Urteil des LG Mannheim vom 15.09.2015

geographische angabe, verordnung, gattungsbezeichnung, essig

LG Mannheim Urteil vom 15.9.2015, 2 O 187/14
Markenrechtsschutz: Schutz der geografisch geschützten Angabe "Aceto
Balsamico die Modena" gegen Anspielung
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1 Die Klägerin macht im Wege der negativen Feststellungsklage geltend, die
Beklagte sei nicht berechtigt, ihr im Zusammenhang mit der geschützten
geographischen Angabe „Aceto Balsamico di Modena“ bestimmte Verwendungen
des Begriffs „Balsamico“ für in Deutschland hergestellte, auf Essig basierende
Produkte zu untersagen.
2 Die Beklagte ist ein Zusammenschluss von Herstellern von Erzeugnissen mit der
Bezeichnung "Aceto Balsamico di Modena“, die aufgrund der Verordnung (EG) Nr.
583/2009 (vorgelegt als Anlage B 3) eine geschützte geographische Angabe
(g.g.A.) gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 (früher Verordnung (EG) Nr.
510/2006) darstellt. Die Beklagte ist aufgrund Erlasses der italienischen
Ministeriums für Landwirtschaft, Lebensmittel und Forstwirtschaft vom 20. Januar
2014 (Anlage B 2) nach Art. 53, § 15 des italienischen Gesetzes Nr. 128/1998 seit
dem 11. Februar 2014 als Vereinigung im Sinn von Art. 3 Nr. 2, Art. 45 VO
1151/2012 anerkannt.
3 Nach der Verordnung (EG) Nr. 813/2000 sind ferner die Angaben „Aceto
balsamico tradizionale di Modena“ und „Aceto balsamico tradizionale di Reggio
Emilia“ (siehe zu letzterer auch VO (EU) Nr. 1279/2013) als
Ursprungsbezeichnungen geschützt (g.U.).
4 Die in Baden-Württemberg ansässige Klägerin stellt unter anderem auf Essig
basierende Produkte her und vermarktet diese im Raum Baden. Die Klägerin
verwendet für aus Essig hergestellte Produkte seit mindestens 25 Jahren die
Bezeichnungen "Balsamico" bzw. "Deutscher Balsamico“, so zuletzt für die mit der
im Klageantrag wiedergegebenen Etikettierung versehen Produkte, nämlich
5
t . . .
deutscher
balsamico
traditionell
(nachfolgend „t… “)
6 und
7
1…
Balsamico
(nachfolgend „1…“).
8 Es handelt sich jeweils um Produkte aus Weinessig und Traubenmost zur
Würzung von Speisen, die flüssig sind und eine dunkle Farbgebung aufweisen.
9 Die Beklagte erlangte von dem Produkt "t..." im April 2014 und von dem Produkt
"1…" erstmals durch die Klageschrift Kenntnis.
10 Nach der mit den Anlagen K 3 bis K 5 vorgelegten Korrespondenz zwischen den
Parteien seit dem März 2014 drohte die Beklagte der Klägerin mit dem als Anlage
K 6 vorgelegten Schreiben vom 7. August 2014 an, mit Blick auf das Produkt "t..."
Maßnahmen zum Schutz der geschützten geographischen Angabe zu ergreifen.
Nach weiterer, im Anlagenkonvolut K 7 vorgelegter Korrespondenz forderte die
Beklagte die Klägerin mit dem als Anlage K 8 vorgelegten Schreiben vom 20.
September 2014 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
betreffend die Vermarktung von Dressing mit den Namen „Balsamico“ auf.
11 Die Klägerin trägt vor, es sei nicht richtig, dass die deutschen Verbraucher einen
Balsamico stets mit Modena verbinden. Die Begriffe „Aceto Balsamico“ und
„Balsamico" hätten sich für eine Vielzahl von Erzeugnissen als
Gattungsbezeichnung durchgesetzt. Sie seien seit Jahrzehnten, nämlich aufgrund
von Verwendungen bereits seit Anfang der 1990er Jahre und sicherlich auch zuvor
in den 1970er Jahren, als Bezeichnungen bekannt, die gemeinhin für eine
spezifische Kategorie von - durch Kombination von Weinessig einerseits und
konzentriertem Traubenmost andererseits - seit vielen Jahren auch außerhalb
Italiens hergestellter Produkte mit typischer Geschmacksrichtung, Einfärbung und
Viskosität stünden. Dies ergebe sich aus den als Anlagen K 12, K 13 und K 24
vorgelegten spanischen, schweizerischen und griechischen
lebensmittelrechtlichen Bestimmungen und der Verwendung für viele, nicht nur
Essigkombinationen umfassende unterschiedliche Erzeugnisse aus Deutschland
und anderen Ländern, wie aus den Anlagen K 14 bis K 22 und K 25 bis K 29
ersichtlich. Als Beispiele für eine frühe Verwendung des Begriffs für nicht unbedingt
aus Modena stammenden Weinessig verweist sie insbesondere auf die Anlage K
22.
12 Die Klägerin ist der Ansicht, die Aufmachung und Bewerbung der
streitgegenständlichen Produkte stelle keine verbotene Anspielung auf die
geschützte geographische Angabe im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b VO
1151/2012 dar, weil sie keinen Zweifel daran lasse, dass es sich um ein deutsches
Erzeugnis handele, so dass die gedankliche Assoziation, man habe es in
irgendeiner Form mit Produkten gemäß der geschützten geographischen Angabe
zu tun, sich nicht einstellen könne. Deshalb könne die Beklagte keinen
Unterlassungsanspruch wegen Verletzung dieser Vorschrift i.V.m. §§ 3, 4 UWG
geltend machen.
13 Der Begriff "Balsamico“ sei als Gattungsbezeichnung und deshalb, weil er nicht
selbständig durch die Verordnung Nr. 583/2009 geschützt sei, für sich genommen
keine unzulässige Anspielung auf die geschützte geographische Angabe "Aceto
Balsamico di Modena“.
14 Für Ihre Auffassung führt die Klägerin eine als Anlage K 4 vorgelegte
Stellungnahme der Europäischen Kommission sowie zuletzt eine als Anlage K 23
zu den Akten gereichte Entscheidung des obersten italienischen Gerichts an.
15 Schließlich beruft die Klägerin sich auf Verwirkung. Die Beklagte sei bereits vor
dem 11. Februar 2014 nach der Verordnung Nr. 510/2006 zur
Rechtsdurchsetzung berechtigt gewesen.
16 Die Klägerin
b e a n t r a g t
,
17 festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Verwendung der
Bezeichnung „Balsamico“ für in Deutschland hergestellte auf Essig basierende
Produkte zu beanstanden und/oder als stets rechtswidrig zu bezeichnen, wenn
die Verwendung in der nachstehend wiedergegebenen Form erfolgt:
18 Die Beklagte
b e a n t r a g t
,
19 die Klage abzuweisen.
20 Die Beklagte trägt vor, der Verkehr kürze die geschützte geographische Angabe
„Aceto Balsamico di Modena“ als „Aceto Balsamico“ oder „Balsamico“ ab. Bei den
letztgenannten Abkürzung handele es sich nicht um einen von der geschützten
geographischen Angabe unabhängigen Gattungsbegriff. Weit überwiegende Teile
des Verkehrs würden mit dem Begriff „Balsamico“ im Gegenteil Produkte aus
Italien verbinden, wie eine Verkehrsbefragung in Deutschland (Anlagen B 59 ff)
gezeigt habe. Der Begriff „Balsamico“ sei noch vor ein paar Jahren im deutschen
Sprachgebrauch weitestgehend unbekannt gewesen.
21 Die Beklagte macht geltend, ihr stehe ein Anspruch auf Unterlassung sowohl
bezüglich des mit der Abmahnung angegriffenen Produkts "t..." als auch des
weiteren klagegegenständlichen Produkts "1…" nach § 135 MarkenG i.V.m. Art. 13
Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012 wegen unzulässiger Anspielung zu. Dies ergebe
sich aus der Vergleichbarkeit der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse, der
Bezugnahme auf die geschützte geographische Angabe durch Verwendung des
Begriffs „Balsamico“ in italienischer Sprache, der Hervorhebung der traditionellen
Herstellung, den ähnlichen Ausstattungsmerkmalen und der rechtlichen
Unerheblichkeit des Hinweises auf die Herkunft aus Deutschland.
22 Auch die Beklagte beruft sich für ihre Sicht auf eine als Anlage B 8 und in
beglaubigter Übersetzung als Anlage B 58 vorgelegte Stellungnahme der
Europäischen Kommission vom 20. Mai 2011.
23 Die Beklagte ist der Auffassung, es fehle im Übrigen schon am
Feststellungsinteresse, weil der Klageantrag auf die Verwendung der Bezeichnung
„Balsamico“ für in Deutschland hergestellte auf Essig basierende Produkte
schlechthin gerichtet sei und im Übrigen nicht die vollständigen
Ausstattungsmerkmale sondern nur Frontetiketten zeige, womit er über die
Anspruchsberühmung der Beklagten hinausgehe. Aus dem letztgenannten
Umstand ergebe sich zugleich die Unbegründetheit der Klage schon deshalb, weil
Ansprüche der Beklagten bei Verwendung der streitgegenständlichen
Frontetiketten jedenfalls dann nicht ausgeschlossen werden könnten, wenn
weitere Produktausstattungsmerkmale wie Rückenetiketten den anspielenden
Charakter der Angaben auf den Frontetiketten sogar noch erhöhten.
24 Zuletzt hat die Beklagte geltend gemacht, die Klage sei auch deshalb
unbegründet, weil der Beklagten Ansprüche wegen Irreführung nach §§ 3, 5 UWG
zustünden, wenn die Klägerin gemäß ihren Angaben in der Replik bei der
Herstellung der streitgegenständlichen Erzeugnisse italienischen Weinessig
verwende, beim Produkt "t..." aber auf badische Weine verweise und beim Produkt
"1…“ den Begriff "deutsches Essig-Brauhaus" verwende.
25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26 Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
27 Die Klage ist zulässig
I.
28 Das Landgericht Mannheim ist für die negative Feststellungsklage, die Ansprüche
wegen angeblicher unerlaubter Handlungen nach § 135 MarkenG und § 8 UWG
im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe und insbesondere des Landgerichts
Mannheim zum Gegenstand hat, sachlich und insbesondere nach Art. 66 Abs. 2
Brüssel-Ia-VO, Art. 5 Abs. 3 Brüssel-I-VO örtlich zuständig (vgl. BGH, GRUR
2013, 228 Rn. 13 ff - Trägermaterial für Kartenformulare; EuGH, GRUR 2013, 98
Rn. 29 ff - Folien-Fischer u.a.).
II.
29 Die Klage hat das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinn von § 256
Abs. 1 BGB, nämlich jeglicher aus der geschützten geografischen Angabe wegen
Art. 13 VO 1151/2012 herzuleitenden Unterlassungsansprüche der Beklagten
gegen die Klägerin im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen
Produktaufmachung zum Gegenstand, insbesondere Unterlassungsansprüche
nach § 135 MarkenG und oder wegen unlauteren Wettbewerbs. Nach dem
Antragswortlaut soll es zwar um eine Berechtigung der Beklagten gehen, diese
„zu beanstanden“ und/oder „als rechtswidrig zu bezeichnen“. Bei einer am
Klagevorbringen orientierten Auslegung des Feststellungsantrags ergibt sich
jedoch, dass damit nicht etwa die Rechtmäßigkeit bestimmter Äußerungen der
Beklagten, sondern deren Rechtsmacht, gegenüber der Klägerin die „als
rechtswidrig bezeichneten“ Handlungen wegen behaupteter
kennzeichenrechtlicher oder lauterkeitsrechtlicher Ansprüche „zu beanstanden“,
also zu untersagen gemeint ist.
30 Nicht Gegenstand der Klage ist, ob - was die Beklagte mit der Duplik geltend
gemacht hat - in einer Bezugnahme der streitgegenständlichen Etikettierung auf
eine badische/deutsche Herkunft eine Irreführung über die wahre Herkunft der
verwendeten Zutaten für das streitgegenständliche Produkt liegt.
III.
31 Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.
Die Beklagte hat sich solcher Ansprüche berühmt, die - würden sie ihr zustehen -
die im Klageantrag insbesondere durch Wiedergabe der Vorderetiketten näher
konkretisierte Verwendung der Bezeichnung „balsamico“/„Balsamico“
(nachfolgend nur „Balsamico“) erfassen würden. Dem steht nicht entgegen, dass
die Beklagte insbesondere im als Anlage K 6 vorgelegten Schreiben vom 7.
August 2014 das Produkt „t...“ unter Bezugnahme auf nicht nur dessen Vorder-,
sondern auch dessen Rückenetikett beanstandet hat. Schon in diesem
Schreiben hat sie der Verwendung der Bezeichnung „Deutscher Balsamico“ auf
dem Vorderetikett als unzulässige Anspielung auf die geschützte geografische
Angabe widersprochen. Dass der Klageantrag nicht über die Rechtsberühmung
der Beklagten hinausgeht, ergibt sich jedenfalls aus dem als Anlage K 8
vorgelegten Schreiben vom 22. September 2014. Darin hat die Beklagte die
Klägerin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung dahin
aufgefordert, jegliches Dressing mit dem Namen „Balsamico“ in den Verkehr zu
bringen, anzubieten oder zu bewerben, weil dieses nicht mit der Spezifizierung
der geschützten geografischen Angabe übereinstimme.
B.
32 Die Klage ist unbegründet.
I.
33 Die Beklagte beanstandet mit Recht die Verwendung des Begriffs „Balsamico“ auf
den streitgegenständlichen Etiketten gemäß § 135 MarkenG, Art. 13 Abs. 1
Buchst. b VO 1151/2012.
34 1. Die Berechtigung der Beklagten, die geschützte geografische Angabe „Aceto
Balsamico di Modena“ (VO 583/2009) durchzusetzen, wird von der Klägerin nicht
in Abrede gestellt. Sie ergibt sich für Ansprüche gemäß § 135 MarkenG aus der
dort in Bezug genommenen Bestimmung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und Art. 3 Nr. 2,
Art. 45 Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012 in Verbindung dem Erlass des
italienischen Ministeriums für Landwirtschaft, Lebensmittel und Forstwirtschaft
vom 20. Januar 2014 (Anlage B 2) nach Art. 53, § 15 des italienischen Gesetzes
Nr. 128/1998.
35 2. Die streitgegenständliche Produktaufmachung in Form der im Klageantrag
wiedergegebenen Vorderetiketten für ein in Deutschland hergestelltes Produkt
verstößt gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012.
36 Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die so gekennzeichneten
Produkte der Klägerin wegen ihrer Herstellung in Deutschland nicht die
Spezifikation der geschützten geografischen Angabe „Aceto Balsamico di
Modena“ (und erst recht nicht die der beiden weiteren geschützten „Aceto
balsamico“-Ursprungsangaben) erfüllen. Unter diesen Umständen sind die
streitgegenständlichen, jeweils den Begriff „Balsamico“ tragenden Etikettierungen
entgegen der Ansicht der Klägerin mit der Verordnung Nr. 1151/2012 nicht
vereinbar.
37 Nach Art. 1 VO 583/2009 ist die Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena
(g.g.A.)“ als geschützte geografische Angabe gemäß der Verordnung Nr.
510/2006 (jetzt VO 1151/2012) eingetragen. Gegenstand des Schutzes gemäß
Art. 13 Abs. 1 VO 1151/2012 ist danach zwar diese Angabe in ihrer Gesamtheit
und nicht ihre einzelnen Bestandteile wie hier die Begriffe „Balsamico“ oder
„Aceto Balsamico“ (vgl. Erwägungsgrund 10 zu VO 583/2009). Daher kann die
Verwendung der Bezeichnung „Balsamico“ keine nach § 13 Abs. 1 Buchst. a VO
1151/2012 verbotene Verwendung des eingetragenen Namens darstellen.
Indessen kann in der Verwendung einzelner Bestandteile aus der geschützten
Bezeichnung eine nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012 unzulässige
Aneignung, Nachahmung oder Anspielung auf die Gesamtbezeichnung liegen.
So liegen die Dinge hier.
38 a) Eine Zulässigkeit der streitgegenständlichen Benutzungsform lässt sich
entgegen der Ansicht der Klägerin nicht aus Erwägungsgrund 10 zur Verordnung
(EG) Nr. 583/2009 schließen.
39 Die Europäische Kommission hat dort ausgeführt, dass die Beschwerden
Deutschlands und Griechenlands, die dem Eintragungsantrag wegen Vorliegens
einer Gattungsbezeichnung widersprochen haben, nicht die Gesamtbezeichnung
„Aceto Balsamico di Modena“, sondern nur Teile davon, wie „aceto“, „balsamico“
und „aceto balsamico“, bzw. die jeweiligen Übersetzungen berücksichtigt haben.
Diesen Beschwerden hält die Kommission entgegen, dass die
zusammengesetzte Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ geschützt werde
und die einzelnen nichtgeografischen (vgl. die Berichtigung im Amtsblatt der
Europäischen Union L 207/15 vom 11. August 2009, Anlage B 3 aE) Begriffe der
zusammengesetzten Bezeichnung, auch wenn diese zusammen verwendet
werden, sowie ihre Übersetzung, unter Einhaltung der Grundsätze und
Vorschriften des Gemeinschaftsrechts im gesamten Gebiet der Gemeinschaft
verwendet werden können.
40 Die Kommission hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die
einzutragende Gesamtbezeichnung nicht als Gattungsbezeichnung beanstandet
worden und somit eintragungsfähig ist. Eine abschließende Entscheidung über
die Zulässigkeit der Verwendung einzelner Bestandteile war aus Sicht der
Kommission nicht veranlasst und ist der zitierten Passage auch nicht zu
entnehmen. Denn insoweit wird auf den Vorbehalt des Gemeinschaftsrechts
verwiesen, welches nach Ansicht der Kommission sogar über eine Verwendung
der nichtgeografischen Begriffe der zusammengesetzten Bezeichnung
entscheiden soll. Eine Freistellung jeglicher Verwendung insbesondere der
Begriffe „Aceto Balsamico“ oder „Balsamico“ deshalb, weil diese für sich
genommen nicht Gegenstand des Schutzes der Bezeichnung sind, war damit
offensichtlich nicht beabsichtigt und ist auch im regelnden Teil der Verordnung
nicht zum Ausdruck gekommen. Eine solche Sichtweise widerspräche auch der
ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu in Art 13 Abs. 1
Buchst. b VO 1151/2012 (siehe dazu unten), einer Regelung, deren Modifikation
weder in der Kompetenz noch der Absicht der Kommission gelegen haben dürfte.
Vielmehr ist dem Verweis auf das Gemeinschaftsrecht unter Berücksichtigung der
spezifischen Problematik von Gattungsbezeichnungen nicht mehr als der Hinweis
auf die Geltung der allgemeinen Wirkungen des Schutzes nach Art 13 Abs. 1 VO
1151/2012 und insbesondere ihrer Schranken mit Blick auf
Gattungsbezeichnungen nach Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 VO 1151/2012 zu
entnehmen (dazu unten). Die Kommission wollte damit ersichtlich zum Ausdruck
bringen, dass das Gemeinschaftsrecht allgemeine Bestimmungen enthält,
anhand derer die Bedenken Deutschlands und Griechenlands zu beurteilen sind,
ohne deren Anwendung gerade auf die potentielle Kollision zwischen der
geschützten Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ und den Begriffen
„Aceto Balsamico“ oder „Balsamico“ zu präjudizieren. Dass es sich konkret bei
den Begriffen „Aceto Balsamico“ und „Balsamico“ - wie von Deutschland und
Griechenland behauptet - tatsächlich um Gattungsbezeichnungen handele, ist
der insoweit in indirekter Rede gehaltenen Aussage in Erwägungsgrund 10
gerade nicht zu entnehmen.
41 b) Auch den - ohnehin für die Auslegung der betroffenen Verordnungen nicht
bindenden - Stellungnahmen der Europäischen Kommission ist weder die
Zulässigkeit der streitgegenständlichen Benutzungsform noch deren
Unzulässigkeit zu entnehmen. Im Schreiben vom 23. Mai 2015 (Anlage K 4) wird
auf eine Anfrage zur Zulässigkeit der Verwendung der Bezeichnung „Aceto
balsamico“ mitgeteilt, dass lediglich die Bezeichnungen „Aceto Balsamico die
Modena“, „Aceto balsamico tradizionale di Modena“ und „Aceto balsamico
tradizionale die Reggio Emilia“ in ihrer vollständigen Fassung geschützt seien,
nicht jedoch die Begriffe, aus denen diese sich zusammensetzen. Dies trifft zu,
weil Gegenstand des Schutzes nur der eingetragene Name ist (s.o.). Das
Schreiben enthält indes keine, schon gar keine eindeutige Aussage zur
Zulässigkeit der Verwendung der Bezeichnung „Aceto Balsamico“ oder
„Balsamico“ unter dem Gesichtspunkt einer eventuellen unzulässigen Anspielung
nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012 auf die geschützten
Gesamtbezeichnungen.
42 Demgegenüber wird im von der Beklagten als Anlage B 8 vorgelegten Schreiben
der Kommission (offenbar aus dem Jahr 2011) zwar die Ansicht der
Servicestellen der zuständigen Generaldirektion wiedergegeben, bei dem Begriff
„balsamico“ handele es sich nicht um eine Bezeichnung für ein Agrarerzeugnis
oder Lebensmittel. Eine abschließende Beurteilung der Zulässigkeit einer solchen
Bezeichnung wird darin aber nicht vorgenommen. Vielmehr bestätigt das
Schreiben das oben dargestellte Verständnis von Erwägungsgrund 10 zur
Verordnung, weil dort ausgeführt wird, dass der Begriff „Balsamico“ nicht
geschützt ist und dann verwendet werden kann, wenn insbesondere die
Bestimmungen der Verordnung Nr. 510/2006 eingehalten werden. Damit wird
letztlich weder eine Zulässigkeit noch die Unzulässigkeit der in Rede stehenden
Begriffsverwendung attestiert.
43 Keine entscheidende Bedeutung kommt im Übrigen dem als Anlage K 11
vorgelegten Schreiben zu, wonach im Regelungsausschuss auf einer Sitzung
vom 30. September 1999 unstreitig gewesen sei, dass die Bezeichnung „Aceto
Balsamico“ auch im Fall der Eintragung der Namen „Aceto balsamico di Modena“
und „Aceto balsamico die Reggio Emilia“ frei verwendbar bleiben würde. Auch in
einer solchen einhelligen Meinung des Ausschusses läge allenfalls eine
rechtliche Würdigung, die nicht bindend wäre und im Übrigen die seither
ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (dazu unten)
insbesondere zur Verwendung von (Übersetzungen von) Bestandteilen eines
geschützten Namens, namentlich im Fall „Parmesan“, und zur Qualifikation eines
Begriffs als Gattungsbezeichnung, insbesondere in der Feta-Entscheidung des
Jahres 2005 nicht berücksichtigen konnte.
44 Schließlich deckt auch die als Anlage K 23 vorgelegte Entscheidung des
italienischen Kassationsgerichts nicht die Auffassung der Klägerin, die
streitgegenständliche Verwendung des Begriffs „Balsamico“ sei nicht zu
beanstanden. Das Gericht war dort offenbar revisionsrechtlich an die
tatrichterliche Feststellung des Landgerichts gebunden, es handele sich bei
diesem Begriff um einen Ausdruck allgemeiner Natur, der für beliebige
Lebensmittel, u.a. Essiggewürze, die kein Essig seien, Anwendung finde. Ferner
wird vom Kassationsgericht ausgeführt, dass keine EU-Bestimmung existiere, der
direkt zu entnehmen sei, dass „balsamico“ kein allgemeiner Begriff sei. Eine
eigene tatsächliche oder von den tatsächlichen Feststellungen zur Bedeutung
des Begriffs „balsamico“ losgelöste rechtliche Stellungnahme dahin, dass die
Verwendung dieses Begriffs für essig- und traubenmosthaltige Würzflüssigkeit mit
der Verordnung Nr. 1151/2012 in Einklang stehe, liegt darin nicht. Insbesondere
argumentiert das Kassationsgericht mit einer allgemeinen Bedeutung des Begriffs
„balsamico“ und geht gerade nicht davon aus, dass es sich um eine
Gattungsbezeichnung für eine bestimmte Art von Essigprodukten handele. Im
Übrigen setzen die dort angewandten italienischen Strafbestimmungen (vgl.
Anlage B 56) - anders als der Wortlaut der „Anspielung“ in Sinn von Art. 13 Abs. 1
Buchst. b VO 1151/2012 - eine Irreführung voraus, auf deren Fehlen das
Kassationsgericht im dortigen Fall abgestellt hat.
45 c) In der vorliegenden Produktetikettierung mit dem Bestandteil „Balsamico“ liegt
eine Anspielung im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012.
46 aa) Nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012 sind eingetragene Namen
geschützt gegen jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung,
selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung
angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung oder zusammen
mit Ausdrücken wie „Art“, „Typ“, „Verfahren“, „Fasson“, „Nachahmung“ oder
dergleichen verwendet wird, auch wenn dieses Erzeugnis als Zutat verwendet
wird.
47 Der Begriff der hier in Betracht kommenden „Anspielung“ ist weit auszulegen, so
dass es auf das Vorliegen der besonderen Formen der Nachahmung oder
Aneignung regelmäßig nicht ankommt (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 135
Rn. 7). Eine Anspielung in diesem Sinn liegt vor, wenn die zur Bezeichnung eines
Erzeugnisses verwendete Kennzeichnung den Verbraucher veranlasst,
gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte Angabe
trägt. Dies kann bei Erzeugnissen der Fall sein, die visuelle Ähnlichkeiten und
klanglich und visuell ähnliche Verkaufsbezeichnungen aufweisen (vgl. EuGH, Slg
2011, I-6131 = GRUR 2011, 926 Rn. 56 ff - Congnac [zu Art. 16 Buchst. b VO Nr.
110/20089] Slg 2008, I-957 = GRUR 2008, 524 Rn. 44 - Parmesan; Slg 2005, I-
9115 = GRUR 2006, 71 Rn. 89 - Feta; EuGH, Slg 1999, I-1301 = WRP 1999, 486
Rn. 25, 27 - Cambozola). Eine Anspielung auf einen geschützten Namen kann
auch dann vorliegen, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen den
betroffenen Erzeugnissen besteht und wenn für die Bestandteile der
Referenzbezeichnung, die in dem streitigen Ausdruck übernommen werden, kein
gemeinschaftsrechtlicher Schutz gelten würde (EuGH, GRUR 2008, 524 Rn. 45 -
Parmesan; WRP 1999, 486 Rn. 26 - Cambozola vgl. BGH, GRUR 2008, 413 Rn.
18 mwN - Bayerisches Bier). Einer Anspielung steht nach dem Wortlaut von Art.
13 Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012 insbesondere eine Offenlegung des
tatsächlichen Ursprungs der Ware nicht entgegen (vgl. EuGH, WRP 1999, 486
Rn. 29 - Cambozola BGH, aaO Rn. 19 - Bayerisches Bier).
48 bb) Im Streitfall liegt nach diesen Maßstäben eine Anspielung vor. Die im Antrag
wiedergegebenen Etikettierungen veranlassen den Verbraucher dazu,
gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte Angabe
„Aceto Balsamico di Modena“ trägt.
49 (1) Die Klägerin benutzt den Begriff „Balsamico“ aus Sicht der Verbraucher
zunächst nicht beschreibend, zumal sie auf dem in deutsche Spreche gehaltenen
Aufdruck nicht etwa ein deutsches Wort „balsamisch“ oder „Balsam“, sondern den
Begriff „Balsamico“ in italienischer Sprache verwendet und damit ersichtlich keine
Beschreibung vermeintlicher balsamischer Eigenschaften des Produkts im
herkömmlichen Wortsinn dieses Begriffs (wohlriechend, lindernd; vgl. Duden,
Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl, Anlage B 42), sondern eine
Bezeichnung für eine besondere Art von Essig- Traubenmostmischung gemeint
ist. Ganz überwiegende Teile der angesprochenen Verbraucher werden
dementsprechend im Begriff „Balsamico“ vielmehr eine Abkürzung für „Aceto
Balsamico“ oder „Balsamico-Essig“ erkennen.
50 (2) Damit geht einher, dass - jedenfalls unter den weiteren, sogleich unter (3)
erörterten Umstanden des vorliegenden Falls - aufgrund der Aufschrift
„Balsamico“ nicht unerhebliche Teile dieser Verbraucher einen gedanklichen
Bezug zum „Original“, dem „Aceto Balsamico di Modena“ herstellen.
51 Ausweislich des Erwägungsgrunds 8 zur Verordnung Nr. 583/2009 genießt die
Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ ein unzweifelhaftes Ansehen sowohl
auf dem nationalen italienischen Markt als auch im Ausland, was durch ihre
häufige Verwendung in vielen Kochrezepten zahlreicher Mitgliedstaaten und ihre
starke Präsenz im Internet, in der Presse und in den Medien belegt wird. Gerade
deshalb erfüllte der Name „Aceto Balsamico di Modena“ die Voraussetzung für
ein besonderes Ansehen des dieser Bezeichnung entsprechenden
Erzeugnisses, das neben dem „Aceto balsamico tradizionale di Modena“ seit
Jahrhunderten auf dem Markt besteht. Aus Art. 2 VO 583/2009 i.V.m. Anhang II
Nr. 4.6 ergibt sich weiter, dass es sich um ein exklusives und typisches Produkt
der Gebiete Modena/Reggio Emilia handelt, das im Laufe der Zeit als Spezialität
und einzigartiges Produkt weltweite Bekanntheit und Wertschätzung erlangt hat.
Ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt, dürfte im Übrigen für das
Merkmal der Anspielung nach Art. 13 Abs. 1 Buchst, b VO 1151/2012 nicht
entscheidend sein, ob die Verbraucher die genaue geschützte Angabe,
insbesondere den Ortsbestandteil „Modena“ kennen, sondern ausreichen, dass
diese einen gedanklichen Bezug zu dem ihnen (wenn auch nicht mit genauem
Namen) bekannten „Original“ herstellen.
52 Den angesprochenen Verbrauchern ist geläufig, dass der Begriff „Balsamico“
verbreitet als (umgangssprachliche oder vereinfachende) Abkürzung gerade
solcher Produkte verwendet wird, die die Spezifikation des „Aceto Balsamico di
Modena“ erfüllen und daher diese geschützte geografische Angabe tragen
(dürfen). Dies ergibt sich insbesondere aus den von der Beklagten als Anlagen B
10 bis B 12 vorgelegten Testberichten betreffend „Aceto Balsamico di Modena“,
wo eben diese Produkte u.a. mit dem dort synonym verwendeten Begriff „[Aceto]
Balsamico“ bezeichnet werden. Entsprechendes gilt die Internetdarstellung
gemäß Anlage B 13, den als Anlage B 14 vorgelegten Aufsatz von Rupp (ZEuP
2012, 991), der von „Balsamico-Essig (gemäß VO 583/2009/EG)“ spricht, sowie
die fremdsprachigen Veröffentlichungen gemäß Anlagen B 30 bis B 32. Die
allgemeine Assoziation der Abkürzung „Balsamico“ mit dem „Original“ wird nicht
zuletzt durch den als Anlage B 41 vorgelegten Auszug aus der Brockhaus
Enzyklopädie bestätigt, wonach es sich bei „Balsamico“ um einen Weinessig „aus
Norditalien (Modena, Reggio Emilia)“, mithin dem Ursprungsgebiet des „Aceto
Balsamico di Modena“ gemäß Art. 2 VO 583/2009 i.V.m. Anhang II Nr. 4.3
handelt. Im Übrigen wird der Begriff „Balsamico“ häufig gerade als Hinweis auf
„Aceto balsamico die Modena“ als Zutat eines Produkts verwendet, wie sich aus
den Analgen B 33 bis B 39 ergibt, wobei hier auf sich beruhen kann, ob diese
Verwendung mit der Verordnung Nr. 1151/2012 vereinbar ist.
53 Die Verbraucher haben deshalb auch ohne die Verwendung des Gesamtbegriffs
regelmäßig Anlass anzunehmen, bei einem als „Balsamico“ bezeichneten
Produkt handele es sich um ein solches gemäß der Spezifikation des „Aceto
balsamico di Modena“, um eines, in dem letzterer enthalten ist, oder zumindest
ein Erzeugnis, das in Herstellung und Eigenschaften dem „Aceto balsamico di
Modena“ vergleichbar ist. Sofern - wie hier - nach den gesamten Umständen eine
solche Assoziation naheliegt, liegt ein gedanklicher Bezug im Sinn des
Anspielungsmerkmals vor, zumal Art. 13 Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012
beispielhaft insbesondere Bezüge wie „Art“, „Typ“, „Verfahren“, „Fasson“ genügen
lässt.
54 (3) Für einen gedanklichen Bezug zum geschützten Namen spricht ferner, dass
das Produkt der Klägerin als eine Weinessig und eingedickten Traubenmost
enthaltende Würzflüssigkeit in Konsistenz und dunklem Aussehen sowie
annähernd in seiner Herstellungsweise (insbesondere mit der bei „t...“
angegebenen Holzfassreifung) und seinen chemischen Eigenschaften,
insbesondere dem Säuregehalt von ca. 5% (anstelle von min. 6%), gerade den
Spezifikationen der geschützten Bezeichnung (freilich abgesehen von der
geografischen Herkunft) entspricht. Weitere Angaben auf den Etiketten
verstärken den Bezug auf das ursprüngliche Produkt. Mit der Bezeichnung
„traditionell“ und der Abbildung eines Wachssiegels beim Produkt „t...“ sowie der
Jahreszahl beim Produkt „1…“ wird der Eindruck erweckt, diese beruhten auf den
traditionellen Herstellungsmethoden vergleichbarer Erzeugnisse, wie sie eben
ursprünglich aus dem Gebiet der geschützten Angabe stammt. Zudem verweist
die Verwendung des Begriffs „Balsamico“ auf die italienische Tradition und
ursprünglich italienische Herkunft des Erzeugnisses.
55 (4) Dass eine gleichzeitige Bezugnahme auf zwei weitere geschützte Namen,
nämlich „Aceto balsamico traditionale die Modena“ und „Aceto balsamico
traditionale di Reggio Emilia“ vorliegen mag, steht der Annahme einer Anspielung
auf die geschützte geografische Angabe „Aceto Balsamico di Modena“, nicht
entgegen. Dies gilt jedenfalls unter Berücksichtigung der verwandten
Eigenschaften und des sich überschneidenden Herkunftsgebiets der Produkte
mit den drei geschützten Namen.
56 (5) Nach dem insoweit eindeutigen Verordnungswortlaut steht der Annahme einer
Anspielung schließlich nicht entgegen, dass zumindest das Produkt „t...“ (dort
aufgrund ausdrücklicher Angabe) eine deutsche Herkunft erkennen lässt (s.o. vgl.
insbesondere BGH, GRUR 2008, 413 Rn. 19 mwN - Bayerisches Bier). Dass
solche Herkunftshinweise unerheblich sind, hat seinen Grund darin, dass durch
sie zwar unter Umständen eine - für den Tatbestand der Anspielung nicht
erforderliche - Täuschung über die Herkunft des beworbenen Produkts
ausgeschlossen, eine gedankliche Bezugnahme zum geschützten Namen aber
nicht beseitigt wird.
57 (6) Unter Berücksichtigung aller Umstände liegt damit eine Anspielung auf die
geschützte geografischer Angabe „Aceto Balsamico di Modena“ im Sinn von Art.
13 Abs. 1 Buchst. b VO 1151/2012 vor.
58 d) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es sich bei
den Begriffen „Aceto Balsamico“ oder „Balsamico“ um Gattungsbezeichnungen
handele. Letzteres hat die Klägerin nämlich nicht dargetan.
59 aa) Allerdings liegt in der Verwendung eines Bestandteils des geschützten
Namens keine rechtswidrige Anspielung, wenn dieser Bestandteil als eine
tatsächlich entstandene Gattungsbezeichnung verwendet wird (vgl. EuGH,
GRUR 2008, 524 Rn. 51 f - Parmesan). Nach Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 VO
1151/2012 gilt die Verwendung eines als Gattungsbezeichnung angesehenen
Namen eines Erzeugnisses, der in einer geschützten Ursprungsbezeichnung
oder einer geschützten geografischen Angabe enthalten ist, nicht als Verstoß
gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. a, b VO 1151/2012 (vgl. auch Art. 41 Abs. 1 VO
1151/2012).
60 Gattungsbezeichnungen in diesem Sinn sind nach Art. 3 Nr. 6 VO 1151/2012 die
Produktnamen, die, obwohl sie auf den Ort, die Region oder das Land verweisen,
in dem das Erzeugnis ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde, zu einer
allgemeinen Bezeichnung für ein Erzeugnis in der Union geworden sind.
61 Im Rahmen der Beurteilung des generischen Charakters einer Bezeichnung sind
die Gegend der Herstellung des betreffenden Erzeugnisses sowohl innerhalb als
auch außerhalb des Mitgliedstaats, der die Eintragung der fraglichen
Bezeichnung erwirkt hat, der Verbrauch dieses Erzeugnisses, das Verständnis
dieser Bezeichnung durch den Verbraucher innerhalb und außerhalb des
genannten Mitgliedstaats, das Bestehen einer spezifischen nationalen Regelung
für das genannte Erzeugnis und die Art der Verwendung der fraglichen
Bezeichnung in den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen
(EuGH, GRUR 2008, 524 Rn. 53 - Parmesan; vgl. ausführlich EuG, GRUR 2007,
974 Rn. 63 ff - GRANA BIRAGHI/GRANA PADANO; siehe Art. 41 Abs. 2 VO
1151/2012).
62 Für die Annahme einer Gattungsbezeichnung genügt es nicht etwa, wenn (nur) in
einem Mitgliedstaat die meisten Verbraucher der Ansicht sind, es handele sich
um eine Bezeichnung mit allgemeiner Bedeutung (vgl. EuGH, GRUR 2006, 71
Rn. 86 - Feta). Vielmehr kommt es auf das Verständnis im gesamten
Gemeinschaftsgebiet oder zumindest in einem wesentlichen Teil davon an (EuG,
GRUR 2007, 974 Rn. 83 - GRANA BIRAGHI/GRANA PADANO). In diesem
Zusammenhang kann gegen ein allgemeines Verständnis als
Gattungsbezeichnung sprechen, wenn die Verbraucher in dem Mitgliedstaat der
Verwendung darunter ein Produkt verstehen, das mit dem Mitgliedstaat, in den
der geschützte Name verweist, in Verbindung steht, selbst wenn es tatsächlich in
einem anderen Mitgliedstaat erzeugt worden ist (vgl. EuGH, GRUR 2008, 524 Rn.
55 - Parmesan; GRUR 2006, 71 Rn. 87 - Feta).
63 Insbesondere ist zu berücksichtigen, ob eine für das Erstarken zur
Gattungsbezeichnung behauptete Verwendung in einem oder mehreren
Mitgliedstaaten rechtmäßig erfolgt ist (vgl. EuGH, GRUR 2006, 71 Rn. 79, 91 ff -
Feta), wobei etwa bloßen Hygienevorschriften, die auf die Bezeichnung Bezug
nehmen, ihrer Zielsetzung nach keine entscheidende Bedeutung für die Frage
zukommt, ob diese als Gattungsbezeichnung im Rahmen der Vermarktung im
Anwendungsbereich der Vorschrift erlaubt sind (vgl. EuG, GRUR 2007, 974 Rn.
83 ff - GRANA BIRAGHI/GRANA PADANO). Von erheblicher Bedeutung ist
schließlich, inwieweit die Herstellung (und der Verbrauch) des Erzeugnisses -
gegebenenfalls trotz relativ bedeutender Produktion von substantieller Dauer in
anderen Mitgliedstaaten - auf den vom geschützten Namen erfassten Raum
konzentriert geblieben ist (vgl. EuGH, GRUR 2006, 71 Rn. 79 ff - Feta).
64 bb) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es sich bei der Bezeichnung
„Balsamico“ um eine Gattungsbezeichnung in diesem Sinn handeln soll, liegt bei
der Klägerin, die sich darauf berufen hat (vgl. EuGH, GRUR 2008, 524 Rn. 52 -
Parmesan; EuG, GRUR 2007, 974 Rn. 72 - GRANA BIRAGHI/GRANA PADANO).
65 cc) Dass es sich bei den Begriffen „Aceto Balsamico“ oder „Balsamico“ um
Gattungsbezeichnungen im vorstehenden Sinn handelt, was die Beklagte
bestreitet, hat die Klägerin schon nicht hinreichend dargetan und im Übrigen nicht
unter Beweis gestellt.
66 (1) Keiner abschließenden Erörterung bedarf im Streitfall, ob bei der Prüfung der
Voraussetzungen für das Vorliegen einer Gattungsbezeichnung, das zur
Verteidigung gegen einen Anspielungsvorwurf geltend gemacht wird, von
vorneherein nur auf den Zeitpunkt der Entstehung des Schutzes (hier am 24. Juli
2009, vgl. Art. 3 der am 4. Juli 2009 verkündeten Verordnung Nr. 583/2009)
abzustellen ist, ob es also überhaupt erheblich sein kann, wenn ein Bestandteil
des geschützten Namens erst nach Inkrafttreten des Schutzes des Namens zur
allgemeinen Bezeichnung geworden ist. Art. 13 Abs. 2 VO 1151/2012 wäre
insoweit allerdings dem Wortlaut nach nicht einschlägig, weil dort nur bestimmt ist,
dass geschützte Ursprungsbezeichnungen und geschützte geografische
Angaben (also in ihrer Gesamtheit) keine Gattungsbezeichnungen werden
können. Ob dasselbe aufgrund entsprechender Anwendung dieser Vorschrift für
Bestandteile gilt, die regelmäßig oder schlechthin nicht ohne unzulässige
Anspielung auf den geschützten Namen verwendet werden können, kann hier
dahinstehen. Denn jedenfalls sind nach den vorstehenden Grundsätzen solche
Verwendungen des Bestandteils des Namens bei der Prüfung, ob tatsächlich
eine Gattungsbezeichnung vorliegt, nicht maßgeblich, die nicht rechtmäßig, also
insbesondere unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 Buchst. b durch Anspielung auf
die seit 2009 geschützte Angabe „Aceto balsamico di Modena“ erfolgt sind oder
erfolgen. Ob etwas anderes gelten kann, wenn eine an sich als Anspielung
unzulässige Verwendungsform während der Schutzdauer zu einem gemeinhin
gebräuchlichen und umfassend verbreiteten Begriff geworden ist, kann
offenbleiben, weil - wie sich aus der folgenden Beurteilung ergibt - ein solches
hier jedenfalls nicht erkennbar ist. Grundsätzlich lässt sich ein Erstarken zur
Gattungsbezeichnung jedenfalls nicht auf einzelne verletzende Benutzungen der
Begriffe „Balsamico“ oder „Aceto Balsamico“ (gegebenenfalls von gewisser
Anzahl, Häufigkeit und Dauer) nach Inkrafttreten des Schutzes der Angabe
„Aceto Balsamico di Modena“ stützen.
67 Dahinstehen kann hier, ob und unter welchen Voraussetzungen im Übrigen mit
Blick auf den seit dem Jahr 2000 bestehenden Schutz der Ursprungsangaben
„Aceto balsamico tradizionale di Modena“ und „Aceto balsamico tradizionale die
Reggio Emilia“ gegen rechtswidrige Anspielungen eventuelle Verwendungen des
Begriffs „[Aceto] Balsamico“ schon ab jenem Zeitpunkt unbeachtlich bleiben
müssten.
68 (2) Die Klägerin hat allgemeine Verwendungen des Begriffs „[Aceto] Balsamico“,
also Verwendungen für weder unter die Spezifikation des „Aceto Balsamico di
Modena“ fallende noch „Aceto Balsamico di Modena“ enthaltende Erzeugnisse,
die bis 2009 erfolgt sind (und damit nicht ihrerseits gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. b
VO 1151/2012 oder Art. 13 Abs. 1 Buchst. b VO 510/2006 verstoßen), nur in
geringem Umfang aufgezeigt.
69 (a) Zumindest mit Blick auf ihren ungewissen Zeitpunkt kommt insbesondere den
aus den Anlagen K 14 bis K 18, K 25 und K 29 ersichtlichen Angeboten diverser
„Balsamico“-Produkte keine entscheidende Bedeutung zu. Im Fall der Anlagen K
14, K 15‚ K 17 ist ohnehin nicht erkennbar, ob die Produkte nicht doch gerade
„Aceto Balsamico di Modena“ enthalten. Auf diese Möglichkeit hat die Beklagte
hingewiesen. Für die gegenteilige, nicht weiter erläuterte Behauptung der
Klägerin hat diese keinen Beweis angeboten. Das gilt auch für die Mehrzahl der -
erst im nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin - angeführten Produkte gemäß
Anlage K 25 und in den aus der Anlage K 29 u.a. ersichtlichen Fällen eines in
Belgien und eines in den USA vertriebenen Dressings. Andernfalls wären die
aufgezeigten Verwendungen des Begriffs „Balsamico“ im Unionsraum aber
jedenfalls dann rechtswidrig, wenn sie nach Eintritt des Schutzes im Jahr 2009
erfolgt sind. Dass die Produkte gemäß Anlagen K 14 bis K 18, K 25 und K 29 mit
den dargestellten Beschriftungen bereits vorher am Markt waren, hat die Klägerin
weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Letzteres gilt auch für den in der
Anlage K 28 dargestellten „Balsamico Trentino“ (nach dem zuletzt ohne
Schriftsatznachlass nachgereichten, der Entscheidung nicht mehr zugrunde zu
legenden Vortrag der Beklagten angeblich erst seit 2010 produziert).
70 (b) Selbst wenn einige (womöglich auch einzelne der aus den vorstehenden
Anlagen ersichtlichen) Verwendungen des Begriffs „Balsamico“ bereits vor dem
Schutz der Angabe „Aceto Balsamico di Modena“ erfolgt sein sollten, ist nicht
ersichtlich, dass deren Umfang und Dauer für die Begründung eines
Gattungsbegriffs im Sinn der Verordnung Nr. 1151/2012 genügte. Denn nach den
oben dargestellten Grundsätzen reicht selbst eine relativ bedeutende Produktion
von substantieller Dauer in anderen Mitgliedstaaten nicht aus, wenn die
Herstellung des Erzeugnisses auf den vom geschützten Namen erfassten Raum
konzentriert geblieben ist.
71 (aa) Konkret hat die Klägerin lediglich in wenigen Fällen eine frühere Benutzung
des Begriffs „[Aceto] Balsamico“ für außerhalb der Region Modena/Reggio Emilia
hergestellte Produkte geltend gemacht oder zumindest angedeutet, wobei diese
wiederum teilweise nichts für die Entstehung einer Gattungsbezeichnung
hergeben.
72 Die Klägerin hat zunächst die eigene Produktion und Vermarktung von auf Essig
basierenden Produkten unter dem Begriff „Balsamico“ durch sie selbst seit 25
Jahren (unbestritten) behauptet. Allerdings hat die Klägerin keine weiteren
Angaben zum Volumen und Absatz dieser Produktion gemacht.
73 Ferner hat sie zum Beleg von Begriffsverwendungen in den Jahren 1989/1990
die Anlage K 22 vorgelegt. Zumindest bei einem der drei darin gezeigten
Produkten, nämlich dem der Marke H., ist allerdings zumindest nicht
auszuschließen, dass es - wie die Beklagte geltend macht - gerade „Aceto
Balsamico di Modena“ enthält. Dafür spricht seine Beschriftung „Balsam-
Weinessig aus original italienischem Aceto Balsamico“. Diese Verwendung ist im
Übrigen deshalb zur Darlegung einer generischen Bedeutung des Begriffs „Aceto
Balsamico“ ungeeignet, weil sie gerade auf ein italienisches Original verweist, ihr
also ersichtlich die Vorstellung zugrunde liegt, es handele sich um die
Bezeichnung eines Produkts mit bestimmter Herkunft und nicht um eine davon
losgelöste Gattungsangabe. Damit verbleiben aus der Anlage K 22 lediglich die
beiden Produkte „Balsam-Essig - Aceto Balsamico“ der Marke B. als - unterstellt,
dass sie nicht ihrerseits das „Original“ enthalten - relevante Belege frühere
Verwendungen des Begriffs „Aceto Balsamico“ außerhalb der (inzwischen
normierten) Spezifikationen „Aceto Balsamico die Modena“, „Aceto balsamico
tradizionale di Modena“ oder „Aceto balsamico tradizionale di Reggio Emilia“.
74 Ohne dass die Klägerin dies ausdrücklich vorgetragen hat, will sie
möglicherweise auch mit der Vorlage der Anlage K 28 geltend machen, das darin
u.a. dargestellte Produkt des neapolitanischen Unternehmens d.N. (mit der
Jahrgangsangabe 1939) werde bereits seit langem unter dem Namen „Aceto
Balsamico“ vermarktet. Allerdings trägt die Klägerin nicht vor, dass dieses Produkt
außerhalb des Gebiets der geschützten geografischen Angabe (insbesondere
am Sitz des Unternehmens d.N. in Neapel) hergestellt worden ist. Dies scheint
aber keineswegs ausgeschlossen, zumal es sich bei diesem Unternehmen nach
Darstellung der Klägerin immerhin um einen der größten italienischen
Essighersteller handelt. Deshalb kommt es hier nicht mehr darauf an, dass die
Beklagte (ohne Schriftsatznachlass) in Reaktion auf dieses Vorbringen der
Klägern zuletzt vorgetragen hat, dass die Firma d.N. ihren Aceto Balsamico eben
im Ursprungsgebiet der Spezifikation des „Aceto Balsamico di Modena“
produziert. Selbst wenn man jedoch unterstellen wollte, dass dieses
Unternehmen im Raum Neapel vor Jahrzehnten ein als „Aceto Balsamico“
bezeichnetes Produkt hergestellt hat, könnte dieses vereinzelte Auftreten des
Begriffs außerhalb des Gebiets um Modena (und jedenfalls noch in Italien) in der
Gesamtschau mit den weiteren wenigen aufgezeigten frühen Verwendungen
noch nicht die Feststellung eines generischen Charakters tragen.
75 Soweit nach alledem vereinzelt schon vor Eintragung der geschützten
Bezeichnung und außerhalb der inzwischen normierten Spezifikationen der
Begriff „[Aceto] Balsamico“ Verwendung gefunden haben mag, ist jedenfalls nicht
ersichtlich, dass diese von ausgeprägtem Umfang gewesen ist.
76 (bb) Demgegenüber beläuft sich das Produktionsvolumen des „Aceto Balsamico
di Modena“ nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Beklagten auf zuletzt
(2012 bis 2014) etwa 90 Mio. Liter. Der als Anlage B 30 vorgelegte Presseartikel
geht von einem jährlichen Umsatz von 450 Mio. EUR aus. Danach spricht alles
dafür, dass verglichen mit den von der Klägerin geltend gemachten
Verwendungen des Begriffs „[Aceto] Balsamico“ insbesondere im Zeitraum vor
Entstehung des Schutzes der Schwerpunkt der „Aceto Balsamico“-Produktion
derart klar auf den vom geschützten Namen erfassten Raum konzentriert
geblieben ist, dass dies gegen das Entstehen einer Gattungsbezeichnung spricht
(siehe auch EuGH, GRUR 2006, 71 Rn. 80, 83 - Feta ).
77 (c) Aus den von der Klägerin angeführten lebensmittelrechtlichen Bestimmungen
ergibt sich keine generische Bedeutung des Begriffs „[Aceto] Balsamico“.
78 Dies gilt zunächst für die als Anlage K 12 vorgelegte spanische Essigverordnung.
Ausweislich ihres Art. 1 regelt sie sowohl die Herstellung als auch die
Vermarktung von Essig. Dass die Verordnung eine Definition von „vinagre
balsámico“ enthält, lässt danach nicht auf eine Herkunft solcher Produkte u.a. aus
spanischer Herstellung schließen, zumal lebensmittelrechtlicher Regelungsbedarf
betreffend das definierte Erzeugnis auch mit Blick auf die Vermarktung von
Importen aus dem Gebiet um Modena bestehen kann. Daher kommt es nicht
mehr darauf an, dass diese Verordnung erst aus dem Jahr 2012 stammt und
deshalb insbesondere keinen Rückschluss auf frühere Begriffsverwendungen
erlauben dürfte.
79 Entsprechendes gilt für die (2014 verkündete) griechische Verordnung gemäß
Anlage K 24, die bei den Regelungen über Herstellung und Vertrieb eine
Definition für [in dt. Übersetzung] „Balsamico-Essig“ enthält.
80 Die als Anlage K 13 vorgelegte schweizerische Verordnung über Suppen,
Gewürze und Essige vom 23. November 2005 enthält lebensmittelrechtliche,
auch auf den Herstellungsweg bezogene Anforderungen an die Kennzeichnung
u.a. von Essigen, darunter in Art. 16 Abs. 4 für „Aceto Balsamico“. Diese
Bestimmung erhält schon mit Blick auf Importe von „Aceto Balsamico“ aus der
Region Modena ihren Sinn und lässt nicht auf eine davon losgelöste Verwendung
oder gar Herstellung in der Schweiz schließen.
81 (d) Ein Beleg für eine generische Bedeutung des Begriffs „Balsamico“ folgt auch
nicht aus der von der Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz aufgezeigte
Verwendung des Begriffs „Balsamico“ für einige weiße Essigprodukte, die zum
Teil aus Italien stammen.
82 Von den mit den Anlagen K 26 und K 27 vorgelegten Abbildungen zeigen drei die
Produkte von Unternehmen, die die Klägerin als Mitglieder der Beklagten
bezeichnet, nämlich die der Marken M., B. und R. (ungeachtet dessen, dass die
Beklagte in den Fällen der M., B. und R. diese Mitgliedschaft in ihrer nicht
nachgelassenen Stellungnahme bestritten hat). In den Fällen der Produkte der
Marken M. (siehe auch den Bildausschnitt rechts auf S. 23 der Anlage B 10) und
B. handelt es sich offenbar um Darstellungen oder Angebote Dritter, aus denen
nicht hervorgeht, seit wann, wie lange und in welchem Umfang die jeweiligen
Hersteller als „Balsamico Bianco“ bezeichnete Essigmischungen vertrieben
haben und ob sie dies weiterhin tun. Zum Produkt R. liegen in der Anlage K 27
zwar Ausdrucke vom Internetauftritt des Herstellers vor. Jedenfalls zu Zeitpunkt
und Dauer des Vertriebs dieses Produkts und seinem Umfang trägt die Klägerin
aber nichts vor.
83 Bei zwei weiteren Produkten mit dem erkennbaren Namensbestandteil
„Balsamico Bianco“ auf dem Etikett, deren Hersteller wohl nicht zur Beklagten
gehören, sind Vertriebsumfang und -dauer ebenso wenig ersichtlich. Näheres
trägt die Klägerin auch insoweit nicht vor.
84 Bei weiteren Produkten, bezüglich derer es ebenfalls an Vortrag zu Angeboten
vor Schutz der Angabe „Aceto Balsamico di Modena“ fehlt, ist die
Produktaufschrift nicht erkennbar und dazu auch nichts vorgetragen. Dies gilt
insbesondere für die meisten Bilder in der Übersicht der Treffer der Google-
Bildersuche. Insoweit ist jeweils nicht auszuschließen, dass Drittanbieter
„Condimento Bianco“ - Produkte, welche die Hersteller gar nicht als „Balsamico“
bezeichnen, wegen einer gewissen Verwandtschaft mit dem „Aceto Balsamico di
Modena“ und zur Erzielung von Treffern in Internetsuchmaschinen als „Balsamico
Bianco“ bewerben. Auffällig ist nämlich, dass ein Produkt mit dem Titel „Supreme
WHITE“ zwar von dem Onlinehändler als „Condimento Balsamico Bianco
Agrodolce“ bezeichnet wird, das Etikett aber gerade nicht das Wort „Balsamico“
enthält, sondern das Produkt als „CONDIMENTO BALSAMICO AGRODOLCE“
bezeichnet. Dies legt nahe, dass „Balsamico“ gerade nicht eine bestimmte
Essigmischungen beschreibende allgemeine Gattungsangabe ist, sondern als
Gattungsbezeichnung im Italienischen das Wort „condimento“
(Würzung/Dressing) einschlägig ist. Dementsprechend werden solche Produkte
auch im Artikel der Zeitschrift „test“ aus dem Jahr 2011 (Anlage B 10, S. 23 rechts
unten) als „Condimento Bianco“ bezeichnet.
85 Nach alledem ergibt sich insgesamt weder eine erhebliche Dauer noch ein
erheblicher Umfang - rechtmäßiger, insbesondere vor Eintragung der
geschützten geografischen Angabe „Aceto Balsamico di Modena“ geschehener -
Benutzungen des Begriffs „Balsamico“ für weiße Essigprodukte.
86 Dahinstehen kann, ob der Beklagten bei längerer Duldung der eventuellen
Verwendung einer Bezeichnung „Balsamico Bianco“ (für ein der Farbe nach nicht
mit dem Original verwechselbares Produkt) insbesondere durch ihre eigenen
Mitglieder der Einwand widersprüchlichen Verhaltens entgegengehalten werden
könnte, soweit diese Dritten die Verwendung des Begriffs „Balsamico“ für nicht
spezifikationsgemäße Erzeugnisse, die in Farbe, Eigenschaften und Herstellung
dem „Aceto Balsamico di Modena“ ähneln, untersagen will. Denn eine solche
Duldung von Anspielungen auf die Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“
durch die Beklagte über längere Zeit ist nicht erkennbar.
87 (e) Gegen die Bedeutung des Begriffs „[Aceto] Balsamico“ als
Gattungsbezeichnung spricht, dass dem „Aceto Balsamico di Modena“ ähnelnde
Produkte anderer Herkunft jedenfalls in den Fällen gemäß Anlage B 40 gerade
nicht als „[Aceto] Balsamico“, sondern als „Condimento“ bezeichnet wurden. Auch
zwei griechische, als „Aceto Botanico“ bezeichnete Produkte in der Anlage K 29
meiden den Begriff „Balsamico“. Außerdem geht zumindest die bereits erwähnte
Brockhaus Enzyklopädie (Anlage B 41) davon aus, dass es sich bei „Balsamico“
um die Bezeichnung eines Weinessigs gerade „aus Norditalien (Modena, Reggio
Emilia)“, also dem Gebiet der geschützten geografischen Angabe, und somit nicht
um eine davon losgelöste Gattung im Sinn von Art. 3 Nr. 6, Art. 41 VO 1151/2012
handelt (siehe auch EuG, GRUR 2007, 974 Rn. 71 - GRANA BIRAGHI/GRANA
PADANO).
88 (f) Auch einige der Werbeaussagen zu den von der Klägerin aufgezeigten
„Balsamicos“, die nicht aus Modena stammen, legen im Übrigen nahe, dass es
sich nicht um eine allgemeine Bezeichnung sondern um vereinzelte, sich
möglicherweise aufgrund aktueller Trends häufende Anlehnungen an das
„Original“ aus Modena handelt. So wird etwa in der Anlage K 28 der „Balsamico
Trentino“ (von dem unklar ist, seit wann er vertrieben wird) als „einzigartig im
ganzen Trentino“ bezeichnet. In der Anlage K 29 wird das Produkt „T. C.
Balsamico Spray“ wie folgt beworben: „[…] Griechischer Balsamon Essig ist bei
uns weitgehend unbekannt, ich kann Ihnen jedoch versichern, dass der
Balsamico Essig von T. C. jeden Vergleich mit hochwertigen Balsamico
Essigsorten aus Modena standhalten wird.“
89 (g) Die Bedeutung einer Gattungsbezeichnung erlangt der Begriff „Aceto
Balsamico“ auch nicht dadurch, dass er Bestandteil dreier unterschiedlicher, unter
der Verordnung Nr. 1151/2012 geschützter Angaben ist und dass nur für die
Gesamtbezeichnung „Aceto Balsamico die Modena“ mit dem Ortszusatz der hier
geltend gemachte Schutz beantragt und gewährt worden ist.
90 Eine Entscheidung darüber, ob auch eine Bezeichnung „Aceto Balsamico“ für
sich genommen schutzfähig gewesen wäre, liegt - wie bereits ausgeführt - nicht
vor. Dass der Schutz im Vergleich zu einer solchen Bezeichnung freiwillig mit
dem Ortszusatz „di Modena“ eingeengt worden ist, kann verschiedene Gründe
haben. Diese mögen darin liegen, dass der Herkunftsort - wie bei den meisten
geschützten geografischen Angaben oder geschützten Ursprungsangaben im
Sinn der Verordnung Nr. 1151/2012 - ausdrücklich in die Bezeichnung
aufgenommen sollte, etwa um Assoziationen mit der Herkunftsregion und den
Eindruck der Exklusivität zu fördern oder den Herkunftsort weiter bekannt zu
machen. In Betracht kommt ferner, dass mit Blick auf die Abgrenzung zu den
bereits geschützten Bezeichnungen „Aceto balsamico tradizionale di Modena“ /
„Aceto balsamico tradizionale di Reggio Emilia“ eine Wendung eingetragen
werden sollte, die (anders als „Aceto Balsamico“) nicht genau in dieser Form
bereits in den letztgenannten Namen enthalten ist.
91 Dass es sich bei dem Begriff „Aceto Balsamico“ um einen Oberbegriff handelt,
unter den alle drei geschützten Namen fallen, macht ihn noch nicht zu einem
Gattungsbegriff im Sinn von Art. 3 N. 6, Art. 41 VO 1151/2012 (siehe auch EuG,
GRUR 2007, 974 Rn. 85 - GRANA BIRAGHI/GRANA PADANO). Denn der „Aceto
Balsamico die Modena“ umfasst genau die beiden Herkunftsgebiete der beiden
anderen geschützten Erzeugnisse, bei denen es sich um damit verwandte, aber
insbesondere wegen längerer Reifung hochwertigere Produkte handelt, die im
Übrigen keine „geschützten geografischen Angaben“ sind, sondern den
abweichenden Regeln der Kategorie „geschützter Ursprungsangaben“
unterworfen sind. Danach lässt sich aus dem Bestehen verschiedener
geschützter Bezeichnungen mit dem Bestandteil „Aceto Balsamico“ nicht
herleiten, dass es neben diesen drei besonderen, mit derselben verbundenen
Erzeugnissen weitere ähnliche Erzeugnisse gibt, die herkömmlich als „Aceto
Balsamico“ bezeichnet würden und es sich bei diesem Begriff um eine von einem
traditionellen Herkunftsgebiet aller drei geschützten Erzeugnisse losgelösten,
insbesondere im Unionsgebiet verbreiteten Gattungsbegriff handele.
92 Auch dass bei der Bewerbung eines der Spezifikation entsprechenden „Aceto
Balsamico di Modena“ die Verwendung der Gesamtbezeichnung notwendig sein
mag, um eine Abgrenzung zu den beiden übrigen geschützten Namen
vorzunehmen und eine unzulässige Anspielung auf diese zu vermeiden, zwingt
nicht zu der Annahme, die Bezeichnung „[Aceto] Balsamico“ sei lediglich ein
Gattungsbegriff im Sinn von Art. 3 Nr. 6, Art. 41 VO 1151/2012.
93 3. Ohne Erfolg beruft die Klägerin sich auf Verwirkung.
94 Eine Verwirkung setzt nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass der
Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der
Lage wäre (Zeitmoment), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das
gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat,
dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde
(Umstandsmoment; vgl. BGH, NJW 2010, 3714 Rn. 23 mwN). Im Streitfall fehlt es
an beidem.
95 a) Dass die Beklagte seit längerem zur Geltendmachung ihrer Ansprüche wegen
der streitgegenständlichen Produkte in der Lage gewesen ist, ist nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat nach ihrem unbestrittenen Vortrag erst seit dem Jahr 2014 von
der ersten („t...“) und erst seit Zustellung der Klage von der zweiten („1…“) der
streitgegenständlichen Etikettierungen Kenntnis. Dass sie den Verstoß der
Klägerin gegen ihre Rechte kannte oder bei der gebotenen Wahrung ihrer
Interessen schon früher kennen musste (vgl. dazu BGHZ 146, 217 = GRUR
2001, 323, 325 - Temperaturwächter), legt die Klägerin nicht dar. Dagegen spricht
auch, dass die Klägerin ihre Produkte nach eigener Angabe ausschließlich im
Raum Baden vermarktet. Im Übrigen hat die Klägerin nicht vorgetragen, seit wann
sie die streitgegenständlichen Etikettierungen überhaupt verwendet.
96 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin bereits seit
mindestens 25 Jahren für ihre Produkte die Bezeichnungen „Balsamico“ oder
„Deutscher Balsamico“ verwendet. Bei wiederholten, gleichartigen
Verletzungshandlungen lässt nämlich jede Verletzungshandlung einen neuen
Unterlassungsanspruch entstehen und die für die Beurteilung des Zeitmoments
bei der Verwirkung maßgebliche Frist jeweils neu beginnen (vgl. BGH, GRUR
2012, 928 Rn. 22 f - Honda-Grauimport; GRUR 2013, 1161 Rn. 27 - Hard Rock
Cafe). Erst recht kann die Klägerin sich nicht darauf berufen, dass nach
Entstehung des Schutzes der geografischen Angabe unzulässige
Bezeichnungen auch von anderen Herstellern verwendet worden seien. Im
Übrigen ist insoweit nicht vorgetragen, seit wann der Beklagten
Verletzungshandlungen anderer Hersteller bekannt sind und ob (sowie
gegebenenfalls wie lange) die Beklagte diese geduldet hat.
97 Keiner Erörterung bedarf danach, seit wann die Beklagte überhaupt zur
Durchsetzung der geschützten geografischen Angabe „Aceto Balsamico di
Modena“ befugt ist.
98 b) Ferner hat die Beklagte nichts dazu vorgetragen, inwiefern sie sich darauf
eingerichtet hat, dass die Klägerin ihr Recht auch in Zukunft nicht geltend machen
werde.
II.
99 Ob der Klägerin ferner Ansprüche nach §§ 3,4 oder § 5 UWG wegen der mit der
Verordnung Nr. 1151/2012 unvereinbaren Produktausstattung zustehen, kann
nach alledem dahinstehen.
C.
100 Weder der nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 30. Juli 2015 noch die
nicht nachgelassene Erwiderung der Beklagten darauf vom 2. September 2015
geben Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Offenbleiben kann,
inwieweit der - letztlich unerhebliche (s.o.) - Vortrag im Schriftsatz der Klägerin
vom 30. Juli 2015 von dem ihr gewährten Schriftsatzrecht nach § 283 ZPO
gedeckt war, weil die Klage sich auch bei seiner Zulassung aus den bereits
ausgeführten Erwägungen und schon unabhängig von einer - der Kammer nach
§ 296a ZPO verwehrten - Verwertung der Ausführungen im Schriftsatz der
Beklagten vom 2. September 2015 als unbegründet erweist.
D.
101 Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 709 Satz 1, 2
ZPO.