Urteil des LG Krefeld vom 24.09.2009

LG Krefeld (anspruch auf bewilligung, grundstück, grunddienstbarkeit, erklärung, stadt, treu und glauben, öffentlich, eigentümer, vater, bewilligung)

Landgericht Krefeld, 5 O 10/09
Datum:
24.09.2009
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 O 10/09
Tenor:
1.
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, gegenüber der Bauaufsichtsbehörde
der Stadt X eine Erklärung folgenden Inhaltes abzugeben:
Ich, Frau X, bin Eigentümerin des nachfolgend „Baulastgrundstück“
genannten Grundstückes in X, Gemarkung X, Flur X, Flurstück X.
Es ist beabsichtigt, auf dem nachfolgenden „Baugrundstück“ genannten
Grundstück in X, Gemarkung X, Flur X, Flurstück X das nachfolgend
beschriebene Vorhaben zu realisieren:
Bauvoranfrage zur Bebauung des Grundstücks mit einem
zweigeschossigen Baukörper sowie zwei Garagen.
Für dieses Bauvorhaben kann die erforderliche Genehmigung nur erteilt
werden, wenn ich die nachfolgend beschriebene Baulast übernehme.
Rechte Dritter sind durch diese Baulast nicht betroffen. Mir ist bekannt,
dass die Baulast in das Baulastenverzeichnis der Stadt x eingetragen
wird und auch dem Rechtsnachfolger gegenüber wirksam ist:
„Der jeweilige Eigentümer des Baulastgrundstückes verpflichtet sich
gegenüber der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtlich, dieses
Grundstück dauerhaft von baulichen Anlagen und sonstigen
Hindernissen freizuhalten, so dass über diese Zufahrt in Verbindung mit
der auf dem Flurstück X einzutragenden Baulast die Erschließung des
Baugrundstückes jederzeit gesichert ist.
Die mit der Baulast belegte Fläche ist im Auszug aus dem
Liegenschaftskataster vom 29.10.08 grün schraffiert dargestellt. Der
Lageplan ist Bestandteil dieser Erklärung und der Urschrift dieser
Erklärung beigefügt“.
2.
Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, gegenüber der Bauaufsichtsbehörde
der Stadt Krefeld eine Erklärung folgenden Inhaltes abzugeben:
Ich, Frau X, bin Teileigentümerin des nachfolgend „Baulastgrundstück“
genannten Grundstückes in X, Gemarkung X, Flur X, Flurstück X.
Es ist beabsichtigt, auf dem nachfolgenden „Baugrundstück“ genannten
Grundstück in X, Gemarkung X, Flur X, Flurstück X das nachfolgend
beschriebene Vorhaben zu realisieren:
Bauvoranfrage zur Bebauung des Grundstücks mit einem
zweigeschossigen Baukörper sowie zwei Garagen.
Für dieses Bauvorhaben kann die erforderliche Genehmigung nur erteilt
werden, wenn ich die nachfolgend beschriebene Baulast übernehme.
Rechte Dritter sind durch diese Baulast nicht betroffen. Mir ist bekannt,
dass die Baulast in das Baulastenverzeichnis der Stadt X eingetragen
wird und auch dem Rechtsnachfolger gegenüber wirksam ist:
„Der jeweilige Eigentümer des Baulastgrundstückes verpflichtet sich
gegenüber der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtlich, dieses
Grundstück dauerhaft von baulichen Anlagen und sonstigen
Hindernissen freizuhalten, so dass über diese Zufahrt in Verbindung mit
der auf dem Flurstück X einzutragenden Baulast die Erschließung des
Baugrundstückes jederzeit gesichert ist.
Die mit der Baulast belegte Fläche ist im Auszug aus dem
Liegenschaftskataster vom 29.10.08 grün schraffiert dargestellt. Der
Lageplan ist Bestandteil dieser Erklärung und der Urschrift dieser
Erklärung beigefügt.
3.
Der Beklagte zu 3. wird verurteilt, gegenüber der Bauaufsichtsbehörde
der Stadt Krefeld eine Erklärung folgenden Inhaltes abzugeben:
Ich, Herr X, bin Teileigentümer des nachfolgend „Baulastgrundstück“
genannten Grundstückes in X, Gemarkung X, Flur X, Flurstück X.
Es ist beabsichtigt, auf dem nachfolgenden „Baugrundstück“ genannten
Grundstück in X, Gemarkung X, Flur X, Flurstück X das nachfolgend
beschriebene Vorhaben zu realisieren:
Bauvoranfrage zur Bebauung des Grundstücks mit einem
zweigeschossigen Baukörper sowie zwei Garagen.
Für dieses Bauvorhaben kann die erforderliche Genehmigung nur erteilt
werden, wenn ich die nachfolgend beschriebene Baulast übernehme.
Rechte Dritter sind durch diese Baulast nicht betroffen. Mir ist bekannt,
dass die Baulast in das Baulastenverzeichnis der Stadt X eingetragen
wird und auch dem Rechtsnachfolger gegenüber wirksam ist:
„Der jeweilige Eigentümer des Baulastgrundstückes verpflichtet sich
gegenüber der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtlich, dieses
Grundstück dauerhaft von baulichen Anlagen und sonstigen
Hindernissen freizuhalten, so dass über diese Zufahrt in Verbindung mit
der auf dem Flurstück 246 eingetragenen Baulast die Erschließung des
Baugrundstückes jederzeit gesichert ist.
Die mit der Baulast belegte Fläche ist im Auszug aus dem
Liegenschaftskataster vom 29.10.08 grün schraffiert dargestellt. Der
Lageplan ist Bestandteil dieser Erklärung und der Urschrift dieser
Erklärung beigefügt.“
4.
Die Beklagten zu 1-3 werden als Gesamtschuldner verurteilt, die
Klägerin von Kosten in Höhe von 1.034,11 € zuzüglich Zinsen in Höhe
von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit
freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu je 1/3.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstückes Gemarkung X, Flur X, Flurstück X; in X.
Dabei handelt es sich um ein Hinterliegergrundstück, welches über keinen direkten
Zugang zur öffentlichen Straße verfügt. Vorderliegergrundstücke sind die im Eigentum
der Beklagten stehenden Grundstücke Gemarkung Xm, Flur X, Flurstücke X und X
(Beklagte zu 2. und 3.) sowie X und X (Beklagte zu 1.). Bei den Flurstücken X und X
handelt es sich dabei um die Hausgrundstücke der Beklagten, wohingegen die
Flurstücke X und X einen 2,50 m breiten Weg zum Grundstück der Klägerin bilden.
2
Die vorgenannten Grundstücke wurden Mitte der 60er Jahre in einem hoheitlichen
3
Bodenordnungsverfahren, dem Umlegungsverfahren "X", gebildet. Der Vater der
Klägerin erhielt durch Umlegungsbeschluss vom 13.11.1964 das Großgrundstück
Parzelle 168, welches heute die Parzellen 251, 252, 249 sowie die Parzelle der
Klägerin 250 umfasst. Das ursprüngliche Grundstück Parzelle 168 grenzte mit einer
Front von ca. 28 m an die öffentliche Straße X.
In der Umlegung wurde zu Lasten der Flurstücke 246 und 450 eine Grunddienstbarkeit
bestellt und in das Grundbuch eingetragen, wonach die Beklagten verpflichtet sind,
diese Flurstücke zugunsten des Flurstückes 250 der Klägerin unbebaut zu lassen und
deren Benutzung als Weg zu dulden.
4
Im Jahre 2007 stellte die Klägerin die in den Klageanträgen ausgewiesene
Bauvoranfrage zur Bebauung ihres bisher unbebauten Grundstücks. Diesen
Bauvorbescheidsantrag lehnte die untere Bauaufsichtsbehörde der Stadt X am
26.09.2008 einzig mit der Begründung ab, die Erschließung des Vorhabens sei nicht
gesichert, weil die Beklagten die notwendigen Erschließungsbaulasten nicht bestellt
haben.
5
Bereits zuvor hatte die Klägerin die Beklagten über ihren Architekten angeschrieben
und um Zustellung von Baulasten gebeten, die das Begehen und Befahren des Weges
erlauben. Dieses Begehren haben die Beklagten mit Schreiben vom 27.02. und
23.06.2008 (Beklagte zu 1) und vom 06.03.2008 (Beklagte zu 2) und 3))
zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 24.10.2008 haben die jetzigen
Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagten nach dem negativen Bescheid der
unteren Bauaufsichtsbehörde erneut aufgefordert, entsprechende Baulasterklärungen
mit dem in den Klageanträgen wiedergegebenen Inhalt abzugeben.
6
Für diese anwaltliche Tätigkeit sind Kosten von EUR 1.034,11 angefallen, die die
Klägerin bislang nicht ausgeglichen hat.
7
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe aus der bestehenden Grunddienstbarkeit gegen
die Beklagten ein Anspruch auf Bewilligung einer inhaltsgleichen Baulast zu. Sie
meinen, dass sich das daraus ergebende Wegerecht auch das Recht umfasse, die
streitgegenständlichen Wegeparzellen zu befahren.
8
Sie sind der Auffassung, dass die Beklagten zudem verpflichtet seien, sie von den
vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten freizustellen.
9
Die Klägerin beantragt,
10
1.
11
die Beklagte zu 1. zu verurteilen, gegenüber der Bauaufsichtsbehörde der
Stadt Krefeld eine Erklärung folgenden Inhaltes abzugeben:
12
Ich, X bin Eigentümerin des nachfolgend "Baulastgrundstück" genannten
Grundstückes in X Gemarkung X, Flur X, Flurstück X.
13
Es ist beabsichtigt, auf dem nachfolgenden "Baugrundstück" genannten
Grundstück in X, Gemarkung Xum, Flur X, Flurstück X das nachfolgend
beschriebene Vorhaben zu realisieren:
14
Bauvoranfrage zur Bebauung des Grundstücks mit einem
zweigeschossigen Baukörper sowie zwei Garagen.
15
Für dieses Bauvorhaben kann die erforderliche Genehmigung nur erteilt
werden, wenn ich die nachfolgend beschriebene Baulast übernehme.
Rechte Dritter sind durch diese Baulast nicht betroffen. Mir ist bekannt,
dass die Baulast in das Baulastenverzeichnis der Stadt X eingetragen
wird und auch dem Rechtsnachfolger gegenüber wirksam ist:
16
"Der jeweilige Eigentümer des Baulastgrundstückes verpflichtet
sich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtlich, dieses
Grundstück dauerhaft von baulichen Anlagen und sonstigen
Hindernissen freizuhalten, so dass über diese Zufahrt in Verbindung
mit der auf dem Flurstück 450 einzutragenden Baulast die
Erschließung des Baugrundstückes jederzeit gesichert ist.
17
Die mit der Baulast belegte Fläche ist im Auszug aus dem
Liegenschaftskataster vom 29.10.08 grün schraffiert dargestellt. Der
Lageplan ist Bestandteil dieser Erklärung und der Urschrift dieser
Erklärung beigefügt".
18
2.
19
die Beklagte zu 2. zu verurteilen, gegenüber der Bauaufsichtsbehörde der
Stadt Krefeld eine Erklärung folgenden Inhaltes abzugeben:
20
Ich, Frau X, bin Teileigentümerin des nachfolgend "Baulastgrundstück"
genannten Grundstückes in X, Gemarkung X, Flur X, Flurstück X.
21
Es ist beabsichtigt, auf dem nachfolgenden "Baugrundstück" genannten
Grundstück in X, Gemarkung X, Flur X, Flurstück X das nachfolgend
beschriebene Vorhaben zu realisieren:
22
Bauvoranfrage zur Bebauung des Grundstücks mit einem
zweigeschossigen Baukörper sowie zwei Garagen.
23
Für dieses Bauvorhaben kann die erforderliche Genehmigung nur erteilt
werden, wenn ich die nachfolgend beschriebene Baulast übernehme.
Rechte Dritter sind durch diese Baulast nicht betroffen. Mir ist bekannt,
dass die Baulast in das Baulastenverzeichnis der Stadt X eingetragen
wird und auch dem Rechtsnachfolger gegenüber wirksam ist:
24
"Der jeweilige Eigentümer des Baulastgrundstückes verpflichtet
sich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtlich, dieses
Grundstück dauerhaft von baulichen Anlagen und sonstigen
Hindernissen freizuhalten, so dass über diese Zufahrt in Verbindung
mit der auf dem Flurstück 246 einzutragenden Baulast die
Erschließung des Baugrundstückes jederzeit gesichert ist.
25
Die mit der Baulast belegte Fläche ist im Auszug aus dem
26
Liegenschaftskataster vom 29.10.08 grün schraffiert dargestellt. Der
Lageplan ist Bestandteil dieser Erklärung und der Urschrift dieser
Erklärung beigefügt.
3.
27
den Beklagten zu 3. zu verurteilen, gegenüber der Bauaufsichtsbehörde der
Stadt Krefeld eine Erklärung folgenden Inhaltes abzugeben:
28
Ich, Herr X, bin Teileigentümer des nachfolgend "Baulastgrundstück"
genannten Grundstückes in X, Gemarkung X, FlurX, Flurstück X.
29
Es ist beabsichtigt, auf dem nachfolgenden "Baugrundstück" genannten
Grundstück in X, Gemarkung X, Flur X, Flurstück X das nachfolgend
beschriebene Vorhaben zu realisieren:
30
Bauvoranfrage zur Bebauung des Grundstücks mit einem
zweigeschossigen Baukörper sowie zwei Garagen.
31
Für dieses Bauvorhaben kann die erforderliche Genehmigung nur erteilt
werden, wenn ich die nachfolgend beschriebene Baulast übernehme.
Rechte Dritter sind durch diese Baulast nicht betroffen. Mir ist bekannt,
dass die Baulast in das Baulastenverzeichnis der Stadt X eingetragen
wird und auch dem Rechtsnachfolger gegenüber wirksam ist:
32
"Der jeweilige Eigentümer des Baulastgrundstückes verpflichtet
sich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtlich, dieses
Grundstück dauerhaft von baulichen Anlagen und sonstigen
Hindernissen freizuhalten, so dass über diese Zufahrt in Verbindung
mit der auf dem Flurstück 246 eingetragenen Baulast die
Erschließung des Baugrundstückes jederzeit gesichert ist.
33
Die mit der Baulast belegte Fläche ist im Auszug aus dem
Liegenschaftskataster vom 29.10.08 grün schraffiert dargestellt. Der
Lageplan ist Bestandteil dieser Erklärung und der Urschrift dieser
Erklärung beigefügt."
34
4.
35
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Klägerin von Kosten
der Unterzeichner in Höhe von 1.034,11 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-
Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit freizustellen.
36
Die Beklagten beantragen,
37
die Klage abzuweisen.
38
Sie vertreten die Auffassung, die Voraussetzungen für den Anspruch auf Bewilligung
einer Baulast seien nicht gegeben. Zwar teilen die Beklagten die Ansicht der Klägerin,
dass sich aus dem durch eine Grunddienstbarkeit geschaffenen gesetzlichen
Schuldverhältnis grundsätzlich ein solcher Anspruch ergeben kann. Sie sind jedoch der
39
Ansicht, im vorliegenden Fall bestehe der Anspruch nicht, da die von der Klägerin
geforderte Baulast in Inhalt und Umfang nicht der bestehenden Dienstbarkeit
entspreche. Da die Grunddienstbarkeit aufgrund eines Umlegungsverfahrens als
hoheitlichem Bodenordnungsverfahren eingetragen worden sei, so meinen sie, sei bei
deren Auslegung der Umlegungsbeschluss zu berücksichtigen. Aus dessen Wortlaut
ergebe sich, dass die Dienstbarkeit nur ein eingeschränktes Wegerecht beinhalte, das
ausschließlich den Zugang als Gehrecht, nicht aber das Befahren des betreffenden
Weges erlaube. Dort nämlich heiße es, so insoweit unstreitig, dass die jeweiligen
Berechtigten am Flurstück Flur 16, Nr. 168, das Recht haben, die Flurstücke 169 und
171 als Zugangsweg zu dem Grundstück zu benutzen. Dies entspreche auch der
tatsächlichen Nutzung des Weges, der mit einer Breite von 2,50 m als reiner Wohnweg
zu qualifizieren und schon aus tatsächlichen Gründen nicht bestimmt und nicht geeignet
sei, mit Kraftfahrzeugen befahren zu werden.
Die Beklagten vertreten weiterhin die Auffassung, die von der Klägerin konkret geplante
Bebauung des Grundstückes gehe über den Zweck der bestehenden
Grunddienstbarkeit hinaus.
40
Die Beklagten sind ferner der Ansicht, der Vater der Klägerin habe die Parzellierung
seines ursprünglichen Großgrundstückes mit breiter Front zur Straße fehlerhaft
vorgenommen. Gerade weil ihm für die vierte Parzelle, dem jetzigen Grundstück der
Klägerin, nur der Wohnweg über die Parzellen der Beklagten zur Verfügung gestanden
habe, habe er bei der Grundstücksteilung eine zusätzliche Einfahrt für diese Parzelle
vorsehen und damit die Erschließung des Grundstücks der Klägerin über das eigene
Grundstück sichern müssen. Dass der Vater der Klägerin von dieser Möglichkeit keinen
Gebrauch gemacht habe, sei der Klägerin als dessen Gesamtrechtsnachfolgerin
zuzurechnen und führe zur Unzulässigkeit der Nutzung der Wegparzellen der
Beklagten.
41
Die Beklagten sind außerdem der Ansicht, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für
die Klage der Klägerin, da diese bisher nur einen Bauvorbescheid beantragt habe. Die
Abgabe einer Baulasterklärung setze aber voraus, dass ihnen seitens der Klägerin der
Plan für ein konkretes Bauvorhaben vorgelegt und für dieses eine Baugenehmigung
beantragt werde. Es bestehe keine Verpflichtung der Beklagten bereits anlässlich des
von der Klägerin beantragten Bauvorbescheides die Eintragung der Baulast zu
bewilligen.
42
Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, die Aufteilung des ursprünglichen
Großgrundstückes durch ihren Vater sei nicht fehlerhaft gewesen. Dieser habe bei der
Aufteilung des Grundstückes in die einzelnen Parzellen nicht die Erschließung des
Grundstücks der Klägerin über das eigene Grundstück sicherstellen müssen, da sich
aus der eingetragenen Grunddienstbarkeit zulasten der streitgegenständlichen
Parzellen der Beklagten gerade ergebe, dass eine Erschließung des
Hinterliegergrundstücks der Klägerin über diese Wegeparzellen erfolgen solle.
43
Zudem ist die Klägerin der Ansicht, ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage sei
gegeben, da ihr der Anspruch auf Bewilligung einer Baulast durch die Beklagten bereits
außerhalb des Baugenehmigungsverfahrens zustehe. Bei der Baulast, so meint sie,
handele es sich um eine grundstücksbezogene Voraussetzung, die unabhängig von der
konkreten Art des Vorhabens sei.
44
Die Klage ist dem Beklagten am 22.01.2009 zugestellt worden.
45
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
46
Entscheidungsgründe
47
Die Klage ist zulässig. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Ihm steht
nicht entgegen, dass die Klägerin für das beabsichtigte Bauvorhaben eine
Baugenehmigung noch nicht beantragt hat. Denn die Erschließung ist, wie die Klägerin
zu Recht ausführt, eine rein grundstücksbezogene Voraussetzung für die Bebauung. Sie
ist nicht abhängig von der Art des Vorhabens. Nachdem die untere
Bauaufsichtsbehörde einen negativen Bauvorbescheid erlassen und zur Begründung
ausgeführt hat, die Erschließung des klägerischen Grundstücks sei nicht gesichert, hat
die Klägerin damit ein rechtliches Interesse an der Klärung der Frage, ob die Beklagten
zur Abgabe entsprechender Baulasterklärungen verpflichtet sind und dies bevor sie die
deutlich größeren Planungskosten, die ein Bauantrag mit sich brächte, auf sich nimmt.
48
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein
Anspruch auf Bewilligung einer Baulast zugunsten des Grundstückes Gemarkung X,
Flur X, Flurstücke X, in X zu.
49
Eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Baulast ergibt sich als
Nebenpflicht aus dem durch die Grunddienstbarkeit begründeten gesetzlichen
Schuldverhältnis (BGH, NJW 1989, 1607; NJW 1992, 2885; OLG Düsseldorf, NJW-RR
1999, 1539). Voraussetzung hierfür ist, dass eine nach dem Grundsatz von Treu und
Glauben durchzuführende Interessenabwägung ergibt, dass den Interessen der Klägerin
als Eigentümer des durch die Grunddienstbarkeit begünstigten Grundstücks der Vorrang
gegenüber den Interessen der Beklagten als Eigentümer der belasteten Grundstücke
gebührt. Dabei ist darauf abzustellen, ob die Grunddienstbarkeit zu dem Zwecke bestellt
wurde, das Grundstück der Klägerin baulich zu nutzen, ob die Übernahme der Baulast
zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstücks ist, ob eine Befreiung
vom Baulastzwang in Betracht kommt, ob bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit
Anlass bestand, bereits die Übernahme einer Baulast zu erwägen, und schließlich, ob
Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen.
50
Zweifellos diente die Bestellung der Grunddienstbarkeit dazu, die Bebauung des
begünstigten Grundstücks zu ermöglichen. Die hier bestellten Wege- und
Leitungsrechte sind nur zum Zwecke einer baulichen Erschließung notwendig und
sinnvoll. Zudem wurde die Dienstbarkeit im Rahmen eines Umlegungsverfahrens
bestellt, welches gerade dazu dienen soll, durch die Schaffung baureifer Grundstücke
die Festsetzungen eines Bebauungsplans zu realisieren.
51
Auch ist die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die von der Klägerin
beabsichtigte Bebauung. Aus § 4 I Nr. 1 BauO NRW ergibt sich, dass die Bebauung nur
unter der Voraussetzung einer befahrbaren, öffentlich-rechtlich gesicherten Zuwegung
erlaubt ist. Da das Grundstück der Klägerin nicht über einen unmittelbaren Zugang zur
öffentlichen Straße verfügt, ist die Bewilligung einer Baulast zwingend, um die
Erschließung öffentlich-rechtlich zu sichern und das Bauvorhaben genehmigungsfähig
zu machen.
52
Eine grundsätzlich mögliche Befreiung vom Baulastzwang nach § 73 BauO NRW
kommt hier ersichtlich nicht in Betracht, da die Stadt Krefeld, indem sie die
Bauvoranfrage unter Berufung auf die fehlende öffentlich-rechtliche Erschließung des
Vorhabens abgelehnt hat, zum Ausdruck gebracht hat, zu einer entsprechenden
Abweichung nicht bereit zu sein.
53
Zudem bestand weder für den Umlegungsausschuss noch für den Vater der Klägerin als
Voreigentümer des Grundstückes im Jahre 1964 bei Bestellung der Grunddienstbarkeit
Anlass, die Bestellung einer Baulast in Erwägung zu ziehen, da nach der damals
geltenden Rechtslage bereits die zivilrechtlich gesicherte Erschließung eines
Grundstückes in Form einer Grunddienstbarkeit für dessen Bebauung als ausreichend
erachtet wurde.
54
Die bestehende Grunddienstbarkeit und die geforderte Baulast sind zuletzt auch
inhaltsgleich. Bei der zur Bestimmung des Inhalts der Grunddienstbarkeit
vorzunehmenden Auslegung ist vorrangig auf Wortlaut und Sinn der
Grundbucheintragung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als
nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände außerhalb dieser
Urkunde dürfen nur dann mit herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen
Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, NJW
1985, 385; NJW 1992, 2886). Nach dem Wortlaut der Grundbucheintragung haben die
Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Wegeparzellen "deren Benutzung als
Weg" zu dulden. Die Auslegung der Grundbucheintragung ergibt, dass die
nächstliegende Bedeutung des Wegerechts die ist, dass auch ein Befahren des Weges
zulässig ist. Eine als Wegerecht bestellte Grunddienstbarkeit gilt in der Regel für
Kraftfahrzeuge jeden Typs (BGH, WM 1991, 145). Ob darüber hinaus auch - wie von
den Beklagten vorgetragen - der Umlegungsbeschluss bei der Auslegung der
Grundbucheintragung zu berücksichtigen ist, kann dahingestellt sein, da sich auch unter
Zugrundelegung seines Wortlauts, wonach die Parzellen als "Zugangsweg" benutzt
werden dürfen, keine inhaltliche Beschränkung der Dienstbarkeit auf fußläufigen
Verkehr ergibt. Vielmehr kann auch der Begriff des Zugangs jedwede Art von Verkehr
meinen (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1991, 786; BGH, WM 1991, 145).
55
Die Beklagten können sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die von der
Klägerin konkret geplante Bebauung des Grundstücks mit einem zweigeschossigen
Wohnhaus und die daraus erwachsende Nutzungsintensität nicht mehr vom Zweck der
bestellten Grunddienstbarkeit, der Zuwegung zu einem Reiheneinfamilienhaus, gedeckt
sind. Ob es sich bei der von der Klägerin geplanten Nutzung des Grundstücks
gegenüber der zur Zeit der Bewilligung der Grunddienstbarkeit vorgesehen Nutzung
überhaupt um eine erhebliche Änderung handelt, kann offen bleiben, da Inhalt und
Umfang einer Dienstbarkeit jedenfalls mit Bedürfnis des herrschenden Grundstücks
wachsen. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Bedarfssteigerung nicht in den Grenzen
einer der Art nach gleichen Benutzung hält und auf eine zur Zeit der
Dienstbarkeitsbestellung nicht vorhersehbare oder willkürliche Benutzungsänderung
zurückzuführen ist (BGH, NJW 1965, 2340; NJW-RR 1988, 1230; NJW-RR 1995, 16).
Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall, da sich auch die zum jetzigen Zeitpunkt geplante
Bebauung des Grundstücks mit einem zweigeschossigen Wohnhaus in den Grenzen
einer der Art nach gleichen Benutzung bewegt. Eine Bebauung des Grundstücks, die
sich innerhalb des nach dem Bebauungsplan Zulässigen hält, aber die Grenzen der
artgleichen Benutzung überschreitet, ist nicht denkbar.
56
Der Verpflichtung, die Baulast zu erteilen, steht auch nicht entgegen, dass der Vater der
Klägerin bei der Parzellierung des ursprünglichen Großgrundstücks keine zusätzliche
Einfahrt für die Parzelle der Klägerin vorgesehen hat. Zwar ist den Beklagten
zuzugestehen, dass die Inanspruchnahme eines fremden Grundstücks zur Erreichung
der öffentlichen Straße unzulässig sein kann, wenn eine unmittelbare Zufahrt auch vom
Klägergrundstück aus bestanden hat und diese nachträglich verbaut worden ist (vgl.
BGH, NJW 1999, 167). Da im vorliegenden Fall jedoch die bestehende
Grunddienstbarkeit sinnvoll nur derart auszulegen ist, dass sie von Anfang an die
Erschließung des Hinterliegergrundstücks sichern sollte, hatte der Vater der Klägerin
keinen Anlass dafür, eine Zuwegung über das ursprünglich eigene Grundstück
sicherzustellen.
57
Schließlich gibt die derzeitige Breite des Weges von 2,50 m keinen Grund, die Baulast
zu verweigern.
58
Es handelt sich um einen privaten Weg, nicht etwa um einen Wohnweg im Sinne des §
127 Abs. 2 BauGB, der auch unter tatsächlichen Gesichtspunkten in dieser Breite
befahrbar ist. Mögliche und von den Beklagten angeführte Rangierprobleme im
Einfahrtsbereich können durch die Klägerin unstreitig durch die Hinzugewinnung eines
den Weg berührenden Grundstücksteils der Schwester behoben werden und stehen
damit einer Erschließung des klägerischen Grundstücks ebenso wenig entgegen wie
der Verpflichtung der Beklagten, die beantragten Baulasten zu bewilligen.
59
Die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin von vorgerichtlich angefallenen
Rechtsanwaltskosten freizustellen, die der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig
sind, folgt aus § 286 BGB. Indem die Beklagten die Bewilligung der Baulasten
verweigert hatten, befanden sie sich mit der entsprechenden Verpflichtung in Verzug
noch bevor die anwaltliche Tätigkeit durch die Klägerin in Anspruch genommen worden
ist.
60
Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
61
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I 1. HS, 100 I, 709 S. 2 ZPO.
62
Streitwert: 15.000 Euro
63