Urteil des LG Mönchengladbach vom 04.01.2008

LG Mönchengladbach: widerklage, anwaltskosten, haftpflichtversicherer, verkehrsunfall, halter, versicherungsnehmer, prozess, ausnahme, ausgleichung, datum

Landgericht Mönchengladbach, 5 T 438/07
Datum:
04.01.2008
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 438/07
Schlagworte:
Verkehrsunfallprozess, mehrere Rechtsanwälte für eine Partei,
Widerklage
Normen:
ZPO § 91
Leitsätze:
Ein besonderer sachlicher Grund im Sinne der Rechtsprechung des
BGH (Beschluss vom 20.01.2004 – VI ZB 76/03) für die Beauftragung
eines eigenen Rechtsanwalts be-steht dann, wenn der beklagte Halter
eines Kfz sich nicht nur zusammen mit dem Haft-pflichtversicherer gegen
Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vertei-digt,
sondern eigene Schadensersatzansprüche im Wege der Widerklage
geltend macht. Die dadurch verursachten Kosten sind erstattungsfähig.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1. wird der Kos-
tenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt
vom 6.9.2007 aufgehoben.
Das Amtsgerichts – Rechtspfleger – Mönchengladbach-Rheydt wird
angewiesen, die Kostenausgleichung unter Beachtung der
Rechtsauffassung der Kammer erneut vorzunehmen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger und die
Drittwiderbeklagte.
Beschwerdewert: 1.872,36 Euro.
I.
1
Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Klage wegen einer
Schadensersatzforderung in Höhe von 4.495,44 Euro erhoben. Gegen die Klage haben
sich der Beklagte zu 1. als Fahrer und Halter des unfallgegnerischen Fahrzeugs und die
Beklagte zu 2. als dessen Haftpflichtversicherer durch ein und denselben
Prozessbevollmächtigten verteidigt. Nachfolgend hat sich für den Beklagten zu 1. ein
weiterer Prozessbevollmächtigter bestellt und Widerklage und Drittwiderklage gegen
den Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner wegen einer
Schadensersatzforderung in Höhe von 5.973,04 Euro erhoben.
2
Die Rechtsanwälte der Beklagten haben jeweils gesondert, einmal aus einem Streitwert
in Höhe von 4.495,44 Euro und einmal aus einem Streitwert in Höhe von 5.973,04 Euro,
ihre Gebühren zur Ausgleichung angemeldet. Der Rechtsanwalt, der sich für beide
Beklagten bestellt hat, hat zudem eine Erhöhungsgebühr geltend gemacht.
3
Das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt hat mit dem angefochtenen
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6.9.2007 die Kostenausgleichung vorgenommen.
Hierbei hat es die angemeldeten Kosten des weiteren Rechtsanwalts des Beklagten zu
1. unter Berufung auf den Beschluss des BGH vom 20.1.2004 – VI ZB 76/03 – mit der
Begründung abgesetzt, die Bestellung eines weiteren Rechtsanwalts sei nicht
erforderlich gewesen. Zudem hat das Amtsgericht die Erhöhungsgebühr abgesetzt und
die Auffassung vertreten, die Beklagten zu 1. und 2. seien jeweils durch einen eigenen
Rechtsanwalt vertreten worden.
4
Gegen diesen Beschluss hat der Beklagte zu 1. fristgerecht sofortige Beschwerde
eingelegt. Er vertritt die Auffassung, die angemeldeten Kosten seien erstattungsfähig, da
die in Bezug genommene Entscheidung des BGH nicht einschlägig sei; er habe
Widerklage und Drittwiderklage erhoben, so dass § 7 II Abs. 5 AKB nicht einschlägig
sei.
5
Die Beklagte zu 2. hat Erinnerung eingelegt, mit der sie die Berücksichtigung der
Erhöhungsgebühr im Rahmen der Kostenausgleichung verfolgt.
6
Das Amtsgericht hat den Rechtsmitteln nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur
Entscheidung vorgelegt.
7
II.
8
1.
9
Die zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1. führt zur Aufhebung des
angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses.
10
Entgegen der Auffassung des Rechtspflegers sind die angemeldeten Gebühren des
weiteren Rechtsanwalts des Beklagten zu 1. im Grundsatz erstattungsfähig.
11
Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Anwaltskosten hängt davon ab, ob es
für den Beklagten zu 1. notwendig war, sich durch einen weiteren, gesondert
beauftragten Rechtsanwalt vertreten zu lassen, obwohl die Beklagte zu 2. als
Haftpflichtversicherer einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten bestellt hat. Denn
nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Anwälte einer Partei vom
unterliegenden Gegner nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Anwalts nicht
übersteigen oder in der Person des Anwalts ein Wechsel erforderlich war. Eine solche
Ausnahme ist nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 20.1.2004 – VI ZB
76/03 – Juris) gegeben, wenn ein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung
eines eigenen Rechtsanwalts besteht.
12
Ein solcher besonderer sachlicher Grund ist vorliegend darin zu sehen, dass der
Beklagte zu 1. sich nicht nur gemeinsam mit der Beklagten zu 2. gegen die
Schadensersatzansprüche des Klägers verteidigt, sondern darüber hinaus im Wege der
13
Widerklage und Drittwiderklage eigene Schadensersatzansprüche aus dem
Verkehrsunfall geltend macht. In einem solchen Fall ist § 7 II Abs. 5 AKB, wonach der
Versicherungsnehmer die Führung des Rechtsstreits dem Versicherer zu überlassen
hat, nicht anwendbar. Daraus folgt, dass er sich zur interessengerechten
Prozessführung einen eigenen Rechtsanwalt wählen darf und – auch unter dem
Gesichtspunkt der Geringhaltung der Kosten – nicht verpflichtet ist, den Rechtsanwalt
des Haftpflichtversicherers für die Geltendmachung der eigenen
Schadensersatzansprüche zu beauftragen (OLG Bamberg VersR 1986, 395). Dies folgt
zudem daraus, dass der Beklagte zu 1. seine Ansprüche auch in einem gesonderten
Prozess hätte durchsetzen können, ohne dass im Falle des Obsiegens die
Erstattungsfähigkeit seiner Anwaltskosten in Zweifel gezogen worden wäre.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben. Der Rechtspfleger wird die
Kostenausgleichung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer erneut
vorzunehmen haben.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
15
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 574 ZPO
nicht vorliegen. Ob ein besonderer sachlicher Grund für die Beauftragung eines
weiteren Rechtsanwalts besteht, ist eine Einzelfallentscheidung, die der
Rechtsbeschwerde nicht zugänglich ist.
16
2.
17
Für die Entscheidung über die befristete Erinnerung der Beklagten zu 2. war die
Kammer nicht zuständig, da der Beschwerdewert nicht über 200,00 Euro liegt; hierüber
entscheidet der Abteilungsrichter beim Amtsgericht (§ 11 Abs. 2 RPflG). Die Kammer hat
allerdings davon abgesehen, die Sache insoweit an das Amtsgericht zurückzugeben, da
eine Entscheidung über die Erinnerung aufgrund der Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses im Beschwerdeverfahren hinfällig geworden ist.
18
Für den Fall, dass der Rechtspfleger die Erhöhungsgebühr erneut absetzt, und die
Beklagte zu 2. hiergegen Rechtsmittel einlegt, mag die befristete Erinnerung, nach
Nichtabhilfe, dem zuständigen Abteilungsrichter gemäß § 11 Abs. 2 RPflG vorgelegt
werden, der sodann abschließend entscheidet.
19
Fuchs
20