Urteil des LG Krefeld vom 01.10.2008

LG Krefeld: bürgschaftserklärung, zuschuss, rechtsgeschäft, hauptschuld, bürge, zukunft, vollstreckbarkeit, abtretung, verbürgung, bierlieferungsvertrag

Landgericht Krefeld, 6 O 7/08
Datum:
01.10.2008
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 7/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicher-
heitsleistung in Höhe von 1.200,00 € abzuwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 29.550,37 €
Tatbestand
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Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht der X GmbH. Diese hatte als
Getränkegroßfachhandlung eine Bürgschaft über 50 % der Darlehnssumme gestellt, die
die Klägerin der X GmbH zum Betrieb der Gastwirtschaft "X" mit Vertrag vom
23.08./28.09.1999 in Höhe von 278.000,- DM zinslos zur Verfügung gestellt hatte. Das
Darlehen sollte in monatlichen Raten zurückgeführt werden und wurde von der Klägerin
zwischenzeitlich fristlos wegen Einstellung der betriebenen Gaststätte gekündigt.
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Die Klägerin nahm zunächst die Darlehnsnehmerin sowie die Gründungsmitglieder aus
Schuldbeitritt aus der Forderung in Anspruch. Die Klage gegen die Gründungsmitglieder
wurde abgewiesen. Die Zwangsvollstreckung gegen die Darlehnsnehmerin verlief
fruchtlos, woraufhin die Klägerin die X GmbH in Höhe von 50 % der offenen
Darlehensforderung in Anspruch nahm.
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Gegenüber der X GmbH hatte der Beklagte, der mit noteriellem Kaufvertrag vom
03.06.2002 die Geschäftsanteile an der X GmbH erworben und zwischenzeitlich weiter
veräußert hatte, eine selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Forderungen, welche der
X GmbH gegenüber der X GmbH aus dem Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag
vom 04.07.2002 oder aus einem sonstigen Grund bereits entstanden sind oder in
Zukunft entstehen werden, abgegeben mit der Verpflichtung, jederzeit auf erstes
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Anfordern zu zahlen. Wegen des Wortlautes der Bürgschaftserklärung wird auf die
Anlage K6 (GA 23) verwiesen.
Die Ansprüche aus der Bürgschaftserklärung hat die X GmbH an die Klägerin
abgetreten, die dem Beklagten erfolglos eine Zahlungsfrist bis zum 15.02.2008 setzte.
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Sie behauptet, dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass die X GmbH gegenüber der
Klägerin im Rahmen des Darlehnsvertrages an die X GmbH eine Bürgschaft über 50 %
der Darlehnssumme gestellt hatte. Der noch offene Darlehnsbetrag belaufe sich auf
59.100,75 €.
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Sie beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 29.550,37 € zuzüglich Zinsen in
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Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
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16.02.2008 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, die von ihm abgegebene Bürgschaftserklärung habe sich lediglich auf die
der X GmbH seitens der X GmbH gewährte Zuschusszahlung in Höhe von 20.000,- €
bezogen.
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Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage der Klägerin hat in sachlicher Hinsicht keinen Erfolg. Der Klägerin
steht der geltend gemachte Anspruch aus §§ 765 Abs. 1, 398 BGB nicht zu.
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Die von ihm am 03.07.2002 abgegebene Bürgschaftserklärung ist wegen inhaltlicher
Unbestimmtheit unwirksam. Diese Bürgschaftserklärung ist zweigeteilt. Sie bezieht sich
zunächst auf alle Forderungen der X GmbH gegen die X GmbH auf Grund des
Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrages vom 03.07.2002 sowie weiterhin auf
Forderungen, die aus einem sonstigen Grunde bereits entstanden sind oder in Zukunft
entstehen werden. Diese zweite Alternative ist sachlich nicht auf ein bestimmtes
Rechtsgeschäft begrenzt und damit nicht bestimmt genug. Die Übernahme einer
Bürgschaft für alle nur irgendwie denkbaren künftigen Verbindlichkeiten des
Hauptschuldners ohne jede sachliche Begrenzung ist indes unwirksam, weil eine so
weit gefasste Verbürgung das Risiko zum Nachteil des Bürgen ausdehnt und zugleich
die Warnfunktion des § 766 BGB aushöhlt. Die gesicherte Hauptschuld muss vielmehr
nach Schuldner, Gläubiger und Schuldgrund bestimmbar sein. Insbesondere darf der
Schuldgrund nicht unübersehbar sein (vgl. BGH in NJW 1990, 1909 (1910)).
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Diese inhaltliche Unbestimmtheit und damit Unwirksamkeit der zweiten Alternative der
Bürgschaftserklärung erfasst zwar nicht die Forderung als der ersten Alternative, die auf
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ein bestimmtes Rechtsgeschäft bezogen ist (vgl. BGH in NJW 1992, 896 (897)). Indes
bezieht sich die Klägerin, die aus abgetretenem Recht klagt, ausdrücklich nicht auf den
Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag vom 03.07.2002, sondern auf den Darlehns-
und Bierlieferungsvertrag vom 23.08./28.09.1999.
Angesichts dieser Unwirksamkeit der vom Beklagten eingegangenen
Bürgschaftserklärung ist unerheblich, ob er über den gesamten zu Grunde liegenden
Sachverhalt informiert war.
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Zudem – da Bürge und Hauptschuldner nicht als Gesamtschuldner im Sinne des BGB
gelten – geht die Hautforderung erst über, wenn der Bürge seine Schuld gegenüber dem
Gläubiger erfüllt (§ 774 Abs. 1 S. 1 BGB). Insoweit entsteht durch den
Bürgschaftsvertrag ein streng akzessorisch an eine bestehende Hauptschuld
gebundener Anspruch, welcher nicht unabhängig davon abtretbar ist (vgl. Grüneberg in
Palandt, BGB, 66.Aufl., § 399, Rdnr. 7; Sprau in Palandt, a.a.O., § 765, Rdnr. 26). Diese
Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Um zur Abtretung berechtigte Inhaberin der
Hauptforderung gegenüber der X GmbH zu werden, hätte die X GmbH zunächst selbst
die von der Klägerin geltend gemachte Forderung aus der Bürgschaft, welche über 50 %
der Darlehnssumme erteilt wurde, entsprechend ihrer Bürgenpflicht aus § 765 Abs. 1
BGB leisten müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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