Urteil des LG Mönchengladbach vom 08.09.2005

LG Mönchengladbach: beweisverfahren, hauptsache, verfahrenskosten, fassade, ermessen, rechtshängigkeit, bedürfnis, obsiegen, erlass, belastung

Landgericht Mönchengladbach, 5 T 352/05
Datum:
08.09.2005
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 352/05
Schlagworte:
Beweisverfahren, Kostenentscheidung, einseitige Erledigung
Normen:
ZPO §§ 91, 91a, 269, 494a
Leitsätze:
1. Wird ein selbständiges Beweisverfahren nach Beseitigung der vom
Antragstel-ler behaupteten Mängel einseitig für erledigt erklärt, ist für
eine Kostenent-scheidung gem. §§ 91, 91a ZPO zum Nachteil des
Antragsgegners kein Raum.
2. Eine Kostenentscheidung gegen den Antragsgegner kann auch nicht
mit einer analogen Anwendung von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO begründet
werden.
Tenor:
Der Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach Rheydt vom
27.4.2005 wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller.
Beschwerdewert: 681,54 Euro
I.
1
Die Antragsgegnerin führte im Auftrag der Antragsteller Reparaturarbeiten am Dach
ihres Hauses aus.
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Die Antragsteller haben zur Frage, ob die Dachabdeckung des Giebels des Hauses
nicht ausreicht, um das Regenwasser von der Fassade abzuhalten, im Wege eines
selbständigen Beweisverfahrens die Einholung eines Sachverständigengutachtens
beantragt. Das Amtsgericht hat die Einholung des beantragten Gutachtens angeordnet.
Das Gutachten wurde den Beteiligten im Dezember 2004 zugeleitet. Der
Sachverständige hat festgestellt, dass die Dachabdeckung nicht ordnungsgemäß
montiert sei, um Regenwasser von der Fassade abzuhalten. In der Folgezeit hat die
Antragsgegnerin den Mangel beseitigt.
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Die Antragsteller haben daraufhin das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, der
Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin hat
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Erledigungserklärung nicht zugestimmt.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben und ausgeführt, es entspräche billigem
Ermessen, der Antragsgegnerin analog § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO die Verfahrenskosten
aufzuerlegen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.
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Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der
Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
6
II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung
des angefochtenen Beschlusses.
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Nach der Entscheidung des BGH vom 12.2.2004 – AZ: V ZP 57/03 – (BauR 2004,
1181), der sich die Kammer anschließt, ermöglicht die einseitige Erklärung des
Antragstellers, ein selbständiges Beweisverfahren sei in der Hauptsache erledigt, keine
Kostenentscheidung gegen den Antragsgegner.
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Die Entscheidung über die Kosten eines Rechtsstreits beruht auf dem Grundsatz, dass
die Partei die Kosten zu tragen hat, zu deren Nachteil die Entscheidung des Gerichts
ergeht (§ 91 Abs. 1 ZPO). Die Belastung des Beklagten mit den Kosten eines
Rechtsstreits setzt damit voraus, dass er unterlegen ist. Kommt es zu keiner
Entscheidung in der Hauptsache, weil die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit
für erledigt erklärt haben, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die
Kostentragungspflicht (§ 91a Abs. 1 ZPO). Stimmt der Beklagte der
Erledigungserklärung des Klägers nicht zu, scheidet eine Ermessensentscheidung über
die Kosten aus. Die Erledigungserklärung des Klägers bedeutet vielmehr eine
Änderung der Klage, aufgrund derer das Gericht durch Urteil darüber zu entscheiden
hat, ob der klageweise geltend gemachte Anspruch bestanden hat und wegen des als
Erledigung bezeichneten Ereignisses nicht mehr durchgesetzt werden kann. Diese
Grundsätze sind auf das selbständige Beweisverfahren nicht anwendbar. In diesem
Verfahren ergeht grundsätzlich keine Kostenentscheidung. Die Anordnung der
Beweiserhebung bedeutet weder eine Entscheidung über ein Recht oder einen
Anspruch, noch ergeht die Anordnung zum Nachteil des Antragsgegners. Die Kosten
des selbständigen Beweisverfahrens bilden einen Teil der Kosten eines anhängigen
oder künftigen Erkenntnisverfahrens zwischen den Parteien, neben dem oder zu dessen
Vorbereitung das selbständige Beweisverfahren stattgefunden hat. Soweit eine
Kostenentscheidung in einem selbständigen Beweisverfahren von der Prozessordnung
überhaupt vorgesehen ist, erfolgt sie gegen den Antragsgegner (§ 494 a Abs. 2 ZPO).
Umso weniger geht es an, über die Regelung des § 91 a Abs. 1 ZPO hinaus von dem
Antragsgegner ohne ein Verfahren in der Hauptsache und ohne Zustimmung zur
Erledigungserklärung die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen
(BGH, a.a.O.).
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Vorliegend ist die Erledigungserklärung der Antragsteller einseitig geblieben. Der
ausgebliebene Widerspruch der Antragsgegnerin ist auch nicht Wege der Fiktion
entbehrlich (§ 91a Abs. 1 S. 2 ZPO), da die Antragsgegnerin auf die Folgen eines
unterbliebenen Widerspruchs nicht hingewiesen worden ist. Vielmehr ist ihr der
Schriftsatz der Antragsteller vom 25.1.2005 erst am 20.5.2005, mithin nach Erlass der
angefochtenen Entscheidung zugestellt worden. Ist die Erledigungserklärung aber
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einseitig geblieben, findet eine Kostenentscheidung gegen die Antragsgegnerin nicht
statt.
Dies kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch nicht mit einer analogen
Anwendung von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO i.V. mit § 91 a ZPO begründet werden. Zwar
geht auch der BGH in bestimmten Fällen davon aus, dass in einer einseitigen
Erledigungserklärung im selbständigen Beweisverfahren eine Antragsrücknahme
gesehen werden kann mit der Folge, dass über die Kosten entsprechend § 269 Abs. 3
S. 2 ZPO zu entscheiden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14.10.2004, AZ: VII ZB 23/03 -,
BauR 2005, 133). Jedoch begründet dies nicht die analoge Anwendung von § 269 Abs.
3 S. 3 ZPO. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift scheidet eine (analoge)
Anwendung aus. Denn der Gesetzgeber hat diese Regelung für den Fall der
"Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit" eingeführt. Eine
vergleichbare Rechtslage ist vorliegend nicht gegeben, da sich das selbständige
Beweisverfahren durch die Mängelbeseitigung der Antragsgegnerin nach Einholung
des Sachverständigengutachtens "erledigt" hat.
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Für einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch besteht im vorliegenden Fall auch
kein praktisches Bedürfnis. Die Antragsteller haben nach dem unwidersprochenen
Vortrag der Antragsgegnerin bereits angekündigt, mit ihren Verfahrenskosten gegenüber
der Werklohnforderung der Antragsgegnerin aufzurechnen. Im übrigen steht den
Antragstellern die Klage auf Feststellung offen, dass die Antragsgegnerin zu der
vorgenommenen Handlung verpflichtet war. Obsiegen sie in diesem Verfahren,
erreichen sie eine Kostengrundentscheidung, die die Kosten des selbständigen
Beweisverfahrens umfasst (vgl. BGH, Beschluss v. 12.2.2004, a.a.O.).
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des
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§ 574 ZPO nicht gegeben sind.
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