Urteil des LG Limburg vom 31.05.2007
LG Limburg: geschäftsführung ohne auftrag, freies ermessen, abmahnung, anwaltskosten, käufer, gebühr, sicherheitsleistung, anerkennung, ware, baurecht
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Gericht:
LG Limburg 6.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 O 44/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 2300
RVG, § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr
3101 Nr 1 RVG
Rechtsanwaltsgebühren: Geschäftsgebühr bei
Nebeneinander des Auftrags zur außergerichtlichen
Geltendmachung und des Klageauftrags für den Fall des
Scheiterns
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.379,80 Euro nebst Zinsen
hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
26.07.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin 6/10 und die Beklagte
4/10 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Klägerin bleibt es nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115
% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die in Limburg bzw. Runkel-Kerkerbach ansässigen Parteien handeln jeweils mit
Schrott und Metallen. Hierfür warb die Beklagte im Stadtgebiet Runkel mit einem
Handzettel (Anlage K1, Bl. 8 d.A.) mit dem Hinweis: "Wir zahlen
Tageshöchstpreise!". Am 07.02.2006 kaufte die Beklagte von dem Mitarbeiter der
Klägerin Gläser 5 kg Kupfer für 12,50 Euro, 4 kg Blei für 2,00 Euro sowie 160 kg
Scherenschrott für 16,00 Euro (Anlagen K2 und K3, Bl. 9 f. d.A.)
Die Klägerin mahnte deswegen die Beklagte mit Schreiben vom 14.02.2006
(Anlage K5, Bl. 13 d.A.) ab und machte Anwaltskosten in Höhe von 2,5 Gebühren
aus einem Gegenstandswert von 100.000,00 Euro zuzüglich Auslagen und
Mehrwertsteuer geltend. Die gleichzeitig vorgelegte Prozessvollmacht ihrer
Anwälte wies eine umfängliche Bevollmächtigung aus. Die Beklagte verneinte mit
Anwaltsschreiben vom 23.02.2006 (Anlage K6, Bl. 17 d.A.) ein wettbewerbswidriges
Verhalten, erklärte sich aber "im Interesse einer außergerichtlichen Erledigung
bereit, auf den beanstandeten Slogan zu verzichten und kündigte "ohne
Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung, aber gleichwohl rechtsverbindlich"
eine strafbewehrte Unterlassungserklärung an, die sie sodann mit Schreiben vom
23.02.2006 (Anlage K7, Bl. 20 d.A.) abgab. Mit Schreiben vom 28.02.2006
berechneten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieser für ihre Tätigkeit aus
einem Gegenstandswert von 100.000,00 Euro Gebühren von 3.405,00 Euro zzgl.
Mehrwertsteuer (Anlage K10, Bl. 24 d.A.). Die Beklagte lehnte am 22.03.2006 eine
Kostenerstattung ab (Anlage K9, Bl. 23 d.A.).
Die Klägerin behauptet, sie zahle entsprechend ihren Preislisten höhere
Mindestpreise, als die Beklagte Gläser vergütete. Sie hat zunächst ausgeführt (Bl.
41 d.A.), die Anwaltsgebühren seien in angemessener Höhe eingefordert, weil ein
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41 d.A.), die Anwaltsgebühren seien in angemessener Höhe eingefordert, weil ein
einstweiliges Verfügungsverfahren hätte schnellstmöglich vorbereitet werden
müssen, was mit umfangreicher Tätigkeit verbunden gewesen sei. Sie hat sodann
vorgebracht, ihren Anwälten von vornherein zwei Aufträge erteilt zu haben,
nämlich zum einen, außergerichtlich tätig zu werden, und zum anderen, für den
Fall des Scheiterns Klage zu erheben. Mit dem Ankauf von Schrott und Metallen
erziele sie einen Umsatz von mehr als 9.000.000,00 Euro, davon allein im
Stadtgebiet Runkel in Millionenhöhe.
Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin hat mit ihrer am 12.07.2006 bei Gericht
eingegangenen und der Beklagten am 26.07.2007 zugestellten (Bl. 26 d.A.) Klage
zunächst als Teilbetrag 2,5 Anwaltsgebühren aus einem Streitwert von 50.000,00
Euro mit 3.056,60 Euro brutto geltend gemacht. Nunmehr beansprucht sie –
wiederum unter Vorbehalt der Klageerhöhung - mit ihrer der Beklagten am
15.02.2007 zugestellten Klageerhöhung 1,3 Gebühren aus einem
Gegenstandswert von 400.000,00 Euro zuzüglich Auslagen und ohne
Mehrwertsteuer. Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.434,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von
8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie entgegnet, bei dem von ihr an Gläser gezahlten Preis handele es sich um
einen Spitzenpreis.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und zwar
insbesondere auf den Inhalt der vorstehend zitierten Dokumente verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 04.10.2006 (Bl. 44 d.A.)
durch Einholen eines schriftlichen Gutachtens der Rechtsanwaltskammer, welches
der Sachverständige mündlich erläutert hat.. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 29.11.2006 (Bl. 54 ff. d.A.) Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur in der der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe begründet.
1. Die Abmahnung der Klägerin war berechtigt, so dass sie gemäß § 12 Abs. 1
Satz 2 UWG Ersatz ihrer erforderlichen Aufwendungen verlangen kann.
a) Die Kammer folgt der Ansicht, dass der wegen eines Wettbewerbsverstoßes
abgemahnte Mitbewerber, der eine geforderte
Unterlassungsverpflichtungserklärung abgibt, auch dann die Abmahnkosten zu
tragen hat, wenn wie hier seine Erklärung lediglich "ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht" erfolgt (KG WRP 1977, 793; AG Oberhausen WRP 2000, 137; AG
Charlottenburg WRP 2002, 1472; a.A. Hefermehl-Bornkamm
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Anm. 1.111 zu § 12
UWG). Zum einen ist die Unterlassungserklärung einem prozessualen
Anerkenntnis im Sinne von § 307 ZPO gleichzusetzen. Wer im Rahmen eines
strittigen Rechtsverhältnisses den geltend gemachten Anspruch erfüllt, erkennt
diesen auch an. Die Erfüllung ist sogar die stärkste Form des Anerkenntnisses, so
dass die Behandlung einer Unterlassungserklärung nach den Rechtsgedanken der
§§ 307ff. ZPO gerechtfertigt ist. Zum anderen kodifiziert § 12 UWG die bisherige
ständige Rechtsprechung, die die Kostentragungspflicht mit dem
Aufwandsersatzanspruch aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag herleitete (vgl.
Hefermehl-Bornkamm
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Anm. 1.111 zu § 12 UWG). Indem der Abgemahnte zur
Vermeidung einer kostenintensiveren Unterlassungsklage seine
Unterwerfungserklärung abgibt, belegt er mit seinem Verhalten, dass die
Abmahnung, die gerade der Vermeidung des gerichtlichen Verfahrens dient,
sinnvollerweise und einem von ihm selbst erstrebten und akzeptierten Ziel
ausgesprochen wurde. Dann aber ist es nur folgerichtig, dass er der Regelung des
§ 683 BGB die Aufwendungen der für ihn erfolgten Abmahnung zu tragen hat.
b) Abgesehen davon war die Abmahnung berechtigt, weil die Beklagte sie durch ihr
Verhalten zurechenbar veranlasst hat. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin,
dass die Beklagte bereits in ihrem Schreiben vom 23.02.2006 ausdrücklich
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dass die Beklagte bereits in ihrem Schreiben vom 23.02.2006 ausdrücklich
eingeräumt hat, dass sie den Käufer Gläser den ausgelobten "Spitzenpreis" nicht
gezahlt hat. Ob die Beklagte ansonsten "Spitzenpreise" zahlt und ob sie in diesem
Fall nur deswegen weniger zahlte, weil sie den Käufer Gläser als Mitarbeiter der
Klägerin erkannt hatte, kann dahingestellt bleiben. Bei dem zulässigen
(Hefermehl-Köhler
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Anm. 10.161 zu § 4 UWG) Einsatz eines Testkäufers hätte
die Beklagte keine Ware verkaufen müssen (vgl. BGH GRUR 1987, 838 -
Lieferbereitschaft). Zu dem gleichwohl erfolgten Verkauf ist jedoch weder
vorgetragen, noch ist nach den vorliegenden Umständen anzunehmen, dass die
Beklagte offenbart hatte, dass sie dem Kunden Gläser nur deswegen weniger zu
zahlte, weil sie ihn als Testkäufer erkannt hatte. Nach außen hin hat die Beklagte
damit bewusst den Eindruck erweckt, weniger zu zahlen, als beworben. Die sich
anschließende Abmahnung hat sie deshalb zu vertreten.
2. An erforderlichen Aufwendungen sind der Klägerin Anwaltskosten in Höhe von
1.379,80 Euro entstanden.
a) Der Gebührenforderung ist unter Berücksichtigung der nachfolgend
dargestellten Kriterien ein Geschäftswert von 50.000,00 Euro zu Grunde zu legen.
Der Geschäftswert der Abmahnung richtet sich nach der Höhe des für die
Gerichtskosten maßgebenden Wertes (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 12 Abs. 1 GKG, 3
ZPO). Er ist vom Gericht durch freies Ermessen im Wege der Schätzung zu
ermitteln. Eine besondere Fallgestaltung, die die Einholung eines Gutachtens für
diese Schätzung erfordert, liegt nicht vor. Maßgebend ist das Interesse an der
Verhinderung künftiger Verletzungshandlungen. Zu berücksichtigen sind
insbesondere Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft und Marktstellung der Beteiligten,
Intensität des Wettbewerbs, der Verletzungshandlungen und der
Wiederholungsgefahr (vgl. Hefermehl/Köhler
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Anm. 5.6 zu § 12 UMWG). Da die
Abmahnung auf die Verschaffung eines endgültigen Titels gerichtet ist, ist nicht auf
den Wert eines Verfügungs-, sondern auf den Wert eines Hauptsacheverfahrens
abzustellen (vgl. Hefermehl/Köhler
25
Anm. 1.96 zu § 12 UWG). Einfach gelagerte
Sachverhalte sind wertmindernd zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 4 UWG).
Der in dem Verfahren 6 O 98/05 angesetzte Gegenstandswert ist nicht unmittelbar
vergleichbar, da es sich einerseits nur um ein Verfügungsverfahren handelte, das
Verfahren andererseits Werbemaßnahmen im unmittelbaren Umfeld der Klägerin
an ihrem Hauptsitz in Limburg zum Gegenstand hatte.
Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Klägerin weder um
ein Kleinunternehmen, noch um Großindustrie handelt. Entsprechend den
angeführten und den durch den Auszug aus dem Wareneingangsbuch belegten
Umsatzzahlen handelt es sich bei der Klägerin, so wie sie auch vor Ort bekannt ist,
um nicht mehr und nicht weniger als ein gut-mittelständisches Unternehmen. Die
Werbeaktion der Beklagten war räumlich eng begrenzt und nicht auf eine
besondere Langzeitwirkung abgestellt. Sie dürfte in 1. Linie Laufkundschaft
ansprechen, für die letztlich ohnehin der kürzere Anfahrtsweg zu der selbst in
Runkel ansässigen Beklagten die hervorgehobene Bedeutung haben dürfte.
b) Die Klägerin ist nicht auf die 0,8fache Gebühr aus Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG
beschränkt. Zutreffend verweist die Klägerin darauf, dass sich bereits aus der
Abfassung des Abmahnschreibens ableiten lässt, dass ihr zumindest auch ein
Auftrag zur außergerichtlichen Geltendmachung erteilt war. Wenn daneben für den
Fall des Scheiterns der außergerichtlichen Geltendmachung bereits Klageauftrag
erteilt war, ist dies entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Klägerin (Bl.
70 d.A.) für die hier nach Nr. 2400 VV RVG geltend gemachte Gebühr unschädlich.
c) Zu erstatten ist nur der 1,3 fache Gebührensatz, mithin 1.359,80 Euro. Die
Kammer nimmt auf das in jeder Hinsicht überzeugende Gutachten der
Rechtsanwaltskammer Bezug. Die Klägerin ist diesen Ausführungen nicht
entgegengetreten, sondern hat sich ihnen ausweislich des mit ihrer Klageerhöhung
beanspruchten Gebührensatzes angeschlossen. Damit erübrigt sich eine
eingehendere Darlegung zu diesem Punkt.
d) Anzusetzen sind weiterhin die pauschalen Auslagen für Post- und
Telekommunikation nach Nr. 7022 VV RVG mit 20,00 Euro.
e) Aufgrund ihrer Vorsteuerabzugsberechtigung kann die Kläger, wie sie zuletzt
auch eingeräumt hat, keine Umsatzsteuer auf die Anwaltskosten beanspruchen.
24 3. Die Nebenentscheidungen zu Zinsen, Kosten und vorläufiger Vollstreckbarkeit
beruhen auf §§ 286, 288 BGB, 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Die Klägerin
kann nur den gesetzlichen Zinssatz des § 288 Abs. 1 BGB beanspruchen, da eine
Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB nicht vorliegt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.