Urteil des LG Krefeld vom 12.12.2008

LG Krefeld: gläubigerbenachteiligung, aktivmasse, anweisung, kredit, verbindlichkeit, rückgriffsanspruch, schenkungsvertrag, kapital, belastung, gläubigerwechsel

Landgericht Krefeld, 1 S 99/08
Datum:
12.12.2008
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 S 99/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 1 C 114/08
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Krefeld
vom 04.08.2008 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
1
I.
2
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der X GmbH (im
Folgenden: Schuldnerin). Die Beklagte erbrachte für die Schuldnerin Dienstleistungen.
Die entsprechende Vergütungsforderung der Beklagten wurde tituliert. Zur Abwendung
der Zwangsvollstreckung zahlte die Ehefrau des Geschäftsführers der Schuldnerin, die
Zeugin X, am 14.05.2007 und am 21.06.2007 an den Gerichtsvollzieher jeweils
€ 2.000,00, die der Gerichtsvollzieher abzüglich seiner Kosten an die Beklagte abführte.
Die Zeugin X ist neben ihrem Ehemann zu 50 % als Gesellschafterin an der Schuldnerin
beteiligt.
3
Auf Antrag zweier Gläubiger der Schuldnerin, eingegangen beim Insolvenzgericht am
31.07.2007 und am 21.08.2007, sowie auf Antrag der Schuldnerin am 16.08.2007,
eröffnete das Amtsgericht X am 16.09.2007 das Insolvenzverfahren und bestellte den
Kläger zum Insolvenzverwalter. In dieser Eigenschaft nimmt der Kläger die Beklagte auf
Rückzahlung der an den Gerichtsvollzieher gezahlten € 4.000,00 in Anspruch.
4
Dazu trägt der Kläger vor, die Schuldnerin sei bereits am 14.05.2007 zahlungsunfähig
gewesen. Er hält die an den Gerichtsvollzieher erbrachten Zahlungen gemäß § 131
Abs. 1 Nr. 2 InsO für anfechtbar.
5
Wegen der weiteren Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Krefeld Bezug genommen.
6
Das Amtsgericht Krefeld hat der Klage am 04.08.2008 stattgegeben und die Beklagte
verurteilt, an den Kläger € 4.000,00 nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die
Berufung der Beklagten, die ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Der Kläger
beantragt die Zurückweisung der Berufung.
7
II.
8
1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
9
Zwar enthält die Berufungsbegründung vom 10.09.2008 keinen Berufungsantrag. Was
beantragt wird, kann sich jedoch auch ohne förmlichen Antrag aus der
Berufungsbegründung ergeben (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 520 Rn.
28). Ausweislich der Berufungsbegründung vom 10.09.2008 greift die Beklagte das
Urteil des Amtsgerichts Krefeld insgesamt an.
10
2. Auch in der Sache hat die Berufung Erfolg.
11
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Rückgewährsanspruch aus §§ 131 Abs. 1 Nr.
2, 129 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO. Der Anspruch scheitert hier – anders als vom
Amtsgericht angenommen – an der gemäß § 129 Abs. 1 InsO erforderlichen
Gläubigerbenachteiligung. Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne der
insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften nur liegt vor, wenn eine Rechtshandlung
entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den
Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert hat (BGH, Urteil v.
24.05.2007, IX ZR 105/05, NZI 2007, 452 m.w.N.). Der für die Gläubigerbenachteiligung
darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat jedoch weder eine Vermehrung der
Schuldenmasse noch eine Verkürzung der Aktivmasse dargetan.
12
a) Durch die von der Zeugin X am 14.05.2007 und am 25.06.2007 an den
Gerichtsvollzieher geleisteten Zahlungen ist das Aktivvermögen der Schuldnerin nicht
verringert worden. Rechtshandlungen, die ausschließlich schuldnerfremdes Vermögen
betreffen, wirken sich nicht auf die Insolvenzmasse und damit auf die
Befriedigungsmöglichkeit der Insolvenzgläubiger nachteilig aus (vgl. BGH, Urteil v.
17.06.1999, IX ZR 176/98, zit. nach juris). Das gilt grundsätzlich auch für Zahlungen aus
dem privaten Vermögen eines Gesellschafters auf Verbindlichkeiten des Schuldners
(vgl. MüKo/Kirchhoff, InsO, 2. Aufl., 2008, § 129 Rn. 77; vgl. auch BGH, Beschluss v.
16.10.2008, IX ZR 147/07, BeckRS 2008, 22931; LG Hamburg, Beschluss v.
29.06.2005, 309 S 49/05, zit. nach juris).
13
Zahlungen Dritter können jedoch dann zu einer objektiven Benachteiligung der
Gläubiger führen, wenn der Dritte mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit
gegenüber dem Schuldner tilgt (vgl. MüKo/Kirchhoff, InsO, 2. Aufl., 2008, § 129 Rn. 78,
144; BGH, Beschluss v. 16.10.2008, IX ZR 147/07, BeckRS 2008, 22931). Durch
Leistungen eines Dritten an den Gläubiger des Schuldners wird dessen Aktivmasse
geschmälert, wenn der Schuldner damit gleichzeitig einen Anspruch gegen den Dritten
verliert. Das wiederum setzt voraus, dass der Dritte dem Schuldner verpflichtet ist und
durch die Leistung dem Schuldner gegenüber von einer Leistungspflicht frei wird. In
diesem Fall würde die Leistung des Dritten an den Gläubiger zu einer Minderung des
Schuldnervermögens führen, die darin besteht, dass der Schuldner einen eigenen
Anspruch verliert, der der Höhe nach der Leistung des Dritten an den Gläubiger
entspricht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil v. 26.06.2003, 8 U 18/03,
14
zit. nach juris). Eine Verbindlichkeit der Zeugin Winkler gegenüber der Schuldnerin hat
der Kläger indes nicht behauptet.
Anders als vom Amtsgericht angenommen waren die gezahlten € 4.000,00 auch keine
Mittel, die bereits der Gläubigergesamtheit zustanden. Selbst wenn die Zeugin X die
beiden Zahlungen ohne einen Rückforderungsanspruch gegenüber der Schuldnerin
geleistet haben sollte, was zwischen den Parteien streitig ist, wären die Zahlungen
rechtlich und tatsächlich nicht als Zuwendungen an die Schuldnerin dergestalt zu
werten, dass sie bereits in das haftende Vermögen der Schuldnerin gelangt sind. Etwas
anderes wäre hier nur anzunehmen gewesen, wenn die Zeugin X der Schuldnerin
selbst das Geld zur Verteilung an deren Gläubiger zur Verfügung gestellt hätte, etwa
durch Übergabe von Bargeld oder eines Schecks oder durch Einzahlung auf das Konto
der Schuldnerin. Wird dagegen wie im vorliegenden Fall fremdes Vermögen zur Tilgung
von Verbindlichkeiten des Schuldners eingesetzt, bleibt eine Gläubigerbenachteiligung
ausgeschlossen, wenn die Leistung ohne Durchgang durch das Schuldnervermögen
unmittelbar vom Dritten an den Gläubiger fließt. Entscheidend ist damit, ob die
Zahlungsmittel objektiv zunächst dem Schuldner übertragen oder sofort an ihm
vorbeigeleitet worden sind (vgl. MüKo/Kirchhoff, InsO, 2. Aufl., 2008, § 129 Rn. 78 a).
Die Zeugin Winkler hat die € 4.000,00 unmittelbar an den Gerichtsvollzieher gezahlt;
das Geld ist damit nicht in das haftende Vermögen der Schuldnerin gelangt.
15
b) Soweit sich der Kläger auf eine Gläubigerbenachteilung durch Vermehrung der
Schuldenmasse beruft, führt auch dies nicht zum Erfolg der Klage.
16
Der Kläger hat nach Ansicht der Kammer schon nicht substantiiert vorgetragen, dass die
Zeugin X der Schuldnerin hinsichtlich der beiden Zahlungen an den Gerichtsvollzieher
ein Darlehen gewährt hat und ihr daraus ein Rückgewährsanspruch zusteht. Er hat eine
dahingehende rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen der Zeugin X und der
Schuldnerin nicht konkret behauptet – auch nicht im nachgelassenen Schriftsatz vom
04.12.2008 –, sondern lediglich ins Blaue hinein vorgetragen, er gehe von der
Gewährung eines Darlehens aus, da es "mehr als unwahrscheinlich" sei, dass ein
Dritter ohne eine irgendwie geartete Verpflichtung gegenüber dem Schuldner an dessen
Gläubiger zahlt. Insoweit fehlt jedoch jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Zeugin X
der Schuldnerin Kapital (zur zeitweisen Nutzung) verbunden mit einem
Rückgewährsanspruch überlassen wollte, was von der Beklagten, die einen
Aufwendungs- oder Schadensersatzanspruch der Zeugin X gegenüber der Schuldnerin
bestritten und zudem darauf verwiesen hat, dass die Zeugin auch keinen Anspruch zur
Tabelle angemeldet habe, auch bereits in erster Instanz hinreichend bestritten worden
ist. Die Vernehmung der von dem Kläger benannten Zeugin X würde damit auf eine
unzulässige Ausforschung hinauslaufen, zumal sich der Kläger selbst im Schriftsatz
vom 20.06.2008 auf einen Anscheinsbeweis berufen hat, der im Falle der Zahlung durch
einen Dritten entweder die Gewährung eines Darlehens oder einen Schenkungsvertrag
zu Gunsten des späteren Insolvenzschuldners betreffen sollte. Dem Kläger kommt indes
hier auch kein Anscheinsbeweis zu Gute, da es für einen Fall wie dem vorliegenden
gerade keinen typischen Geschehensablauf dergestalt gibt, dass grundsätzlich der
Zahlung durch einen Dritten die Vereinbarung einer Darlehensgewährung – allein
darauf beruft sich der Kläger in der Berufungsinstanz – zu Grunde liegt.
17
Ungeachtet dessen würde auch dann, wenn die Zeugin X – die als Gesellschafterin der
GmbH auch nicht persönlich haften würde (§ 13 Abs. 2 GmbHG) – die Zahlung an den
im Auftrag der Beklagten tätigen Gerichtsvollzieher auf Anweisung der Schuldnerin
18
getätigt hätte (sog. "Anweisung auf Kredit", vgl. BGH, Beschluss v. 16.10.2008, IX ZR
147/07, BeckRS 2008, 22931), eine Gläubigerbenachteiligung ausscheiden, weil es
dann lediglich zu einem Gläubigerwechsel in der Person der Angewiesenen gekommen
wäre. Die Belastung der Masse mit dem Rückgriffsanspruch des Angewiesenen würde
dann durch die Befreiung von der Schuld des Zahlungsempfängers ausgeglichen, es
sei denn, der Kredit für den Schuldner wäre belastender als die mit seiner Hilfe getilgte
Schuld (BGH, a.a.O.). Letzteres hat der Kläger jedoch weder dargetan noch ist sonst aus
den Umständen ersichtlich, dass ein etwaiger Anspruch der Zeugin X für die
Schuldnerin belastender gewesen wäre.
Schließlich folgt eine andere rechtliche Würdigung auch nicht aus dem nachgelassenen
Schriftsatz des Klägers vom 04.12.2008. Insbesondere ist auch die vom Kläger zitierte
Entscheidung des BGH vom 07.02.2002 (IX ZR 115/99, NJW 2002, 1574) nicht
einschlägig, da die Forderung der Beklagten – wie ausgeführt – nicht mit Mitteln getilgt
worden ist, die der Schuldnerin selbst zugekommen waren.
19
Damit scheitert die Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO hier daran, dass die
Insolvenzgläubiger durch die Zahlungen der Zeugin X nicht im Sinne des § 129 Abs. 1
InsO benachteiligt worden sind. Die Berufung der Beklagten hat danach Erfolg.
20
III.
21
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
22
Streitwert: € 4.000,00
23