Urteil des LG Krefeld vom 27.05.2002

LG Krefeld: gewässer, satzung, lwg, graben, gemeinde, bebauungsplan, zustand, unterführung, abrede, eingriff

Landgericht Krefeld, 2 O 4/01
Datum:
27.05.2002
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Grund- und Teilurteil
Aktenzeichen:
2 O 4/01
Tenor:
Der Klageanspruch gegen die Beklagte zu 1) wird dem Grunde nach für
gerechtfertigt erklärt.
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) wird abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) werden den Klägern
auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der durch den Beklagten zu 2) zu
vollstreckenden Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.700,00
€ vorläufig vollstreckbar. Dem Beklag-ten zu 2) wird nachgelassen, die
Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen
Großbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse zu erbringen.
Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung und unerlaubter
Handlung.
2
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks F-straße in der Gemeinde G, dem Gebiet
der Beklagten zu 1). Das Grundstück der Kläger befindet sich am südlichen Rand des
Baugebietes F, das am südwestlichen Ortsrand von G gelegen ist. Westlich des
Baugebiets liegt die L 39, jenseits dieser Straße befinden sich Felder. An den südlichen
Rand des Baugebiets angrenzend verläuft der S-weg, der in westlicher Richtung die L
39 unterquert und dort als Wirtschaftsweg weiter geführt wird. Entlang dieses Weges
fließt, aus westlicher Richtung kommend, das Gewässer 12.071, das der Entwässerung
des Wirtschaftsweges und der Parzellen westlich der L 39 dient. Das Gewässer verläuft
als offener Graben entlang des Wirtschaftsweges bis zur L 39, unterquert diese
ebenfalls und mündet etwa 200 m hinter dem Grundstück F-straße 000 in den
Entwässerungsgraben 12.7, der als verrohrtes Gewässer weiter geführt wird.
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Die Gewässer 12.071 und 12.7 sind dem Verbandsgebiet des Beklagten zu 2)
zugehörig. Gemäß seiner Satzung vom 11.10.1995 (Bl. 134ff. GA), auf die Bezug
genommen wird, obliegt innerhalb seines Verbandsgebietes dem Beklagten zu 2) die
Aufgabe der Gewässerunterhaltung (§ 3 I a) der Satzung). Der Bau und die Unterhaltung
von Anlagen sowie der Ausgleich der Wasserführung und die Sicherung des
Hochwasserabflusses können gemäß § 3 I b) und c), III der Satzung dem Beklagten zu
2) übertragen werden, ansonsten verbleiben diese Aufgaben weiter bei der zuvor
zuständigen Behörde.
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Die Bebauung des Gebietes F beruht auf dem Bebauungsplan "Nordkanal" der
Beklagten zu 1) vom 18.12.1981 sowie späterer Änderungen. Ausweislich eines
Vermerks des Bauamtes der Beklagten zu 1) vom 27.06.1977 beabsichtigte die
Beklagte zu 1) zunächst die Anlegung eines Entwässerungskanals sowie eines
Rückhaltebeckens; dieses Vorhaben wurde im weiteren Verlauf des
Planungsverfahrens nicht umgesetzt. Im Rahmen des Bauplanungsverfahrens wurde
auch der Beklagte zu 2) um Stellungnahme zu dem Bebauungsplan gebeten (§ 4
BauGB). Mit Schreiben vom 09.08.1977 (Bl. 379 GA) und vom 22.10.1980 (Bl. 380 GA)
teilte der Beklagte zu 2) mit, im Bebauungsplan sei klarzustellen, dass ein bestimmter
Zaunabstand zu dem Gewässer 12.071 einzuhalten und Anschüttungen und
Geländeerhöhungen in dem Gewässer nicht gestattet seien. Weitere Bedenken gegen
die Aufstellung des Bebauungsplanes äußerte der Beklagte zu 2) nicht.
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Nach heftigen Regenfällen kam es am 30.06.1997 zu einer Überschwemmung in dem
gesamten F-Gebiet, von der auch das Haus der Kläger betroffen war. Im Auftrag u.a. der
Kläger erstellte zunächst der Sachverständige M ein Privatgutachten über die Ursache
der Überschwemmung. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die Überflutung sei
zurückzuführen auf einen Stau von Wasser vor und in der Verrohrung, einen durch
Verschlammung und gegebenenfalls Unterdimensionierung verursachten
eingeschränkten Rohrquerschnitt und durch die Aufpflasterung der Straßenflächen. Im
Rahmen eines von mehreren Bewohnern des betroffenen Gebietes, u.a. den Klägern,
eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens (AZ 4 OH 15/97 Landgericht Krefeld)
führte der beauftrage Sachverständige Prof. Dr. K zur Frage der Ursache der
Überschwemmung aus, zum einen habe sich im Bereich des jetzigen Baugebietes
ursprünglich eine Erdsenke befunden, die die Funktion eines natürlichen
Retentionsbecken gehabt habe. In diesem Becken habe sich das von den Feldern
westlich der L 39 kommende Regenwasser zunächst sammeln können, so dass das
Volumen des je Zeiteinheit abfließenden Wassers vermindert worden sei. Durch die
Bebauung des Gebietes sei diese Senke beseitigt worden, ohne dass ein Ersatz
geschaffen worden sei. Das Fehlen eines Vorflutbeckens führe bei größeren
Niederschlagsmengen zu Überschwemmungen des Gebietes. Zum Zweiten sei das
Entwässerungssystem nicht hinreichend dimensioniert und nicht ordnungsgemäß
gewartet worden. Es fehle zudem vor den Einläufen in die Verrohrung eine
Ablagerungsmöglichkeit für angeschwemmten Schlamm. Wegen der Einzelheiten wird
auf die Gutachten des Sachverständigen K vom Februar und August 2000 (Bl. 29ff. und
46ff. GA) verwiesen.
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Die Kläger begehren Ersatz des ihnen durch die Überschwemmung entstandenen
Schadens.
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Der Beklagten zu 1) werfen sie ein Planungsverschulden vor. Sie hätte vor Ausweisung
des Gebietes als Baugebiet prüfen müssen, inwieweit eine Bebauung zu einem Eingriff
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in die vorhandenen Entwässerungssysteme führen und gegebenenfalls eine
Erweiterung des Systems erforderlich werden würde. Durch die fehlende Schaffung
eines Ersatzes für das beseitigte natürliche Retentionsbecken sei der ohnehin nicht
ausreichend dimensionierte Entwässerungsgraben 12.071 überflutet worden. Dass zur
Verhinderung von Überschwemmungen des Baugebietes Maßnahmen zu treffen
gewesen seien, sei für die Beklagte zu 1) auch erkennbar gewesen; so sei das in Rede
stehende Gebiet, wie sich aus Zeitungsartikeln ergebe, bereits in den 50er Jahren
häufig überschwemmt gewesen. Dass die Gefahr von Überschwemmungen von der
Beklagten zu 1) zunächst gesehen worden sei, ergebe sich auch aus dem Vermerk des
Bauamtes vom 27.06.1977.
Der Beklagte zu 2) habe, wie sich aus den Ausführungen der Sachverständigen M und
K zum Zustand und zur Dimensionierung des Gewässers 12.071 ergebe, sowohl die
ihm obliegende Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung und der Sicherung des
Hochwasserabflusses als auch seine Pflicht zu ordnungsgemäßen Unterhaltung des
Gewässers verletzt. Der Beklagte zu 2) hätte bei der Planung des Baugebiets, an der er
beteiligt worden war, zudem prüfen müssen, ob die Bebauung eine Veränderung der
Wasserführung erforderlich machen könnte. Entsprechend dieser Pflicht habe der
Beklagte zu 2) bereits vor der Überschwemmung vom 30.06.1997 Überlegungen
angestellt, das Gewässer 12.071 zu verlegen, die Verlegung dann jedoch nicht
durchgeführt.
9
Die Kläger beantragen,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 26.962,46 DM nebst 4 %
Zinsen für den Zeitraum vom 15.04.1998 bis zum 30.04.2000 sowie 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2000 zu zahlen.
11
Die Beklagten beantragen,
12
die Klage abzuweisen.
13
Die Beklagte zu 1) bestreitet eine ursächliche Pflichtverletzung ihrerseits. Soweit die
Kläger sich auf ein Planungsverschulden berufen, fehle es bereits an dem für eine
Haftung erforderlichen drittschützenden Charakter der Amtspflichten im Rahmen der
Bauleitplanung. Auch eine sonstige Pflichtverletzung sei ihr nicht vorzuwerfen, da die
Überschwemmung auch bei pflichtgemäßem Verhalten nicht vermeidbar gewesen sei.
Das von ihr bei der Schaffung des Baugebietes geplante Entwässerungssystem des
Baugebietes selbst sei hinreichend dimensioniert. Bei den Niederschlägen, die zu der in
Rede stehenden Überschwemmung geführt haben, handele es sich um einen
sogenannten Jahrhundertregen, der bei der Dimensionierung außer Betracht zu bleiben
habe. Das in die Häuser des Baugebietes eingedrungene Wasser sei zudem nicht aus
dem Kanal 12.071 gekommen, es handele sich vielmehr um Wildwasser von den
Parzellen jenseits der L 39, das von außerhalb des Planungsgebietes durch die
Unterführung in das Baugebiet eingeströmt sei. Sollte sich tatsächlich an der Stelle des
jetzigen F-Gebietes eine Senke mit der Funktion eines natürlichen Retentionsbeckens
befunden haben, was die Beklagte zu 1) in Abrede stellt, wäre die Beseitigung dieser
Senke daher nicht kausal für den Schaden. Die Überschwemmung sei für sie auch nicht
vorhersehbar gewesen, zumal das Baugebiet F nie als Überschwemmungsgebiet
ausgewiesen worden sei. Auch der insoweit zuständige Beklagte zu 2) habe im
Rahmen der Bauleitplanung Bedenken pflichtwidrig nicht geäußert. Schließlich habe
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die Beklagte zu 1) die technische Planung des Baugebiets nicht selbst durchgeführt; auf
die Berechnungen des beauftragen Planungsbüros habe sie sich verlassen dürfen.
Der Beklagte zu 2) ist der Auffassung, im Hinblick auf § 3 III seiner Satzung obliege ihm
mangels Übernahme die Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung und der Sicherung
des Hochwasserabflusses von vornherein nicht. Seiner Pflicht zur Unterhaltung sei er in
hinreichendem Maße nachgekommen, wie sich aus dem genehmigten
Gewässerunterhaltungsplan vom 01.03.1997 (Bl. 198 ff. GA) ergebe. Soweit nach der
Überschwemmung die Rohre des Kanals verschlammt waren, sei das eine natürliche
Folge der Überschwemmung; vorher seien die Rohre in ordnungsgemäßem Zustand
gewesen.
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Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16
Entscheidungsgründe:
17
Der zulässige Klageantrag gegen die Beklagte zu 1) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Hinsichtlich des Beklagten zu 2) war die Klage als unbegründet abzuweisen.
18
A.
19
Da der Rechtsstreit lediglich hinsichtlich des Beklagten zu 2) entscheidungsreif war,
hatte insoweit die Kammer gemäß § 301 ZPO durch Teilurteil zu entscheiden. Bezüglich
der Beklagten zu 1) hat die Kammer durch Grundurteil gemäß § 304 ZPO entschieden,
da die Höhe des Anspruchs noch der Aufklärung bedarf.
20
B.
21
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist nicht begründet und war durch Teilurteil
abzuweisen. Ansprüche stehen den Klägern gegen den Beklagten zu 2) aus keinem
ersichtlichen Rechtsgrund zu.
22
I.
23
Eine Haftung des Beklagten zu 2) aufgrund der von den Sachverständigen bemängelten
unzureichenden Dimensionierung der Gewässer 12.071 und 12.7 besteht nicht.
24
1) Ein Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist nicht begründet.
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Die ausreichenden Dimensionierung von Gewässern ist Teil der in §§ 87ff. LWG NW
geregelten Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung. Im Rahmen dieser Pflicht obliegt
dem Pflichtigen auch das Treffen von Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Solche
Maßnahmen sind eine hoheitliche Tätigkeit mit drittschützendem Charakter, so dass
eine Verletzung der Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung grundsätzlich
Schadensersatzansprüche aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG begründen kann (BGH
DVBL. 1983, 1055, 1056 m.w.N.). Die Pflicht zum Ausgleich der Wasserführung kann
gemäß § 87 III LWG NW auch auf Wasserverbände übertragen werden. Gemäß § 3 III
der Satzung des Beklagten zu 2) ist für die Übertragung jedoch eine
Pflichtenübernahme durch den Beklagten zu 2) erforderlich. Dass eine solche
Übernahme, die der Beklagte zu 2) in Abrede stellt, erfolgt ist, haben die darlegungs-
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und beweispflichtigen Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Sie beschränken sich
insoweit auf die Behauptung, eine Übernahme, die nicht zwingend in Form eines
konkreten Übernahmeaktes vorzunehmen sei, sei erfolgt, ohne näher darzutun, durch
welche wie auch immer rechtlich zu qualifizierende Handlung des Beklagten zu 2) die
Übernahme erfolgt sein soll. Es kann daher dahinstehen, ob für eine Übernahme ein
formeller Übernahmeakt erforderlich ist, da jedenfalls auch eine konkludente oder
faktische Übernahme der Pflichten nicht ersichtlich ist. Soweit die Kläger vortragen, der
Beklagte zu 2) habe sich schon immer mit dem Ausbau und der Erweiterung von
Entwässerungssystemen im Gemeindegebiet der Beklagten zu 1) befasst, genügt diese
pauschale Behauptung für die Annahme einer Übernahme nicht. Auch aus dem
Umstand, dass der Beklagte zu 2) sich bereits vor den Überschwemmungen 1997 mit
der Frage einer etwaigen Verlegung des Grabens 12.071 befasst hat, ist eine
Übernahme der in Rede stehenden Pflicht nicht herzuleiten. Denn nach unwiderlegtem
Vortrag des Beklagten zu 2) wurden diese Überlegungen nicht im Zusammenhang mit
dem Schutz vor zu befürchtenden Überflutungen angestellt. Vielmehr sollte durch die
Verlegung der Gewässer die Herstellung eines ökologisch wertvolleren Zustandes
erreicht werden. Diese Intention des Beklagten zu 2) ist dem von ihm zu dem Akten
gereichten Schriftwechsel zu entnehmen. Schließlich deutet auch das Einstehen des
Beklagten zu 2) für ein Schadensereignis im Jahre 1996 nicht auf eine
Pflichtenübernahme hin. Denn Ursache der seinerzeitigen Überschwemmung war nach
übereinstimmendem Vortrag der Parteien ein verstopfter Rechen vor der
Gewässerverrohrung. Tangiert war daher die dem Beklagten zu 2) obliegende Pflicht
der Gewässerunterhaltung, also ein anderer Aufgabenbereich.
Nachdem eine Übernahme des in Rede stehenden Pflichtenbereichs nicht erfolgte,
können die Kläger Ansprüche auch nicht auf den Umstand stützen, dass im Rahmen der
Bauleitplanung der Beklagte zu 2) weitere Bedenken gegen den Bebauungsplan nicht
geltend gemacht hat. Denn eine Anhörung erfolgt im Rahmen der Bauplanung nur in
den Grenzen des jeweiligen Aufgabenbereiches des Anzuhörenden.
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Schließlich war der Beklagte zu 2) mangels Übernahme der entsprechenden Pflichten
auch nicht verpflichtet, die von ihm unstreitig nicht erstellten Verrohrungseingänge mit
Einrichtungen zur Schlammabsetzung zu versehen.
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2) Schadensersatzansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff kommen nach obigen
Ausführungen sowie dem Umstand, dass ein Eingriff des Beklagten zu 2) nicht
ersichtlich ist, ebenfalls nicht in Betracht.
29
II.
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Auch aus der von den Klägern behaupteten unzureichenden Gewässerunterhaltung
durch den Beklagten zu 2) können Schadensersatzansprüche nicht hergeleitet werden.
Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit nur § 823 I BGB in Betracht, da es sich bei der
Pflicht zur Gewässerunterhaltung nicht um eine Dritten gegenüber bestehenden
Rechtspflicht handelt (vgl. BGH DVBl. 1983, 1055/1057 m.w.N.; OLG Celle VersR 1989,
484/485). Eine Verletzung dieser dem Beklagten zu 2) unstreitig gemäß §§ 3 I a, 5 I a)
der Satzung obliegenden Pflicht zur Gewässerunterhaltung, die für den Schaden
ursächlich geworden wäre, ist jedoch nicht gegeben. Soweit die Kläger behaupten, zum
Zeitpunkt des Schadenseintrittes sei der Graben des Gewässers 12.071 verkrautet und
verschlammt gewesen, haben sie diesen von dem Beklagten zu 2) in Abrede gestellten
Umstand bereits nicht auf geeignete Weise unter Beweis gestellt. Zu Unrecht berufen
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sich die Kläger insoweit auf die Ausführungen bzw. das Zeugnis des Sachverständigen
K, der lediglich den Zustand mehrere Monate nach dem Schadensereignis begutachtet
hat und Angaben zum Zustand der Gewässer vor der Überschwemmung nicht machen
kann. Dass Anlieger oder sonstige Personen hinreichend konkrete Angaben zum
Umfang der Vegetation in dem Graben vor dem Schadensereignis machen könnten, ist
weder vorgetragen noch ersichtlich; entsprechendes gilt für die von der Beklagten zu 1)
benannten Zeugen. Auch hat der Beklagte zu 2) durch Vorlage des genehmigten
Gewässerunterhaltungsplans und der "Zusammenstellung der Unterhaltungsarbeiten
der Gewässer im Bereich des F-gebietes" nachgewiesen, dass er seiner
Unterhaltungspflicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist. Die Richtigkeit der
Zusammenstellung stellen die Kläger nicht in Abrede. Soweit die Beklagte zu 1)
behauptet, in dem von dem Beklagten zu 2) angegebenen Zeitraum sei eine
Rohrreinigung nicht möglich, ist diese bloße Behauptung unsubstantiiert, so dass auch
den angebotenen Beweisantritten nicht nachzugehen war.
Nach alledem sind Schadensersatzansprüche der Kläger gegen den Beklagten zu 2)
nicht ersichtlich.
32
C.
33
Der Anspruch gegen die Beklagte zu 1) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
34
I.
35
Eine Erledigung des Rechtsstreits durch den am 05.11.2001 geschlossenen Vergleich
ist angesichts des Widerrufs des Beklagten zu 2) auch für die Beklagte zu 1) nicht
eingetreten, da die Fortsetzung des Rechtsstreits durch alle Parteien nach dem Widerruf
des Vergleichs und die Stellung der Anträge in der Sitzung vom 22.04.2002 als
einverständliche Aufhebung des Vergleichs auszulegen ist.
36
II.
37
Den Klägern steht gegen die Beklagte zu 1) dem Grunde nach ein
Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu. Die Beklagte zu 1) hat
schuldhaft eine ihr gegenüber den Klägern obliegende Pflicht verletzt, ohne dass
anderweitige Ersatzmöglichkeiten gegeben sind.
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1) Auf eine etwaige Verletzung von Amtspflichten der Beklagten zu 1) im Rahmen der
Bauleitplanung können Ansprüche zwar nicht gestützt werden. Wie die Beklagte zu 1)
zutreffend ausführt, sind bezüglich dieser Pflichten die Kläger nicht geschützte Dritte im
Sinne des § 839 BGB sind (vgl. BGHZ 140, 381/382ff.).
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2) Die Beklagte zu 1) hat jedoch die ihr ebenfalls obliegende Pflicht zur Beseitigung der
im Baugebiet anfallenden Abwässer verletzt.
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a) Gemäß § 53 I LWG NW ist die Beklagte zu 1) verpflichtet, die im Baugebiet
anfallenden Abwässer zu beseitigen, wobei unter Abwasser sowohl Schmutz- als auch
Niederschlagswasser zu verstehen ist (§ 51 I LWG NW). Bei der Sammlung und
Beseitigung von Abwässern innerhalb des Gemeindegebietes handelt es sich um eine
öffentliche Einrichtung, die der Gemeinde als hoheitliche Aufgabe obliegt. Daher haftet
die Gemeinde für Fehler bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb einer solchen
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Anlage, die nicht lediglich die Allgemeinheit, sondern auch die Anlieger vor
Überschwemmungsschäden bewahren soll und daher im Verhältnis zu den Anliegern
drittschützend ist, nach den Grundsätzen der Amtshaftung (vgl. BGHZ 140, 381/384f.).
b) Diese ihr obliegende Pflicht hat die Beklagte zu 1) verletzt, denn sie hat keine
hinreichenden Maßnahmen zur Sammlung und Beseitigung von Abwässern des
Baugebiets - sei es durch größere Dimensionierung des Entwässerungssystems des
Baugebiets, sei es durch Schaffung eines ersatzweisen Retentionsbeckens, sei es
durch andere, auf die anfallenden Wassermengen abgestimmte Maßnahmen - getroffen.
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Im Ergebnis offen bleiben kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es sich bei
dem infolge der starken Regenfälle am 30.06.1997 in das Baugebiet einströmenden
Wasser um solches handelt, das zunächst in den Graben 12.071 floss, von diesem nicht
mehr aufgenommen werden konnte und dann wegen des nicht mehr vorhandenen
Retentionsbeckens in das bebaute Gebiet floss, wie die Kläger behaupten, oder aber ob
es sich entsprechend dem Vortrag der Beklagten zu 1) um Wasser handelte, das
unmittelbar von den westlich der L 39 gelegenen Parzellen durch die Unterführung in
das Baugebiet strömte, ohne vorher von dem Entwässerungsgraben 12.071
aufgenommen worden zu sein. Denn die Gemeinde haftet nicht nur für Schäden, die
durch den Austritt von Wasser aus der Kanalisation verursacht werden, sondern
gleichfalls für solche Schäden, die darauf zurückzuführen sind, dass Regenwasser
infolge einer nicht ausreichenden Aufnahmekapazität gar nicht erst in die Rohrleitungen
gelangt, sondern unmittelbar in die anliegenden Häuser fließt (BGH aaO 384f.).
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Zu Unrecht beruft sich die Beklagte zu 1) ferner darauf, sie habe bei der
Dimensionierung des Entwässerungssystems des Baugebietes F etwa von außerhalb
des Baugebietes eindringendes Wasser nicht berücksichtigen müssen. Denn entgegen
ihrer Auffassung hatte die Beklagte zu 1) bei der Planung und Erstellung des
Entwässerungssystems des Baugebietes nicht lediglich den innerhalb des Baugebietes
liegenden Umstände Rechnung zu tragen, sondern war vielmehr dazu verpflichtet, auch
jenseits der Grenzen des eigentlichen Planungsgebietes liegende Umstände in ihre
Planung mit einzubeziehen. Sie hat bei der Planung und Dimensionierung der
erforderlichen Entwässerungsmaßnahmen entscheidend auf die tatsächlichen
Verhältnisse, insbesondere in abwasserwirtschaftlicher und -technischer sowie in
topographischer Hinsicht abzustellen und muss daher bei ihren Planungen von der
Gesamtmenge des im Baugebiet abzuführenden Wassers unabhängig von dessen
Herkunft ausgehen (BGH aaO S. 387). Die Beklagte zu 1) hatte demzufolge auch das
von westlich der L 39 eindringende Wasser, das nach Vermischung mit dem im
Planungsgebiet selbst anfallenden Oberflächenwasser gemäß § 53 I LWG NW
insgesamt abzuführen war, mit zu berücksichtigen. Insoweit traf die Beklagte zu 1), wie
sie zutreffend geltend macht, zwar nicht die Pflicht, ein Entwässerungssystem zu
errichten, das alle denkbaren Niederschlagsmengen, insbesondere auch nach äußerst
selten auftretenden, außergewöhnlich heftigen Niederschlägen - sogenannten
Jahrhundertregen - aufzunehmen vermag (BGH aaO S. 389). Dass es sich indes bei
den Regenfällen vom 30.06.1997 um einen solchen Jahrhundert- oder
Katastrophenregen gehandelt hat, der bei der Planung berechtigterweise
unberücksichtigt gelassen werden konnte, hat die insoweit darlegungs- und
beweispflichtige Beklagte zu 1) nicht bewiesen. Insbesondere ergibt sich aus dem zu
Beweiszwecken von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Deutschen
Wetterdienstes (DWD) nicht zur hinreichenden Überzeugung der Kammer, dass die
relevanten Niederschläge als Jahrhundertregen zu qualifizieren sind. Denn zum einen
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führt der DWD selbst aus, die Niederschläge am 30.06.1997 seien großen räumlichen
und zeitlichen Schwankungen unterworfen gewesen. Diese starken Schwankungen
sind auch den aufgeführten Messergebnissen zu entnehmen. So entsprach die
gemessene Regenmenge im Bereich N zwar einem Jahrhundertregen, nicht aber der
Niederschlag im Bereich der nähergelegenen Meßstelle Kläranlage G. Aus den
Meßergebnissen sind daher keine sicheren Rückschlüsse über die
Niederschlagsmenge in dem fraglichen Gebiet zu ziehen. Soweit das Gutachten sich
über eine geschätzte Niederschlagsmenge von etwa 35 bis 45 mm binnen 2 Stunden in
dem "Schadensgebiet" verhält, ist nach den weiteren Ausführungen erst ab einer
Niederschlagsmenge von 40 mm von einem Jahrhundertregen auszugehen. Ob diese
Niederschlagsmenge erreicht wurde, steht nicht fest. Darüber hinaus kommt es – wie
auch die Beklagte zu 1) zutreffend ausführt - zur Überzeugung der Kammer auf die
Niederschlagsmenge im Schadensgebiet nicht an. Denn zwischen den Parteien
herrscht Einigkeit, dass das Wasser von den Gebieten jenseits der L 39 in das
Baugebiet hereinströmte, so dass entscheidend die Niederschlagsmenge in diesem
Bereich ist. Hierüber enthält das Gutachten keine Angaben. Schließlich ist zu
berücksichtigen, dass es nach übereinstimmendem Parteivortrag nach dem
streitgegenständlichen Ereignis zu weiteren Überschwemmungen infolge von
Niederschlägen kam, die im Ausmaß lediglich deshalb nicht so gravierend waren, weil
die Beklagte zu 1) inzwischen Präventivmaßnahmen, insbesondere die Verschließung
der Unterführung der L 39 ergriffen hatte. Dass es sich auch bei den folgenden
ursächlichen Niederschlägen um einen Jahrhundertregen gehandelt habe, trägt die
Beklagte zu 1) nicht vor. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten
Gutachten. Soweit die Beklagte zu 1) behauptet, zu den weiteren Überflutungen auch
bei nicht als Jahrhundertregen zu qualifizierenden Niederschlägen sei es nur deshalb
gekommen, weil das Wasser auf den einmal gebahnten Weg zurückgreife, handelt es
sich um eine nicht beweisbare Vermutung der Beklagten zu 1).
Die Kammer sah sich nicht veranlasst, den weiteren Beweisangeboten der Beklagten zu
1) in der Klageerwiderung vom 19.03.2002 (Bl. 122 GA) zu der Frage des
Jahrhundertregens nachzugehen. Denn dem Vortrag der Beklagten zu 1) lässt sich nicht
entnehmen, auf welche Weise die benannten Zeugen sich hinsichtlich der von der
Beklagten zu 1) behaupteten Wassermengen und des Zeitraums des Eindringens des
Wassers vergewissert haben wollen. Die Beklagte zu 1) trägt nicht vor, dass die
benannten Zeugen von Beginn der Überschwemmung an mit Messeinrichtungen an der
in Rede stehenden Unterführung standen. Aufgrund bloßer Schätzungen kann jedoch
nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt werden, ob die eingedrungene Wassermenge
einen Rückschluss auf einen Jahrhundertregen erlaubt, so dass der Beweisantritt
ungeeignet ist.
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3) Die Beklagten zu 1) verletzte die ihr obliegende Pflicht auch zumindest fahrlässig und
damit schuldhaft. Denn die Überflutung des F-gebietes bei heftigen Regenfällen war für
sie nicht nur vorhersehbar, sondern wurde, wie den Planungsunterlagen zu entnehmen
ist, auch tatsächlich von der Beklagten zu 1) erkannt. Wie sich nämlich aus dem
Vermerk der Beklagten zu 1) im Rahmen der Bauplanung ergibt, plante die Beklagte zu
1) ursprünglich die Errichtung eines Retentionsbeckens für das Planungsgebiet. Diese
ursprüngliche Planung spricht dafür, dass sich die Beklagte zu 1) der durch
Überschwemmungen drohenden Gefahren gegenwärtig war, denn nur dann musste sie
sich zum Bau eines Retentionsbeckens veranlasst sehen. Hinzu kommt, dass, wie sich
aus einem in dem Parallelverfahren 2 O 184/01 zu den Akten gereichten Zeitungsartikel
vom 28.09.1956, auf den die Parteien auch in diesem Verfahren Bezug nehmen, ergibt,
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das spätere Baugebiet bereits zu dieser Zeit – unabhängig von der konkreten Ursache -
häufig überflutet wurde. Die Überschwemmungsgefahr war also ersichtlich allgemein
erkannt. Dass unstreitig das Gebiet nicht offiziell als Überschwemmungsgebiet
ausgewiesen war, entlastet die Beklagte zu 1), die sich nicht nur auf die Einbeziehung
bereits förmlich festgesetzter Umstände beschränken darf, nicht.
Soweit die Beklagte zu 1) sich darauf beruft, im Rahmen der Bauleitplanung die
Beklagte zu 2) sowie die anderen Träger öffentlicher Belange ordnungsgemäß beteiligt
zu haben, ohne dass Einwände gegen die Planung erhoben worden seien, vermag sie
dieser Umstand nicht zu entlasten. Denn nach obigen Ausführungen lag die Prüfung
weiterer Umstände nicht im Pflichtenbereich des Beklagten zu 2).
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Unerheblich für die Frage des Verschuldens der Beklagten zu 1) ist, ob und in welchem
Umfang sie die Planung des Baugebietes durch ein beauftragtes Planungsbüro hat
durchführen lassen. Denn etwaige Fehler dieses Büros muss sie sich zurechnen lassen.
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4) Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ist nicht ersichtlich, so dass die Haftung der
Beklagten zu 1) nicht aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes entfällt.
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Den Klägern steht nach alledem dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus §
839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
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Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beklagten zu 2) ergibt sich aus § 91 I 1 ZPO,
die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1 ZPO.
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Die weiteren Nebenentscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
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Streitwert: bis 16.000,00 €.
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