Urteil des LG Mannheim vom 24.04.2015

geistige schöpfung, kunsthalle, kaufvertrag, vergütung

LG Mannheim Urteil vom 24.4.2015, 7 O 18/14
Urheberrechtsschutz: Schutzanspruch gegen die Entfernung und Vernichtung
eines Kunstwerks aus einem Museumsgebäude
Leitsätze
§ 14 UrhG gewährt dem Urheber einer für ein Kunstmuseum geschaffenen
Rauminstallation, die mit dem Museumsgebäude unlösbar verbunden ist, in der Regel
auch dann keinen Schutz gegen eine Entfernung des Kunstwerks durch den
Museumseigentümer, wenn sie mit der Vernichtung des einzigen Werkoriginals
verbunden ist.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 66.000 EUR zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 70%, die Beklagte zu 30%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120%
des jeweils beizutreibenden Betrags.
Tatbestand
1 Die Klägerin strebt mit der Klage den Erhalt ihrer für die Kunsthalle Mannheim
geschaffenen Rauminstallation „HHole (for Mannheim)“, auch bezeichnet als
„HHole (for Mannheim) 2006 -
“, an. Den Streit der Parteien über den Erhalt der
Lichtinstallation „[…]“ und die Herausgabe der Werke „[…]“, „[…]“ und „[…]“ hat die
Kammer zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt.
2 Die Klägerin ist eine international tätige Künstlerin. Die Beklagte, eine
Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, betreibt die Kunsthalle Mannheim,
ein Kunstmuseum, als Eigenbetrieb.
3 Im Auftrag der Beklagten hat die Klägerin ab dem Jahre 2006 für den Athene-Trakt
der Kunsthalle Mannheim die multimediale und multidimensionale Rauminstallation
„HHole (for Mannheim)“ geschaffen. Unter dem Datum des 30. Mai 2006 haben die
Parteien, die Beklagte vertreten durch den damaligen Direktor der Kunsthalle Dr.
L., hierüber einen sogenannten „Kaufvertrag“ errichtet (Anlage K 5). Das Werk, das
nach dem Kaufvertrag den Titel „HHole (For Mannheim), 2006“ trägt und in dem
Vertragstext als „permanente Rauminstallation“ bezeichnet wird, umfasst
verschiedene Installationen auf allen sieben Ebenen des Athene-Trakts der
Kunsthalle Mannheim, die durch vertikal angeordnete kreisförmige Öffnungen in
allen Geschossdecken vom Fundament bis zum Dach miteinander verbunden
sind. Es beinhaltet unter anderem einen Lichtstrahl, der ausgehend von einem
Lichtprojektor im „Ground Room“ durch alle Öffnungen nach oben bis in den
Himmel projiziert wird. Wegen der näheren Beschreibung des Werks wird auf den
Kaufvertrag, das nachfolgend eingerückte Schaubild (Anlage K 13) und die
nachfolgenden exemplarischen Abbildungen einzelner Werkteile Bezug
genommen.
4 In einem Leihschein vom 8. September 2006 (Anlage K 11) ist das Werk, dessen
Titel mit „HHole (for Mannheim)“ und dessen Datierung mit „2006 -
“ angegeben
sind, als „Dauerleihgabe“ bezeichnet. In dem Feld Leihzeitraum befindet sich die
Eintragung „24.3.06 -
“. Ein später errichteter Leihschein (Anlage K 12) enthält
die gleichen Eintragungen; die Versicherungssumme wurde von 140.000 EUR auf
220.000 EUR erhöht. In dem schriftlichen Kaufvertrag vom 30. Mai 2006 ist ein
Gesamthonorar „für das Werkkonzept sowie für den Zeit- und Arbeitsaufwand“ von
70.000 EUR vereinbart. Beträge von jeweils 10.000 EUR sollten nach Ausführung
der jeweiligen Werkphase „nach Abnahme einer Werkphase durch die Direktion
abrufbar“ sein. Weiter ist bestimmt, dass das Werk nach Vollendung der letzten
Werkphase, Anweisung des letzten Honorarbetrags und Abnahme der kompletten
Rauminstallation in das Eigentum der Kunsthalle übergeht.
5 Die Kunsthalle Mannheim besteht aus drei Gebäudeteilen. Der nach seinem
Architekten Hermann Billing benannte Billing-Bau wurde ab 1907 im Jugendstil
erbaut. Der Athene-Trakt wurde zur gleichen Zeit als Verbindungsbau zwischen
dem Billing-Bau und dem ursprünglich vorgesehenen Reiß-Museum errichtet. An
dessen Stelle wurde von 1980 bis 1983 der Mitzlaff-Bau erbaut. Der Athene-Trakt
diente seit dieser Zeit als Verbindungsgebäude zwischen dem Billing-Bau und dem
Mitzlaff-Bau.
6 Die Beklagte hat im Jahre 2012 beschlossen, den Mitzlaff-Bau abzureißen und
durch einen Neubau zu ersetzen. Der Auftrag wurde aufgrund eines
Architektenwettbewerbs an das Architekturbüro […] vergeben. Dessen Planung
sieht unter anderem vor, den Athene-Trakt weitgehend zu entkernen, zumindest
einige Geschossdecken und das bisherige Dach zu entfernen und einen
einheitlichen Raum von ca. zwölf Metern Höhe zu schaffen. Auf der Ebene des
ersten Obergeschosses soll eine „schwebende“ Brücke den Billing-Bau und den
Neubau verbinden (vgl. Visualisierungen, Anlagenkonvolut K 54;
Genehmigungsplanung, Anlagenkonvolut K 66).
7 Die Beklagte beabsichtigt, im Zuge dieser Umbaumaßnahmen das Werk „HHole
(for Mannheim)“ vollständig zu entfernen. Die demontierbaren Teile wurden nach
dem Vortrag der Beklagten bereits abgebaut. Die aus Brandschutzgründen
inzwischen mit Glas verschlossenen Öffnungen in den Geschossdecken, die
„HMap“ und ein Betonsockel sind noch vorhanden.
8 Die Klägerin sieht in der beabsichtigten oder schon erfolgten Entfernung des
Werks „HHole (for Mannheim)“ eine Verletzung ihres Urheberrechts. Ihr stehe
sowohl ein vertraglicher als auch ein gesetzlicher Anspruch auf Erhaltung des
Werks zu, der ihr das Recht gebe, dessen Zerstörung durch die Beklagte zu
verhindern.
9 Hilfsweise begehrt die Klägerin den Erhalt des Werkes „HHole (for Mannheim)“
durch Integration in den umgebauten Athene-Trakt.
10 Weiter hilfsweise strebt die Klägerin die Zahlung einer angemessenen, vom
Gericht der Höhe nach zu bestimmende, den Betrag von EUR 70.000,00 nicht
unterschreitende Vergütung ihres Leistungsaufwandes für die Erstellung des
Werkkonzeptes sowie den Zeit- und Arbeitsaufwand für das Werk „HHole (for
Mannheim)“ an. Sie trägt vor, die Parteien hätten nach Abschluss des Kaufvertrags
festgestellt, dass die Fertigstellung des Werks in den Zustand des
„Erwachsenenseins“ noch deutlich längere Zeit in Anspruch nehmen würde und
die vereinbarte Vergütung angesichts des Aufwands der Klägerin nicht
angemessen sei. Die Beklagte habe erläutert, dass die Klägerin aus dem
Programm „Artist in Residence“ eine Aufwandsvergütung erhalten solle. Zu
späterer Zeit habe man sich auf einen angemessenen Kaufpreis einigen wollen,
der zu zahlen gewesen sei, wenn das Werk in der Grundkonzeption
(Erwachsenenzustand) fertig gestellt sei. Die ursprüngliche
Vergütungsvereinbarung sei zugunsten der Einigung auf eine angemessene
Vergütung aufgehoben worden. Ohnehin sei nach Intervention des Rechtsamts
der Beklagten (Schreiben vom 20. Juli 2006, Anlage K 10) beabsichtigt gewesen,
einen neuen Vertrag abzuschließen, wozu es dann aber nicht mehr gekommen
sei.
11 Die Klägerin beantragt zuletzt:
12
A. Werk „HHole (for Mannheim)2006 -
13
I. Hauptanträge
14
1.-4. Schutz und Wiederherstellung von „HHole (for Mannheim) 2006 -
15 1. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00 oder
für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder
Ordnungshaft, diese zu vollstrecken an dem jeweiligen Bürgermeister der
Beklagten, es zu unterlassen, das sich in dem sogenannten Athene-Trakt der
Kunsthalle Mannheim befindliche Werk „HHole (for Mannheim)“ ohne
ausdrückliche Zustimmung der Klägerin
16 1.1. zu bearbeiten und/oder umzugestalten und/oder durch bauliche Maßnahmen
an dem Gebäude Athene-Trakt zu beeinträchtigen, insbesondere indem
17 - abbaubare Bestandteile des Werkes (insbesondere die auf der Abbildung 1) zum
Klageantrag entfernt und/oder zerstört und/oder anderweitig platziert werden
und/oder
18 - Decken bzw. Böden/Bodenschichten, durch die zur Errichtung der Licht- und
Medieninstallation Öffnungen geschaffen worden sind, entfernt werden und/oder in
diesen Decken bzw. Böden/Bodenschichten die Öffnungen zur Errichtung des
Werkes „HHole (for Mannheim)“ geschlossen werden,
19 1.2. zu vernichten, insbesondere indem das Gebäude, in dem sich das Werk
befindet, der so genannte Athene-Trakt der Kunsthalle Mannheim, abgerissen
und/oder entkernt wird.
20 2. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00 oder
für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder
Ordnungshaft, diese zu vollstrecken an dem jeweiligen Bürgermeister der
Beklagten, auf eigene Kosten das Werk „HHole (for Mannheim)“ gemäß der
Vorgaben in der Abbildung 1 wieder herzustellen, indem sie insbesondere die Teile
des Werkes „HHole (for Mannheim)“ sowie den Briefkasten von „HHole (for
Mannheim)“, photographisch festgehalten auf der Abbildung 2, die seit September
2007 von der Beklagten selbst oder durch Dritte entfernt wurden, wieder an den
ursprünglichen Platz verbringt bzw. installiert und sonstige Veränderungen
rückgängig macht.
21 3. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu zahlenden Zwangsgeldes von bis zu EUR 25.000,00 oder für
den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft, oder
Zwangshaft, diese zu vollstrecken an dem jeweiligen Bürgermeister der Beklagten,
der Klägerin und etwaigen, der Beklagten zuvor namentlich bekanntzugebenden
Hilfspersonen, an Werktagen unter der Woche in einer vom Gericht zu
bestimmenden Zeit zwischen 07:00 Uhr und 24:00 Uhr den Zugang zu dem
Gebäudeteil der Kunsthalle Mannheim „Athene-Trakt“ zu verschaffen und es ihr
(so) zu ermöglichen, das Werk „HHole (for Mannheim)“ gemäß der Abbildung 1
fertigzustellen und Bearbeitungen an dem Werk vorzunehmen.
22
4. vertraglich geschuldete Vergütung
23 Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine angemessene, vom Gericht der
Höhe nach zu bestimmende, den Betrag von EUR 70.000,00 nicht
unterschreitende Vergütung (ihres Leistungsaufwandes für die Erstellung des
Werkkonzeptes sowie den Zeit- und Arbeitsaufwand für das Werk „HHole (for
Mannheim)“) Zug um Zug gegen Übergabe nach Fertigstellung des Werkes
gemäß Ziffer 1.3. zu zahlen.
24 Hilfsweise für den Fall, dass keine Übergabe nach Fertigstellung des Werkes
gemäß Ziffer 1.3. mehr erfolgen wird:
25 Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine angemessene, vom Gericht der
Höhe nach zu bestimmende, den Betrag von EUR 70.000,00 nicht
unterschreitende Vergütung (ihres Leistungsaufwandes für die Erstellung des
Werkkonzeptes sowie den Zeit- und Arbeitsaufwand für das Werk „HHole (for
Mannheim)“) zu zahlen.
26
II. Hilfsanträge anstelle der Hauptanträge Ziffern l.1.-3.
27
1.-2. Erhalt des Werkes bei Umbau des Athene-Traktes im geänderten
baulichen Umfeld auf eigene Kosten der Beklagten durch Integration in den
Athene-Trakt
28 1. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 oder für
den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder
Ordnungshaft, diese zu vollstrecken an dem jeweiligen Bürgermeister der
Beklagten,
29 1.1 es zu unterlassen, den Athene-Trakt der Kunsthalle Mannheim umzugestalten,
soweit dabei ohne Zustimmung der Klägerin über die Dauer der Umbauarbeiten
der Kunsthalle im Rahmen der auf der Grundlage der Beschlussvorlage der
Beklagten vom 23.05.2011 „Neugestaltung Kunsthalle Mannheim - Machbarkeits-
und Wirtschaftlichkeitsstudie“, dem Gemeinderatsbeschluss der Beklagten Nr.
V675/2012 vom 05.12.2012 und dem Entwurf der Umbauten des Architektenbüros
[…] erfolgenden Sanierung der Kunsthalle hinaus das Werk der Klägerin „HHole
(for Mannheim)“ nicht erhalten bleibt, bestehend aus von der Klägerin nach
Vorlage der konkreten Planungsunterlagen der Beklagten (bzw. des von der
Beklagten beauftragten Architekturbüros [...]) für den Athene-Trakt zu
bestimmenden Kernbestandteilen, wie sie in der Abbildung Ergänzung 1 und den
dem Gericht im Termin der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2015
überlassenen Abbildungen festgehalten sind und der anzugebenden
Grundstruktur, die auf verschiedenen Raumebenen vorhanden sein müssen.
30 1.2 es zu dulden, dass die Klägerin das Werk „HHole (for Mannheim)“ im Rahmen
des Umbaus des Athene-Traktes der Kunsthalle Mannheim, mit der vorstehend
gemäß A.ll.1.1 zu benennenden Grundstruktur in dem Athene-Trakt der Stadt
Mannheim nach der Entkernung des Athene-Traktes installiert.
31 2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für die planerischen und baulichen
Maßnahmen gemäß Ziffer II.1.1 und 1.2 zu tragen mit Ausnahme der in der
nachfolgenden Ziffer 3. berücksichtigten Kosten der Klägerin für ihre Tätigkeit nach
Ziffer II.1.2 zum Erhalt des Werkes „HHole (for Mannheim)“ und Wiederinstallation
in dem geänderten Athene-Trakt.
32
3. Vergütung
33 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine
angemessene Vergütung für ihre Tätigkeit nach Ziffer II.1.2 zum Erhalt des Werkes
„HHole (for Mannheim)“ und Wiederinstallation in dem geänderten Athene-Trakt
nebst gesetzlichen Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
34
III. Hilfsantrag anstelle des Hilfsantrags A.Il. bei vollständiger und dauerhafter
Beseitigung des Werkes (Werksvernichtung)
35 Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Schadensersatz einen
angemessenen, vom Gericht der Höhe nach zu bestimmenden, den Betrag in
Höhe von EUR 220.000,00 nicht unterschreitenden Schadensersatz für die
Vernichtung des Werks „HHole (for Mannheim)“ zu zahlen sowie die gesetzlichen
Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit.
36 Die Beklagte beantragt,
37 die Klage abzuweisen.
38 Sie wendet sich aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen gegen eine
Verpflichtung zur Erhaltung von „HHole (for Mannheim)“. Nach dem Umbau- und
Sanierungskonzept sei ein Erhalt des Werks nicht möglich.
39 Die Beklagte nimmt an, dass der Kaufvertrag vom 30. Mai 2006 die zentralen
Eckdaten der Einigung der Parteien wiedergibt. Eine spätere Aufhebung könne sie
anhand ihrer Unterlagen nicht nachvollziehen und müsse „vorläufig“ bestritten
werden. Ein Vergütungsanspruch sei jedenfalls verjährt.
40 Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
41 Die zulässige Klage ist mit Ausnahme eines Teils des geltend gemachten
Vergütungsanspruchs unbegründet. Der Klägerin steht weder ein vertraglicher
noch ein gesetzlicher Anspruch darauf zu, dass die Beklagte das Werk „HHole (for
Mannheim)“, dessen Werkqualität im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG allerdings außer
Frage steht, erhält oder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Auch
eine Wiedererrichtung in veränderter, an den geplanten Umbau des Athene-Trakts
angepasster Form kann sie nicht verlangen. Indessen steht ihr für die Erstellung
des Werkkonzepts zu „HHole (for Mannheim)“ sowie für den Zeit- und
Arbeitsaufwand bei dessen Realisierung ein restlicher vertragsgemäßer
Honoraranspruch von 66.000 EUR zu.
I.
42 Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die vollständige Entfernung und damit
verbundene Zerstörung des Werks „HHole (for Mannheim)“ im Zuge der
Umgestaltung der Kunsthalle Mannheim.
43 1. Vorbehaltlich einer allgemein für zulässig gehaltenen (vgl. OLG Schleswig, ZUM
2006, 426; Dietz/Peukert, in Schricker/Loewenheim, UrhR, 4. Aufl., § 14 UrhG Rn.
38a aE; Dustmann, in Fromm/Nordemann, UrhR, 11. Aufl., § 14 UrhG Rn. 33;
Schack, GRUR 1983, 56, 57) vertraglichen Vereinbarung, die es dem Eigentümer
verbietet, das ihm gehörende Werkexemplar zu zerstören, genießt der Urheber
eines Werks der Baukunst, eines mit einem Bauwerk unlösbar verbundenen
Kunstwerks oder sonst eines grundstücksgebundenen Kunstwerks in aller Regel
keinen Schutz gegen eine Vernichtung des Kunstwerks durch den Eigentümer. In
Rechtsprechung und Literatur überwiegt die Ansicht, dass das Interesse des
Urhebers an der Fortexistenz solcher mit einem Grundstück fest verbundener
Werke im Regelfall hinter den Interessen des Grundeigentümers zurücktreten
muss, das Grundstück anderweitig zu nutzen oder zu bebauen und das Kunstwerk
hierbei vollständig zu entfernen oder zu zerstören.
44 a) Teilweise wird angenommen, der Eigentümer sei ohne Weiteres – ungeachtet
der Werkgattung oder der Ortsgebundenheit des Kunstwerks – berechtigt, das ihm
gehörende Werkexemplar zu vernichten. § 14 UrhG schütze nur das Interesse des
Urhebers am Bestand des Werks in seiner unverfälschten Form, gewähre aber
keinen Abwehranspruch gegen eine vollständige Vernichtung. Diese könne einer
Entstellung oder Beeinträchtigung im Sinne von § 14 UrhG nicht gleichgestellt
werden. Das Urheberpersönlichkeitsrecht sei nur betroffen, wenn das Werk der
Öffentlichkeit in veränderter Form dargeboten werde, denn solche Veränderungen
würden aufgrund der besonderen Urheber-Werk-Beziehung in der Regel dem
Urheber zugerechnet. Wenn das betreffende Werkexemplar nicht mehr existiere,
sei eine in diesem Sinne verstandene Beeinträchtigung des Integritätsinteresses
des Urhebers nicht mehr gegeben; die Vernichtung des Werkexemplars oder seine
vollständige Entfernung aus der Öffentlichkeit schließe eine Verfälschung aus
(grundlegend RG, Urteil vom 8. Juni 1912 – I 382/11, RGZ 79, 397– Felseneiland
mit Sirenen; zustimmend LG München I, NJW 1983, 1205; LG Hamburg, GRUR
2005, 672; OLG Schleswig, ZUM 2006, 426; Bullinger in Wandtke/Bullinger, UrhR,
4. Aufl., § 14 UrhG Rn. 22 ff; Dustmann in Fromm/Nordemann, UrhR, 11. Aufl., § 14
UrhG Rn. 31 ff).
45 b) Nach der im Vordringen befindlichen Gegenansicht gewährt das Urheberrecht
dem Urheber grundsätzlich einen gesetzlichen Abwehranspruch auch gegen eine
vollständige Werkvernichtung. Das Bestands- und Integritätsinteresse des
Urhebers sei hierbei sogar in besonderem Maße betroffen. Die Werkvernichtung
sei daher als „schärfste Form der Beeinträchtigung“ grundsätzlich von § 14 UrhG
erfasst (Dietz/Peukert in Schricker/Loewenheim, UrhR, 4. Aufl., § 14 UrhG Rn. 38
mwN; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 14 Rn. 27 f; Dreyer in
Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhR, 3. Aufl., § 14 Rn. 49; Schack, GRUR 1983, 56, 57;
Honscheck, GRUR 2007, 944, 949; wohl auch Kroitzsch/Götting in
Möhring/Nicolini, UrhR, 3. Aufl., § 14 UrhG Rn. 24 ff; OLG Hamm, ZUM-RD 2001,
443) oder tangiere das allgemeine Urheberpersönlichkeitsrecht (Schmelz, GRUR
2007, 565). Ob die Vernichtung zulässig ist, ist nach dieser Ansicht aufgrund einer
Interessenabwägung zu beurteilen. Besonderes Gewicht wird den Interessen des
Urhebers beigemessen, wenn das einzige Originalexemplar insbesondere eines
Werks der bildenden Kunst betroffen ist. In diesem Fall soll den Eigentümer die
Pflicht treffen, das Werk gegen Erstattung des Materialwerts an den Urheber
zurückzugeben (Dietz/Peukert, aaO Rn. 38a; Schulze, aaO Rn. 28; Dreyer aaO,
Rn. 49; Kroitzsch/Götting aaO Rn. 25).
46 Indessen wird auch von den Vertretern dieser Ansicht bei Bauwerken oder mit dem
Boden fest verbundenen Großplastiken zumeist ein grundsätzlicher Vorrang der
Eigentümerinteressen angenommen. In solchen Fällen überwiege im Allgemeinen
das Interesse des Grundstückseigentümers an der anderweitigen Nutzung seines
Grundstücks. Der urheberrechtliche Interessenausgleich soll hier in der Weise
erfolgen, dass dem Urheber ermöglicht wird, sein Zugangsrecht (§ 25 UrhG)
auszuüben und das Werk in geeigneter Form zu dokumentieren (Dietz/Peukert,
aaO Rn. 40; Kroitzsch/Götting aaO Rn. 26; Dreyer aaO, Rn. 49 aE; Honscheck,
aaO, Seite 950; vgl. auch der bei Schack, aaO, Seite 58 wiedergegebene
Vorentwurf zu einem neuen Schweizerischen UrhG, wonach Werke der Baukunst
von dem vorgesehenen Zerstörungsverbot ausgenommen sind).
47 c) Die Rechtsprechung ist mit der Frage des urheberrechtlichen Schutzanspruchs
vor Werkvernichtung überwiegend im Zusammenhang mit Bauwerken oder
sonstigen ortsgebundenen Kunstwerken befasst worden und hat in diesen Fällen
dem Urheber einen Schutz im Ergebnis überwiegend versagt.
48 Bereits die Reichsgerichtsentscheidung „Felseneiland mit Sirenen“ (RG, Urteil vom
8. Juni 1912 – I 382/11, RGZ 79, 397) betraf ein Freskogemälde im Treppenflur
eines bewohnten Gebäudes. Das Reichsgericht hat dem Eigentümer eine
Umgestaltung des Freskos nach seinen Geschmacksvorstellungen untersagt,
jedoch zugleich angenommen, dass ein Eigentümer im Regelfall berechtigt sei,
das Werk völlig zu vernichten. Darin liege kein Eingriff in die künstlerische Eigenart
des Werks und damit das Persönlichkeitsrecht des Künstlers (RGZ 79, 397, 401).
Im Anschluss an diese Erwägungen des Reichsgerichts hat das Landgericht
München I (NJW 1983, 1205; vgl. auch NJW 1982, 655) die Entfernung zweier
Betonplastiken des Künstlers Hajek vor der ADAC-Hauptverwaltung, das
Landgericht Hamburg (GRUR 2005, 672) den Abriss des „Astra-Hochhauses“ und
das Oberlandesgericht Schleswig (ZUM 2006, 426) die Entfernung der Stahl-
Plastik „Kubus balance“ vor dem Plöner Schloss und deren Einlagerung auf einem
Bauhof gebilligt.
49 Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Hamm (ZUM-RD 2001, 443) das
Verbringen einer ortsgebundenen Plastik („Mindener Keilstück“) auf einen Bauhof
als Entstellung des Werkes bewertet und diese aufgrund einer
Interessenabwägung untersagt. Es hat angenommen, dass eine Abwägung der
Interessen des Urhebers und des Eigentümers auch vorzunehmen sei, wenn man
in der Entfernung der ortsgebundenen Plastik von ihrem Bestimmungsort eine
Werkvernichtung sehe. Soweit die Vorinstanz der Beklagten Stadt das Recht
zuerkannt hatte, die Plastik von ihrem Aufstellungsort zu entfernen, war die
Entscheidung allerdings in der Berufung nicht angegriffen. Das Landgericht Kassel
(n.v., zitiert nach Schmelz, GRUR 2007, 565, 566 f) hat aufgrund einer
Interessenabwägung im Ergebnis den Abriss der Documenta-Freitreppe bestätigt.
50 Der Bundesgerichtshof hatte bisher keine Gelegenheit, die Streitfrage grundlegend
zu klären. In der Entscheidung „Mauerbilder“ hat er angenommen, dass es dem
Eigentümer unbenommen bleiben müsse, jedenfalls ihm gegen seinen Willen
aufgedrängte Kunstwerke wie beispielsweise Graffiti auf einem Mauerwerk zu
zerstören. Zugleich hat der Bundesgerichtshof offen gelassen, ob die „gebotene
Interessenabwägung“ im Einzelfall ausnahmsweise ein anderes Ergebnis
rechtfertigen könne (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 – I ZR 68/93, BGHZ 129,
66 – Mauerbilder). Dies wird teilweise in dem Sinne verstanden, dass der
Bundesgerichtshof allgemein eine Interessenabwägung verlangt (Schulze, aaO
Rn. 28). Das Oberlandesgericht Dresden (GRUR-RR 2013, 51) konnte im Fall des
Dresdener Kulturpalasts offen lassen, ob in Abriss und Neugestaltung des
Mehrzwecksaales eine vollständige Werkvernichtung liegt und ob dem Urheber
unter diesem Blickwinkel ein Abwehranspruch zustünde. Auch das Landgericht
Berlin (NJOZ 2013, 371) konnte es im Fall der (weitgehenden) Entfernung eines
Mauerbildes dahinstehen lassen, ob eine vollständige Werkzerstörung von § 14
UrhG erfasst ist.
51 d) Ungeachtet unterschiedlicher Begründungsansätze besteht danach in
Rechtsprechung und Literatur im Ergebnis weitgehend Einigkeit darüber, dass das
Interesse des Urhebers an der Fortexistenz seines Kunstwerks bei Werken der
Baukunst, bei mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken oder sonst bei
grundstücksgebundenen Kunstwerken in aller Regel hinter den Interessen des
Eigentümers an der anderweitigen Nutzung oder Bebauung seines Grundstücks
und der damit verbundenen vollständigen Zerstörung oder Entfernung des
Kunstwerks zurücktreten muss. Dem schließt sich die Kammer an.
52 aa) Selbst wenn man im Ausgangspunkt ein nach § 14 UrhG geschütztes
Interesse des Urhebers nicht nur an der unverfälschten Erhaltung, sondern
überhaupt an der Fortexistenz des Werks anerkennt, ist zu berücksichtigen, dass
das Interesse des Urhebers durch eine vollständige Vernichtung des Werks auf
andere Weise beeinträchtigt wird als durch eine Entstellung oder Veränderung des
Werks. Nimmt der Eigentümer an einem Werkexemplar Änderungen vor, ist das
berechtigte Interesse des Urhebers betroffen, dass das von ihm geschaffene
Werk, in dem seine individuelle künstlerische Schöpferkraft ihren Ausdruck
gefunden hat, der Mit- und Nachwelt in seiner unveränderten Gestalt zugänglich
gemacht wird (BGH, Urteil vom 19. März 2008 – I ZR 166/05, NJW 2008, 3784 Rn.
23 – St. Gottfried), also sein Interesse, selbst darüber zu befinden, wie sein Werk
an die Öffentlichkeit treten soll (LG Mannheim, GRUR 1997, 364 – Freiburger
Holbein-Pferd). Der Schutz des Urhebers durch das urheberrechtliche
Änderungsverbot richtet sich mithin gegen Verfälschungen der Wesenszüge des
Werkes in der Form, wie es anderen dargeboten wird (BGH, Urteil vom 1. Oktober
1998 – I ZR 104/96, NJW 1999, 790 – Treppenhausgestaltung). Der Urheber muss
es aufgrund seiner geistigen und persönlichen Beziehung zu dem Werk im
Grundsatz – vorbehaltlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung – nicht
hinnehmen, dass er in der Öffentlichkeit mit einem Werk in Verbindung gebracht
wird, das er so nicht geschaffen hat.
53 Anders liegen die Dinge bei der vollständigen Vernichtung eines Werkexemplars.
Das Werk als geistige Schöpfung wird dadurch nicht verändert oder in der
Öffentlichkeit anders wahrgenommen. Allerdings spricht, jedenfalls wenn es sich
um das einzige Original eines Werks der bildenden Kunst handelt, vieles dafür,
auch in dessen Vernichtung einen Eingriff in die berechtigten Interessen des
Urhebers zu sehen. Da eine Reproduktion die in einem Originalwerk der bildenden
Kunst enthaltenen Informationen nur unzureichend wiedergeben kann (Bullinger,
aaO Rn. 22), ist durch die Vernichtung das berechtigte Interesse des Urhebers am
Fortbestehen des einzigen Festlegungsexemplars des Werks als Ausdruck und
Teil seiner Persönlichkeit betroffen (Dietz/Peukert, aaO Rn. 38 f; Schack, GRUR
1983, 56, 57).
54 bb) Hat der Künstler indessen eine Werkform gewählt, bei der das Kunstwerk
unlösbar mit einem Gebäude oder Grundstück verbunden ist, muss das so
verstandene Interesse an der Fortexistenz des Kunstwerks jedoch in aller Regel
hinter den Interessen des Eigentümers zurücktreten, das Grundstück in anderer
Weise zu nutzen oder anderweitig zu bebauen. So wie der Eigentümer
grundsätzlich keine in das Urheberrecht eingreifenden Veränderungen am Original
vornehmen darf, kann der Urheber umgekehrt sein Urheberrecht nur unbeschadet
des Eigentums ausüben (BGH, Urteil vom 31. Mai 1974 – I ZR 10/73, GRUR 1974,
675, 676 – Schulerweiterung). Den Eigentümer mit einer Verpflichtung zur
dauerhaften Erhaltung und gegebenenfalls Restaurierung des Werks zu belasten,
wäre wegen des damit einhergehenden erheblichen Aufwands und vor allem
wegen des weitreichenden Ausschlusses anderer Nutzungsmöglichkeiten mit
einer unzumutbaren Beschränkung seines Eigentumsrechts (§ 903 BGB)
verbunden. Anders als etwa bei einem Gemälde oder einer Skulptur, die ohne
Verfälschung ihres künstlerischen Ausdrucksgehalts auch anderenorts präsentiert
werden können, hat der Eigentümer eines mit seinem Grund und Boden
verbundenen Kunstwerks nicht die Möglichkeit, die Erhaltungsinteressen des
Urhebers notfalls durch Rückgabe des Kunstwerks an seinen Schöpfer zu wahren.
Wegen dieser erkennbaren Interessenlage darf der Urheber grundsätzlich nicht
erwarten, dass der Eigentümer mit dem Erwerb des Kunstwerks die Verpflichtung
eingehen will, dieses für die Dauer des Urheberrechts – siebzig Jahre post mortem
auctoris – unter Inkaufnahme einer weitgehenden baulichen Veränderungssperre
auf seinem Grundstück zu erhalten. Vielmehr erfährt das Urheberrecht in dieser
Konstellation eine Beschränkung durch das Eigentumsrecht (Dietz/Peukert, aaO
Rn. 38, 40). Der Interessengegensatz zwischen dem Urheber und dem Eigentümer
ist daher bei grundstücksgebundenen Werken in aller Regel dahin zu lösen, dass
dem Eigentümer mit Blick auf § 903 BGB das Recht zusteht, das Kunstwerk
vollständig zu entfernen oder zu vernichten. Im Gegensatz zu Veränderungen des
Werks führt die vollständige Entfernung nicht dazu, dass der Urheber eine
Präsentation seines Werks in einer Form hinnehmen muss, die er nicht geschaffen
hat. Die vollständige Entfernung oder Vernichtung ist dem Urheber daher selbst
dann, wenn es sich – wie typischerweise bei grundstückgebundenen Werken – um
das einzige Original handelt, in Abwägung mit den Eigentümerinteressen eher
zuzumuten. Seinem berechtigten Erhaltungsinteresse ist dadurch Rechnung zu
tragen, dass ihm die Möglichkeit gegeben wird, das Werk zu fotografieren oder
sonst möglichst gut zu dokumentieren und dadurch einen endgültigen Verlust des
Werks als geistiger Schöpfung so weit als möglich zu verhindern (Dietz/Peukert,
aaO Rn. 40).
55 cc) Ein abweichendes Abwägungsergebnis ergibt sich auch dann nicht, wenn es
sich bei dem Grundstückseigentümer um ein Kunstmuseum handelt. Zwar dienen
Kunstmuseen in besonderem Maße dazu, Kunstwerke für die Mit- und Nachwelt zu
erhalten. Jedoch haben gerade Museen andererseits ein berechtigtes Interesse
daran, die Gebäude und Ausstellungsflächen bei Bedarf an den aktuellen Stand
der Museumstechnik anzupassen oder die in der Kapazität beschränkten
Ausstellungsflächen von Zeit zu Zeit für die Präsentation anderer Kunstwerke zu
nutzen. Die Anerkennung eines weitreichenden Schutzes des Urhebers vor
Aussonderung seines Werks könnte gerade bei raumgreifenden, mit dem
Gebäude fest verbundenen Installationen alsbald dazu führen, dass große Teile
der Ausstellungsflächen gebunden sind und nicht mehr für Werke anderer Künstler
zur Verfügung stehen. Das Museum könnte in diesem Fall seiner Aufgabe, die
Sammlung fortzuentwickeln, nur noch mit unverhältnismäßigen Einschränkungen
nachkommen. Daher hat auch der Museumseigentümer ein berechtigtes Interesse
an der Demontage insbesondere raumgreifender Kunst-Installationen, auch wenn
damit deren vollständige Vernichtung einhergeht. Die Interessenkollision zwischen
Urheber und Museumseigentümer unterscheidet sich daher im Hinblick auf mit
dem Gebäude unlösbar verbundene Rauminstallationen nicht grundlegend von
der normalen Interessenkollision zwischen Urheber und Grundstückseigentümer
und rechtfertigt daher auch kein abweichendes Abwägungsergebnis. Auch dem
Künstler, der ein grundstücksgebundenes Werk für ein Museum geschaffen hat, ist
es in Abwägung mit den Eigentümerinteressen zumutbar, eine Entfernung aus
dem Museum und gegebenenfalls damit einhergehende Vernichtung
hinzunehmen. Mit einem solchen Schicksal muss er bei der gewählten
Ausdrucksform einer fest mit dem Gebäude verbundenen Installation von
vornherein rechnen. Die Fortexistenz des Werks als geistige Schöpfung kann auch
in diesem Fall in Form einer Dokumentation der Museumsausstellung
gewährleistet werden.
56 dd) Ein gesetzlicher Abwehranspruch des Urhebers gegen eine Vernichtung
seines Werks ist daher in Fällen der Interessenkollision mit dem Grundeigentum
nur im Ausnahmefall denkbar, etwa wenn ein Kunstwerk von außergewöhnlich
hohem künstlerischen Rang betroffen ist (zu diesem Abwägungsbelang
Dietz/Peukert, aaO Rn. 38a, Dreier, aaO Rn. 28; Kroitzsch/Götting, aaO Rn. 25;
kritisch Schack, GRUR 1983, 56, 59) oder wenn – jedenfalls bei Museen – die
Entfernung ausschließlich dem veränderten Geschmack Rechnung tragen soll,
ohne dass sonst eine sachliche Rechtfertigung wie etwa ein Umbau oder die
beabsichtigte Nutzung der Ausstellungsflächen für andere Präsentationen,
erkennbar ist (vgl. OLG Hamm, ZUM-RD 2001, 443), die Entfernung also
gleichsam Selbstzweck ist, so dass die Zerstörung des Kunstwerks als mutwillig
und rechtsmissbräuchlich angesehen werden müsste (zur Grenze des
Rechtsmissbrauchs Schack, GRUR 1983, 56, 58; Dietz/Peukert, aaO Rn. 38a).
57 ee) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Einbeziehung der
Ethischen Richtlinien des Internationalen MuseumsratesICOM (www.icom-
deutschland.de/client/media/364/ icom_ethische_richtlinien_d_2010.pdf). Nach Nr.
2.12 dieser Richtlinien, deren rechtliche Qualität hier offen bleiben kann, sind
Aussonderungen aus der Museumssammlung zulässig, wenn „die gesetzlichen
und anderen Vorschriften und Verfahren voll und ganz einhalten“ werden. Die
Richtlinien gehen in diesem Punkt also nicht über die gesetzliche Rechtslage
hinaus, die – wie dargelegt – den Eigentümerinteressen des Museums den
Vorrang einräumt. Dass selbst „nicht erneuerbare“ Gegenstände nicht von einer
Aussonderung ausgenommen sind, wird durch Nr. 2.13 der Richtlinien bestätigt.
Soweit die Regelung die Aussonderung eines Objekts oder Exemplars aus einer
Museumssammlung darüber hinaus nur gestattet „bei vollem Verständnis für die
Bedeutung des Gegenstandes, seines Charakters (erneuerbar oder nicht
erneuerbar), seiner rechtlichen Stellung und unter Erwägung des öffentlichen
Vertrauensverlustes erfolgen, den ein derartiges Vorgehen möglicherweise nach
sich zieht“, weicht auch dies nicht von der dargelegten Rechtslage ab. Dass der
herausragende künstlerische Rang des Werks in Ausnahmefällen seiner
Vernichtung entgegenstehen kann, wurde oben bereits angesprochen. Auch die
Frage eines „öffentlichen Vertrauensverlustes“ wird sich vorrangig in solchen
Fällen stellen. Im Übrigen versteht es sich, dass ein subjektiv-rechtlicher
Abwehranspruch des Urhebers nicht mit der Rufschädigung begründet werden
kann, die das Museum sich selbst durch die Aussonderung möglicherweise
zuzieht.
58 2. Nach diesen Maßstäben besteht im Streitfall weder ein vertraglicher noch ein
gesetzlicher Anspruch der Klägerin auf Erhaltung des Werks.
59 a) Eine vertragliche Vereinbarung, die die Beklagte verpflichtet, das Werk
jedenfalls für die Dauer des Urheberrechts zu erhalten und nicht zu entfernen,
kann im Streitfall nicht angenommen werden. Ausdrücklich bestimmt der Vertrag
eine solche Erhaltungspflicht nicht. Eine derartige Verpflichtung folgt auch weder
aus dem Werktitel „HHole (for Mannheim) 2006 bis
“, noch aus der wiederholten
Bezeichnung des Werks als „permanente Installation“ in dem Kaufvertrag vom 30.
Mai 2006, noch aus der Angabe einer Leihzeit der „Dauerleihgabe“ vom „24. März
2006 bis unendlich“ in dem formularmäßigen Leihschein vom 8. September 2006.
Sie ergibt sich schließlich auch nicht aus der im Kaufvertrag gezogenen Parallele
zwischen dem Werk und einem „lebendigen Organismus“.
60 In Anbetracht des allgemein anerkannten Auslegungsgrundsatzes einer nach
beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung, durch die eine Abrede auf
einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 31.
Oktober 1995 – XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136), hat sich die Vertragsauslegung in
erster Linie an der für beide Seiten bei Vertragsschluss erkennbaren
Interessenlage zu orientieren, wie sie oben eingehend dargelegt wurde. Diese ist
einerseits davon geprägt, dass es sich bei dem Werkexemplar in der Mannheimer
Kunsthalle um das einzige Original von „HHole (for Mannheim)“ handelt. Eine
Entfernung des Werks von seinem Aufstellungsort, an dem und für den es
geschaffen wurde, ist mit seiner unwiederbringlichen Zerstörung gleichzusetzen.
Auf der anderen Seite hat die Beklagte ein erhebliches Interesse daran, die
Gebäude und Ausstellungsflächen der Kunsthalle bei Bedarf an den aktuellen
Stand der Museumstechnik anzupassen und die in der Kapazität beschränkten
Ausstellungsflächen von Zeit zu Zeit für die Präsentation anderer Kunstwerke zu
nutzen. Diesem Interesse kommt im Fall des Werkes „HHole (for Mannheim)“
erkennbar ein besonderes Gewicht zu, denn diese Installation erstreckt sich über
alle sieben Stockwerke des Athene-Trakts und umfasst unter anderem Öffnungen
in sämtlichen Geschossdecken. Die Möglichkeit einer anderweitigen Nutzung der
Ausstellungsflächen oder gar einer Renovierung des Gebäudes wird hierdurch
stark eingeschränkt. Unter diesen Umständen käme eine Erhaltungspflicht der
Beklagten einer sehr weitgehenden Einschränkung ihrer Eigentümerbefugnisse
gleich. Bei der gewählten Ausdrucksform einer derart raumgreifenden, fest mit dem
Gebäude verbundenen Installation musste die Klägerin von vornherein damit
rechnen, dass die Beklagte nach einiger Zeit ein Interesse daran haben würde,
das Werk aus dem Museum zu entfernen. Aus dem Umstand, dass der Athene-
Trakt nach Darstellung der Klägerin ab dem Jahr 2006 technisch instandgesetzt
wurde, ergibt sich nichts anders. Aus den oben dargelegten Gründen kommt den
Interessen der Beklagten an der Umgestaltung der Ausstellungsflächen Vorrang
vor den Interessen der Klägerin an der Erhaltung des Werks zu, dessen
Fortexistenz als geistige Schöpfung, wenn auch nur unvollkommen, durch eine
fotografische oder sonstige Dokumentation der Museumsausstellung erreicht
werden kann. Die Möglichkeit, das Werk der Mit- und Nachwelt zugänglich zu
machen und durch das künstlerische Schaffen Wirkung zu entfalten, geht damit
nicht gänzlich verloren.
61 Bei dieser beiderseits erkennbaren Interessenlage kann eine Erhaltungspflicht
nicht aus der Bezeichnung des Werks als „permanente Installation“ abgeleitet
werden. Durch diese Wortwahl kommt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck,
dass die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Werk unter weitgehender
Einschränkung ihrer Eigentümerbefugnisse für die Dauer des Urheberrechts zu
unterhalten. Die „permanente“ Ausstellung unterscheidet sich nach dem im
Museumsbereich üblichen Sprachgebrauch von der Sonderausstellung dadurch,
dass sie nicht von vornherein auf eine bestimmte Zeit angelegt ist. Entgegen der
Ansicht der Klägerin folgt aus dieser Begrifflichkeit aber keine Verpflichtung des
Museums, Kunstwerke der „permanenten“ Ausstellung auch ständig der
Öffentlichkeit zu präsentieren. Für eine „permanente Installation“ gilt nichts
anderes. Damit ist nur gesagt, dass sie nicht von vornherein auf eine Demontage
nach einer bestimmten Zeit angelegt ist. Das Recht des Museumseigentümers, sie
nach gewisser Zeit aus der Ausstellung zu entfernen, wird davon aber nicht
berührt.
62 Gleiches gilt für die Bezeichnung als „Dauerleihgabe“ und die Angabe einer
„unendlichen“ Leihzeit. Mit Blick auf die Unentgeltlichkeit der
Gebrauchsüberlassung trägt die Vereinbarung einer Zeitdauer für die Leihe im
Allgemeinen nur den Interessen des Entleihers Rechnung, die Sache für die
vereinbarte Zeit nutzen zu dürfen. Hingegen ist er im Regelfall nicht verpflichtet, die
Sache für die vereinbarte Zeit zu behalten oder gar zu gebrauchen; er kann sie
vielmehr auch früher zurückgeben (vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §
604 Rn. 4). Dass hier mit der Vereinbarung einer „Dauerleihgabe“ mit einer
„unendlichen“ Leihzeit nicht nur ein Recht, sondern auch eine Verpflichtung der
Beklagten begründet werden sollte, das Werk dauerhaft auszustellen und zu
erhalten, kann angesichts der beschriebenen Interessenlage nicht angenommen
werden.
63 Eine solche Verpflichtung folgt schließlich auch nicht aus dem aus dem Werktitel
„HHole (for Mannheim) 2006 bis
“ und der im Kaufvertrag sowie in manchen
Publikationen gezogenen Parallele zwischen dem Werk und einem „lebendigen
Organismus“. Dabei handelt es sich um eine künstlerische Interpretation, die die
vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen Urheber und Grundstückseigentümer
nicht beeinflusst. Dass die Künstlerin das Werk „HHole (for Mannheim) 2006 bis
“ als „Lebewesen“ begreift und dies in die Beschreibung des Werks im
Kaufvertrag und in möglicherweise gemeinsam verantwortete Veröffentlichungen
Eingang gefunden hat, vermag seine rechtliche Qualifikation als (bloßen)
Kunstgegenstand und die daran anknüpfende Abwägung zwischen den
Erhaltungsinteressen des Urhebers und den Nutzungsinteressen des
Museumseigentümers nicht zu beeinflussen. Die Übernahme einer vertraglichen
Verpflichtung zur dauerhaften Erhaltung der Installation kann daraus nicht
abgeleitet werden.
64 b) Auch ein gesetzlicher Anspruch auf Erhaltung des Werks nach dem
Urheberrechtsgesetz besteht nicht. Wie oben dargelegt wurde, kommt den
Interessen des Museumsinhabers an der Umgestaltung oder anderweitigen
Nutzung der Ausstellungsflächen in aller Regel Vorrang vor den Interessen des
Urhebers einer Rauminstallation an deren Erhaltung zu. Ein urheberrechtlicher
Abwehranspruch gegen eine Entfernung des Werks besteht daher auch dann
nicht, wenn dies – wie hier – mit der Vernichtung des einzigen Originals verbunden
ist. Gesichtspunkte, die ausnahmsweise eine abweichende Beurteilung
rechtfertigen könnten, liegen im Streitfall nicht vor.
65 Es kann nicht angenommen werden, dass die geplante oder schon begonnene
Entfernung des Werks „HHole (for Mannheim)“ ausschließlich durch einen
veränderten Geschmack oder eine veränderte Bewertung des Werks motiviert
wäre. Die Beklagte nimmt derzeit einen weitreichenden Umbau der Kunsthalle vor.
Der Mitzlaff-Bau ist bereits abgerissen; an seine Stelle soll ein vollständiger
Neubau treten. Wie die Beklagte durch Vorlage von Architektenplänen
(Anlagenkonvolut B 66) aufgezeigt und nachgewiesen hat, ist im Zuge dieser
Baumaßnahmen auch eine völlige Umgestaltung des Innenraums des Athene-
Trakts geplant. Danach ist vorgesehen, die Zwischendecken im Athene-Trakt zu
entfernen und in Anlehnung an das historische Original von 1907 einen großen
einheitlichen Innenraum im Sinne eines lichten Durchgangsraums zu schaffen. Auf
dem Niveau des ersten Obergeschosses ist eine schlanke Brücke geplant, die auf
dieser Ebene eine Verbindung zwischen dem Billing-Bau und dem geplanten
Neubau herstellt. Einem Erhalt des Werks „HHole (for Mannheim)“ ist dadurch die
Grundlage entzogen. Zu seinem wesentlichen Kern gehört seine Erstreckung über
mehrere Geschossdecken und die Verbindung der einzelnen Räume und Objekte
über Öffnungen in diesen Decken. Das Werk kann daher in einem weitgehend
entkernten Innenraum nicht mehr realisiert werden. Unter diesen Umständen kann
von einer mutwilligen oder rechtsmissbräuchlichen Vernichtung des Werks der
Klägerin keine Rede sein.
66 Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass die Entkernung des Athene-Trakts
dem zuletzt erreichten Planungsstand der Beklagten entspricht. Sie hat lediglich
bestritten, dass die erteilte Bau- und Abrissgenehmigung diese Maßnahme bereits
abdeckt (Bl. 489). Darauf kommt es indessen nicht an. Denn es ist weder dargelegt
noch ersichtlich, dass der Erteilung der erforderlichen Genehmigungen dauerhafte
Hindernisse entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für den von der Klägerin
angesprochenen Aspekt des Denkmalschutzes. Die Klägerin hat nicht darzulegen
vermocht, dass das Werk „HHole (for Mannheim)“ Denkmalschutz genießt. Neben
der Denkmalfähigkeit setzt dies nach § 2 Abs. 1 DSchG BW ein öffentliches
Interesse an der Erhaltung voraus. Dieses selbständige Tatbestandsmerkmal des
Denkmalbegriffs ist nur zu bejahen, wenn die Denkmaleigenschaft einer Sache
und die Notwendigkeit ihrer Erhaltung in das Bewusstsein der Bevölkerung oder
mindestens eines breiten Kreises von Sachverständigen eingegangen sind (VGH
Mannheim, NVwZ-RR 1989, 238, 240). In dieser Hinsicht hat die Klägerin nichts
vorgetragen; bei dem erst im Jahre 2006 geschaffenen Werk liegt ein solcher
Sachverhalt auch fern. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang
angestellten Erwägungen zur Genehmigungszuständigkeit sowie formellen und
materiellen Rechtmäßigkeit etwa ergangener Gemeinderatsbeschlüsse gehen
daher ins Leere.
67 Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es auch nicht von Bedeutung, ob für den
Athene-Trakt ein zwingender Sanierungsbedarf besteht, ob die geplanten
Maßnahmen im Einzelnen erforderlich sind oder ob ein anderes
Sanierungskonzept möglich gewesen wäre, das mit dem Erhalt des Werks
vereinbar gewesen wäre. Die Entscheidung, wie er das Grundstück künftig nutzen
und in welchem Umfang er Umbau- oder Sanierungsmaßnahmen vornehmen
möchte, liegt beim Eigentümer. Er ist aus den oben dargelegten Gründen nicht
gehalten, seine Entscheidungen an dem Interesse des Urhebers an dem Erhalt
seines Werks auszurichten. Selbst im Fall von Veränderungen an dem
geschützten Werk steht die höchstrichterliche Rechtsprechung auf dem
Standpunkt, dass die Interessenabwägung anhand derjenigen bestimmten
Planung vorzunehmen ist, für die der Eigentümer sich entschieden hat, ohne dass
es darauf ankommt, ob daneben noch andere, den Urheber gegebenenfalls
weniger beeinträchtigende Lösungen denkbar sind (BGH, Urteil vom 19. März
2008 – I ZR 166/05, NJW 2008, 3784 Rn. 39 – St. Gottfried; Beschluss vom 9.
November 2011 – I ZR 216/10, GRUR 2012, 172 Rn. 6 – Stuttgart 21). Nichts
anderes kann gelten, wenn der Eigentümer sich – wie hier – zu einer Planung
entschieden hat, die mit einer vollständigen Entfernung oder Vernichtung des
Kunstwerks verbunden ist. Eine solche Entscheidung ist der Beklagten auch nicht
im Hinblick darauf verwehrt, dass das Werk überwiegend aus Stiftungsgeldern
finanziert wurde.
68 Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auch aus einem möglichen
Eigentumsrecht an bestimmten auf eigene Kosten angeschafften Objekten wie
etwa dem Laserbeamer oder der „HMap“ nichts für einen Abwehranspruch gegen
die Entfernung des Werks abgeleitet werden. Selbst wenn die Klägerin
Eigentümerin sämtlicher beweglicher Teile des Werkes wäre, würde ihr dies keine
Rechtsposition verschaffen, die die Dispositionsbefugnis der Beklagten über die
künftige Grundstücks- und Gebäudenutzung in Frage stellt. Das Eigentum der
Beklagten an dem Grundstück ist durch die Verbindung mit dem Werk der Klägerin
unberührt geblieben (§ 946 BGB). Der Erwerb von Eigentum oder Miteigentum
durch Verarbeitung kommt nur bei beweglichen Sachen in Betracht (§ 950 BGB).
Bei unbeweglichen Sachen ergreift hingegen stets das Eigentum an der Sache
das mit ihr (nicht nur scheinbar) verbundene Kunstwerk (§ 946 BGB i.V. mit §§ 94,
95 BGB). Eigentumsrechte der Klägerin an einzelnen Objekten könnten allenfalls
einen entsprechenden Herausgabeanspruch der Klägerin begründen, aber keinen
Anspruch, das Kunstwerk insgesamt einschließlich der Öffnungen in den
Geschossdecken auf dem Grundstück der Beklagten zu erhalten.
69 c) Die Schriftsätze der Klägerin vom 20. und 22. April 2015 geben keine
Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Welche
Vereinbarungen die Beklagte mit dem Künstler […] zur Wiedererrichtung der
Lichtinstallation „[…]“ gegebenenfalls in veränderter Form getroffen hat, ist für den
Ausgang des Rechtsstreits ebenso wenig von Bedeutung wie der Umstand, dass
sich die Erdarbeiten und damit der Beginn der Rohbauarbeiten am Neubau wegen
einer überraschend entdeckten zusätzlichen Bodenplatte des Bunkers verzögert
haben.
II.
70 Für die das Werk „HHole (for Mannheim)“ betreffenden Klageanträge
(Antragsgruppe A), über die hier nach Abtrennung des Verfahrens im Übrigen
allein zu entscheiden ist, ergibt sich nach dem Gesagten folgendes:
71 1. Die Klägerin hat – wie eingehend dargelegt – keinen Anspruch auf Erhaltung
oder Wiederherstellung des Werks „HHole (for Mannheim)“. Den auf Erhalt,
Wiederherstellung und Fertigstellung des Werks gerichteten Anträgen A I.1 bis 3
bleibt daher der Erfolg versagt. Insbesondere kann die Klägerin die Vernichtung
des Kunstwerks durch den (Teil-)Abriss des Athene-Trakts der Kunsthalle oder
dessen Entkernung nicht verhindern (Antrag A I.1.2). Soweit sie sich mit den
Anträgen A I.1.1 gegen eine Bearbeitung, Umgestaltung oder Beeinträchtigung
durch bauliche Maßnahmen wendet, fehlt es, falls damit auf eine Entstellung oder
sonstige Beeinträchtigung im Sinne von § 14 UrhG abgestellt werden soll, an der
für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Begehungsgefahr. Die Klägerin
hat nicht mit Substanz aufgezeigt, dass verbliebene Teile des Werks seit Beginn
der Bauarbeiten im Athene-Trakt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden
wären. Damit fehlt es an dem für eine Entstellung oder sonstige Beeinträchtigung
im Sinne von § 14 UrhG erforderlichen Öffentlichkeitsbezug.
72 2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Werk „HHole (for
Mannheim)“ im „geänderten baulichen Umfeld“ durch „Integration in den Athene-
Trakt“ erhalten bleibt. Sie ist nicht berechtigt, das Werk nach ihren künstlerischen
Vorstellungen in angepasster Form nach der Entkernung des Athene-Trakts
wieder zu installieren (Hilfsanträge A II 1-2). Dies folgt ebenfalls aus der
Dispositionsbefugnis der Beklagten als Eigentümerin des Grundstücks. Damit
entfällt auch ein Vergütungsanspruch für diese Tätigkeit (Hilfsantrag A II.3).
73 3. Die Beklagte ist der Klägerin wegen der vollständigen und dauerhaften
Beseitigung des Werks auch nicht zum Schadensersatz verpflichtet (Hilfsantrag A
III). Die Entfernung und Vernichtung des Werks sind aus den dargelegten Gründen
rechtmäßig. Eine Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch ist
daher nicht gegeben.
74 4. Der Klägerin steht jedoch ein Anspruch auf Honorar für die Erstellung des Werks
„HHole (for Mannheim)“ in Höhe von 70.000 EUR zu (Antrag A I.4). Abzüglich nach
eigenem Vorbringen der Klägerin hierauf bereits gezahlter 4.000 EUR verbleibt ein
restlicher Vergütungsanspruch von 66.000 EUR.
75 a) Der Anspruch ergibt sich in dieser Höhe unmittelbar aus der vertraglichen
Vereinbarung in dem Kaufvertrag vom 30. Mai 2006. Nach dem Vorbringen der
Klägerin haben die Parteien zwar die Vergütungsvereinbarung im Kaufvertrag
„aufgehoben“ und durch die Regelung ersetzt, später eine „angemessene
Vergütung“ zu finden. Mit Blick auf die beiderseitige Interessenlage und das von
der Klägerin behauptete Ziel, ihr im Hinblick auf den großen insbesondere
zeitlichen Aufwand eine höhere Vergütung zukommen zu lassen, ist die
behauptete Vereinbarung jedoch in dem Sinne auszulegen, dass das vertraglich
bedungene Honorar in ein Mindesthonorar umgewandelt werden sollte mit dem
Vorbehalt, dass später gegebenenfalls ein angemessener Aufschlag – etwa in
Anlehnung an die zu § 32 UrhG entwickelten Maßstäbe – geschuldet sein sollte.
Hiervon ausgehend steht der Klägerin jedenfalls das Mindesthonorar von 70.000
EUR zu. Die Beklagte steht ohnehin auf dem Standpunkt, dass der Kaufvertrag
vom 30. Mai 2006 „die zentralen Eckdaten der Einigung wiedergibt“; sie hat die von
der Klägerin behauptete Zusatzvereinbarung bestritten. Auch auf dieser Grundlage
ist die Beklagte zur Zahlung jedenfalls des Mindesthonorars von 70.000 EUR
verpflichtet.
76 b) Ob die Parteien tatsächlich die von der Klägerin behauptete Zusatzvereinbarung
betreffend eine angemessene Honorarerhöhung getroffen haben, kann
dahinstehen. Die Klägerin hat keine geeigneten Anknüpfungstatsachen
vorgetragen, die dem Gericht die Beurteilung erlauben würden, dass die
vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist und die es in die Lage versetzen
würden, die angemessene Vergütung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO unter Würdigung
aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung und billigem Ermessen zu
bestimmen (vgl. zu diesem Maßstab nach § 32 UrhG: Beschlussempfehlung des
Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/8085 Seite 18; Schulze, aaO § 32 Rn. 51; vgl.
auch BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 – I ZR 38/07, BGHZ 182, 337 Rn. 31 –
Talking to Addison). Insbesondere hat die Klägerin nichts zu einer marktüblichen
Vergütung vergleichbarer von ihr geschaffener Werke vorgetragen. Auch sonst
lassen sich ihrem Vorbringen keine geeigneten Anknüpfungstatsachen für eine
Bemessung der Vergütung entnehmen. Die in den Leihscheinen angegebenen
Versicherungswerte sind als Schätzgrundlage ungeeignet, da der
Versicherungswert maßgeblich von dem Materialwert der einzelnen Objekte der
Installation bestimmt wird, die weit überwiegend nicht von der Klägerin, sondern
aus der Beklagten zur Verfügung stehenden Stiftungsgeldern angeschafft wurden.
77 c) Die Zahlung der Beklagten in Höhe von 14.000 EUR auf die Rechnung vom 28.
August 2006 (Anlage B 28) ist nicht auf den Honoraranspruch für die Erstellung
des Werks „HHole (for Mannheim)“ anzurechnen. Ausweislich der Rechnung
erfolgte die Zahlung für die „Planung und Erstellung eines Katalogkonzepts“ für
das Werk. Dies ist nicht von dem im Kaufvertrag festgelegten Leistungsumfang
erfasst. Die Beklagte hat die Ablieferung eines Katalogkonzepts durch die Klägerin
nur unzulässig mit Nichtwissen bestritten.
78 d) Der Vergütungsanspruch ist nicht verjährt. Die Verjährung wurde durch die am
4. März 2014 zugestellte Klage rechtzeitig gehemmt.
79 Der Vergütungsanspruch der Klägerin unterliegt der dreijährigen Regelverjährung
(§ 195 BGB). Dies gilt unabhängig davon, ob man seine Rechtsgrundlage in der
vertraglichen Vereinbarung oder in § 32 UrhG sieht. Da die Vergütung unter
anderem den „Zeit- und Arbeitsaufwand“ der Klägerin abgelten soll und die
Parteien eine Abnahme des Werks vorgesehen haben, hängt die Fälligkeit des
Anspruchs (§ 641 Abs. 1 BGB) und damit der Beginn der Verjährung (§ 199 Abs. 1
Nr. 1 BGB) von der Abnahme ab. An einer Abnahme fehlt es hier.
80 Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte sieht eine konkludente
Abnahme darin, dass das Werk einvernehmlich ausgestellt wurde, beispielsweise
am 11. September 2006 im Rahmen einer Veranstaltung mit der Deutschen Bank.
Dies genügt jedenfalls unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht.
Nach der künstlerischen, auch im Kaufvertrag festgehaltenen Konzeption handelt
es sich bei dem Werk um ein „Work in Progress“, ein sich jedenfalls bis zu seinem
„Erwachsensein“ entwickelndes „Evolving art work“. Eine Ausstellung des Werks
ist aus künstlerischem Blickwinkel ohne Weiteres auch in seiner
Entstehungsphase möglich und sinnvoll. Es steht im Übrigen außer Streit, dass die
Klägerin noch während der von der Beklagten angeführten Ausstellung „Full
House“ und darüber hinaus Arbeiten an dem Werk vorgenommen hat. In der
Präsentation für die Öffentlichkeit kann unter diesen Umständen nicht die
konkludente Billigung als im Wesentlichen vertragsgemäß fertiggestellte Leistung
gesehen werden.
81 Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs ist daher erst mit der endgültigen
Verweigerung weiterer Arbeiten an dem Werk und der Ankündigung seiner
Entfernung durch die Beklagte eingetreten. Dies ist frühestens in einem Schreiben
des Rechtsamts der Beklagten vom 30. Mai 2011 (Anlage B 39) geschehen.
Hiervon ausgehend ist die dreijährige Verjährungsfrist durch die Klagezustellung
rechtzeitig gehemmt worden.
82 Da eine Fertigstellung des Werks nicht mehr beansprucht werden kann, kommt
eine Verurteilung zur Zahlung „Zug um Zug gegen Übergabe nach Fertigstellung
des Werkes“ nicht in Betracht. Die Beklagte ist insoweit nach dem Hilfsantrag zu
verurteilen, der eine solche Einschränkung nicht enthält.
III.
83 Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 ZPO. Die Vollstreckungsanordnung
findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.