Urteil des LG Krefeld vom 14.09.2007

LG Krefeld: treu und glauben, veranlagung, trennung, versöhnungsversuch, einkünfte, verbringen, verlustvortrag, verlustabzug, akte, angestellter

Landgericht Krefeld, 1 S 13/07
Datum:
14.09.2007
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 S 13/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Kempen, 11 C 117/06
Normen:
§ 1353 BGB
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amts-gerichts Kempen
vom 14.12.2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufungsinstanz: bis € 4.500,00
Entscheidungsgründe
1
I.
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Die Parteien sind zwischenzeitlich geschiedene Eheleute.
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Der Kläger verlangt von der Beklagten Zustimmung zur gemeinsamen
Einkommenssteuerveranlagung für das Steuerjahr 2001. In diesem Jahr erzielte der
Kläger als Angestellter in einem Unternehmen nach Abzug von Werbungskosten
ebenso wie im Jahr zuvor rund DM 130.000,00, während die Beklagte 2001 Verluste in
Höhe von über DM 9.000,00 erwirtschafte. Die Beklagte führte für das Jahr 2001 eine
getrennte Veranlagung zur Einkommenssteuer durch. Sie wendet sich gegen eine
steuerliche Zusammenveranlagung für dieses Jahr; hilfsweise beantragt sie, den Kläger
widerklagend zu verurteilen, ihr den aus einer Zusammenveranlagung entstehenden
steuerlichen Nachteil zu erstatten.
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Das Amtsgericht Kempen hat am 14.12.2006 der Klage stattgegeben und die
Widerklage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf
Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf
den festgestellten Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Kempen vom
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14.12.2006 Bezug genommen.
II.
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten
hat keinen Erfolg.
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Das Amtsgericht Kempen hat die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung
verurteilt, der gemeinsamen Einkommenssteuerveranlagung für das Steuerjahr 2001
zuzustimmen. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zustimmung zur
Zusammenveranlagung aus § 1353 BGB.
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Die Berufung der Beklagten gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden
Bemerkungen:
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1. Entgegen der Berufung war das Amtsgericht nicht gehalten, an Stelle des Finanzamts
zu prüfen, ob im Einzelnen die Voraussetzungen für eine steuerliche
Zusammenveranlagung vorliegen. Entscheidend ist lediglich, dass eine solche
Zusammenveranlagung hier nicht von vornherein ausgeschlossen ist (BGH, Urteil v.
03.11.2004, XII ZR 128/02, NJW-RR 2005, 225).
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Eine steuerliche Zusammenveranlagung von Eheleuten kommt grds. noch im Jahr der
Trennung in Betracht, da die Voraussetzung des § 26 Abs. 1 EStG lediglich an einem
Tag des betreffenden Veranlagungszeitraums vorgelegen haben muss. Dabei kann
auch ein Versöhnungsversuch zur vorübergehenden Aufhebung einer erfolgten
Trennung der Ehegatten führen und dadurch die Zusammenveranlagung ermöglichen.
Ob die Parteien die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zeitweise
wiederhergestellt haben, ist vom Finanzamt bzw. Finanzgericht unter Ausnutzung aller
verfügbaren Beweismittel von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BFH, Beschluss v.
23.10.2006, III B 5/06, zit. nach juris). Ein Versöhnungsversuch könnte – wie vom Kläger
vorgetragen – im März 2001 durch den gemeinsamen Urlaub der Parteien stattgefunden
haben. Dass die Parteien zu diesem Zeitpunkt nicht zusammen einen einheitlichen
Wohnsitz hatten, ist nicht maßgeblich, zumal dieser – worauf auch das Amtsgericht
zutreffend abstellt – von Anfang an nicht gegeben war. Vielmehr ist in Fällen räumlicher
Trennung das (Fort-)Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft anhand äußerer
Umstände zu ermitteln, wofür u.a. das Verbringen gemeinsamer Urlaube sprechen kann
(vgl. FG BW, Urteil v. 03.12.21998, 6 K 83/98, zit. nach juris). Um dem Kläger hier die
Möglichkeit zu eröffnen, eine Entscheidung der hierfür zuständigen Finanzbehörden
bzw. der Finanzgerichte darüber herbeizuführen, ob für einen bestimmten
Veranlagungszeitraum eine Zusammenveranlagung erfolgen kann, ist der Ehegatte bei
Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auch dann verpflichtet, einer
Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn es zweifelhaft erscheint, ob die
Wahlmöglichkeit nach § 26 Abs. 1 S. 1 EStG besteht (BGH, a.a.O.). Wie das Amtsgericht
Kempen zutreffend ausführt, ist auch angesichts der Erklärung der Beklagten vor dem
Familiengericht des Amtsgerichts Eschweiler am 18.12.2002 hier kein Fall gegeben, in
dem eine gemeinsame Veranlagung zweifelsfrei nicht in Betracht käme.
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Die Zusammenveranlagung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, da die Beklagte
bereits eine getrennte Veranlagung für das Jahr 2001 durchgeführt hat. Solange nur für
einen der Ehegatten eine Einzelveranlagung noch nicht bestandskräftig ist, ist die Wahl
der gemeinsamen Zusammenveranlagung weiterhin möglich. Etwas anders folgt auch
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nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom
21.09.2006 (NJW 2006, 3599). Denn daraus ergibt sich nur, dass eine
Zusammenveranlagung lediglich in Betracht kommt, wenn beide Ehegatten die
Zusammenveranlagung wählen oder wenn sie keine Erklärung abgeben, andernfalls ist
auch der andere Ehegatte aus steuerlichen Gesichtspunkten ebenfalls zwingend
getrennt zu veranlagen. Die Zusammenveranlagung kann aber – wenn die
Voraussetzungen des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen – im Wege der Verurteilung zur
Zustimmung geltend gemacht werden.
2. Die Verpflichtung, der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung zuzustimmen, besteht
allerdings nur unter der weiteren Voraussetzung, dass eigene Interessen des auf
Zustimmung in Anspruch genommenen Ehegatten nicht verletzt werden.
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Sofern der Beklagten im Fall einer Zusammenveranlagung Verlustabzüge verloren
gehen, begründet dies zwar einen Nachteil. Ungeachtet der Frage, ob ein Nachteil auch
dann gegeben wäre, wenn der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte
weiterhin keine positiven Einkünfte erzielt, so dass der Verlustvortrag möglicherweise
nicht mehr als eine bloße Chance ist, bei etwaigen künftigen Einnahmen – nach Grund
und Höhe noch völlig ungewisse – Steuervorteile zu erlangen (vgl. dazu
Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1353 Rdnr. 12a), hat sich der Kläger hier zum
Nachteilsausgleich verpflichtet. Er hat zugesichert, der Beklagten den ihr durch die
Zusammenveranlagung etwa entstehenden Nachteil auszugleichen. Dies hat er
ausdrücklich auch auf Nachteile bezogen, die eintreten, wenn die Beklagte den Verlust
aus dem Jahr 2001 mit positiven Einkünften aus späteren Jahren nicht mehr verrechnen
könnte. Selbst wenn die Beklagte – wie sie vorträgt – ihren Verlustabzug bei zukünftig
positiven Einkünften nicht mehr gegenrechnen könnte, hätte ihr der Kläger den insoweit
entstehenden Nachteil zu ersetzen.
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Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.05.2007 (NJW 2007, 2554)
führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Entscheidung betrifft die – hier nicht
entscheidungserhebliche – Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatte ohne
internen Ausgleich verpflichtet ist, dem Antrag des anderen Ehegatten auf gemeinsame
Veranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen.
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3.
Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Zusammenveranlagung nicht zuzumuten.
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Die Beklagte hat schon nicht substantiiert dargetan, dass der Kläger ihr die aus der
Zusammenveranlagung der Vorjahre entstandenen steuerliche Nachteile nicht ersetzt
hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre. Auch aus dem von der Beklagten
angeführten Verfahren vor dem LG Aachen ergibt sich eine solche Pflichtverletzung
ausweislich des in Ablichtung zur Akte gereichten Urteils vom 25.01.2007 (Bl. 342 ff. d.
GA) gerade nicht. Darüber hinaus trägt die Beklagte auch keine Umstände vor, die im
konkreten Fall den aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB begründeten Anspruch auf Zustimmung
– die bei der Beklagten wie unter Ziff. 2 ausgeführt zu keinem Nachteil führt –
ausnahmsweise entfallen ließen.
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Nach alledem hat die Berufung der Beklagten demnach keinen Erfolg.
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Veranlassung, die Revision zuzulassen, besteht mangels Vorliegens der
Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht.
20
III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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