Urteil des LG Mönchengladbach vom 12.04.2006

LG Mönchengladbach: vergütung, aufwand, verminderung, pauschalierung, kauf, rückforderung, anwendungsbereich, datum, qualifikation

Landgericht Mönchengladbach, 5 T 42/06
Datum:
12.04.2006
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 42/06
Schlagworte:
Kleinunternehmer, Berufsbetreuer, Mehrwertsteuer
Normen:
§ 4 Abs. 2 VBVG
Leitsätze:
Ist der Berufsbetreuer als Kleinunternehmer nicht
mehrwertsteuerpflichtig, so darf seine Vergütung gem. § 4 Abs. 1 VBVG
nicht um die nicht angefallene Mehrwertsteuer ge-kürzt werden.
Tenor:
In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Mönchen-gladbach
vom 11. Januar 2006 wird die aus der Landeskasse zu bezahlende
Vergütung der Beteiligten zu 1) für die Tätigkeit in der Zeit vom 1. Juli
2005 bis zum 22. Oktober 2005 auf 274,70 € festgesetzt.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 37,89 €.
I.
1
Die Beteiligte zu 1) ist Berufsbetreuerin des Betroffenen und wegen zu geringen
Jahresumsatzes nicht umsatzsteuerpflichtig.
2
Mit Schreiben vom 2. November 2005 beantragte sie die Festsetzung der Vergütung
gegen die Landeskasse für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 22. Oktober 2005 in Höhe
von 274,70 €.
3
Das Amtsgericht hat die Vergütung mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Januar
2006 auf 236,81 € festgesetzt und den Antrag wegen eines Betrages in Höhe von 37,89
€, der den Umsatzsteueranteil betrifft, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das
Amtsgericht ausgeführt, der Umsatzsteueranteil sei abzuziehen, da die Beteiligte zu 1)
für das Jahr 2005 nicht umsatzsteuerpflichtig sei. Andernfalls bestünde ein eklatanter
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatzes aus Artikel 3 Abs. 1 GG gegenüber
umsatzsteuerpflichtigen Berufsbetreuern.
4
Das Amtsgericht hat die sofortige Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung
der Sache zugelassen.
5
Die Beteiligte hat zu 1) hat gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss sofortige
Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, aufgrund der Pauschalierung der
Stundensätze der Berufsbetreuer, in denen nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die
Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) die Umsatzsteuer enthalten sei,
könne auch bei einer Umsatzbestreuerbefreiung kein Abzug vorgenommen werden.
6
Die Beteiligte zu 2) hat im Beschwerdeverfahren Stellung genommen und vertritt die
Auffassung, der Beteiligten zu 1) stehe nur die um den Umsatzsteueranteil verminderte
Vergütung zu. Andernfalls würde die Mehreinnahme umsatzsteuerbefreiter
Berufsbetreuer zu einer Ungleichbehandlung gegenüber umsatzsteuerpflichtiger
Berufsbetreuer führen.
7
Das Amtsgericht hat die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
8
II.
9
Die gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache
Erfolg.Die Beteiligte zu 1) hat gemäß §§ 1908 i, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB in
Verbindung mit § 4 VBVG einen Anspruch auf Festsetzung einer Vergütung in Höhe von
274,70 € gegen die Landeskasse.
10
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und der Beteiligten zu 2) ist der
Vergütungsanspruch der Beteiligten zu 1) nicht um den Umsatzsteueranteil in Höhe von
37,89 € zu mindern, weil die Beteiligte zu 1) im Jahr 2005 als sogenannte
Kleinunternehmerin gemäß § 19 UStG von der Entrichtung der Umsatzsteuer befreit ist.
11
Der Gesetzgeber hat mit dem zweiten Betreuungsänderungsgesetz vom 21. April 2005
(Bundesgesetzblatt I. Seite 1073) in § 4 VBVG eine Pauschalvergütung nach dem
Bruttoprinzip eingeführt. Nach § 4 Abs. 2 VBVG gelten die Stundensätze nach Abs. 1
auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen
sowie anfallende Umsatzsteuer ab. Bereits der Wortlaut der Vorschrift dürfte gegen ein
Herausrechnen der Umsatzsteuer aus der Pauschalvergütung für den Fall sprechen,
dass keine Umsatzsteuerpflicht besteht. Nach § 4 Abs. 1 VBVG erhält jeder
Berufsbetreuer nach dem Grad seiner Qualifikation einen pauschalen Stundensatz in
Höhe von 27,00 €, 33,50 € oder 44,00 €, der – so § 4 Abs. 2 VBVG – die anfallende
Umsatzsteuer nach dem Bruttoprinzip einschließt. Dass das Nichtanfallen der
Umsatzsteuer zu einer Verminderung der Pauschalvergütung führt, lässt sich dem
Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen.
12
Eine Verminderung der Pauschalvergütung um den Umsatzsteueranteil dürfte auch mit
dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbar sein. Der Gesetzgeber hat aus
Gründen der Arbeitserleichterung ein pauschales Vergütungssystem eingeführt, das
einfach, streitvermeidend, an der Realität orientiert und für den Berufsbetreuer
auskömmlich sein sollte. Die Pauschalen sollten keine Ausnahmetatbestände zulassen,
da jeder Ausnahmetatbestand zu Streitigkeiten über seinen Anwendungsbereich und
gegebenenfalls eine analoge Anwendung führen würde (Bundestagsdrucksache
15/2494, Seite 31 ff.). Aus diesem Grunde ist eine differenzierte Betrachtung danach, ob
der Berufsbetreuer umsatzsteuerpflichtig ist oder nicht, nach Auffassung der Kammer
nicht angezeigt. Andernfalls müssten die Gerichte im Vergütungsfestsetzungsverfahren
komplexe steuerrechtliche Fragen, insbesondere, ob der Berufsbetreuer gemäß § 19
13
UStG von der Umsatzsteuerpflicht befreit ist, beantworten. Die
Vergütungsfestsetzungen, die einen Umsatzsteueranteil enthalten, müssten zudem
unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen, da im Zeitpunkt der Festsetzung häufig
nicht fest stünde, ob der Berufsbetreuer aufgrund Erreichens der maßgeblichen
Jahresumsatzgrenze umsatzsteuerpflichtig ist oder nicht. Im umgekehrten Fall hätte der
Berufsbetreuer einen Anspruch auf nachträgliche Festsetzung des Umsatzsteueranteils,
falls sich nachträglich seine Umsatzsteuerpflicht herausstellen würde. Dies ist nicht Sinn
und Zweck eines pauschalen Vergütungssystems.
Ein Gleichheitsverstoß (Artikel 3 Abs. 1 GG) gegenüber umsatzsteuerpflichtigen
Berufsbetreuern ist hierin nicht zu sehen. Es ist einer Pauschale immanent, ungleichen
Aufwand mit der gleichen Vergütung zu honorieren. So dürfen im Einzelfall weder Zu-
noch Abschläge gemacht werden, wenn die Betreuung mit einem hohen oder geringen
Aufwand geführt wird. Ebenso verhält es sich bei der Frage der Umsatzsteuerpflicht
oder der Umsatzsteuerbefreiung. Die geringfügig höhere Vergütung des
umsatzsteuerbefreiten Berufsbetreuers stellt keine sachwidrige Ungleichbehandlung
dar, da im Rahmen einer Pauschalierung Unterschiede bei der Höhe des
Nettostundensatzes ― 33,50 € bei umsatzsteuerbefreiten Berufsbetreuern und 28,88 €
bei umsatzsteuerpflichtigen Berufsbetreuern ― in Kauf zu nehmen sind. Im Übrigen ist
die sich aus § 19 UStG ergebende Umsatzsteuerbefreiung für Kleinunternehmer
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom
19. März 1974 ― 1 BvR 416/68, 1 BvR 767/68, 1 BvR 779/68 ― Juris; BFH, Beschluss
vom 31. August 1999 ― V B 20/98, Juris).
14
III.
15
Eine Kostenentscheidung im Sinne von § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG ist entbehrlich, da der
Beteiligten zu 1) außergerichtliche Kosten nicht entstanden sind.
16
Die weitere Beschwerde wird gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG wegen grundsätzlicher
Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen. Ob der gemäß § 19
UStG umsatzsteuerbefreite Berufsbetreuer einen Anspruch auf Festsetzung der
Bruttostundensätze gemäß § 4 Abs. 1 VBVG hat, ist obergerichtlich ― soweit
ersichtlich ― nicht geklärt.
17
Jopen zum Bruch Fuchs
18