Urteil des LG Limburg vom 09.10.2009

LG Limburg: wertminderung, kollision, sachverständigenkosten, reifen, reparaturkosten, mindestabstand, verschulden, fahrbahn, gutachter, betriebsgefahr

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Gericht:
LG Limburg 4.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 O 341/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 14 Abs 1 StVO, § 7 StVG, §
17 StVG
Verkehrsunfallhaftung bei Kollision mit der geöffneten
Fahrertür eines geparkten Fahrzeuges: Sorgfaltspflichten
des aussteigenden Fahrers beim Öffnen seines
Regenschirms
Tenor
Der Anspruch des Klägers auf Ersatz des Schadens, der durch den Verkehrsunfall
vom 21.7.2008 gegen 16.45 Uhr in …, zwischen seinem …, entstanden ist, ist dem
Grunde nach gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gerechtfertigt.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.804,85 Euro
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.
September 2008 zu zahlen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten im hier vorliegenden Rechtsstreit auf Ersatz des
ihm durch das aus der Urteilsformel ersichtliche Unfallereignis entstandenen
Schadens in Anspruch. Die Beklagte zu 2. ist der Haftpflichtversicherer des Nissan
Almera. Die Beklagte parkte ihr Fahrzeug zur Unfallzeit in einem Parkstreifen. Der
Beklagte befuhr die … Richtung …. Die Beklagte zu 1. öffnete die Tür ihres
Fahrzeuges. Der Kläger stieß mit seinem Fahrzeug gegen Tür, das beschädigt
wurde. Die Beklagten wurden mit Anwaltsschreiben vom 20.8.2008 unter
Fristsetzung zum 5. September 2008 zur Zahlung aufgefordert.
Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 1. habe ihr Fahrzeug nicht in der dafür
vorgesehenen Parkmarkierung angehalten, sondern vielmehr mit den rechten
Reifen ihres Fahrzeuges unmittelbar an der Bordsteinkante und mit den linken
Reifen auf der asphaltierten Fahrbahn der ... Als er sich mit seinem Fahrzeug fast
in Höhe des Heck des Fahrzeuges der Beklagten zu 1. befunden habe, habe diese
die Fahrertür ihres Fahrzeuges fast vollständig geöffnet, weil sie wegen des
herrschenden Regens vor dem Aussteigen ihren Regenschirm noch habe öffnen
wollen, was letztendlich dazu geführt habe, dass die Fahrertür des
Beklagtenfahrzeuges über die komplette Fahrzeuglänge des klägerischen
Fahrzeuges Streifschäden verursacht habe. Durch den Unfall seien gemäß dem
Gutachten des Sachverständigen … vom 18.8.2008 (Anlage zur Klageschrift Bl. 5
bis 19 d.A.) Reparaturkosten von netto 5.174,80 Euro entstanden, die die
Beklagten ersetzen müssten. Ferner sei eine Wertminderung von 880,00 Euro
eingetreten. Diese Kosten nebst die Sachverständigenkosten von 402,57 Euro und
eine Unkostenpauschale von 25,00 Euro, insgesamt 6.482,37 Euro, hätten die
Beklagten zu erstatten.
Der Kläger beantragt, wie folgt zu erkennen:
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 6.482,37 €
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Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 6.482,37 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.
September 2008 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 603,93 € zu
zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, nachdem sich die Beklagte zu 1. durch Blicke in den Rück- und
Seitenspiegel und Blick über die linke Schulter vergewissert habe, dass
nachfolgender Verkehr sehr weit entfernt gewesen sei, habe sie die Fahrertür
einen Spalt breit geöffnet. Als sie gerade im Begriff gewesen sei, ihren
Regenschirm zu öffnen, sei das Fahrzeug des Klägers so nahe an dem Fahrzeug
der Beklagten zu 1. vorbeigefahren, dass dabei die nur einen Spalt breit geöffnete
Fahrertür von dem Klägerfahrzeug angestoßen und beschädigt worden sei. Der
Unfall sei daher durch den Kläger dadurch verursacht worden, dass er an dem
geparkten Fahrzeug der Beklagten zu 1. in einem zu geringen Abstand
vorbeigefahren und dabei gegen die erkennbar nur leicht geöffnete Fahrertüre
gestoßen sei. Der mögliche und notwendige Mindestabstand von 50 bis 75 cm
zum Beklagtenfahrzeug sei vom Kläger nicht eingehalten worden. Gemäß dem …
Gutachten vom 4.9.2008 (Anlage 2 zur Klageerwiderung, Bl. 34 bis 48 d.A.) seien
nur Reparaturkosten von netto 3.504,85 Euro entstanden. Als Wertminderung sei
nur ein Betrag von 300,00 Euro angemessen. Die Sachverständigenkosten
stünden dem Kläger nicht zu, da das Gutachten nicht geeignet sei, die
unfallkausalen Beschädigungen festzustellen. Im Übrigen habe der Kläger am
12.8.2008 die Kostenforderung an den Sachverständigen abgetreten.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 23.2.2009 (Bl.
64/65 d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des
Sachverständigen … vom 3.7.2009 (Bl. 94 bis 107 a d.A.) Bezug genommen. Die
Akten … des Regierungspräsidiums in Kassel lagen vor. Wegen des übrigen
Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet. Die Beklagten sind verpflichtet, dem Kläger
den gesamten durch das streitige Unfallereignis entstandenen Schaden zu
ersetzen (§§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 1 Abs.2, 14 Abs. 1 StVO, 7, 17 StVG). Die
Beklagten schulden mindestens die Nettoreparaturkosten gemäß dem …
Gutachten und die 300,00 Euro Wertminderung, die Schadenspositionen, die sie
für gerechtfertigt halten.
Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (§ 14 Abs.1 StVO). Dies gilt auch dann,
wenn der Fahrer eines geparkten Fahrzeuges im Fahrzeug einen Regenschirm
öffnen will. Das Öffnen eines Regenschirms in einem am Rande einer
Bundessstraße geparkten Fahrzeug bei geöffneter Tür ist eine latent gefährliche
Handlung, weil eine unbeabsichtigte weitere Türöffnung droht. Kommt es zu einem
Zusammenstoß eines Fahrzeuges, das zur Rushhour auf einer Bundesstraße in
einer Ortsdurchfahrt fährt, und der Tür eines am Seitenstreifen haltenden
Fahrzeuges, dann spricht angesichts der hohen Sorgfaltsanforderung, die § 14
Abs.1 StVO stellt, der Anscheinsbeweis für Verschulden des Aussteigenden.
Ohne Erfolg machen die Beklagten geltend, der Kläger sei zu nahe am Fahrzeug
der Beklagten zu 1. vorbeigefahren. Der Sachverständige … hat überzeugend
ausgeführt, dass der seitliche Abstand zur Zeit der Kollision etwa 75 bis 80 cm
betragen habe. Dies entspricht genau dem notwendigen Mindestabstand oder ist
sogar etwas mehr als der, den die Beklagten nach der Klageerwiderung für
erforderlich halten.
Im Übrigen kann nach Auffassung des erkennenden Gerichtes bei der konkreten
Unfallörtlichkeit hier nicht verlangt werden, dass ein Fahrzeugführer, der zur
Rushhour diese belebte Bundesstraße befährt, in erster Linie sein Augenmerk auf
parkende Fahrzeuge richtet, ob dort jemand unter Verletzung des § 14 Abs. 1
StVO möglicherweise aussteigen will. Er muss dafür Sorge tragen, dass er einen
ausreichenden Abstand zur Mittellinie einhält, damit nicht so Gefahrensituationen
heraufbeschworen werden. Dies ist den Parteien im Einzelnen mit Beschluss vom
23.2.2009, auf den Bezug genommen wird, mitgeteilt worden. Aus den
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23.2.2009, auf den Bezug genommen wird, mitgeteilt worden. Aus den
beigezogenen Ermittlungsakten ergibt sich, dass die … die … ist. Die Bilder zeigen
auch die Örtlichkeit, dass die Parkstreifen letzten Endes zu schmal sind, um ein
Fahrzeug komplett dort abzustellen. Dies hat sich auch bei der Beklagten zu 1.
hier gezeigt. Wenn auf beiden Seiten Fahrzeuge parken, dann kann dies für den
Begegnungsverkehr kompliziert werden. Die Bilder Bl. 36 und 37 des
Sachverständigengutachtens und auch die Skizze Bl. 38 d.A. belegen anschaulich
die Örtlichkeit. Auf den Bildern Bl. 36 des Gutachtens. sieht man auch einen
gelben Lastwagen, der parkt. Das obere Bild zeigt vorbeifahrende Fahrzeuge unter
Benutzung der Gegenfahrbahn. Dies ist eine typische Verkehrssituation an der
fraglichen Stelle. Dies ergibt schon die Lebenserfahrung, wenn man die Maße der
Straße nimmt, die Maße der Parkbucht und die Maße von Fahrzeugen, die der
Sachverständige … dargelegt hat, sowie dem Zeitpunkt und der Art der Straße,
um die es dort geht. Es muss daher nicht auf privates Wissen zurückgegriffen
werden.
Die Beklagten haben Verschulden des Klägers an dem Unfall (Unaufmerksamkeit;
§ 1 Abs. 2 StVO nicht bewiesen. Ein Gutachter kann nicht klären, wie lange eine
Autotür offen stand, bevor ein vorbeifahrendes Fahrzeug mit der geöffneten Tür
eines parkenden Fahrzeugs kollidiert. Der Vortrag, der nachfolgende Verkehr sei
„sehr weit“ entfernt gewesen, ist auch sehr vage.
Angesichts der hohen Anforderungen des § 14 Abs. 1 StVO ist es in aller Regel
gerechtfertigt, das bei der Abwägung des § 17 StVG die Betriebsgefahr des
vorbeifahrenden Fahrzeugs in aller Regel zurücktritt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.