Urteil des LG Mainz vom 14.06.2007

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Schadensersatz
LG
Mainz
14.06.2007
81 C 1187/06
Zur Frage des Sorgfaltsmaßstabes beim Fußballspiel unter Kindern in der Freizeit
Landgericht Mainz
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Gericht: LG Mainz
Spruchkörper:
Datum:
Entscheidungsart:
Aktenzeichen:
Sachgebiet(e):
N o r m e n
BGB § 823 Abs. 1, BGB § 253 Abs. 2
H a u p t s c h l a g w ö r t e r
Fußball, Schmerzensgeld
T i t e l z e i l e
Zur Frage des Sorgfaltsmaßstabes beim Fußballspiel unter Kindern in der Freizeit
V o l l t e x t
Sachverhalt
Der neunjährige Kläger und der gleichaltrige Beklagte waren zur Geburtstagsfeier eines Schulkameraden
eingeladen, die in der Halle eines kommerziellen Hallenfußball-Anbieters stattfand. Die Schüler spielten
auf ein Tor, der Kläger war der Torwart. Als der Beklagte dem Kläger entgegenstürmte, hechtete der
Kläger nach dem Ball, brachte ihn aber nicht unter Kontrolle. Der Beklagte wollte kräftig gegen den Ball
treten, verfehlte ihn aber und traf das rechte Bein des am Boden liegenden Klägers, das Schien- und
Wadenbein brachen. Die Verletzung wurde operativ versorgt. Der Kläger durfte das Bein vier Wochen
nicht belasten. Der Heilungsverlauf war komplikationslos.
Mit der Klage hat der Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld und die Feststellung des Ersatzes
künftiger materieller und immaterieller Schäden verlangt.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger seine erstinstanzlichen
Forderungen weiterverfolgt.
Der Vorsitzende hat dem Kläger folgenden Hinweis gegeben:
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie
ihr nach vorläufiger Beratung einstimmig keine Aussicht auf Erfolg beimisst, die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.
Das Amtsgericht hat richtig entschieden. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schmerzensgeld zu; der
Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet.
Die Kammer teilt jedenfalls nicht die von der Berufung angeführte Auffassung von Hollenbach (VersR
2003, 1091 ff.), Sorgfaltsmaßstab für den Umgang mit Mitspielern beim Freizeitfußball sei das körperlose
Spiel. Diese Auffassung geht an der Realität vorbei. So räumt Hollenbach ein, dass die tatsächliche
Etablierung dieses strengen Maßstabs im Spiel der Kinder und Jugendlichen problematisch sei;
außerdem sei der Ausgangsmaßstab Einschränkungen in Ausnahmefällen zugänglich, beispielsweise
seien zu berücksichtigen in alterstypischer Abstufung typisch jugendliche Sichtweisen und Reaktionen
gegenüber der Gefahr in Abstrichen von der Zumutbarkeit zu sorgfältigem Verhalten (Motorik des
Spielbetriebs, Forschungs- und Erprobungsdrang, Mängel an Disziplin, Rauflust, Impulsivität oder
Affektreaktionen). Schon gar nicht ist – wie Hollenbach weiter meint - das Haftungsrecht ein brauchbares
Instrument, um das Spiel zwischen Kindern und Jugendlichen in angemessene Bahnen zu führen.
Ob beim Spiel von Kindern und Jugendlichen, die sich zum Fußballspiel zusammenfinden, auch wenn sie
auf ein Tor spielen, mangels abweichender Absprachen die Fußballregeln des DFB gelten (OLG
Düsseldorf VersR 2001, 345 f.), kann hier, obwohl einiges dafür spricht, auf sich beruhen. Die Kinder
spielten vorliegend nicht aufgrund eigener Entscheidung auf einer Wiese, sondern auf einer
Geburtstagsfeier, die bei einem kommerziellen Anbieter von Hallenfußball stattfand.
Fußball bleibt, auch wenn, wie hier, neunjährige Kinder auf ein Tor spielen, ein Kampfspiel. Beim Kampf
um den Ball kommt es nicht selten zu unvermeidbaren Verletzungen. Deshalb gilt auch hier der
Grundsatz, dass bei Freizeitspielen mit erheblichem Gefahrenpotenzial, wie Fußball, davon auszugehen
ist, dass jeder Teilnehmer Verletzungen, auch mit schwersten Folgen, in Kauf nimmt, die auch bei
Beachtung von anerkannten Regeln nicht zu vermeiden sind. Gleiches gilt bei Verletzungen durch
geringfügige Regelverstöße in wettbewerbstypischen Risikolagen, z.B. aus Spieleifer. Vorliegend ist
unstreitig, dass der Kläger als Tormann den Ball nicht gehalten hatte, sondern der Ball frei war. Der
Beklagte durfte deshalb den Ball spielen. Eine abgeschlossene Spielsituation lag nicht vor. Dass er nicht
den Ball, sondern das Bein des Klägers getroffen und diesem dadurch die unbestrittenen Verletzungen
zugefügt hat, beruht nicht auf einem unsportlichen Verhalten, sondern offenbar auf einem
spieltechnischen Unvermögen des Beklagten, den Ball zu treffen. Dies begründet lediglich den Vorwurf
des fahrlässigen Verhaltens, weil der Beklagte den Ball spielen wollte, hierzu aber offenbar aufgrund
seines fußballtechnischen Vermögens nicht in der Lage war, was er auch als Neunjähriger hätte erkennen
können. Fahrlässiges Verhalten als solches begründet zwar generell die Haftung, bei Kampfspielen, wie
Fußball, auch im Freizeitbereich allerdings nicht. Nur bei grober Fahrlässigkeit, also bei unsportlichem,
grob regelwidrigem Verhalten, und Vorsatz verhält es sich anders. Ein solches Verhalten liegt aber nicht
vor.
Der Kläger hat seine Berufung zurückgenommen.
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