Urteil des LG Krefeld vom 07.04.2006

LG Krefeld: käufer, neues vorbringen, juristische person, krankheit, unternehmer, sachmangel, beweislastumkehr, markt, beschädigung, ausnahme

Landgericht Krefeld, 1 S 116/05
Datum:
07.04.2006
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 S 116/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 70 C 139/04
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.09.2005
verkündete Urteil des Amtsgerichts Krefeld wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Streitwert für die Berufungsinstanz: € 1.186,70
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die Klägerin, die mit Vertrag vom 11.08.2002 bei der Beklagten den Kater "Dusty vom
Zoo" erwarb und am 06.10.2002 in Empfang nahm, macht gegen die Beklagte
Ansprüche auf Schadensersatz wegen aufgewendeter Tierarztkosten geltend.
Erstinstanzlich hat sie insoweit zunächst Zahlung von
2
€ 1.243,13 verlangt. Nach teilweiser Klagerücknahme vor dem Amtsgericht in Höhe von
€ 56,43 beansprucht sie von der Beklagten nunmehr Zahlung von
3
€ 1.186,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 12.12.2003.
4
Mit Urteil vom 12.09.2005 hat das Amtsgericht Krefeld die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen
Antrag auf Zahlung von € 1.186,70 nebst Zinsen weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
5
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
6
Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
7
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht bewiesen habe,
dass das von ihr erworbene Tier "Dusty vom Zoo" bereits bei Übergabe am 06.10.2002
an der später festgestellten Pilzerkrankung Mikrosporie gelitten habe bzw. schon bei
Übergabe mit dem Erreger microsporum canis befallen war.
8
Mit der Berufung wendet sich die Klägerin allein gegen die Rechtsauffassung des
Amtsgerichts, wonach die Klägerin als Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB
anzusehen sei mit der Folge, dass die Vermutungswirkung des § 476 BGB für sie nicht
eingreife.
9
Das Amtsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Klägerin
nicht auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB stützen kann.
10
Allerdings ist die Klägerin nach Auffassung der Kammer vorliegend nicht als
Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB anzusehen.
11
Nach dieser Vorschrift ist Unternehmer jede natürliche oder juristische Person oder
rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in
Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Dass
diese Voraussetzungen bei der Klägerin erfüllt sind, hat die Beklagte bereits nicht
ausreichend dargelegt.
12
Unstreitig ist, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses mit der
Beklagten Halterin dreier Katzen war (zweier weiblicher Katzen, eine davon tragend,
und eines kastrierten Katers). Ebenfalls hat die Klägerin eingeräumt, die jeweils
geworfenen Jungen verkauft zu haben, wobei im Jahr 2002 zwei Würfe und im Jahr
2003 ein Wurf angefallen sind.
13
Allein diese Umstände reichen jedoch nicht aus, die Klägerin, die sich als
"Hobbyzüchterin von Katzen" bezeichnet, als Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB
anzusehen. Eine gewerbliche Tätigkeit der Klägerin liegt nur dann vor, wenn sie am
Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbietet. Dazu muss sie
einen gewissen organisatorischen Mindestaufwand betreiben (Micklitz in: Münchener
Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 14, Rdn. 13).
14
Vorliegend bestehen schon Zweifel daran, ob der Verkauf der jeweils geborenen
Jungkatzen durch die Klägerin eine dauerhaft am Markt angebotene Leistung ist. Denn
es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin außer der nur sehr gelegentlichen Abgabe von
Welpen (ein- bis zweimal im Jahr) dauerhaft als Anbieterin am Markt tätig war.
Insbesondere fehlt es jedoch an einer planvollen gewerblichen Tätigkeit. Die Klägerin
gibt lediglich die im Jahr geborenen Katzenwelpen ab, ohne dass angesichts von Art
und Umfang des von ihr gehaltenen Katzenbestands eine planvolle Ausrichtung auf
eine Vielzahl von Geschäften dargelegt wäre. Sinn und Zweck des
Unternehmerbegriffes im Rahmen von Verbrauchergeschäften ist es aber, ein typisiertes
wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Verbraucher
auszugleichen. Dabei resultiert das wirtschaftliche Ungleichgewicht regelmäßig daraus,
dass der Unternehmer durch planmäßige Ausrichtung auf den Abschluss einer Vielzahl
15
von Geschäften über überlegene Kenntnisse des Marktes verfügt. Von einem solchen
wirtschaftlichen Ungleichgewicht kann nicht die Rede sein, wenn – wie vorliegend – der
Rechtsträger nur ein- bis zweimal im Jahr einen privaten Gelegenheitsverkauf tätigt.
Ferner hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Klägerin für die Veräußerung der
überzähligen Welpen einen gewissen organisatorischen Mindestaufwand betreibt.
16
Der Umstand, dass die Klägerin den streitbefangenen Kater "Dusty vom Zoo"
ausweislich des schriftlichen Vertrags vom 11.08.2002 (Blatt 37 d.A.) als Zuchttier
erworben hat, steht dem nicht entgegen. Denn die Tatsache, dass die Klägerin Katzen
züchtet, bedeutet nicht, dass diese Zucht zwangsläufig gewerblichen Zwecken dient.
Vielmehr kann die Zucht, zumal in dem von der Klägerin betriebenen sehr geringen
Umfang, allein der Pflege eines privaten Hobbys dienen. Gerade das hat die Klägerin
von Anfang an vorgetragen.
17
Auch die von der Beklagten zweitinstanzlich vorgelegten Suchergebnisse der Internet-
Suchmaschine "Google" (Bl. 252 ff. d.A.) führen zu keinem anderen Ergebnis.
Ungeachtet der Frage, ob es sich insoweit um neues Vorbringen im Sinne des § 531
Abs. 2 ZPO handelt, ist aus der vorgelegten Google-Anfrage nicht ersichtlich, ob und
inwieweit die Klägerin in dem hier maßgeblichen Zeitraum planmäßig und dauerhaft
Katzen bzw. Katzenwelpen entgeltlich am Markt angeboten hat. Denn unstreitig hat die
Klägerin etwa anfallende Würfe von Katzenwelpen verkauft, ohne dass hieraus allein
der Schluss auf eine gewerbliche Tätigkeit gezogen werden könnte. Insoweit wird auf
die obigen Ausführungen Bezug genommen. Zudem hat sie unbestritten vorgetragen,
auch für eine Bekannte aus Gefälligkeit Katzen aus deren Hobbyzucht vermittelt zu
haben, wofür sie keine Vergütung erhalten habe.
18
Überdies lässt die Kopie der Suchergebnisse, die jeweils nur einen Kurzauszug aus
den aufgelisteten Internetseiten wiedergibt, nicht erkennen, ob und ggf. welche
Geschäftsvorfälle dem Suchergebnis jeweils zugrunde liegen. Ersichtlich sind zudem
auch die Internetseiten von Katzen-Foren oder Gästebüchern aufgeführt, so dass
Eintragungen unter dem Namen der Klägerin nicht ohne weiteres auf das Anbieten des
Verkaufs von Katzen bzw. Katzenwelpen schließen lassen.
19
Auch wenn daher – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – die Anwendbarkeit der
Regeln des Verbrauchsgüterkaufs (§§ 474 ff. BGB) nicht an der
Unternehmereigenschaft der Klägerin scheitert, kann sie sich im vorliegenden Fall
gleichwohl nicht auf die Vermutung des § 476 BGB stützen, weil diese Vermutung mit
der Art des geltend gemachten Mangels unvereinbar ist.
20
Grundsätzlich hat im Rahmen der Gewährleistungsansprüche beim Kaufvertrag der
Käufer nicht nur das Vorliegen eines Sachmangels zu beweisen; er muss auch den
Nachweis führen, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Für den Bereich
des Verbrauchsgüterkaufs ist dieser Grundsatz dahingehend eingeschränkt, dass bei
einem binnen 6 Monaten ab Gefahrübergang auftretenden Sachmangel zu Gunsten des
Verbrauchers die Vermutung gilt, dass die Kaufsache bereits bei Gefahrübergang
mangelhaft war. Diese Beweislastumkehr ist allerdings ausgeschlossen, wenn die
Vermutung mit der Art des Mangels unvereinbar ist (§ 476, letzter HS).
21
Eine Unvereinbarkeit in diesem Sinne soll nach verbreiteter Ansicht insbesondere bei
Tierkrankheiten in Betracht kommen, weil wegen der Unsicherheit über den Zeitraum
22
zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit ein Erfahrungssatz, nach dem das Tier
schon bei Gefahrübergang infiziert war, wenn die Krankheit innerhalb von 6 Monaten
danach ausbricht, nicht bestehe (OLG Hamm, Urteil vom 03.05.2005, 19 U 123/04 =
NJW-RR 2005, 1369; Faust in: Bamberger/Roth, BGB, § 476, Rdn. 4; Lorenz in:
Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 476, Rdn. 15, 17; Putzo in: Palandt, BGB,
64. Aufl, § 476, Rdn. 11).
Vorliegend liegt der Sachmangel in dem Befall des Katers "Dusty vom Zoo" mit den
Erregern der Mikrosporie, also in dem Befall mit Pilzen oder Pilzsporen des Typs
microsporum canis. Nach den Bekundungen der sachkundigen Zeugin Seigerschmidt
und den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Osthold beträgt die Zeit zwischen
dem Kontakt des Tieres mit den Erregern der Pilzerkrankung und dem sichtbaren
Ausbruch der Erkrankung (Inkubationszeit) zwischen 7 und 14 Tagen. Allerdings gibt es
auch Tiere, die mit den Erregern der Krankheit in Kontakt kommen und infiziert sind, bei
denen aber die Krankheit nie sichtbar zum Ausbruch kommt. Schließlich ist es nach den
Feststellungen des Sachverständigen auch möglich, dass Tiere sich infizieren, die
Krankheit aber erst geraume Zeit später bei ihnen sichtbar ausbricht. Dabei kann der
Zeitraum von Infektion bis Ausbruch der Pilzerkrankung bis zu 1 ½ Jahren dauern.
23
Nach den Feststellungen des Sachverständigen sind die Erreger der Mikrosporie
praktisch überall zu finden. Die Sporen überleben in der Umwelt bis zu 18 Monate. Die
Infektion kann sowohl durch andere Katzen, als auch durch Gegenstände übertragen
werden. Auch die Übertragung durch andere Tiere oder den Menschen ist möglich,
wobei Erreger beispielsweise auch unter den Schuhsohlen haften und in den
Lebensbereich der Katze eingeschleppt werden können.
24
Der Umstand, dass Mikrosporie eine weit verbreitete Katzenerkrankung ist, weil der
Durchseuchungsgrad verwilderter Katzen bei ca. 88% und der von Zuchtkatzen
immerhin noch bei ca. 35% liegen dürfte, ändert nichts daran, dass es sich bei dieser
Krankheit um einen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB handelt. Denn regelmäßig
kann der Käufer eines Tieres erwarten, dass er ein gesundes und nicht mit einem
Krankheitserreger infiziertes Tier erwirbt. Daher stellt grundsätzlich jede Krankheit bzw.
Infektion des erworbenen Tieres, die bei Gefahrübergang vorhanden ist, einen
Sachmangel dar (H.P. Westermann in: Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 434,
Rdn. 68; Putzo in: Palandt, BGB, 64. Aufl., § 434, Rdn. 96; a.A.: AG Zittau, NJW-RR
2006, 168). Vorliegend handelt es sich überdies um eine ansteckende Erkrankung, die
nicht nur auf andere Katzen übergreifen, sondern auch den Menschen befallen kann
(Zoonose). Auch angesichts dieser nicht unerheblichen Infektionsrisiken, die zudem
nach den Zuchtrichtlinien zu einer Meldepflicht und einer Zwingersperre beim
betroffenen Züchter führen, muss der Käufer mit einer Infektion des von ihm erworbenen
Tiers mit dem microsporum canis weder rechnen, noch muss er diese Beschaffenheit
des Tieres hinnehmen. Schließlich kann in diesem Zusammenhang auch nicht allein
auf die Häufigkeit der Erkrankung bzw. den Durchseuchungsgrad abgestellt werden.
Bedeutsam ist vielmehr auch, dass die betreffende Pilzerkrankung durch entsprechende
Impfungen wirksam bekämpft werden kann.
25
Da die Infektion mit Mikrosporie nach den getroffenen Feststellungen nahezu überall
und jederzeit erfolgen kann und die Inkubationszeit unter Umständen nur 7 Tage dauert,
ist es – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht sicher feststellbar, dass der
streitgegenständliche Kater "Dusty vom Zoo" bereits bei Übergabe an die Klägerin am
06.10.2002 mit der Pilzerkrankung bzw. ihren Erregern befallen war. Dies haben die
26
sachkundige Zeugin Seigerschmidt und der Sachverständige Dr. Osthold
übereinstimmend bestätigt. Es ist auch möglich, dass die Infektion erst in der Zeit nach
Übergabe bis zur Probenentnahme im Rahmen der Untersuchung des Katers am
26.10.2002 erfolgt ist.
Für die Klägerin, die hiernach nicht beweisen kann, dass die Infektion schon zum
Zeitpunkt der Übergabe vorlag, greift die Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht ein.
Denn die Art des hier gegebenen Mangels ist mit der Vermutung dieser Norm nicht
vereinbar.
27
Ob die Art des Mangels mit der Vermutung des § 476 BGB unvereinbar ist, ist eine
Rechtsfrage, keine Frage der Beweislast (Lorenz in: Münchener Kommentar, aaO., Rdn.
22). Doch selbst wenn man sie als Frage der Beweislast ansieht (so: Putzo in: Palandt,
aaO.), muss der Verkäufer nicht den vollen Gegenbeweis führen, dass der Mangel zum
Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorgelegen haben kann. Vielmehr reicht es,
dass er die Tatsachen darlegt und beweist, weshalb die Art des Mangels mit der
Vermutung des § 476 BGB unvereinbar ist (Lorenz in: Münchener Kommentar, aaO.,
Rdn. 15; Putzo in: Palandt, aaO.)
28
Diesen Nachweis hat die Beklagte erbracht.
29
Allerdings reicht als Nachweis nicht schon die Tatsache aus, dass - nach dem Ergebnis
der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme - diese Art der Pilzerkrankung
aufgrund der Vielzahl der Infektionsmöglichkeiten und Übertragungswege sowie der
unter Umständen sehr kurzen Inkubationszeit praktisch jederzeit auftreten kann.
Insoweit hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14.09.2005 (VIII ZR
363/04 = NJW 2005, 3490-3492) ausgeführt, dass eine Ausnahme vom Grundsatz des §
476 BGB nicht bereits dann gegeben ist, wenn es sich um einen Mangel handelt, der
typischerweise jederzeit eintreten kann und daher keinen hinreichend wahrscheinlichen
Rückschluss auf sein Vorliegen bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zulässt. Es
ist mit dem dem Wortlaut des § 476 BGB zu entnehmenden Regel-Ausnahme-Verhältnis
nicht zu vereinbaren, die Vermutung zugunsten des Verbrauchers immer schon dann
scheitern zu lassen, wenn es sich um einen Mangel handelt, der jederzeit auftreten
kann, und es demzufolge an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür fehlt, dass er
bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Die Vermutungswirkung liefe dann
regelmäßig gerade in den Fällen leer, in denen sich der Entstehungszeitpunkt des
Mangels nicht zuverlässig feststellen lässt, was den mit der Vorschrift des § 476 BGB
intendierten Verbraucherschutz weitgehend aushöhlt (BGH aaO., S. 3492).
30
Gleichwohl kann sich die Klägerin vorliegend nicht auf die Vermutungswirkung des §
476 BGB stützen. Denn letztlich beruht der Schutzzweck des § 476 BGB darauf, dass
bei einem Verbrauchsgüterkauf der gewerblich tätige und damit regelmäßig
markterfahrene Unternehmer dem meist unerfahreneren und daher schutzwürdigeren
Verbraucher gegenübersteht. Die Regelungen der §§ 474 ff. BGB dienen dazu, das
hieraus resultierende typische wirtschaftliche Ungleichgewicht auszugleichen. Es
besteht neben der größeren Geschäftserfahrung und Marktübersicht des Unternehmers
auch in dessen besseren Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten bezüglich der
Beschaffenheit der von ihm verkauften Ware. Sind die Erkenntnismöglichkeiten der
Kaufvertragsparteien bei Gefahrübergang dagegen nicht unterschiedlich, fehlt es
regelmäßig auch an einem typischen Ungleichgewicht der Parteien und an einer
besonderen Schutzwürdigkeit des Verbrauchers (Witt, NJW 2005, 3468, 3469).
31
Für den Fall einer äußerlichen Beschädigung der Kaufsache, die für Käufer und
Verkäufer gleichermaßen erkennbar ist, hat der BGH hierzu ausgeführt, dass in diesem
Fall die Vermutung des § 476 BGB nicht greift. Die Vermutung, ein Mangel habe bereits
bei Gefahrübergang vorgelegen, ist zumindest dann mit der Art des Mangels
unvereinbar, wenn es sich beispielsweise um eine äußere Beschädigung der
Kaufsache handelt, die auch einem fachlich nicht versierten Käufer auffallen müsste.
Denn in diesem Fall kann erwartet werden, dass der Käufer einen solchen Mangel bei
der Übergabe beanstandet (BGH aaO., S. 3492).
32
Liegt aber der Grund für den mit der Regelung des § 476 BGB angestrebten
Verbraucherschutz in dem Gefälle, das mit Blick auf die Erkenntnismöglichkeiten der
Parteien regelmäßig zwischen Unternehmer (= Verkäufer) und Verbraucher (= Käufer)
besteht, so ist auch im umgekehrten Fall für eine den Verbraucher begünstigende
Beweislastumkehr kein Platz, nämlich dann, wenn der Unternehmer den Mangel trotz
sorgfältiger Untersuchung der Kaufsache nicht erkennen konnte. Auch wenn der Mangel
für Käufer und Verkäufer gleichermaßen nicht erkennbar war, besteht kein
Erkenntnisgefälle und damit kein Anlass, den Käufer durch die Beweislastumkehr des §
476 BGB besonders zu schützen (Witt, NJW 2005, 3468, 3470; offen gelassen: BGH,
aaO., 3492).
33
Übertragen auf den vorliegenden Fall kann sich die Klägerin nicht auf die
Vermutungsregelung des § 476 BGB berufen, weil nicht ersichtlich ist, dass die
Beklagte zum Zeitpunkt der Übergabe des Katers über bessere
Erkenntnismöglichkeiten verfügt hat als die Klägerin. Vielmehr waren die
Erkenntnismöglichkeiten der Kaufvertragsparteien beim Kaufvertrag über den Kater
"Dusty vom Zoo" gleich. Denn es gehört zum Erscheinungsbild der Mikrosporie, dass
eine Ansteckung mit dieser Pilzerkrankung gerade nicht sogleich sichtbar in
Erscheinung treten muss. Vielmehr kommt es frühestens 7 Tage nach Infektion zum
klinischen, d.h. äußerlich sichtbaren Ausbruch der Krankheit. Nach der Eigenart der
Erkrankung ist eine etwaige Infektion mit microsporum canis vor einem sichtbaren
Krankheitsausbruch weder für den Verkäufer noch für den Käufer ohne weiteres
erkennbar. Insoweit lässt sich nach den Feststellungen des Sachverständigen in dieser
Phase der Erreger nur durch eine Laboruntersuchung nachweisen, was die Diagnostik
schwierig macht. Solange die Pilzerkrankung nicht sichtbar zum Ausbruch kommt,
besteht aber weder für Verkäufer noch für Käufer ein Anlass, eine entsprechende
tiermedizinische Laboruntersuchung bzw. Hautbiopsie zu veranlassen.
34
Soweit die Klägerin behauptet hat, noch am Tag der Übergabe habe sie an der Nase
des Katers "Dusty vom Zoo" einen Höcker festgestellt, hat das Amtsgericht zutreffend
darauf hingewiesen, dass auch durch das Vorhandensein dieses Höckers (Läsion) der
Nachweis, dass es sich insoweit um eine sichtbare Folge der Mikrosporie handelt, nicht
erbracht wäre. Denn eine solche Läsion kann nach den Angaben des Sachverständigen
Dr. Osthold auch die Folge einer kleineren äußeren Verletzung sein. Die Klägerin hat
selbst vorgetragen, dass sich allein aus der Feststellung eines Höckers auf der Nase
des Katers kein Rückschluss auf das Vorliegen der Pilzerkrankung Mikrosporie ziehen
lasse. Nach ihren eigenen Angaben will sie den Höcker, der ihr erst zu Hause
aufgefallen sei, für eine Verletzung gehalten haben. Dem Amtsgericht ist überdies
zuzustimmen, dass - auch unter Zugrundelegung des Klägervortrags - der Höcker erst
nach Gefahrübergang, z.B. beim Transport im Auto, entstanden sein kann.
35
Schließlich hat die Klägerin selbst vorgetragen, dass es ummittelbar nach Übergabe der
Katze keinerlei Anzeichen für eine Erkrankung des Katers "Dusty vom Zoo" gegeben
habe, weshalb das Tier auch nicht isoliert worden sei. Dann aber ist nicht ersichtlich,
weshalb der Beklagten vor Übergabe eine etwaige Infektion hätte auffallen müssen.
36
Soweit die Klägerin erstinstanzlich vorgetragen hat, auch die an die Zeuginnen
Schlegel, Weichelt (ehemals: Malz) und ihren Bruder verkauften Tiere seien später an
der Mikrosporie erkrankt, hat das Amtsgericht von einer Beweisaufnahme abgesehen.
Es hat die Aussagen der Zeuginnen Schlegel und Weichelt für nicht geeignet gehalten,
eine Infektion des Zwingers der Beklagten vor Übergabe des Katers "Dusty vom Zoo"
nachzuweisen.
37
Diesbezüglich fehlt es an einem Berufungsangriff der Klägerin ebenso wie an einem
erneuten Beweisantritt, so dass sich Ausführungen hierzu erübrigen. Im Übrigen wird
auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
39
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10.
713 ZPO.
40
Gemäß § 543 Abs. 1 Nr.1, Abs. 2 ZPO war die Revision gegen dieses Urteil zuzulassen.
In seiner Entscheidung vom 14.09.2005 (VIII ZR 363/04) hat der Bundesgerichtshof für
den Fall äußerlicher Beschädigungen der Kaufsache darauf hingewiesen, dass die
Vermutung des § 476 BGB dann mit der Art des Mangels unvereinbar ist, wenn die
Beschädigung auch dem fachlich nicht versierten Käufer auffallen müsste. Ausdrücklich
offen gelassen hat er dagegen die Frage, ob die Vermutung des § 476 BGB auch dann
wegen der Art des Mangels nicht eingreift, wenn der Verkäufer den Sachmangel, sofern
er schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen wäre, nicht hätte erkennen können
(BGH NJW 2005, 3490, 3492). Diese Frage ist vorliegend erheblich, weil – wie oben
ausgeführt – die Infektion mit dem microsporum canis ohne gleichzeitigen sichtbaren
Krankheitsausbruch weder für Käufer noch für Verkäufer trotz sorgfältiger Untersuchung
erkennbar war. Sie hätte allein durch eine tiermedizinische Laboruntersuchung
festgestellt werden können, für deren Durchführung jedoch vorliegend mangels
sichtbarer Krankheitserscheinungen für den Verkäufer kein Anlass bestand.
41