Urteil des LG Mannheim vom 22.10.2010

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LG Mannheim Urteil vom 22.10.2010, 1 S 163/09
Leitsätze
Eine meistergeführte freie Reparaturwerkstatt ist einer markengebundenen gleichwertig, wenn sie
Originalersatzteile der Hersteller verwendet, ZKF-zertifiziert ist und in großem Umfang als Subunternehmerin für
zahlreiche markengebundene Vertragswerkstätten zu Sonderkonditionen Unfallschäden an PKW repariert.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 18.09.2009 - 5 C 75/09 - im
Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
(Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO
abgesehen.)
2
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
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Dem Kläger steht der mit der Klage verfolgte, restliche Schadensersatzanspruch nicht zu.
4
Dem Kläger, der die zur Wiederherstellung seines unfallgeschädigten Pkws erforderlichen Kosten auf Basis
eines Sachverständigengutachtens beansprucht, stehen Reparaturkosten über den von der Beklagten
gezahlten Betrag hinaus nicht zu.
5
Zwar leistet der Geschädigte, der, wie hier der Kläger, fiktive Reparaturkosten beansprucht, nach der
Rechtsprechung des BGH (Vgl. BGH, Urteile vom 22.06.2010, Az.: VI ZR 302/08 und vom 20.10.2009, Az.: VI
ZR 53/09) im Allgemeinen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Genüge und bewegt sich in den für die
Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 BGB gezogenen Grenzen, wenn er seiner Schadensabrechnung die
üblichen Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde legt, die ein von ihm eingeschalteter
Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Der Geschädigte kann jedoch dann die,
wie vorstehend ausgeführt, ermittelten Stundensätze nicht beanspruchen, wenn ihn der Schädiger unter dem
Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und
ohne weiteres zugänglichen "freien Werkstatt" verweist. Hierbei muss der Schädiger darlegen und
gegebenenfalls beweisen, dass eine Reparatur in einer solchen Werkstatt vom Qualitätsstandard her der
Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Außerdem hat er gegebenenfalls vom
Geschädigten aufgezeigte Umstände zu widerlegen die diesem eine Reparatur in einer "freien Werkstatt"
unzumutbar machen (Vgl. BGH a.a.O.).
6
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
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Die Beklagte hat dem Kläger unstreitig mehrere "freie Werkstätten", u.a. die Fa. G., benannt, bei denen nach
ihrem Vorbringen die erforderliche Reparatur des Fahrzeugs des Klägers erheblich preisgünstiger durchgeführt
werden kann, als nach dem vom Kläger seiner Schadensberechnung zu Grunde gelegten
Sachverständigengutachten. Eine Reparatur bei dem genannten Unternehmen ist derjenigen, die in einer
markengebundenen Vertragswerkstatt durchgeführt würde, vom Qualitätsstandard her gleichwertig. Auf eine
Reparatur in dieser Werkstatt kann die Beklagte den Kläger verweisen.
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Von der vor angeführten Gleichwertigkeit einer bei der Fa. G. durchgeführten Reparatur des Pkws des Klägers
ist die Kammer auf Grund der in in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt.
9
Nach der glaubhaften Aussage des Zeuge D. beschäftigt dieser Betrieb sowohl einen Lackierermeister als auch
einen Meister für Karosseriebau sowie entsprechende Gesellen. Er war im Jahr 2008 ZKF-zertifiziert. Die
Reparaturen in diesem Betrieb werden unter Verwendung von Originalersatzteilen durchgeführt. Dies und die
personelle Ausstattung der Fa. G. sprechen dafür, dass sie nach einem Qualitätsstandard arbeitet, der
demjenigen von markengebundenen Fachwerkstätten entspricht.
10 Hinzukommt, dass die Fa. G. und D. in erheblichem Umfang auch Reparaturen als Subunternehmer für
zahlreiche andere markengebundene Autohäuser ausführt, wie sich aus der Aussage des Zeugen D. in
Verbindung mit der von ihm übergegebenen Preisliste ergibt. Die Reparaturen, die dieses Unternehmen als
Subunternehmen für andere Autohäuser ausführt, machten in 2008, dem Jahr, in dem es zu dem
streitgegenständlichen Schaden an dem Fahrzeug des Klägers kam, nach der Aussage des Zeugen D. etwa
40% seiner Reparaturtätigkeit aus. Wenn dieses Unternehmen zahlreiche Reparaturen ausführt, die bei einer
markengebundenen Vertragswerkstatt in Auftrag gegeben wurden, so versteht es sich von selbst, dass die
Reparaturen, die vom Endkunden unmittelbar bei ihr beauftragt werden, jenen gleichwertig sind.
11 Dass die Fa. G. in großem Umfang auch Aufträge von der Versicherungswirtschaft erhält, steht der Annahme
einer Gleichwertigkeit einer dort durchgeführten Reparatur mit einer in einer Markenwerkstatt durchgeführten
Reparatur nicht entgegen. Insoweit kommt es nur darauf an, dass die Reparatur in technischer Hinsicht
genauso ausgeführt wird, wie in einer markengebundenen Fachwerkstatt.
12 Die Preise, die die Fa. G. nach der glaubhaften Aussage des Zeugen D. Privatkunden berechnet, führen zu
Reparaturkosten für den streitgegenständlichen Schaden im Jahr 2008 in Höhe von EUR 5.287,18, wobei
dieser Betrag geringfügig unter demjenigen liegt, den die Beklagte ihrer vorgerichtlichen Zahlung zu Grunde
gelegt hat (EUR 5.326,23).
13 Der Zeuge D. hat glaubhaft bekundet, dass die Fa. G. ihren Privatkunden bei den Ersatzteilen die
Herstellerpreise ohne Aufschlag berechnet und für die Karosseriearbeiten einen Stundensatz von EUR 82,--
sowie für die Lackierarbeiten einen Stundensatz von EUR 85,00 zuzüglich 25% bis 30% für das Lackmaterial,
je nachdem welche Lackierung durchgeführt wird. Nach seiner Aussage sind das die Stundensätze, die von der
Fa. G. ganz normalen Kunden berechnet werden. Zu diesen Preisen könne jedermann sein Auto bei diesem
Unternehmen reparieren lassen. Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des
Zeugen. Dieser ist mit keiner der Parteien persönlich verbunden, so dass ein Interesse an dem Ausgang
dieses Rechtsstreits aus diesem Grund bei ihm nicht ersichtlich ist. Der Umstand, dass die Fa. G., deren
Geschäftsführer der Zeuge ist, mehr als 50% ihrer Reparaturaufträge von Versicherungen erhält, bietet für die
Kammer keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage zu zweifeln, auch wenn der Betrieb, dem der
Zeuge vorsteht, nach seinen Angaben nur auf Grund der Aufträge, die er von der Versicherungswirtschaft
erhält, wirtschaftlich geführt werden kann. Dafür, dass dieser Umstand den Inhalt der Aussage des Zeugen
beeinflusst hat, liegen keine Anhaltspunkte vor, zumal die von dem Zeugen genannten Preise, die den Kunden
berechnet werden, mit denen keine Sonderkonditionen vereinbart wurden, erheblich über den Preisen liegen, die
in diesem Unternehmen bei Aufträgen von Autohäusern und Versicherungen berechnet werden, wie sich aus
der von dem Zeugen vorgelegten Preisliste ergibt.
14 Der Preis, den eine Reparatur bei der Fa. G. kosten würde, ergibt sich damit wie folgt:
15 ...[wird ausgeführt]
16 Die Fa. G. ist für den Kläger mühelos zugänglich, da sie ihren Geschäftssitz am Wohnort des Klägers in V.
hat. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die vom Kläger benannte M.-Vertragswerkstatt ... für ihn
wesentlich besser zu erreichen ist, als die Fa. G..
17 Umstände, die ihm eine Reparatur seines unfallbeschädigten Fahrzeugs in dieser Werkstatt unzumutbar
machen, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
18 Insbesondere liegen die vom BGH entwickelten Voraussetzungen (Vgl. u. a. BGH, Urteil vom 20.10.2009, Az.:
VI ZR 53/09), unter denen eine Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar ist,
nicht vor.
19 Der Pkw des Klägers war zum Unfallzeitpunkt älter als 8 Jahre.
20 Dass er bis dahin alle an dem Fahrzeug anfallenden Inspektionen, Wartungsarbeiten und Reparaturen bei einer
M.-Vertragswerkstatt hat durchführen lassen, es sich also bei seinem Fahrzeug um ein "Scheckheft-
gepflegtes" Fahrzeug handelte, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht.
21 Dass die ihm von der Beklagten benannte Fa. G. in großem Umfang Aufträge zu Sonderkonditionen von
Versicherungen erhält, macht für den Kläger eine Reparatur seines Pkws durch dieses Unternehmen nicht
unzumutbar, da er gerade nicht auf diese Sonderkonditionen verwiesen wurde, sondern auf die Bedingungen,
zu denen das genannte Unternehmen für jedermann Reparaturen durchführt. Dafür, dass auch die Preise, mit
denen die Fa. G. gegenüber Privatkunden abrechnet, von den Versicherungsunternehmen diktiert werden, sind
keine Anhaltspunkte vorhanden.
22 Der Umstand, dass die Fa. G. keinen kostenlosen Hol- und Bring-Service anbietet und dass sie auf ihre
Reparaturen keine 3-Jährige Garantie, sondern nur eine Garantie von 2 Jahren gewährt, würde eine Reparatur
seines Fahrzeugs durch dieses Unternehmen für den Kläger nicht unzumutbar machen.
23 Der Kläger hat in Bezug auf diese Konditionen der Fa. G. nicht einmal konkret vorgetragen, dass eine im
Bereich seines Wohnortes ansässige markengebundene Fachwerkstatt überhaupt eine Garantie über die
gesetzliche Gewährleistung hinaus und einen kostenlosen Hol- und Bring-Service anbietet.
24 Die Klage war daher auf die Berufung der Beklagten hin abzuweisen.
25 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
26 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
27 Gründe, die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision gebieten, liegen nicht vor.