Urteil des LG Mannheim vom 18.05.2015

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LG Mannheim Beschluß vom 18.5.2015, 7 O 81/15
Lizenz zum Vertrieb eines Werks in körperlicher Form in Schachteln: Anspruch
des Lizenznehmers auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung des
Werks im Internet in digitaler Form
Leitsätze
Die dem Lizenznehmer eingeräumte ausschließliche Lizenz zum Vertrieb des Werks
in körperlicher Form in Schachteln ("physical product in boxed versions") berechtigt
diesen nicht, gegen die öffentliche Zugänglichmachung im Internet in digitaler Form
vorzugehen.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 08.05.2015 wird
zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin ist Herausgeberin und Vertreiberin von Unterhaltungsmedien.
Sie hat unter anderem das von der Firma [A.] Limited entwickelte Werk
„[Simulationssoftware Z.]“ veröffentlicht, für das ihr mit Vertrag vom 12.07.2013
Lizenz eingeräumt wurde.
2
Ziffer 4 des Vertrages (Anlage Ast.1) lautet auszugsweise wie folgt:
3
„Publisher (d.i. die Antragstellerin) acquires the exclusive right to distribute the
„physical product“ (in Boxed versions) for Germany, Austria and Switzerland
(German language version). The „physical product“ excludes OEM, bundling,
remote „burn on demand“ and digital distribution or distribution or exploitation in
any manner or any ancillary or related product or materials. (...)“
4
Ziffer 5 des Vertrages bestimmt weiter:
5
„Publisher shall also have non exclusive rights to digitally distribute The Products
using Stram codes via its website […].com and subsidiary websites of Publisher.
(...)“
6
Wegen der weiteren Einzelheiten des Lizenzvertrages wird auf Anlage Ast.1
Bezug genommen.
7
Die von der Antragstellerin hierzu beauftragte Firma - stellte bei Überwachung der
sogenannten P2P Netzwerke fest, dass die streitbefangene Software im Internet
auf Tauschbörsen angeboten und unter anderem am 22.03.2015 um 13:01 Uhr
bzw. 13:04 Uhr von der IP-Adresse […] vollständig hochgeladen wurde. Nach
erteilter Auskunft der [C.] vom 14.04.2015 (Anlage Ast.3) in dem vor dem
Landgericht […] geführten Verfahren gemäß § 101 Abs.1, Abs.9 UrhG ist
Anschlussinhaber der genannten IP-Adresse der Antragsgegner. Mit anwaltlichem
Schreiben vom 17.04.2015 (Anlage Ast.4) mahnte die Antragstellerin den
Antragsgegner aufgrund der vorgetragenen Urheberrechtsverletzung ab und
forderte diesen unter anderem zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf. Eine Reaktion erfolgte nicht.
8
Mit vorliegendem Verfahren verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf
Unterlassung weiter und beantragt:
9
Dem Antragsgegner wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro,
ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten
untersagt, das Werk [Z.] ohne Berechtigung für den Abruf durch andere
Teilnehmer über das Internet bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen.
10 Hilfsweise: Dem Antragsgegner wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu
250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu
sechs Monaten untersagt, das Werk [Z.] ohne Berechtigung für den Abruf durch
andere Teilnehmer über das Internet bereit stellen zu lassen und damit der
Öffentlichkeit zugänglich machen zu lassen.
11 Sie ist der Ansicht, sie sei berechtigt, das Unterlassungsbegehren gegen den
Antragsgegner geltend zu machen. Ihre Aktivlegitimation ergebe sich daraus, dass
sie Inhaberin des Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung an dem
urheberrechtlich geschützten Werk sei. Aufgrund der ausschließlich erteilten
Nutzungsrechte hinsichtlich des Vertriebs der physischen Produkte ergebe sich
auch ein negatives Verbietungsrecht insoweit, als der Antragstellerin die positive
Nutzungserlaubnis fehlen möge. Zudem sei sie aufgrund der nicht ausschließlich
eingeräumten Rechte zum digitalen Vertrieb des Produkts berechtigt, die
Verbreitung auf digitalem Wege zu verbieten.
12 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze vom
08. Mai und 13. Mai 2015 verwiesen.
II.
13 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war vorliegend
zurückzuweisen. Ein Anordnungsanspruch besteht nicht, da der Antragstellerin für
ihr Unterlassungsbegehren die Aktivlegitimation fehlt.
14 Die Antragstellerin hat keinen Anspruch gegen den Antragsgegner auf
Unterlassung des öffentlich Zugänglichmachens des „[Z.]“ gemäß § 97 UrhG. Es
ist nicht dargetan, dass die Antragstellerin zur gerichtlichen Geltendmachung
urheberrechtlicher Ansprüche aufgrund der behaupteten Urheberrechtsverletzung
aus eigenem Recht berechtigt ist.
15 Bei der Verletzung urheberrechtlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte ist
zunächst der Urheber bzw. der Inhaber des verwandten Schutzrechts allein
aktivlegitimiert. Nach § 2 Abs.1, 7 UrhG steht der Urheberschutz originär
demjenigen zu, der persönlich das Werk herstellt. Zur Geltendmachung von
Ansprüchen nach den §§ 97 ff. UrhG ist auch der Inhaber eines ausschließlichen
Nutzungsrechts an dem jeweiligen Werk berechtigt. Sind Rechte einem Anderen
als Nutzungsberechtigten eingeräumt worden, kommt es für die Aktivlegitimation
darauf an, in welchem Umfang diese Rechte übertragen worden sind. Soweit der
Nutzungsberechtigte ausschließliche Nutzungsrechte erworben hat, ist er
grundsätzlich allein aktivlegitimiert. Soweit der Nutzungsberechtigte nur einfacher
Lizenznehmer ist, also keine ausschließlichen Nutzungsrechte erworben hat, kann
er nicht aus eigenem Recht klagen. Aktivlegitimiert bleibt in diesem Fall weiterhin
der Urheber bzw. Schutzrechtsinhaber (Reber in Möhring/Nicolini, UrhG, 3.
Auflage, § 97 Rdnr.17). So verhält es sich hier:
16 1. Die der Antragstellerin unter Ziffer 5 des Lizenzvertrages eingeräumte Lizenz
zum digitalen Vertrieb des streitgegenständlichen Werkes stellt lediglich eine
einfache Lizenz (“non exclusive rights to digitally distribute..“) dar, die zur
Geltendmachung von Rechten im eigenen Namen nicht berechtigt. Dass die
Antragstellerin eine ausschließliche Lizenz auch zum digitalen Vertrieb des „[Z.] “
erteilt erhalten haben will, behauptet sie selbst nicht. Hiergegen spricht auch die in
Satz 2 unter Ziffer 4, der sich mit einer Erteilung von ausschließlichen Rechten an
die Antragstellerin befasst, enthaltene Formulierung: „The „physical product“
excludes (...) digital distribution (...)“.
17 2. Das der Antragstellerin in Ziffer 4 des Lizenzvertrages eingeräumte
ausschließliche Recht zum Vertrieb des „[Z.]“ betrifft allein den physischen Vertrieb
des Werkes (“...acquires the exclusive right to distribute the „physical product“ (in
Boxed versions) for Germany, Austria and Switzerland, (German language
version).“) und berechtigt die Antragstellerin damit nicht, Verbietungsrechte im
Hinblick auf die von ihr vorgetragene digitale Veröffentlichung des Werkes im
eigenen Namen geltend zu machen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin
sind physischer und digitaler Vertrieb insoweit auch gerade nicht austauschbar,
sondern werden auch in dem Lizenzvertrag zwischen ihr und der Rechteinhaberin
explizit getrennt.
18 Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, sie müsse allein aufgrund der
ausschließlichen Lizenz zum Vertrieb des Werkes in physischer Form berechtigt
sein, auch dessen digitale öffentliche Zugänglichmachung zu verhindern, da ein
negatives Verbietungsrecht auch dort bestehe, wo eine positive
Nutzungserlaubnis fehle. Die insoweit herangezogene Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs vom 29.04.1999 (Az.: I ZR 65/96, BGHZ 141, 267 - Laras
Tochter) ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Aufgrund des der
dortigen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts sollte der zur
umfassenden Nutzung des Werkes Berechtigte Verbietungsrechte auch insoweit
haben, als ihm selbst ein positives Benutzungsrecht nicht zustand. Gleichwohl
aber - und insofern ist der vorliegende Sachverhalt ein anderer - waren dem
Berechtigten für die in Rede stehende Nutzungsart sämtliche Nutzungsrechte
eingeräumt worden. Im Streitfall hingegen hat die Antragstellerin gerade nicht das
ausschließliche Recht zum digitalen Vertrieb des Werkes eingeräumt erhalten,
dieses wurde vielmehr explizit ausgenommen (vgl. Ziffer 4 Satz 2 des
Lizenzvertrages). Dann können aber auch ihre Verbietungsrechte nur soweit
reichen, als ihr überhaupt ausschließliche Nutzungsrechte betreffend die jeweilige
Nutzungsart eingeräumt worden waren. Der Inhaber umfassender
ausschließlicher Nutzungsrechte ist nach der genannten Entscheidung des
Bundesgerichtshof lediglich für solche einzelnen Verwertungen im Hinblick auf
Ansprüche aus § 97 UrhG befugt, für die er kein entsprechendes Nutzungsrecht
hat, wenn die Art der Verwertung in seine Rechtsposition eingreift (Reber in
Möhring/Nicolini, UrhG, § 97, Rdnr.12). Eine solche Verwertung durch den
Antragsgegner trägt die Antragstellerin indes nicht vor.
19 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war damit mit der Kostenfolge
des § 91 Abs.1 ZPO zurückzuweisen.