Urteil des LG Mönchengladbach vom 25.10.2000

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Landgericht Mönchengladbach, 7 O 42/00
Datum:
25.10.2000
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 O 42/00
Tenor:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den Gegenwert von USD
36.000,00 nebst 5 % Zinsen seit 20.09.1999 zu zahlen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 85.000,00
vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Firma … verkaufte der Firma … in
Großbritannien mit Handelsrechnung vom 04.06.1999 300 Computer-Laufwerke zum
Kaufpreis von USD 36.000,00. Mit dem Transport war die Beklagte beauftragt, die den
Empfang der Ladung am 04.06.1999 bestätigte und verschiedene Unterfrachtführer
eingesetzt hatte. Am 22.09.1999 teilte die Beklagte der Versicherungsnehmerin der
Klägerin mit,
2
"Bei der oben aufgeführten Sendung ist es zu einem Totalverlust gekommen.
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Auf dem Weg nach England wurde der von uns eingesetzte Trailer beraubt und Ihre
Pal. entwendet.
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Auf dem CMR wurde der Verlust bemerkt (siehe Kopie).
5
Bitte teilen Sie den Schaden Ihrer Transportversicherung mit."
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Am 26.10.1999 teilte die Beklagte der Firma … desweiteren mit
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"Nach Rücksprache mit unserem Frachtführer können wir Ihnen mitteilen, dass die
Polizei nicht eingeschaltet wurde."
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Die der Beklagten übergebene Sendung geriet in Verlust. Die Klägerin ist der Ansicht,
die Beklagte hafte unbeschränkt und beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Gegenwert von USD 36.000,00
nebst 5 % Zinsen seit dem 20.09.1999 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, sie sei nicht als Fixkostenspediteur tätig geworden. Im übrigen
habe die Firma … als Frachtführer den Trailer bei der Beklagten in Hilden übernommen
und dieser sei nach Zeebrügge befördert worden. Der Weitertransport des Trailers ohne
Zugmaschine sei dann erfolgt per Fähre nach England zum Bestimmungshafen im
Terminal Pufleet. Die Verladung in Zeebrügge auf die Fähre … sei am 05.06.1999
erfolgt. Hierbei habe sich der betreffende Trailer in einem ordnungsgemäßen und auch
durch eine Plombe gesicherten Zustand befunden. In Purfleet sei die Fähre am
Samstagmorgen eingetroffen und von der Hafengesellschaft … übernommen worden.
Wegen der Überwachung mit Videosystem sei es unmöglich, daß bei der Beladung
oder bei der Löschung Unkorrektheiten aufgetreten seien. Für den Englandtransport
habe die Firma … dann die Firma … eingesetzt. Der Fahrer der Firma … habe am
Montag, den 07.06.1999 um 6.20 Uhr den Trailer übernommen und hierbei festgestellt,
daß eine Plombe fehlte. Desweiteren habe der Fahrer festgestellt, daß auch die
Trailerplane einen leichten Einschnitt enthalten habe. Daraufhin habe der Fahrer sofort
die Fährgesellschaft und den Hafendienst hinzugezogen und eine Überprüfung habe
festgestellt, daß nichts fehlte. Daraufhin sei man zu der Empfangsspedition … in Hayes
gefahren und bei der hier erfolgten Entladung habe man dann bemerkt, daß die
Sendung der Firma … fehle. Nach Meinung der Beklagten könne nur davon
ausgegangen werden, dass es während des Fährtransportes zu dem Schaden
gekommen sei, auch müsse davon ausgegangen werden, daß bei dem Trailer-Check
durch die Hafenbehörde und den Sicherheitsdienst übersehen worden sei, daß die im
Streit befindliche Palette fehle. Im übrigen habe wegen der Enge der Verhältnisse eine
gesicherte Entlademöglichkeit nicht bestanden zur Kontrolle, ob die Ladung vollständig
sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den
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gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist aus §§ 398 BGB, Artikel 17 I, Artikel 29 I CMR begründet.
17
1.
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Die Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich aus der Abtretungsurkunde vom
27.01.2000 (Bl. 20 d. A.). Im übrigen hat die Beklagte nach Anordnung der
Beweisaufnahme zu diesem Punkt die Anspruchsberechtigung der Klägerin mit
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Schriftsatz vom 29.08.2000 unstreitig gestellt (Bl. 110 d. A.).
2.
20
Zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und der Beklagten wurde eine
Fixkostenabrede getroffen, so daß die ADSp nicht anwendbar sind. Dies ergibt sich aus
der glaubhaften Aussage des Zeugen …. Dieser Zeuge ist Angestellter der Firma …
GmbH und dort Versicherungssachbearbeiter. Der Zeuge konnte sich zwar nicht mehr
an die konkrete Vereinbarung erinnert, er schilderte jedoch überzeugend, daß generell
für die Transporte mit der Beklagten Fixkosten vereinbart wurden. Deutlich wird dies
durch die Offerte vom 22.04.1999 (Bl. 107 d. A.), in der für den Transport nach London
ein Preis von 760,00 DM vereinbart ist. Entsprechend dieser Offerte wurde auch
abgerechnet die im Streit befindliche Fracht von Grevenbroich nach London mit 67,00
DM gemäß Rechnung vom 14 d. A.
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3.
22
Der Verlust der im Streit befindlichen Sendung ist unstreitig und wurde von der
Beklagten mit Schreiben vom 22.09.1999 (Bl. 16 d. A.) eingeräumt. Die Beklagte haftet
nach Artikel 29 CMR unbeschränkt aus folgenden Gründen:
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Soweit die Beklagte im Rechtsstreit eher spekulativ darlegen will, dass der Schaden
ausschließlich auf der Fähre passierte sein kann, ist diese Darstellung wenig
überzeugend, denn noch mit Schreiben vom 22.09.1999 – also wesentlich zeitnäher zu
dem Diebstahl – hat die Beklagte darüber überhaupt nichts gesagt, sondern lediglich
allgemein darauf verwiesen, daß der eingesetzte Trailer "auf dem Weg nach England"
beraubt worden sei. Diese Formulierung – auf dem Weg nach England – ließ alle
Deutungsmöglichkeiten offen und führt den Geschädigten durch gezielte Desinformation
in die falsche Richtung insoweit, als der Geschädigte durch diese Art der Mitteilung nicht
einmal ansatzweise erkennen kann, auf welchem Teilstück der Diebstahl sich ereignet
haben soll. Wenn die Beklagte dann fast fünf Monate nach dem Diebstahl mitteilt, sie
habe die Polizei nicht eingeschaltet, dann wirken alle Erklärungsversuche der
Beklagten im Rechtsstreit als äußerst konstruiert, schließlich gibt die Beklagte durch
diese langen Zeitabläufe deutlich zu erkennen, daß ihr an einer gesicherten
Schadensfeststellung im Interesse des Geschädigten durch polizeiliche Aufnahme des
Vorfalls nicht gelegen ist. Letzteres wäre absolut notwendig gewesen, schließlich war
nicht nur die Plombe beschädigt, sondern auch nach Darstellung der Beklagten die
Trailerplane eingeschnitten worden. Wenn die Subunternehmer tatsächlich den
Verdacht hätten, illegale Einwanderer hätten sich zwischen die Ladung geschmuggelt,
dann hätte nichts näher gelegen, als nach Entdecken der aufgeschnittenen Plane die
Polizei zu informieren und eine vollständige Kontrolle des Inhalts des Trailers auf die
vollständige Ladung vorzunehmen. Eine Kontrolle auf "erste Sicht" läßt insoweit die
Grundanforderungen an den Umgang mit wertvollem Frachtgut vermissen. Unter
Berücksichtigung all dieser Umstände hat die Beklagte damit nach Ansicht der Kammer
grob fahrlässig den Schaden verursacht.
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4.
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Die Schadenshöhe ist belegt durch Handelsrechnung, Bl. 13 d. A. Soweit die Beklagte
den Inhalt der Paletten bestreitet, wird darauf hingewiesen, daß ihr Fahrer durch
Speditionsauftrag Bl. 15 d. A. bestätigt hat den Erhalt einer Palette mit
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Speicherplattenlaufwerken, und zwar 300 Stück im Gewicht von 36 kg. Wenn die
Beklagte den Inhalt nicht überprüft hat oder eine Überprüfung nicht für erforderlich hielt,
so hätte sie den entsprechenden Vermerk auf dem Speditionsauftrag streichen müssen.
Die Zinsforderung ist aus Artikel 27 I CMR begründet.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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