Urteil des LG Mannheim vom 18.10.2016

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LG Mannheim Urteil vom 18.10.2016, 1 O 31/16
Unwirksamkeit einer Laufzeit von 72 Monaten bei einem Fernüberwachungsvertrag
Leitsätze
Die Vereinbarung einer Laufzeit von 72 Monaten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei einem
Fernüberwachungsvertrag stellt eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne des § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB dar und ist unwirksam.
Werden dem Kunden durch die vorformulierten Vertragsbedingungen Wahlmöglichkeiten eröffnet, zwischen
denen er sich durch Ankreuzen zu entscheiden hat, so genügt dies allein nicht für die Annahme, dass die
gewählte Möglichkeit "im Einzelnen ausgehandelt" ist und daher den Gegenstand einer Individualabrede bildet.
Bei einem Fernüberwachungsvertrag stehen die dienstvertraglichen Elemente des Vertrages im Vordergrund
und nicht die zeitweise Überlassung der Geräte.
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 275,42 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von jährlich acht
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.03.2012 aus 272,42 Euro und seit 22.08.2015
aus weiteren 3,00 Euro zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 Euro
zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.768,70 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt Zahlungen aufgrund eines Vertrages über die Installation einer Alarmanlage und
Fernüberwachung.
2 Der Beklagte unterzeichnete am 18.09.2009 für das Jagd- und Sportwaffengeschäft K. in A. einen
„Alarmanlagen-Mietvertrag mit Fernüberwachung“ (Anlage K 1). Im Vertragsformular ist unter „Mietdauer“
eine Laufzeit von 72 Monaten angekreuzt. Neben einer einmaligen Einrichtungsgebühr von 178,50 Euro
brutto war eine monatliche „Mietgebühr“ von 77,35 Euro brutto bei halbjährlicher Zahlungsweise
angegeben. Zu einer Installation der Anlage in den Räumlichkeiten des Jagd- und Sportwaffengeschäftes
kam es nicht.
3 Mit Schreiben vom 07.03.2012 (Anlage K 11) teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Rechnungsstellung
dürfte einem Irrtum unterliegen, man wisse von einem abgeschlossenen Vertrag nichts. Die Klägerin erklärte
daraufhin mit Schreiben vom 21.03.2012 (Bl. 27 d. A.), sie widerspreche der Kündigung und weise darauf
hin, dass der Vertrag frühestens zum 22.02.2018 gekündigt werden könne. Der Beklagte wandte sich
daraufhin erneut an die Klägerin und teilte am 11.04.2012 mit (Bl. 26 d. A.), er müsse annehmen, dass der
Vorgang abgeschlossen sei, man hoffe, dass die Klägerin nun endlich die Angelegenheit vergesse und sei nie
zu einer Zusammenarbeit mit der Klägerin bereit gewesen.
4 Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung der Einrichtungsgebühr sowie ab 23.02.2012 laufende
Kosten von halbjährlich 464,10 Euro und Rücklastschriftgebühren (15,00 Euro) in Höhe von insgesamt
5.768,70 Euro.
5 Die Klägerin behauptet, der Vertrag sei ohne Vorbehalt geschlossen worden. Sie ist der Ansicht, es handele
sich bei dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis nicht um einen Fernüberwachungsvertrag, sondern
um einen Alarmanlagen-Mietvertrag. Das dienstvertragliche Element des Vertrages sei äußerst nachrangig.
Die Vertragsdauer sei auch nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geregelt, sondern im Rahmen
einer individuell vereinbarten Laufzeit, da der Beklagte insgesamt fünf Möglichkeiten zur Auswahl hatte.
6 Die Klägerin beantragt zuletzt - nach Verweisung des Rechtsstreits an das nach Klageerweiterung sachlich
zuständige Landgericht Mannheim -:
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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.912,30 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von jährlich acht
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.03.2012 aus 535,31 Euro, seit dem
02.08.2012 aus weiteren 464,10 Euro, seit dem 02.02.2013 aus weiteren 464,10 Euro, seit dem
02.08.2013 aus weiteren 464,10 Euro, seit dem 02.02.2014 aus weiteren 464,10 Euro, seit dem
01.08.2014 aus weiteren 464,10 Euro, seit dem 01.02.2015 aus weiteren 464,10 Euro, seit dem
02.08.2015 aus weiteren 464,10 Euro, sowie in Höhe von jährlich fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit aus 15,00 Euro zu zahlen.
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2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin am 01.02.2016 weitere 464,10 Euro, am 01.08.2016
weitere 464,10 Euro, am 01.02.2017 weitere 464,10 Euro, am 01.08.2017 weitere 464,10 Euro zu zahlen.
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3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 347,60
Euro zu zahlen.
10 Der Beklagte beantragt:
11 Die Klage wird abgewiesen.
12 Der Beklagte wendet ein, er sei zu keiner Zeit Inhaber des Jagd- und Sportwaffengeschäftes gewesen, die
Inhaberin sei nicht über den Vorgang informiert gewesen, er habe den Vertrag unberechtigt unterschrieben.
Der Vertrag habe nur zustande kommen sollen, wenn der Vertrag mit dem Sicherheitsunternehmen A
aufgelöst werden könne. Dem Vertreter der Klägerin sei gesagt worden, dass der Vertrag mit dem bisherigen
Sicherheitsunternehmen gerade um fünf Jahre verlängert worden sei und man frühestens, wenn dieser
Vertrag beendet ist, mit der Klägerin kontrahieren könne. Das Geschäft sei zum 31.01.2014 aufgelöst
worden, so dass keinerlei Bedarf für eine Alarmanlage bestanden habe.
13 Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen H. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme
und zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom
10.05.2016 und 13.09.2016 sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14 Die zulässige Klage hat in der Sache zu einem geringen Teil Erfolg.
I.
15 Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 275,42 Euro nebst Zinsen und anteiligen vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten. Darüber hinaus stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung
rückständiger und zukünftiger Raten sowie Rücklastschriftgebühren nebst Zinsen und vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten nicht zu, so dass die Klage insoweit abzuweisen ist.
16 1. Der Beklagte ist vertraglich zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 272,42 Euro verpflichtet, der sich
aus einer Einrichtungsgebühr von 178,50 Euro brutto und einer anteiligen monatlichen „Mietgebühr“ von
93,92 Euro brutto vom 23.02.2012 bis zum 31.03.2012 (16,57 Euro für Februar 2012 und 77,35 Euro für
März 2012) zusammensetzt. Für den Zeitraum vor dem 23.02.2012 werden von der Klägerin ausweislich
der Klageschrift (Seite 5) keine Forderungen geltend gemacht. Zwischen den Parteien ist am 18.09.2009 der
als „Alarmanlagen-Mietvertrag mit Fernüberwachung“ bezeichnete Vertrag (Anlage K 1) wirksam zustande
gekommen.
17 a) Der Beklagte hat eingeräumt, den streitgegenständlichen Vertrag unterschrieben zu haben, der Beklagte
ist auch als „Mieter“ namentlich neben der Firma „Jagd- u. Sportwaffen K.“ im Vertrag aufgeführt. Selbst
wenn zu Gunsten des Beklagten davon ausgegangen würde, dass nicht der Beklagte, sondern seine Ehefrau
Inhaberin des Waffengeschäftes war und der Beklagte zum Abschluss entsprechender Verträge nicht
bevollmächtigt gewesen sein sollte, folgt der klägerische Anspruch jedenfalls aus § 179 Abs. 1 BGB. Der
Beklagte wäre dann als vollmachtloser Vertreter zur Erfüllung des Vertrages und ggf. auch zum
Schadensersatz verpflichtet.
18 b) Der Beklagte hat auch nicht den ihm obliegenden Nachweis geführt, dass der Vertrag nur unter der
Bedingung geschlossen wurde, dass der bestehende Alarmanlagenvertrag mit der Fa. A. beendet ist. Der
vom Beklagten zum Beweis der Behauptung benannte Zeuge H. hat bei seiner Vernehmung nicht
bestätigen können, dass der Vertragsschluss mit einer entsprechenden Bedingung erfolgt ist. Der Zeuge
konnte sich - was angesichts des Zeitablaufs von ca. sieben Jahren auch plausibel ist - an den konkreten
Vertragsschluss nicht erinnern, sondern nur angeben, dass es sich um seine Unterschrift unter dem
Vertragsformular (Anlage K 1) handelt. Der Zeuge war lediglich in der Lage allgemein anzugeben, dass die
Möglichkeit bestanden habe, wonach der neue Vertrag erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung eines
Altvertrages läuft. Nach den Modalitäten der Klägerin sei dies aber maximal etwa 1 bis 1 1/2 Jahre in der
Zukunft möglich. Da im Vertrag selbst kein späterer Beginn explizit vereinbart wurde, ist der Zeuge von
einem sofortigen Beginn des Vertrages ausgegangen, andernfalls wäre dies im Vertragsformular erfasst
worden. Der Zeuge gab auch an, es wäre „Irrsinn“ gewesen, einen neuen Vertrag zu machen, wenn der
Kunde nicht wisse, wann sein Altvertrag ausläuft.
19 c) Insgesamt kommt es nicht darauf an, ob die Angaben des Zeugen glaubhaft sind und der Zeuge persönlich
glaubwürdig ist, da der Zeuge bereits rein tatsächlich das Vorbringen des Beklagten nicht bestätigt hat. Ob
man seiner Aussage folgen will oder nicht, ist unerheblich. Denn auch, wenn man seine Angaben für
unzuverlässig oder falsch halten sollte, wäre dadurch nicht das Gegenteil dessen erwiesen, was der Zeuge
ausgesagt hat. Auch aus den Schreiben der Klägerin vom 21.09.2009 (Anlage K 2) und 25.03.2010 (Anlage
K 4), aus denen ein späterer Installationstermin hervorgeht, ist nicht hinreichend sicher zu schließen, dass
mit dem Kläger verbindlich vereinbart wurde, der neue Vertrag wäre nur unter der Bedingung der
Beendigung des Altvertrages geschlossen. Ebenso ist denkbar - wie die Klägerin im Schriftsatz vom
11.05.2016 vorträgt -, dass die Klägerin lediglich kulanterweise den Installationstermin hinausgeschoben
hat, um „die junge Geschäftsbeziehung“ nicht zu gefährden. Hierfür spricht auch die handschriftliche
Ergänzung auf dem Schreiben der Klägerin vom 01.12.2012 (Bl. 23 d. A.) die augenscheinlich vom Beklagten
stammt und in dem ausgeführt ist, der Installationstermin am 19.01.2012 müsse „noch verschoben oder
storniert werden“, da der Altvertrag noch nicht beendet ist und das Bauamt Schwierigkeiten mache.
20 2. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Vertrag besteht
nicht. Insbesondere kann die Klägerin keine über den zugesprochenen Betrag hinausgehende rückständige
und zukünftige „Mietgebühr“ verlangen.
21 a) Die vertragliche Vereinbarung mit der Klägerin wurde vom Beklagten wirksam zum 31.03.2012
gekündigt, so dass nach diesem Zeitpunkt keine weiteren Zahlungsverpflichtungen des Beklagten
bestanden. Der Beklagte hat in seinen Schreiben an die Klägerin zwar nicht ausdrücklich das Wort
„Kündigung“ verwendet. Dies ist jedoch unschädlich, da der Beklagte jedenfalls hinreichend deutlich
gemacht hat, dass er eine Beendigung des Vertrages wünschte und sogar davon ausgegangen ist, überhaupt
keinen wirksamen Vertrag abgeschlossen zu haben. Der Beklagte hat im Schreiben vom 07.03.2012 (Anlage
K 11) angegeben, es würde wohl ein Irrtum vorliegen, er wisse von einem abgeschlossenen Vertrag nichts.
Die Klägerin hat dieses Schreiben selbst als Kündigung interpretiert und muss sich hieran nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) festhalten lassen. Sie hat im Schreiben vom 21.03.2012
(Bl. 27 d. A.) erklärt, sie widerspreche der Kündigung und weise darauf hin, dass der Vertrag frühestens zum
22.02.2018 gekündigt werden könne. Die Ehefrau des Beklagten teilte anschließend mit Schreiben vom
22.03.2012 (Bl. 31 d. A.) mit, sie könne einen Vertrag nicht anerkennen. Der Beklagte machte mit Schreiben
vom 11.04.2012 (Bl. 26 d. A.) deutlich, er nehme an, dass der Vorgang abgeschlossen sei und hoffe, dass die
Klägerin nun endlich die Angelegenheit vergesse.
22 b) Die Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Beklagten mit Schreiben vom 07.03.2012 erfolgte
zum 31.03.2012, da die Vergütung des Vertrages nach Monaten bemessen war, so dass gemäß § 621 Nr. 3
BGB die ordentliche Kündigung spätestens am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats erklärt
werden konnte.
23 c) Dem Kündigungsrecht des Beklagten steht auch nicht die Bestimmung in den Vertragsbedingungen
entgegen, wonach eine feste „Mietdauer“ von 72 Monaten vereinbart ist.
24 aa) Bei dem vorgedruckten und in dem für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehenen Vertragsformular
enthaltenen Vertragsbedingung über die Vertragslaufzeit handelt es sich um eine von der Klägerin gestellte
Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die Bestandteil der eigentlichen
Vertragsurkunde (§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist. Anders als die Klägerin meint, liegt keine individuelle
Vereinbarung der Vertragslaufzeit vor, da das Formular mehrere Möglichkeiten zum Ankreuzen der
„Mietdauer“ vorsieht. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Vertragsbedingungen nach § 305 Abs. 1
Satz 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt und damit nicht gestellt wurden, obliegt dem Verwender (BGH,
Urteil vom 20. Februar 2014 - IX ZR 137/13 -, Rn. 9, juris), hier also der Klägerin. Ausreichender
Sachvortrag der Klägerin hierzu fehlt. Allein aus dem Angebot verschiedener Alternativen ergibt sich noch
nicht das Vorliegen einer Individualvereinbarung. Es kommt vielmehr darauf an, ob in der dem
Vertragspartner eingeräumten Möglichkeit, zwischen verschiedenen Alternativen zu wählen, ein
Aushandeln im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB gesehen werden kann. Das ist nicht der Fall, wenn der
Kunde nur die Wahl zwischen bestimmten, vom Verwender vorgegebenen Alternativen hat (vgl. BGH, Urteil
vom 01. Dezember 2005 - I ZR 103/04 -, Rn. 26, juris). Werden dem Kunden durch die vorformulierten
Vertragsbedingungen Wahlmöglichkeiten eröffnet, zwischen denen er sich durch Ankreuzen zu entscheiden
hat, so genügt dies allein nicht für die Annahme, dass die gewählte Möglichkeit „im Einzelnen ausgehandelt“
ist und daher den Gegenstand einer Individualabrede bildet (Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB,
7. Aufl. 2016, § 305 Rn. 43 m.w.N.).
25 bb) Die vereinbarte Vertragslaufzeit ist nicht schon gem. § 309 Nr. 9 a) BGB unwirksam, denn diese
Vorschrift findet gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Anwendung auf Verträge zwischen Unternehmern im
Sinne des § 14 BGB, wobei auch der Beklagte den Vertrag in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit für das
Jagd- und Sportwaffengeschäft abgeschlossen hat.
26 cc) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt aber eine Klausel, in der der
Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne
von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ohne ihm einen
angemessenen Ausgleich zuzugestehen, eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des
Klauselverwenders im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Ob eine die Laufzeit eines Vertrages
betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den
Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der
schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen. Bei dieser Abwägung sind nicht nur
die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern es ist der gesamte Vertragsinhalt zu
berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte
und Pflichten (BGH, Urteil vom 08. Dezember 2011 - VII ZR 111/11 -, Rn. 14 f., juris).
27 dd) Die hier verwendete Klausel hält nach diesem Maßstab einer Angemessenheitskontrolle nicht stand.
28 (1) Das Gericht schließt sich der zutreffenden Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 11.
Februar 2015 - 7 U 3170/14 -, juris) zur Unwirksamkeit der Verwendung einer vergleichbaren Klausel an
und folgt ausdrücklich nicht den von der Klägerin vorgelegten Entscheidungen des Landgerichts Karlsruhe
vom 06.08.2015 (Anlage K 14) und 16.10.2015 (Anlage K 15) sowie des Landgerichts Waldshut-Tiengen
vom 29.01.2016 (Anlage K 17). Wenngleich § 309 Nr. 9 a) BGB kein Indiz dafür ist, dass den dortigen
Klauselverboten widersprechende formularmäßige Vereinbarungen im kaufmännischen Rechtsverkehr
unwirksam sind (BGH, Urteil vom 08. Dezember 2011 - VII ZR 111/11 -, Rn. 13, juris), so ist doch zu Lasten
der Verwenderin festzustellen, dass die hier vereinbarte Laufzeit den in § 309 Nr. 9 a) BGB bezeichneten
Zeitraum um das Dreifache übersteigt. Unter Anwendung des Rechtsgedankens, dass von einem auffälligen
Missverhältnis im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB in der Regel dann auszugehen ist, wenn die vom Schuldner zu
erbringende Leistung um 100 % oder mehr über dem Marktpreis liegt (Ellenberger in: Palandt, BGB, 75.
Aufl. 2016, § 138 Rn. 67), begegnet die hier festzustellende Bestimmung der Laufzeit durchgreifenden
Bedenken.
29 (2) Denn die Klägerin verweist zu Unrecht darauf, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um
einen Mietvertrag handeln würde. Bei einem Vertrag, der eine Fernüberwachung zum Gegenstand hat, liegt
die typische Hauptleistung vielmehr regelmäßig in einer Dienstleistung (AG Brandenburg, Urteil vom 23. Juni
2003 - 32 C 139/02 -, Rn. 19, juris). Für eine Einordnung eines Vertragsverhältnisses unter einen
bestimmten Vertragstyp ist insofern nicht die von den Parteien gebrauchte Bezeichnung, sondern der
Vertragsinhalt entscheidend. Die Geräte selbst sind für den Kunden allenfalls von untergeordneten
Interesse, denn ohne die „Fernüberwachung“, also die Betreuung des überwachten Gebäudes nebst
begleitender Dienstleistungen durch die Klägerin ist der bloße Besitz der Geräte für den Beklagten wertlos.
Der Kunde schafft die Geräte gerade nicht als eigenes Wirtschaftsgut an, sondern entrichtet vielmehr für die
auf die Geräte gestützte Überwachung des Geschäfts eine Pauschale, die alle Leistungen der Klägerin
vergütet. Damit stehen jedenfalls die dienstvertraglichen Elemente des Vertrages im Vordergrund und nicht
die zeitweise Überlassung der Geräte (vgl. auch LG Bochum, Urteil vom 04. Dezember 2001 - 9 S 196/01 -,
NJW-RR 2002, 1713, 1714). Hierfür spricht insbesondere, dass die Klägerin während der Vertragslaufzeit die
Fernüberwachung rund um die Uhr übernimmt und nach den Vertragsbedingungen (Anlage K 3) dem Kunden
„eine Notruf- und Serviceleitstelle 365 Tage und 24 Stunden am Tag“ zur Verfügung stellt. Die Alarmanlage
wird während der Vertragslaufzeit „auf diese Notruf- und Serviceleitstelle aufgeschaltet“. Die Klägerin
übernimmt zudem die „Gewährleistung für die Funktionstüchtigkeit der gemieteten Anlage und deren
Technik“ und lässt defekte Teile kostenfrei reparieren oder austauschen. Das Gericht kann insbesondere die
Argumentation der Klägerin nicht nachvollziehen, es handele sich hier um einen Vertrag abweichend vom
Standardfall, da sich die Klägerin nur im Alarmfall und dann nur für wenige Minuten aus der Ferne auf die
Anlage des Kunden aufschaltet. Dies ändert nichts daran, dass eine Fernüberwachung „rund um die Uhr“
angeboten wird und dieses Element im Vordergrund der vertraglichen Vereinbarung steht, auch wenn es
andere Verträge geben mag, bei denen etwa eine zusätzliche dauerhafte optische Überwachung durch einen
Mitarbeiter vereinbart ist.
30 (3) Die Klägerin behauptet zwar ein echtes Amortisationsinteresse und trägt vor, sie bediene sich sehr
hochwertiger Anlagen, die eine Amortisationsdauer von deutlich mehr als der Hälfte der Vertragslaufzeit
hätten; genaueres konnte die Klägerin nach eigenem Vorbringen allerdings zum Wert selbst nicht angeben.
Eine Beweiserhebung über den Wert der Geräte ist nicht veranlasst, selbst wenn anzunehmen wäre, dass
angesichts von Gesamtkosten über die 72-monatige Vertragslaufzeit von 5.747,70 Euro (77,35 Euro
monatlich zzgl. 178,50 Euro Einrichtungsgebühr) der Wert der verbauten Geräte mehr als die Hälfte der
Vertragssumme über die gesamten Laufzeit entspricht (vgl. zu den Anschaffungskosten der
Überwachungsgeräte auch LG Bochum, Urteil vom 04. Dezember 2001 - 9 S 196/01 -, NJW-RR 2002, 1713,
1714). Anders als im der Entscheidung des Oberlandesgerichts München zu Grunde liegenden Fall - mit einer
Vertragslaufzeit von nur 54 Monaten - erwirbt der Kunde nach Ablauf der Vertragslaufzeit das Eigentum an
den Geräten nicht, sondern „mietet“ diese lediglich, so dass die Klägerin die - bereits amortisierten - Geräte
auch weiterhin einsetzen kann. Weitere Gesichtspunkte, die eine lange Vertragsdauer rechtfertigen
könnten, hat die Klägerin nicht angeführt; solche sind auch nicht ersichtlich.
31 (4) Dem steht das schützenswerte Interesse des Kunden gegenüber, nicht „ohne Not“ übermäßig lange an
einen Vertrag gebunden zu werden. Der Beklagte als Kunde ist als Nachfrager ständig frei verfügbarer
Wirtschaftsgüter (hier: Sicherheitsdienstleistungen) auf einem freien Markt zu sehen (vgl. BGH, Urteil vom
08. Dezember 2011 - VII ZR 111/11 -, Rn. 17 f., juris), ohne dass ein eigenes Interesse des Beklagten an
einer längerfristigen Bindung an die Klägerin erkennbar wäre. Vielmehr wird der Beklagte hierdurch in
seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit (z. B. beim Wegfall des Interesses an den
angebotenen Leistungen, etwa wegen der aufgrund des Alters des Beklagten vorhersehbaren und später
auch tatsächlich erfolgten Geschäftsaufgabe) erheblich eingeschränkt. Da die Klägerin sich also nicht zu
Gegenleistungen verpflichten, die nicht in wesentlich kürzerer Zeit als in den vertraglich vereinbarten 72
Monaten amortisiert werden können, da andererseits der Beklagte durch die Vertragslaufzeit in seiner
wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit unvertretbar eingeengt wird, erachtet das Gericht
die hier vereinbarte Vertragslaufzeit für unangemessen und daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
unwirksam (vgl. OLG München, Urteil vom 11. Februar 2015 - 7 U 3170/14 -, Rn. 63 f., juris). Dem steht
auch nicht die von der Klägerin vorgelegte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Az.: XII ZA 49/15, Anlage
K 19) über die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren
gegen das als Anlage K 14 vorgelegte Berufungsurteil des Landgerichts Karlsruhe entgegen. Die Begründung
für die Ablehnung des Antrages ist nicht wiedergegeben, so dass auch nicht nachvollzogen werden kann, ob
der Bundesgerichtshof aus den von der Klägerin vorgebrachten Gründen von der fehlenden Erfolgsaussicht
der Revision ausgegangen ist.
32 d) Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Vertragsbestimmung über die Laufzeit nach § 307 Abs. 1 BGB ist
gemäß § 306 Abs. 1 BGB, dass der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. An die Stelle der unwirksamen
Regelung treten die gesetzlichen Bestimmungen, § 306 Abs. 2 BGB. Die Frage der Kündigungsmöglichkeit
regelt sich daher nach § 621 BGB, weil auf den zwischen den Parteien abgeschlossenen
streitgegenständlichen Vertrag Dienstvertragsrecht anzuwenden ist (vgl. OLG München, Urteil vom 11.
Februar 2015 - 7 U 3170/14 -, Rn. 65, juris; AG Brandenburg, Urteil vom 23. Juni 2003 - 32 C 139/02 -, Rn.
19, juris; LG Bochum, Urteil vom 04. Dezember 2001 - 9 S 196/01 -, NJW-RR 2002, 1713, 1714).
33 3. Die Klägerin kann hinsichtlich der berechtigten Hauptforderung über 272,42 Euro verzugsbedingt gemäß
§§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, Abs. 2 BGB Zinsen ab 02.03.2012 verlangen. Die Zahlung der aus dem
Vertrag anfallenden Kosten einschließlich der „Mietgebühr“ hatte nach der vertraglichen Vereinbarung vom
18.09.2009 halbjährlich zum Monatsersten im Voraus zu erfolgen, d. h. bezüglich des Rechnungsbetrages
vom 23.02.2012 (Anlage K 8) in der berechtigten Höhe bis zum 01.03.2012, so dass sich der Beklagte in
Verzug befand, nachdem der Lastschrifteinzug nicht erfolgreich war. Der Klägerin stehen verzugsbedingt
auch die einmalig entstandenen Rücklastschriftgebühren über 3,00 Euro zu und bezüglich dieses Betrages
Zinsen ab Rechtshängigkeit gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB. Ein weitergehender Zinsanspruch
und Anspruch auf Rücklastschriftgebühren besteht nicht.
34 4. Nachdem sich der Beklagte mit der Zahlung in Verzug befand, kann die Klägerin auch vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten ausgehend von einem Gegenstandswert von 275,42 Euro geltend machen, demnach
70,20 Euro netto (1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 Anl. 1 VV RVG von 58,50 Euro zzgl. Auslagenpauschale Nr.
7002 Anl. 1 VV RVG von 11,70 Euro).
II.
35 Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit
hat seine rechtliche Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO, bzgl. der Vollstreckung der Klägerin
zusätzlich in § 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung des Beklagten i.S.d. § 511 Abs. 4 Satz 1
ZPO liegen nicht vor.