Urteil des LG Mönchengladbach vom 03.04.2006

LG Mönchengladbach: vergütung, zwangsverwaltung, rechtsbeistand, abrechnung, förster, qualifikation, verwalter, gleichbehandlung, zahl, gleichstellung

Landgericht Mönchengladbach, 5 T 539/05
Datum:
03.04.2006
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 539/05
Schlagworte:
Stundensatz des Zwangsverwalters, der Rechtsbeistand ist
Normen:
§ 19 Abs. 1 ZwVwV
Leitsätze:
Ein Rechtsbeistand, der zum Zwangsverwalter bestellt ist, kann gem. §
19 Abs. 1 ZwVwV einen Stundensatz von 75,00 € abrechnen.
Die abzurechnenden Zeiten unterliegen lediglich einer
Plausibilitätskontrolle. Eine minutengenaue Abrechnung ist nicht
erforderlich.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 2.404,00 Euro
I.
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Auf Antrag der Gläubigerin ordnete das Amtsgericht Mönchengladbach durch Beschluss
vom 12.4.2005 die Zwangsverwaltung des im Rubrum näher bezeichneten Grundstücks
an. Zum Zwangsverwalter wurde der Beteiligte zu 3. bestellt. Durch weiteren Beschluss
des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 14.7.2005 wurde das
Zwangsverwaltungsverfahren aufgehoben. Der Zwangsverwalter legte unter dem
6.9.2005 seinen Schlussbericht vor. Weiter hat er beantragt, seine Vergütung auf
1.912,50 Euro zuzüglich einer Auslagenpauschale von 160,00 Euro, jeweils zuzüglich
Umsatzsteuer = 2.404,10 Euro festzusetzen. Das Amtsgericht hat die Vergütung wie
beantragt festgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner fristgerecht sofortige
Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht
abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
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Auf Hinweis der Kammer hat der Zwangsverwalter die in Ansatz gebrachten Stunden im
einzelnen aufgeschlüsselt.
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II.
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II.
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Die gem. § 793 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
5
Das Amtsgericht Mönchengladbach hat die Vergütung zu Recht wie beantragt
festgesetzt.
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Nach § 153 Abs. 1 ZVG i. V. m. § 17 Abs. 1 und Abs. 2 ZwVwV hat der Zwangsverwalter
Anspruch auf eine angemessene Vergütung für seine Geschäftsführung sowie auf
Erstattung seiner Auslagen. Die angemessene Höhe der Vergütung beträgt hier
1.912,50 € netto und richtet sich nach § 19 Abs. 1 ZwVwV. Der Zwangsverwalter kann
nicht auf eine Abrechnung nach § 18 ZwVwV verwiesen werden, da die Regelvergütung
nach § 18 Abs. 1 ZwVwV offensichtlich unangemessen ist im Sinne von § 19 Abs. 2
ZwVwV. Nach § 19 Abs. 1 ZwVwV bemisst sich die Vergütung nach Zeitaufwand. In
diesem Fall erhält der Zwangsverwalter für jede Stunde der für die Verwaltung
erforderlichen Zeit, die er oder einer seiner Mitarbeiter aufgewendet hat, eine Vergütung
von mindestens 35 € und höchstens 95 €.
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(1)
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Die Abrechnung der Tätigkeit des Zwangsverwalters hat auf der Grundlage der
beantragten Stundenvergütung von 75,00 € zu erfolgen, da es sich bei dem
Zwangsverwalter um einen Rechtsbeistand handelt
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Unter der Geltung der alten Zwangsverwalterordnung hatte sich keine einheitliche Linie
zur Höhe des Stundensatzes gebildet. Für einen zum Zwangsverwalter bestellten
Rechtsanwalt wurden zwischen 60 DM und 250 DM festgesetzt (vgl. BGH ZIP 2004,
971). Der Verordnungsgeber hat in § 19 Abs. 1 ZwVwV keinen durchschnittlichen
Stundensatz festgesetzt, sondern sich mit der Festsetzung des äußeren Rahmens von
35 € bis 95 € begnügt. Auch die Begründung des Verordnungsgebers ist insoweit
unergiebig. Zu § 19 Abs. 1 ZwVwV ist lediglich festgehalten, dass der Stundensatz unter
Berücksichtigung der Schwierigkeit der Aufgabe des Verwalters sowie seiner Leistung
festzusetzen sei. Zu berücksichtigen sei dabei auch, in welchem Umfang zur Erfüllung
der Aufgaben Hilfskräfte eingesetzt würden, für die der Verwalter keinen gesonderten
Auslagenersatz erhalte. Dabei komme die Zugrundelegung des Mindestsatzes von 35 €
dann in Betracht, wenn die Verwaltungstätigkeit ganz überwiegend aus einfachen
Aufgaben bestehe, die hauptsächlich von Mitarbeitern und Hilfskräften erledigt werden
könnten. Der Höchstsatz von 95 € setze dagegen einen Verwaltungsaufwand voraus,
der ganz überwiegend das Tätigwerden des hochqualifizierten Verwalters oder gleich
qualifizierter Mitarbeiter erfordere (BR-Drucksache 842/03, S. 15/16; vgl. auch BGH,
a.a.O., der diese Kriterien übernommen hat).
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Das Landgericht Lübeck hat in einer ersten Entscheidung zur neuen
Zwangsverwalterverordnung beschlossen, dass in einer durchschnittlichen
Angelegenheit der Stundensatz mit 70 € zu bemessen sei (zitiert nach JURIS,
KORE543512005). Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen (Kommentar zur
Zwangsverwaltung, 3. Auflage, § 19 Rn. 6) sind der Auffassung, aus § 20 ZwVwV
ergebe sich mittelbar ein durchschnittlicher Stundensatz im Rahmen des § 19 Abs. 1
ZwVwV von 71 €.
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Die Kammer ist der Auffassung, dass der durchschnittliche Stundensatz 65 € beträgt
und sich aus dem rechnerischen Mittel zwischen dem niedrigsten und dem höchsten
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Stundensatz ergibt. Der Gesetzgeber begründet den vorgegebenen Vergütungsrahmen
mit den unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden von Zwangsverwaltungen. In diesem
Fall liegt es nahe, dass der Gesetzgeber mit dem rechnerischen Mittel die Vergütung
einer durchschnittlich schwierigen Zwangsverwaltung abdecken wollte.
Dieser Mittelwert gilt aber nur für Zwangsverwalter, die im Hauptberuf nicht als
Rechtsanwalt tätig sind. Bestellt das Amtsgericht einen Rechtsanwalt zum
Zwangsverwalter, so erhöht sich der durchschnittliche Stundensatz auf 80 €. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (ZIP 2004, 382) ist bei der Festsetzung des
Stundensatzes auch zu berücksichtigen, dass einem durch gerichtlichen Akt bestellten
Wahrer fremder Interessen, insbesondere einem Zwangsverwalter, kein unzumutbares
Opfer abverlangt werden dürfe. Namentlich dürfe ihm ein finanzieller Ausgleich nicht
versagt werden, weil ansonsten seine Berufsfreiheit beeinträchtigt sein könne. Der
finanzielle Ausgleich habe sich in der Regel an der Qualifikation des Verwalters zu
orientieren, weil dieser im Umfang seiner Zwangsverwaltungstätigkeit gehindert sei,
seinem Beruf nachzugehen, jedenfalls soweit er gerade wegen seiner beruflichen
Qualifikation zum Zwangsverwalter bestellt worden sei und diese für seine Aufgabe
einsetzen musste. Im Übrigen würden ohne angemessene Vergütung geeignete
Personen als Zwangsverwalter schwerlich in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.
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Aus diesen Gründen hat die Kammer vor der Änderung der ZwVwV das
durchschnittliche Zwangsverwalterhonorar eines Rechtsanwalts mit 90 €/Stunde
festgesetzt. An diesem Wert hält die Kammer vor dem Hintergrund der Höchstgrenze
von 95 € in § 19 Abs. 1 ZwVwV nicht mehr fest. Ansonsten wäre kein Raum mehr, um
eine überdurchschnittlich schwierige Zwangsverwaltung eines Rechtsanwalts
angemessen zu vergüten. Um diesem Anliegen gerecht zu werden, hält die Kammer
einen durchschnittlichen Stundensatz von 80 € für gerechtfertigt, wenn das Amtsgericht
einen Rechtsanwalt zum Zwangsverwalter bestellt.
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Die Kammer hält unter Berücksichtigung dieser Rechtssprechungsgrundsätze eine
Anhebung der Vergütung eines Rechtsbeistandes in einer durchschnittlich schwierigen
Zwangsverwaltung auf 75 €/Stunde für gerechtfertigt. Ein Rechtbeistand ist nach dem
RVG vergütungsrechtlich einem Rechtsanwalt gleichgestellt. Unter einem
Rechtsbeistand versteht man eine Person, welche die Erlaubnis erhalten hat, für Dritte
Rechtsangelegenheiten zu erledigen. Die Vergütung der Rechtsbeistände, die
Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer sind, richtet sich gemäß § 1 Abs. 1 RVG nach
den Vorschriften dieses Gesetzes. Rechtsbeistände, die nicht Mitglied einer
Rechtsanwaltskammer sind, berechnen ihre Vergütung ebenfalls nach dem RVG
(Gerold/Schmidt-Madert, § 1 RVG Rn. 8; Römermann/Hartung, RVG, § 1 Rn.107). Allein
diese vergütungsrechtliche Gleichbehandlung rechtfertigt nicht eine Gleichstellung der
Rechtsbeistände und der Rechtsanwälte im Rahmen des § 19 Abs. 1 ZwVwV. Denn der
Bundesgerichtshof (ZIP 2004, 382) knüpft auch an die Qualifikation der zum
Zwangsverwalter bestellten Person an. Der Umfang und die Qualität der beruflichen
Ausbildung eines Rechtsanwalts ist höher als bei einem Rechtsbeistand. Dies
rechtfertigt eine geringere Anhebung der Durchschnittsvergütung für den
Rechtsbeistand. Die Kammer hält eine Anhebung der durchschnittlichen Vergütung von
65 € auf 75 € pro Stunde für einen Rechtsbeistand für sachgerecht.
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Der von Seiten des Zwangsverwalters in Rechnung gestellte Stundensatz von 75,00 €
ist aus diesen Gründen nicht zu beanstanden.
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(2)
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Die Kammer hält den abgerechneten Zeitaufwand von 25,5 Stunden für gerechtfertigt. §
19 Abs. 1 ZwVwV bestimmt, dass eine Vergütung nur für die erforderliche Zeit der
Zwangsverwaltung verlangt werden kann. Der Zwangsverwalter hat sowohl Art und
Weise der in Rechnung gestellten Tätigkeiten als auch den Zeitaufwand anzugeben.
Darüber hinaus hat der Zwangsverwalter danach zu differenzieren, ob die Tätigkeit von
ihm persönlich oder durch eine Hilfskraft ausgeübt wurde.
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Für die in Ansatz gebrachten Zeiten ist anerkannt, dass diese lediglich in Ausübung
pflichtgemäßen Ermessen einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen sind
(Hameyer/Wutzke,Förster/Hinzen, § 19 ZwVwV, Rdnr. 22 m.w.N.). Zur Durchführung
dieser Plausibilitätskontrolle sind keine minutengenauen Zeitangaben erforderlich. Eine
im Interesse des Gläubiger- und Schuldnerschutzes gebotene effektive Nachprüfung der
Abrechnung ist den Gerichten aber nur dann möglich, wenn der Zwangsverwalter den
einzelnen Tätigkeiten auch eine Zeitdauer zuordnet (so auch LG Berlin, ZinsO 2004,
912; AG Stralsund, ZinsO 2004, 1142; LG Cottbus, Rpfleger 2004, 174 und
Hameyer/Wutzke,Förster/Hinzen, § 19 ZwVwV, Rdnr. 22). Erst diese Angabe ermöglicht
den Gerichten die Kontrolle, ob die in Rechnung gestellte Gesamtstundenzahl im
Hinblick auf die ausgeübte Verwaltertätigkeit plausibel ist. Hält sich der behauptete
Zeitaufwand des Zwangsverwalters im Rahmen allgemein anerkannter
durchschnittlicher Zeitangaben, wie beispielsweise den nach dem REFA System
bemessenen Standarttätigkeiten und Zeitbedarf im Zwangsverwaltungs-verfahren, so ist
dies nach Auffassung der Kammer ein starkes Indiz für die Erforderlichkeit des in
Rechnung gestellten Zeitaufwandes. Erst wenn die Gerichte von Amts wegen oder auf
Einwand eines Beteiligten aufgrund konkreter Umstände Zweifel an der Plausibilität des
in Rechnung gestellten Zeitaufwandes haben, ist der Zwangsverwalter zu einer näheren
Darlegung verpflichtet.
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die veranschlagten 25,5 Stunden plausibel
dargelegt. Nach der wissenschaftlichen Untersuchung "Standardtätigkeiten und
Zeitbedarf im Zwangsverwaltungsverfahren" fällt für eine durchschnittliche
Zwangsverwaltung ein Zeitbedarf von 70 Stunden an. Der Ansatz von 25 Stunden ist
daher bereits in der Gesamtheit nicht zu beanstanden, auch wenn die
Zwangsverwaltung hier nur 3 Monate andauerte. Auch die einzelnen Tätigkeiten halten
sich im Rahmen der wissenschaftlichen Vorgaben der vorgenannten Untersuchung.
Insbesondere ist hier anzumerken, dass überdurchschnittlich häufig ein Ortstermin für
den Zwangsverwalter notwendig wurde und dass aufgrund der Vermietung eine
zusätzliche Verwaltungstätigkeit erfolgte, so dass die in Ansatz gebrachten 25,5
Stunden ohne weiteres plausibel sind. Der Eigentümer hat im Übrigen gegen die
detaillierten Nachweise keine Einwendungen erhoben.
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(3)
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Der Zwangsverwalter ist auch berechtigt, nach Stunden abzurechnen. Der Verwalter
kann nicht auf die Regelvergütung nach § 18 Abs. 1 ZwVwV verwiesen werden, da die
Vergütung nach dieser Vorschrift offensichtlich unangemessen wäre im Sinne von § 19
Abs. 2 ZwVwV. Denn im Abrechnungszeitraum hat der Zwangsverwalter geschuldete
Mieten in Höhe von 2.619,75 € eingenommen. Die Regelvergütung beträgt 10 % dieser
Summe = 261,98 €. Dieser Betrag liegt mehr als ¼ unter der Vergütung nach
Stundensätzen (vgl. zu dieser Grenze Haarmeyer/Wutzke/ Förster/ Hintzen, a.a.O., § 19
22
Rn. 16) und ist deshalb als unangemessen anzusehen.
(4)
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Danach steht dem Zwangsverwalter eine Vergütung nach § 19 Abs. 1 ZwVwV in Höhe
von 1.912,50 € (25,5 Stunden x 75 €) zu. Darüber hinaus sind dem Zwangsverwalter
nach § 21 Abs. 1 ZwVwV seine Auslagen in Höhe von 160 € zu erstatten. Zusätzlich ist
gemäß § 17 Abs. 2 ZwVwV die Umsatzsteuer zu berücksichtigen.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Frage, ob Rechtsbeistände den
Rechtsanwälten im Rahmen des § 19 Abs. 1 ZwVwV gleichgestellt sind, hat
grundsätzliche Bedeutung.
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Jopen Dr. Biermann Fuchs
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