Urteil des LG Mannheim vom 09.03.2016

unerlaubte handlung, übergangsregelung, verordnung, bindungswirkung

LG Mannheim Beschluß vom 9.3.2016, 2 O 273/15
Übergangsregelung zur Zuständigkeitskonzentration nach § 105 Abs. 2 UrhG in
Baden-Württemberg
Leitsätze
Die Zuständigkeitskonzentration nach § 105 Abs. 2 UrhG i.V.m. § 13 Abs. 3 ZuVOJu
BW in der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung findet nach Art. 2 der
Verordnung des Justizministeriums Baden-Württemberg zur Änderung der
Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 23. November 2015 (GBl. S. 1092) auf ein zum
1.1.2016 anhängiges Verfahren auch dann keine Anwendung, wenn das Verfahren
bis dahin nur bei einem unzuständigen Gericht anhängig war.
Tenor
1. Der Streitwert wird für die Entscheidung über die Zuständigkeit des Prozessgerichts
auf bis zu 4.646,80 EUR festgesetzt.
2. Das Landgericht Mannheim erklärt sich für sachlich unzuständig.
3. Der Rechtsstreit wird auf Antrag der Klägerin an das Amtsgericht Lörrach
verwiesen.
Gründe
I.
1 Die Klägerin macht wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung Ansprüche auf
Zahlung von Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie in Höhe von 2.628 EUR
und auf Erstattung von Anwaltskosten, die für die Aufforderung zur Unterwerfung
wegen des von ihr vorgerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruchs
angefallen sind, in Höhe von 911,80 EUR geltend (Klageantrag zu 1). Daneben
verlangt sie Auskunft über die Tage, an denen der Beklagte die von der Klägerin
produzierten Fußball-Sendungen öffentlich wahrnehmbar gemacht hat, und über die
Größe der streitgegenständlichen Betriebsstätte (Klageantrag zu 3) sowie eine
Feststellung der Pflicht des Beklagten zur Erstattung desjenigen weiteren Betrags,
um den ihr im Wege der Lizenzanalogie noch abschließend nach Maßgabe dieser
Auskünfte zu berechnender Schadensersatzanspruch über den Mindestbetrag
gemäß Klageantrag zu 1 hinausgeht (Klageantrag zu 4). Die Klage ist nach
Teilklagerücknahme betreffend die Beklagte zu 2 (Schriftsatz vom 21. Januar 2016,
ABl. 58) nur noch gegen den Beklagten zu 1 gerichtet.
2 Nach Durchführung eines Mahnverfahrens, Abgabe an des Landgericht Stuttgart
und Eingang der Anspruchsbegründung hat das Landgericht Stuttgart sich mit
Beschluss vom 18. Dezember 2015 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit
unter Hinweis auf § 13 Abs. 1 Nr. 1 ZuVOJu BW an das Landgericht Mannheim
verwiesen, wo die Akten am 29. Dezember 2015 eingegangen sind.
3 Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 7. März 2016 die Verweisung an das
Amtsgericht Lörrach beantragt. Der Beklagte ist zum Verweisungsantrag angehört
worden.
II.
4 Der Streitwert war zur Entscheidung über die Zuständigkeit des Prozessgerichts
gemäß § 3 ZPO, 62 GKG auf bis zu 4.646,80 EUR festzusetzen. Das Landgericht
ist danach zur Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 71 Abs. 1 GVG sachlich
nicht zuständig, weil der Wert des Streitgegenstandes 5.000 EUR nicht übersteigt.
Vielmehr ist gemäß § 23 Nr. 1 GVG die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts
begründet. Auf den Antrag der Klägerin war deshalb die Unzuständigkeit des
Landgerichts Mannheim auszusprechen und der Rechtsstreit an das sachlich
zuständige Amtsgericht Lörrach zu verweisen (§ 281 ZPO).
5 1. Der Streitwert liegt jedenfalls nicht über 4.646,80 EUR. […]
6 [wird ausgeführt]
7 2. Die somit nach allgemeinen Vorschriften nicht begründete sachliche
Zuständigkeit des Landgerichts Mannheim ergibt sich auch nicht aufgrund der
Verweisung durch das Landgericht Stuttgart. Der Verweisungsbeschluss des
Landgerichts Stuttgart ist ersichtlich allein auf die fehlende örtliche Zuständigkeit des
Landgerichts Stuttgart gestützt, die dieses (zu Recht) verneint hat. Die Frage der
sachlichen Zuständigkeit hat das Landgericht Stuttgart hingegen weder geprüft
noch zum Gegenstand der Begründung seines Verweisungsbeschlusses gemacht.
Insoweit ist daher keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO
eingetreten (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl, § 281 Rn. 16a mwN).
8 3. Bei der Bestimmung des zuständigen Adressaten der Verweisung war § 13
ZuVOJu BW in der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung nicht anzuwenden.
Die Ergänzung dieser Vorschrift nach Art. 1 der Verordnung des Justizministeriums
zur Änderung der Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 23. November 2015 (GBl.
S. 1092, nachfolgend ÄnderungsVO) ist nach Art. 2 ÄnderungsVO am 1. Januar
2016 in Kraft getreten. Nach der letztgenannten Vorschrift bleibt für die bis zu
diesem Zeitpunkt bereits anhängigen Verfahren die bestehende Zuständigkeit
unberührt. Dies gilt auch dann, wenn ein zuständiges Amtsgericht mit der zum 1.
Januar 2016 bereits anhängigen Sache vor dem genannten Tag noch nicht befasst
war. Denn nach dem Wortlaut der Übergangsvorschrift in Art. 2 ÄnderungsVO
kommt es für die Geltung des Zuständigkeitsregimes allein auf den Zeitpunkt der
Anhängigkeit des Verfahrens an, nicht aber darauf, bei welchem Gericht die Sache
zum Stichtag anhängig war. Dies entspricht auch dem Zweck dieser
Übergangsregelung, ab dem 1. Januar 2016 die Konzentrationszuständigkeit zur
Geltung zu bringen, ohne für Altverfahren in die Zuständigkeit einzugreifen. Danach
sollen nicht nur bei den bisher zuständigen Amtsgerichten anhängige Verfahren
über den 1. Januar 2016 hinaus dort verbleiben. Vielmehr ist der Geschäftsanfall
erst für die ab diesem Tag anhängig gemachten Verfahren den
Konzentrationsgerichten nach § 13 Abs. 3 ZuVOJu BW zugewiesen. Bei anderer
Auslegung würden diese rückwirkend mit Altverfahren belastet, die noch vor dem 1.
Januar 2016 (zufällig) bei unzuständigen Gerichten anhängig gemacht worden sind
und daher letztlich zu verweisen sind. Dass eine solche, dem Wortlaut der
Übergangsbestimmung nicht zu entnehmende Zuordnung beabsichtigt gewesen
wäre, ist nicht erkennbar. Alledem steht nicht entgegen, dass grundsätzlich der
Eintritt der Zuständigkeit eines ursprünglich unzuständig angerufenen Gerichts
während des anhängigen Verfahrens zu beachten sein kann. Denn die vorliegende
Änderungsverordnung hat gerade nicht während des Verfahrens eine Zuständigkeit
des in § 13 Abs. 3 ZuVOJu BW genannten Amtsgerichts Mannheim für das
vorliegende Verfahren begründet. Vielmehr bleibt für dieses vor dem 1. Januar 2016
anhängige Verfahren nach der Übergangsregelung in Art. 2 ÄnderungsVO die
bisher begründete Zuständigkeit unberührt. Insoweit kann auch dahinstehen, ob
eine Verweisung grundsätzlich an dasjenige Gericht zu erfolgen hat, das im
Zeitpunkt des Verweisungsbeschlusses zuständig ist. Denn dies ist hier nach wie
vor das Amtsgericht Lörrach, in dessen Bezirk zumindest die streitgegenständliche
unerlaubte Handlung begangen worden ist (§ 32 ZPO).