Urteil des LG Krefeld vom 13.08.2008

LG Krefeld: treu und glauben, begriff, wohnfläche, mietvertrag, minderung, mietsache, mangel, wohnungsbau, rückzahlung, vermieter

Landgericht Krefeld, 2 S 22/08
Datum:
13.08.2008
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 S 22/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Nettetal, 17 C 462/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Nettetal
vom 19.03.2008 – 17 C 462/07 – wird zurückgewiesen.
Gründe:
1
Der Kläger war Mieter einer 3-Zimmer-Wohnung der Beklagten. Unter Ziffer 1 des
Mietvertrages heisst es: "Die Mietraumfläche beträgt ca. 61,5 m²". Tatsächlich beträgt
die Wohnfläche i.S.d. §§ 42 – 44 II. Berechnungsverordnung unter Berücksichtigung der
Dachschrägen nur 54,27 m²; die im Mietvertrag angegebene Fläche entspricht der
Grundfläche der Wohnung.
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Mit der Klage verlangt der Kläger Rückzahlung der auf die Flächendifferenz
entfallenden Miete für die Zeit von Juni 2003 bis November 2007 in Höhe von 1.694,19
€. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein
erstinstanzliches Begehren weiter und beantragt,
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die Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an
ihn 1.694,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prrozentpunkten über dem Basiszins
ab dem 15.10.2007 zu zahlen.
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II.
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Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass ein bereicherungsrechtlicher
Anspruchs auf Rückzahlung des entrichteten Mietzinses nicht besteht, weil ein Mangel
der Mietsache und damit ein Minderungsgrund nicht gegeben ist.
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Allerdings handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der
Angabe der Wohnfläche in einem Mietvertrag im allgemeinen nicht um eine
unverbindliche Beschreibung der Mietsache, sondern um eine
Beschaffenheitsvereinbarung, die im Falle einer Abweichung der tatsächlichen von der
vereinbarten Fläche unter bestimmten Voraussetzungen dazu führen kann, dass ein
Mangel der Mietsache vorliegt. Dabei soll jedenfalls bei einer Flächenabweichung von
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über 10 % eine erhebliche Abweichung und eine Minderung der Gebrauchstauglichkeit,
die zur Minderung der Miete berechtigt, vorliegen (vgl. BGH WuM 2004, 268 und 337;
WuM 2007, 441).
Vorliegend fehlt es jedoch an einer zur Minderung berechtigenden Flächenabweichung.
Zur Größe der Wohnung ist in Ziffer 1 des vorliegenden Mietvertrages vereinbart: "Die
Mietraumfläche beträgt ca. 61,5 m²." Diese Flächenangabe entspricht unstreitig der
tatsächlichen Grundfläche der Wohnung. Wie die Parteien den im Vertrag verwendeten
Begriff "Mietraumfläche" verstanden haben, ist durch Auslegung gemäß § 157 BGB
nach Treu und Glauben zu ermitteln.
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Für den Begriff der Wohnfläche hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass sich ein
allgemeiner, völlig eindeutiger Sprachgebrauch nicht entwickelt hat (BGH WuM 2004,
337 m.w.N.). Grundsätzlich sei der Begriff der "Wohnfläche" im Wohnraummietrecht
auch bei frei finanziertem Wohnraum anhand der Bestimmungen der §§ 42 – 44 II.
Berechnungsverordnung (die inhaltsgleiche Wohnflächenverordnung trat erst nach
Abschluss des Mietvertrages, nämlich zum 1.01.2004 in Kraft; vgl. BGH WuM 2007, 441)
auszulegen und zu ermitteln, weil auch im frei finanzierten Wohnungsbau ein
erhebliches praktisches Bedürfnis für die Anwendung eines allgemein an erkannten
Maßstabes für die Wohnflächenberechnung besteht. Diesem Interesse kann nach
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch die Heranziehung der II.
Berechnungsverordnung in angemessener Weise Rechnung getragen werden, so dass
im Regelfall deshalb ihre Vorschriften auch für den frei finanzierten Wohnungsbau
maßgebend sind und eine entsprechende stillschweigende Vereinbarung der
Vertragsparteien im Zweifel anzunehmen ist (BGH a.a.O.). Auch nach Ansicht des
Bundesgerichtshofs schließen diese Erwägungen allerdings nicht aus, dass die
Parteien den Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine von den obigen Ausführungen
abweichende Bedeutung beimessen. Es ist ebenso möglich, dass ein anderer
Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach Art der Wohnung naheliegender ist. Nach
Ansicht des Bundesgerichtshofs erscheint zum Beispiel bei einer Maisonettewohnung
mit Dachschrägen im ausgebauten Spitzboden auch denkbar, als Wohnfläche die reine
Grundfläche der Wohnung nach der DIN 277 anzusetzen, ohne dabei einen Abzug von
Flächen mit einer lichten Höhe unter 2 m vorzunehmen (BGH a.a.O.).
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Vorliegend haben die Parteien in dem Mietvertrag nicht den Begriff der "Wohnfläche"
verwendet, sondern den unüblicheren Begriff der "Mietraumfläche". Auch insoweit ist
weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich ein allgemeiner, völlig eindeutiger
Sprachgebrauch für den Begriff der Mietraumfläche entwickelt hat. Also ist durch
Auslegung gemäß § 157 BGB nach Treu und Glauben zu ermitteln, welche Bedeutung
die Parteien diesem Begriff beigemessen haben. Nach Ansicht der Kammer spricht hier
alles dafür, dass die Parteien unter dem Begriff "Mietraumfläche" die reine Grundfläche
der Wohnung verstanden haben und nicht die Wohnfläche i.S.d. §§ 42 – 44 II.
Berechnungsverordnung. Denn deren Ermittlung ist bei einer Dachgeschosswohnung
mit Schrägen wie der vorliegenden für einen Laien ohne Mithilfe eines
Sachverständigen kaum möglich (siehe auch Kandelhard NZM 2008, 471). Bei den
Beklagten handelte es sich aber für den Kläger erkennbar nicht um Fachleute, sondern
um private Vermieter. Der Kläger konnte - anders als bei einem einfachen
Wohnungszuschnitt ohne Schrägen und sonstige Besonderheiten - nicht davon
ausgehen, dass die Beklagten eine aufwändige Flächenermittlung durch einen
Sachverständigen durchgeführt haben praktisch zu dem einzig denkbaren Zweck, dies
einem Mieter mitteilen zu können. Wenn es eine solche sachverständige Ermittlung der
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Wohnfläche gegeben hätte, hätte auch keine Veranlassung bestanden, die Genauigkeit
der Größenangabe in dem Mietvertrag mit einem "ca." einzuschränken. Dem Kläger
musste daher klar sein, dass sie die Größe der Wohnung nicht anhand von
einschlägigen Vorschriften ermittelt haben, wenn sie diese Vorschriften weder
ausdrücklich benannten noch den gängigen Begriff der "Wohnfläche", sondern
stattdessen den Begriff der "Mietraumfläche" verwendeten. Schließlich ist auch dem
Kläger selbst erst anlässlich der Beendigung des Mietverhältnisses nach fast 4 ½
Jahren aufgefallen, dass die im Mietvertrag angegebene Größe nicht der tatsächlichen
Wohnfläche, nach den angegebenen Vorschriften berechnet, entspricht.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren:1.694,19 €.
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