen er ergreift, um seinen Vergütungsanspruch zu
realisieren. Sei es, dass er im Wege der Mobiliarzwangsvollstreckung oder im Zuge der
Forderungspfändung eine Realisierung seiner Forderung versucht. Ebenso liegt es in
seinem Ermessen zu entscheiden, ob er weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
nicht für geboten hält und deshalb seinen Anspruch gegenüber der Staatskasse geltend
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macht. In all diesen Fällen lässt sich ein exakter Zeitpunkt, zu welchem die Staatskasse
eintrittspflichtig wird, nicht bestimmen. Dies hat zur Folge, dass auch der Fristbeginn
gem. § 1836 Abs. 2 BGB a.F. ebenfalls nicht genau festgelegt werden kann. Da im
Interesse der Rechtssicherheit die Frist für das Erlöschen eines Anspruchs genau
bestimmt werden muss, dies jedoch bei Inanspruchnahme der Staatskasse nicht
möglich ist, kann es auf diese Inanspruchnahme als Anknüpfungspunkt für den
Fristbeginn nicht ankommen.
Die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 01.10.2003, 3Z BR
161/93 (FamRZ 2004, 305-308) steht der Auffassung der Kammer, dass die Beteiligte zu
1. mit der Geltendmachung ihres Anspruches im März 2002 und Januar 2003 den Lauf
der Frist gem. § 1836 Abs. 2 BGB a.F. unterbrochen hat und diese Frist beim Übergang
des Anspruchs gegen die Staatskasse nicht mehr eingehalten zu werden braucht, nicht
entgegen. In dieser Entscheidung heißt es zwar, dass ein Zweitantrag an die
Staatskasse nur dann zum Erfolg führen kann, wenn der Betreuer seinerseits das ihm
Mögliche und Zumutbare getan hat, um seinen Vergütungsanspruch gegen den
Betreuten oder dessen Nachlass durchzusetzen und dass er insbesondere den einmal
festgesetzten Anspruch in angemessener Zeit geltend machen muss. Der vom
Bayerischen Obersten Landesgericht entschiedene Fall ist jedoch mit dem hier in Rede
stehenden Fall nicht vergleichbar. In jenem Fall ging es nicht darum, dass der
Vergütungsanspruch wegen Verstreichens der 15-Monats-Frist gem. § 1836 Abs. 2 BGB
a.F. erloschen war, der Betreuer hatte vielmehr zunächst seinen Anspruch gegen die
Staatskasse geltend gemacht und dieser Anspruch war rechtskräftig abgewiesen
worden, weil man davon ausging, dass der Betroffene nicht mittellos sei. Nach
Festsetzung der Vergütung gegenüber dem Betroffenen stellte sich jedoch heraus, dass
der Betroffene nicht über genügend Mittel verfügte, so dass sich der Betreuer veranlasst
sah, erneut die Staatskasse in Anspruch zu nehmen. Bei der Prüfung dieses
Zweitantrages gegenüber der Staatskasse nach Rechtskraft des Erstantrages ging es
also um eine Durchbrechung der Rechtskraft, die vom Bayerischen Obersten
Landesgericht unter der Voraussetzung bejaht worden war, dass der Betreuer den
festgesetzten Anspruch in angemessener Zeit geltend machen muss, wozu auch die
Vollstreckung in ihm bekannte Vermögensgegenstände oder Forderungen gehören
kann. Diese Konstellation ist jedoch mit dem hier in Rede stehenden Fall nicht
vergleichbar, weil hier die Beteiligte zu 1. die Staatskasse erstmals in Anspruch nimmt,
also nicht die Rechtskraft einer Entscheidung durchbrochen werden soll.
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Soweit der Bezirksrevisor meint, der Anspruch sei zumindest verwirkt, kann dem
ebenfalls nicht gefolgt werden. Verwirkung setzt neben der Nichtgeltendmachung eines
Anspruchs über einen längeren Zeitraum voraus, dass der Berechtigte zu erkennen
gegeben hat, dass er seinen Anspruch in Zukunft nicht mehr geltend machen wolle.
Dafür, dass die Beteiligte zu 1. von einer Geltendmachung des Anspruchs gegenüber
der Staatskasse absehen werde, bestehen nicht die geringsten Anhaltspunkte.
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Gerichtskosten fallen nicht an, da die Beschwerde Erfolg hat. Für eine Entscheidung
über außergerichtliche Kosten besteht kein Anlass, da nicht erkennbar ist, dass der
Beteiligten zu 1. solche Kosten entstanden sind.
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Für eine Zulassung der weiteren Beschwerde besteht keine Veranlassung, da die
Voraussetzungen gem. § 56g Abs. 5 S. 2 FGG nicht vorliegen.
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Jopen Fuchs Vogt
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