Urteil des LG Mönchengladbach vom 26.10.2006

LG Mönchengladbach: vertretung, lebensstellung, verfahrensrechte, unterbringung, anhörung, beeinflussung, eingriff, trennung, einverständnis, datum

Landgericht Mönchengladbach, 5 T 337/06
Datum:
26.10.2006
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 337/06
Tenor:
Unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts
Erkelenz vom 23.8.2006 wird der Betroffenen für die Vertretung im
Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht Erkelenz Rechtsanwalt xxx
aus Erkelenz beigeordnet.
I.
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Der Sozialpsychiatrische Dienst des Kreises Heinsberg beantragte in Absprache mit der
Betroffenen die Einrichtung einer Betreuung. Hintergrund war eine aktuelle Krise
aufgrund der Trennung von ihrem Ehemann. Durch Beschluss vom 28.7.2006 ordnete
das Amtsgericht Erkelenz die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. In
einem beigefügten Schreiben an die Betroffene wurde diese darauf hingewiesen, dass
sie sich im Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen kann.
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Mit Schriftsatz vom 2.8.2006 hat die Betroffene die Gewährung von Prozess-kostenhilfe
für das Betreuungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt ......... beantragt.
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Durch den angefochtenen Beschluss vom 23.8.2006 hat das Amtsgericht Erkelenz der
Betroffenen Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung eines Anwalts hat es
abgelehnt. Zur Begründung hat es aufgeführt, dass eine Anwaltsbeiordnung nicht
notwendig sei. Im Betreuungsverfahren würden Ermittlungen von Amts wegen
durchgeführt.
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Gegen diesen Beschluss hat die Betroffene mit Schriftsatz vom 6.9.2006 Beschwerde
eingelegt, soweit die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt wurde. Zur
Begründung hat sie ausgeführt, dass ihr ohne anwaltliche Vertretung die Wahrnehmung
ihrer Interessen nicht möglich sei.
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Durch Beschluss vom 11.9.2006 hat das Amtsgericht Erkelenz der sofortigen
Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Begründung hat das Amtsgericht Erkelenz ergänzend ausgeführt, dass die
Anordnung einer Betreuung und/oder die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts nur
mit Einverständnis der Betroffenen erfolgen solle. Die Betroffene könne auch ihre
Verfahrensrechte selbst wahrnehmen. Aus dem Informationsschreibens des Gerichts
könne keine Verpflichtung zur Beiordnung eines Rechtsanwalts hergeleitet werden. Das
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Schreiben enthalte keine Kostenübernahme.
II.
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Die gem. §§ 14 FGG, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der
Sache Erfolg.
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Gemäß §§ 14 FGG, 121 Abs. 2 ZPO ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts geboten,
wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
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Die Notwendigkeit der Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten ist im
Betreuungsverfahren anzunehmen, wenn schwerwiegende Eingriffe in die Rechte und
die Lebensstellung des Betreuten drohen und dieser wegen der rechtlichen oder
tatsächlichen Schwierigkeiten der Angelegenheit unter Berücksichtigung seiner
persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, sich ohne fachkundige Hilfe sachgerecht
im Betreuungsverfahren einzulassen (Beschluss der Kammer vom 18.10.2006, 5 T
363/06; LG Berlin, BtPrx 2002, 175, BayObLG Beschluss vom 18.8.1999, 3 ZBRH 1/99;
Landgericht Karlsruhe FamRZ 1999, 1091). Ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte
der Lebensstellung des Betroffenen ist dann anzunehmen, wenn eine umfassende
Betreuung, ein Einwilligungsvorbehalt, die Wohnungsauflösung oder die geschlossene
Unterbringung im Raum steht (LG Karlsruhe a.a.O.).
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Beiordnung von Rechtsanwalt .xxx im
Betreuungsverfahren geboten. Für die Betroffene kommt nach den Feststellungen des
Sachverständigen Dr. G. im Gutachten vom 14.8.2006 die Anordnung einer Betreuung
für alle Angelegenheiten sowie die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts für den
Bereich der Vermögenssorge in Betracht. Auch wenn die Betreute nicht mit einer solch
umfassenden Betreuung einverstanden sein sollte, könnte das Amtsgericht nach
Anhörung der Betroffenen und nochmaliger Prüfung der Angelegenheit eine
umfassende Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt einrichten. Zwar bestimmt § 1896
Abs. 1a BGB, dass gegen den freien Willen eines Volljährigen eine Betreuung nicht
eingerichtet werden darf. Dies setzt aber voraus, dass der Betroffene seinen Willen ohne
Beeinflussung durch seine Erkrankung bilden kann. Ob dies bei der Betroffenen der Fall
ist, ist auf der Grundlage des Sachverständigen-gutachtens zumindest zweifelhaft. Sollte
die Betroffene die Betreuung (teilweise) ablehnen, wäre ggf. die Einholung einer
ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen notwendig.
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Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens ist die Betroffene auch nicht in
der Lage, ihre Verfahrensrechte ohne Beiordnung eines Rechtsanwalts selbst
wahrzunehmen. Der Sachverständige diagnostiziert eine leichte Intelligenzminderung
mit Störungen des Auffassungsvermögens, des planerischen Denkens und der
Affektsteuerung des Sozialverhaltens. Die Betroffene war nicht in der Lage, ein
geläufiges Sprichwort zu erklären. Das Vorlesen eines Briefes gelang nur
bruchstückhaft. Eine Subtraktionsaufgabe im Hunderterraum wurde nicht gelöst.
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Vor dem Hintergrund dieser Defizite hält die Kammer die Betroffene für nicht
ausreichend in der Lage, ihre Rechte im Verfahren selbst wahrzunehmen.
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III.
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Eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens entfällt, da die sofortige Beschwerde
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Erfolg hat.
Eine Entscheidung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten ist ebenfalls
entbehrlich, da der Betroffenen kein Beschwerdegegner gegenüber steht.
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Die sofortige weitere Beschwerde wird nicht zugelassen. Die Sache hat keine
grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist weder
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts
erforderlich.
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Jopen Dr. Biermann zum Bruch
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