Urteil des LG Mönchengladbach vom 07.04.2006

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Landgericht Mönchengladbach, 2 S 172/05
Datum:
07.04.2006
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 S 172/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten und Berufungskläger gegen das Urteil des
Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 17. November 2005 (10 C
264/05) wird zurückgewie-sen.
Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten als Ge-samtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1
I.
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Die Parteien streiten um Rückforderungsansprüche der Klägerin aus einem von der
Klägerin am 21. Januar 2005 gegengezeichneten Anzeigenvertrag. Gegenstand des
Vertrages war die Veröffentlichung einer Anzeige zu Gunsten der Klägerin, die in .........
eine Praxis für Physiotherapie betreibt.
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Wegen der Einzelheiten des Anzeigenvertrages wird auf die zu den Akten gereichte
Kopie (Bl. 28 d. A.) verwiesen.
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Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass ein wirksamer Anzeigenvertrag zwischen
ihnen nicht zustande gekommen sei und sie daher zur Rückforderung des ohne
Rechtsgrund gezahlten Werklohnes berechtigt sei. Das in dem vorliegenden
Anzeigenvertrag liegende Angebot der Beklagten zur Leistung sei hinsichtlich seines
Leistungsumfanges zu unbestimmt. Ein sinnvoller Leistungsumfang sei auch nicht durch
Auslegung zu erschließen. Damit fehle es an einem hinreichend bestimmten Angebot
auf Abschluss eines Anzeigenvertrages, dieses sei somit nicht annahmefähig. Ein
Vertrag mit übereinstimmender Willenserklärung liege mithin nicht vor.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 597,40 € nebst 8 %
jährlichen Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2005 zu
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zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten vertreten die Auffassung, der vorliegende Anzeigenvertrag zwischen den
Parteien sei wirksam. Die Klägerin sei ausreichend von den Mitarbeitern der Beklagten
über Einzelheiten der Werbemaßnahmen der Publikation informiert worden. Es ergebe
sich bereits aus dem Vertragstext die Anzahl der zu veröffentlichen Exemplare des
Druckwerks (200 Exemplare vom Infoblatt Ratgeber Erste Hilfe) sowie unter der Rubrik
Ausgabe Stadt/Kreis der Postleitzahlenbereich 5. Im Übrigen habe ein Mitarbeiter der
Beklagten mit der Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen mündlich geklärt,
dass im engeren und weiteren Umfeld der Anschrift der Klägerin im Postleitzahlengebiet
5 die Broschüre verbreitet würde.
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Auch wenn im Anzeigenvertrag vereinbart worden sei, dass mündliche Absprachen der
schriftlichen Fixierung bedürften, so könne diese Abrede durch die Parteien formfrei
wieder aufgehoben werden. Denn eine stillschweigende Aufhebung der Vereinbarung
sei anzunehmen, wenn die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung
übereinstimmend gewollt hätten, was insbesondere dann der Fall sei, wenn die Parteien
sich ohne Einhaltung des Formzwanges auf bestimmte vertragliche Modalitäten geeinigt
hätten. Voraussetzung sei mithin für die Aufhebung eines einfachen Formzwanges
grundsätzlich nur die beiderseits als verbindlich gewollte Vereinbarung.
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Das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt hat auf die mündliche Verhandlung vom 17.
November 2005 die Beklagten antragsgemäß verurteilt.
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Gegen dieses Urteil haben die Beklagten mit einem am 7. Dezember 2005
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom
23. Januar 2006 begründet.
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Die Beklagten sind der Auffassung, das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-
Rheydt sei in rechtssystematischer Hinsicht falsch. Es komme letztlich auf die Frage,
inwieweit ein Werbeobjekt einen Werbeerfolg erzielen könne, nicht an. Denn dies führe
dazu, dass der Werbeerfolg selbst Voraussetzung des Vertragsabschlusses würde. Dies
stelle einen unzulässigen Eingriff in die grundlegende Vertragsfreiheit der Parteien dar.
Auf die Sinnhaftigkeit oder auch die gewünschte Effektivität der Werbeleistung könne es
nicht ankommen.
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Die Beklagten beantragen,
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das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 17. November 2005
unter dem Aktenzeichen 10 C 264/05 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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II.
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Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
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1.
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Das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt geht zu Recht davon aus, dass dem Kläger
ein Anspruch auf Rückzahlung des für die Veröffentlichung und Verteilung gezahlten
Entgeltes in zuerkannter Höhe aus §§ 812 BGB, 128 HGB analog zusteht. Denn die
Beklagten sind um den von der Klägerin an sie geleisteten Betrag ohne Rechtsgrund
bereichert.
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Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Werbevertrag, der eine Unterform des
Werkvertrages darstellt, als Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung der
Klägerin nicht zustande gekommen. Denn es fehlt an einer Einigung über die
vertragswesentlichen Bestandteile des Werbevertrages. Insoweit wird zunächst zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche und zutreffende Begründung des
amtsgerichtlichen Urteils vom 17.11.05 nebst den darin zitierten
Rechtssprechungsnachweisen verwiesen.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten zählen zu den "Essentialia" des
Werbevertrages nicht nur die Angabe der Auflagenstärke des als Werbeträger
dienenden Mediums, sondern neben den konkreten Auslieferungsstellen insbesondere
auch das Verteilungsgebiet, in dem die Werbemaßnahme überhaupt nach außen in
Erscheinung treten soll. Vorliegend hat die Kammer bereits Zweifel, ob die im
Anzeigenvertrag beispielhaft vorgesehenen Auslieferungsstellen wie
Behörden/Geldinstitute/ Einzelhandel und Inserenten hinreichend beschrieben und
umrissen sind. In jedem Falle ist das Verteilungsgebiet nicht ausreichend eingegrenzt,
unabhängig von der Frage, ob der Postleitzahlenbereich schriftlich fixiert oder mündlich
festgelegt worden ist. Denn die erste Postleitzahlenziffer kann keine ausreichende
Konkretisierung des Verteilergebietes darstellen. Es dürfte offensichtlich sein, dass
dieser ausufernde Verteilerbereich ein riesiges Gebiet (1/10 des Bundesgebietes)
umfasst. Zusammen mit der äußerst geringen Auflagenstärke von 200 Exemplaren und
den nicht sehr eingegrenzten Auslieferungsstellen ist es für den Auftraggeber (hier ein
kleineres Unternehmen mit einer Praxis für Physiotherapie) nicht möglich, den
werkvertraglichen Werbeerfolg vorherzusehen und zu ermessen. Der vertraglich
notwendige Werkerfolg ist mithin nicht ausreichend bestimmt und nicht ausreichend
bestimmbar. Gerade die wenig präzisen Angaben zu den Auslieferungsstellen, die nur
in allgemeiner Form umschrieben sind, die geringe Auflagenstärke und das ausufernde
Verteilergebiet überlassen die Auswahl und den konkreten Erfolg des Werkes den
Beklagten. Damit ist der konkrete Leistungserfolg ausschließlich in deren Hände
gegeben, was der Systematik des Werkvertrages widerspricht. Denn hiernach wird der
herbeizuführende Werkerfolg von demjenigen bestimmt, der das Werk erstellen lässt,
nicht jedoch vom Werkunternehmer. Ohne die genauere Festlegung der Orte, an denen
ausgelegt und geworben werden soll, die Höhe der dort ausgelegten Exemplare sowie
eine nähere Eingrenzung des Verteilergebietes (so z. B. mindestens 3 Ziffern der
Postleitzahl bzw. der konkrete Radius oder Umkreis mit Kilometerangaben) bliebe es
dem Verleger einer Werbebroschüre allein überlassen, den herbeizuführenden
Werkerfolg zu definieren. Dieses Bestimmungsrecht muss beim Besteller verbleiben, so
dass ohne die genannten Essentialia, der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen
sein kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten widerspricht es daher gerade nicht
der Rechtssystematik des Vertragsrechts, sondern entspricht der Systematik des
Werkvertragsrechts, dass diese Essentialia zum wirksamen Zustandekommen des
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Vertrages verlangt und gefordert werden. Es wird nicht der Werbeerfolg selbst
geschuldet, sondern allein der vom Auftraggeber zu bestimmende Werkerfolg.
2.
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Soweit die Beklagten behaupten, ihr Mitarbeiter habe mit dem jeweiligen Auftraggeber
mündlich bei den Vertragsverhandlungen vereinbart, dass die gewünschte Publikation
im engeren und weiteren Umfeld der Anschrift des Auftraggebers im genannten
Postleitzahlengebiet verbreitet würde, so ist dies nicht erheblich. Es ist bereits
verwunderlich, dass diese mündliche Vereinbarung, die bei den Vertragsverhandlungen
und damit vor der Unterzeichnung des Vertrages getroffen worden sein soll, nicht
Eingang in das schriftliche Anzeigenformular gefunden hat, obwohl es ein Leichtes
gewesen wäre, diese auch schriftlich zu fixieren.
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Es kommt ihr aber auch keine rechtliche Bedeutung zu. Der unterzeichnete
Anzeigenvertrag sieht eindeutig vor, dass mündliche Absprachen der schriftlichen
Fixierung bedürfen. Gemäß § 125 Abs. 2 BGB hätten demnach die etwaigen -
vorhergehenden - mündlichen Absprachen zwischen den Parteien ohnehin keine
Gültigkeit.
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Auf die von der Beklagtenseite in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung
können sich diese nicht berufen. Eine mündliche Aufhebung der ursprünglich
getroffenen Formabrede setzt nämlich denknotwendig eine der mündlichen
Vereinbarung zeitlich vorausgegangene Schriftformabrede voraus. Dies wiederum
bedeutet, dass der vereinbarte Formzwang nur gegenüber späteren mündlichen
Abreden durch Aufhebung der Formabrede wirkungslos werden könnte (vgl. Palandt-
Heinrichs, § 125 Rz. 14). Im vorliegenden Fall sollen nach Darstellung der Beklagten
die Abreden aber im Rahmen der Vertragsverhandlungen, also zeitlich vor
Unterzeichnung des schriftlichen Auftrages, getroffen worden sein. Diese hätten danach
durch den Abschluss des späteren schriftlichen Vertrages, durch den das
Rechtsgeschäft erst wirksam zustande gekommen sein sollte, gemäß § 154 Abs. 2 BGB
wiederum ihre rechtliche Wirksamkeit verloren.
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Nach alledem war der Klage zu Recht stattzugeben, die Berufung im Ergebnis
zurückzuweisen.
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III.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 2, 713 Nr. 10 ZPO analog.
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IV.
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Der Streitwert wird auf 597,40 € festgesetzt.
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