Urteil des LG Mönchengladbach vom 11.07.2006

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Landgericht Mönchengladbach, 2 S 176/05
Datum:
11.07.2006
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 S 176/05
Schlagworte:
Anzeigenvertrag; Voraussetzungen der Wirksamkeit;
vertragswesentliche Bestandteile; Rückforderung des Entgeltes
Normen:
§§ 812, 631 f. BGB
Leitsätze:
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Kunde das Honorar für eine
Werbeanzeige wegen fehlender Einigung über die vertragswesentlichen
Bestandteile zurückverlangen kann („Erste-Hilfe-Tafeln“)
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
Mönchengladbach-Rheydt vom 17. November 2005 (10 C 282/05) wird
zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten als Gesamt-schuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
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Die Parteien streiten um Rückforderungsansprüche des Klägers aus einem vom Kläger
am 21. Oktober 2003 gegengezeichneten Anzeigenvertrag. Gegenstand des Vertrages
war die Veröffentlichung einer Werbeanzeige zu Gunsten des Klägers, der in
...................... eine Bestattungsfirma unterhält.
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Wegen der Einzelheiten des Anzeigenvertrages wird auf die zu den Akten gereichte
Kopie (Bl. 22 d. A.) Bezug genommen.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass das in dem Anzeigenvertrag liegende Angebot zur
Leistung hinsichtlich des Leistungsumfanges zu unbestimmt sei. Ein sinnvoller
Leistungsumfang sei auch nicht durch Auslegung zu erschließen. Da es an einem
hinreichend bestimmten Angebot auf Abschluss eines Anzeigenvertrages fehle, und das
Angebot damit nicht annahmefähig sei, könne auch ein Anzeigenvertrag nicht wirksam
zustande gekommen sein. Er sei mithin berechtigt, den gezahlten Werklohn mangels
Rechtsgrund zurück zu verlangen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 597,40 € nebst 8 %
jährlichen Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. Juli 2005 zu
zahlen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie sind der Auffassung, dass ein Anzeigenvertrag wirksam zustande gekommen sei.
So sei der Leistungsumfang ausreichend bestimmt genug. Hierzu behaupten sie, neben
den Einzelheiten der Anzeige wie Auflagenhöhe und Druckobjekt (200 Exemplare der
Infotafel Erste Hilfe), die bereits schriftlich im Anzeigenvertrag enthalten seien, sei mit
dem Kläger darüber hinaus im einzelnen mündlich geklärt worden, wo die Broschüre
verbreitet werde, nämlich im engeren und weiteren Umfeld der Anschrift des Klägers im
Postleitzahlengebiet mit der Anfangsziffer 3.
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Der Passus in dem schriftlichen Vertrag, wonach weitergehende mündliche Abreden der
Schriftform bedürften, sei durch entsprechende mündliche Vereinbarungen abbedungen
worden. Insoweit könne auf die höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen werden,
die eine stillschweigende Aufhebung der Vereinbarung dann annehme, wenn die
Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt
hätten, was insbesondere dann der Fall sei, wenn die Parteien sich ohne Einhaltung
des Formzwangs auf bestimmte vertragliche Modalitäten geeinigt hätten. Voraussetzung
dafür sei grundsätzlich nur eine beiderseits als verbindlich gewollte Vereinbarung.
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Das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt hat auf die mündliche Verhandlung vom 17.
November 2005 der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
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Gegen dieses Urteil haben die Beklagten mit einem am 7. Dezember 2005
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diesen mit Schriftsatz vom
23. Januar 2006 begründet.
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Die Beklagten sind der Auffassung, dass das Urteil des Amtsgerichts
Mönchengladbach-Rheydt in rechtssystematischer Hinsicht falsch sei. Es komme
letztlich auf die Frage, inwieweit ein Werbeobjekt einen Werbeerfolg erzielen könne,
nicht an. Denn dies führe dazu, dass der Werbeerfolg selbst Voraussetzung des
Vertragsschlusses würde. Dies stelle einen unzulässigen Eingriff in die grundlegende
Vertragsfreiheit der Parteien dar. Auf die Sinnhaftigkeit oder auch die gewünschte
Effektivität der Werbeleistung könne es mithin nicht ankommen.
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Die Beklagten beantragen,
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das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 17. November 2005
unter dem Aktenzeichen 10 C 282/05 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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II.
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Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
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1.
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Das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt geht zu Recht davon aus, dass dem Kläger
ein Anspruch auf Rückzahlung des für die Veröffentlichung und Verteilung gezahlten
Entgeltes in zuerkannter Höhe aus §§ 812 BGB, 128 HGB analog zusteht. Denn die
Beklagten sind um den von dem Kläger an sie geleisteten Betrag ohne Rechtsgrund
bereichert.
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Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Werbevertrag, der eine Unterform des
Werkvertrages darstellt, als Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung des
Klägers nicht zustande gekommen. Denn es fehlt an einer Einigung über die
vertragswesentlichen Bestandteile des Werbevertrages. Insoweit wird zunächst zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche und zutreffende Begründung des
amtsgerichtlichen Urteils vom 17.11.05 nebst den darin zitierten
Rechtssprechungsnachweisen verwiesen.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten zählen zu den "Essentialia" des
Werbevertrages nicht nur die Angabe der Auflagenstärke des als Werbeträger
dienenden Mediums, sondern neben den konkreten Auslieferungsstellen insbesondere
auch das Verteilungsgebiet, in denen die Werbemaßnahme überhaupt nach außen in
Erscheinung treten soll. Vorliegend hat die Kammer bereits Zweifel, ob die im
Anzeigenvertrag beispielhaft vorgesehenen Auslieferungsstellen wie
Behörden/Geldinstitute/ Einzelhandel und Inserenten ausreichend beschrieben und
umrissen sind. In jedem Falle ist das Verteilungsgebiet nicht ausreichend eingegrenzt,
unabhängig von der Frage, ob der Postleitzahlenbereich schriftlich fixiert oder mündlich
festgelegt worden ist. Denn die erste Postleitzahlenziffer kann keine ausreichende
Konkretisierung des Verteilergebietes darstellen. Es dürfte offensichtlich sein, dass
dieser ausufernde Verteilerbereich ein riesiges Gebiet (1/10 der Bundesfläche) umfasst.
Zusammen mit der äußerst geringen Auflagenstärke von 200 Exemplaren und den nicht
sehr eingegrenzten Auslieferungsstellen ist es für den Auftraggeber (hier: kleineres
Bestattungsunternehmen) nicht möglich, den werkvertraglichen Werbeerfolg
vorherzusehen und zu ermessen. Der vertraglich notwendige Werkerfolg ist mithin nicht
ausreichend bestimmt und für den Besteller nicht ausreichend bestimmbar. Gerade die
wenig präzisen Angaben zu den Auslieferungsstellen, die nur in allgemeiner Form
umschrieben sind, die geringe Auflagenstärke und das ausufernde Verteilergebiet
überlassen die Auswahl und den konkreten Erfolg des Werkes vielmehr den Beklagten.
Damit wird der konkrete Leistungserfolg ausschließlich in deren Hände gegeben, was
der Systematik des Werkvertrages widerspricht. Denn hiernach wird der
herbeizuführende Werkerfolg von demjenigen bestimmt, der das Werk erstellen lässt,
nicht jedoch vom Werkunternehmer. Ohne die genauere Festlegung der Orte, an denen
ausgelegt und geworben werden soll, die Höhe der dort ausgelegten Exemplare sowie
eine nähere Eingrenzung des Verteilergebietes (so z. B. mindestens 3 Ziffern der
Postleitzahl bzw. der konkrete Radius oder Umkreis mit Kilometerangaben) bliebe es
dem Verleger einer Werbebroschüre allein überlassen, den herbeizuführenden
Werkerfolg zu definieren. Dieses Bestimmungsrecht muss beim Besteller verbleiben, so
dass ohne die genannten Essentialia, der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen
sein kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten widerspricht es gerade nicht der
Rechtssystematik des Vertragsrechts, sondern entspricht der Systematik des
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Werkvertragsrechts, dass diese Essentialia zum wirksamen Zustandekommen des
Vertrages verlangt und gefordert werden. Es wird nicht der Werbeerfolg selbst
geschuldet, sondern allein der vom Auftraggeber zu bestimmende Werkerfolg.
2.
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Soweit die Beklagten behaupten, ihr Mitarbeiter habe mit dem jeweiligen Auftraggeber
mündlich bei den Vertragsverhandlungen vereinbart, dass die gewünschte Publikation
im engeren und weiteren Umfeld der Anschrift des Auftraggebers im genannten
Postleitzahlengebiet verbreitet würde, so ist dies nicht erheblich. Es ist bereits
verwunderlich, dass diese mündliche Vereinbarung, die bei den Vertragsverhandlungen
und zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages getroffen worden sein sollen, nicht
Eingang in das schriftliche Anzeigenformular gefunden hat, obwohl es ein Leichtes
gewesen wäre, diese auch schriftlich zu fixieren. Es kommt ihr aber auch keine
rechtliche Bedeutung zu. Der unterzeichnete Anzeigenvertrag sieht eindeutig vor, dass
mündliche Absprachen der schriftlichen Fixierung bedürfen. Gemäß § 125 Abs. 2 BGB
hätten demnach die etwaigen mündlichen Absprachen zwischen den Parteien ohnehin
keine Gültigkeit. Auf die von der Beklagtenseite in diesem Zusammenhang zitierte
Rechtsprechung kann sich diese nicht berufen. Eine mündliche Aufhebung der
ursprünglich getroffenen Formabrede setzt nämlich denknotwendig eine der mündlichen
Vereinbarung zeitlich vorausgegangene Schriftformabrede voraus. D. h., dass der
vereinbarte Formzwang nur gegenüber späteren mündlichen Abreden durch Aufhebung
der Formabrede wirkungslos werden könnte (vgl. Palandt-Heinrichs, § 125 Rz. 14). Im
vorliegenden Fall sollen nach Darstellung der Beklagten die Abreden aber im Rahmen
der Vertragsverhandlungen, also zeitlich vor Unterzeichnung des schriftlichen Auftrages,
getroffen worden sein. Diese hätten danach durch den Abschluss des späteren
schriftlichen Vertrages, durch den das Rechtsgeschäft erst wirksam zustande
gekommen sein sollte, gemäß § 154 Abs. 2 BGB wiederum ihre rechtliche Wirksamkeit
verloren.
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Nach alledem war der Klage zu Recht stattzugeben, die Berufung im Ergebnis
zurückzuweisen.
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III.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 2, 713 Nr. 10 ZPO analog.
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IV.
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Der Streitwert wird auf 597,40 € festgesetzt.
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Hinz Vormbrock Dahm
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