Urteil des LG Mannheim vom 14.04.2015

gefahr, gewalt, wahrscheinlichkeit, öffentlich

LG Mannheim Beschluß vom 14.4.2015, 1 S 163/14
Leitsätze
Zu den Anforderungen an ein rechtmäßiges Stadionverbot im Zusammenhang mit
dem öffentlichen Anbieten der Veränderung von T-Shirts eines Fußballvereins von
"Waldhof Fans gegen Gewalt" in "Waldhof Fans gegen Polizei Gewalt" mit dem
Zusatz "A.C.A.B" (All Cops are Bastards).
vorgehend Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO vom 02.02.2015,
nachgehend Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde durch Urteil des
Staatsgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg vom 02.11.2015 (1 VB 28/15)
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom
03.12.2014 - 5 C 342/14 - wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen
Beschluss zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 03.12.2014 - 5 C 342/14 - ist ohne
Abwendungsbefugnis vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1 Die Berufung des Klägers ist durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da die
Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherstellung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht
erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
2 Zur Begründung wird auf den Beschluss vom 02.02.2015 verwiesen. Der Schriftsatz
des Klägers vom 12.02.2015 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Kläger
macht - soweit er sich inhaltlich gegen den Beschluss vom 02.02.2015 wendet - im
Wesentlichen geltend, die Ausführungen der Kammer zur angeblichen Strafbarkeit
des Klägers seien grob fehlerhaft und dogmatisch unvertretbar; zudem sei das
Verhalten des Klägers - jedenfalls zum Zeitpunkt des Ausspruches des
Stadionverbots - nicht sicherheitsrelevant.
3 Auch wenn davon ausgegangen würde, dass der Kläger im konkreten Fall keine
Straftat begangen hat, ändert dies nichts daran, dass der Kläger durch sein
Verhalten eine entscheidende Grundlage dafür gelegt hat, dass Personen durch
das Tragen des T-Shirts bei Fußballspielen des Beklagten die dort anwesenden
Polizeibeamten beleidigen. Selbst unterstellt, dass es zu entsprechenden
Beleidigungsdelikten durch Dritte nicht gekommen sein sollte, besteht - für den
Kläger erkennbar - eine konkrete Gefahr, dass die T-Shirts im Stadion öffentlich
sichtbar getragen werden. Dass sich diese Gefahr - möglicherweise - bislang nicht
realisiert hat, heißt nicht, dass die sich weiterhin im Umlauf befindlichen T-Shirts
nicht auch zu einem späteren Zeitpunkt von Fans im Stadion getragen werden
können. Entgegen den Ausführungen im Schriftsatz vom 12.02.2015 sieht die
Kammer durchaus bei der Veränderung der T-Shirts des Beklagten mit der
Bezugnahme auf „Waldhof Fans“ auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass
die veränderten T-Shirts von Polizeibeamten wahrgenommen und als beleidigend
empfunden werden.
4 Angesichts der verhältnismäßig geringen Voraussetzungen für die Verhängung
eines Stadionverbots, die lediglich einen sachlichen Grund verlangen (BGH, Urteil
vom 30. Oktober 2009 - V ZR 253/08 -, Rn. 22 f., juris), reicht das vom Kläger
gezeigte Verhalten jedenfalls aus. Es ist nach Auffassung der Kammer auch als
sicherheitsrelevant und als „schwerer Fall“ im Sinne der Richtlinien des Deutschen
Fußballbundes einzustufen, selbst wenn sich die Gefahr für die Sicherheit im
Stadion zum Zeitpunkt der Verhängung des Stadionverbots (noch) nicht realisiert
hat. Die vergleichsweise späte Ahndung des Verstoßes durch die Beklagte ist im
Wege der Abwägung zu berücksichtigen, führt angesichts des gravierenden
Verstoßes und unter Berücksichtigung des gegen den Kläger bereits in der
Vergangenheit verhängten Stadionverbots jedoch nicht zu einer anderen
Einschätzung. Vielmehr zeigt das bisherige Verhalten des Klägers, dass es nicht
ausgeschlossen ist, dass vom Kläger weiterhin sicherheitsrelevante
Beeinträchtigungen - auch in anderer Form - zu erwarten sind. Eine öffentliche
Distanzierung von seinem Verhalten - als Gegenzug zur öffentlichen Ankündigung
der Veränderung des T-Shirts - ist durch den Kläger jedenfalls nicht erfolgt, so dass
nicht von einer „unstreitigen Wohlverhaltensphase“ des Klägers über ein
Dreivierteljahr hinweg gesprochen werden kann.
5 Soweit der Kläger darüber hinaus im Schriftsatz vom 12.02.2015 seine bisherigen
Ausführungen wiederholt und vertieft, sind diese von der Kammer vollständig zur
Kenntnis genommen und bei der Entscheidung berücksichtigt worden. Einer
ausdrücklichen Erörterung bedarf es insoweit - auch unter Berücksichtigung des
vom Kläger gerügten Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG - nicht. Die Gerichte sind
nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu
nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle
Einzelpunkte des Parteivortrages in den Gründen der Entscheidung auch
ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2014 - 1 BvR
1126/11 -, Rn. 29, juris m. w. N.; BGH, Beschluss vom 08. Januar 2015 - IX ZA 9/13
-, Rn. 1, juris).
II.
6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit hat seine rechtliche Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.