Urteil des LG Krefeld vom 11.09.2008

LG Krefeld: anleihe, verzinsung, barriere, wirtschaftlicher nutzen, marktwert, beratungsvertrag, rendite, gespräch, nennwert, wahrscheinlichkeit

Landgericht Krefeld, 3 O 48/08
Datum:
11.09.2008
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 48/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 120% des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem
Beratungsvertrag wegen angeblicher Falschberatung bzw. angeblich pflichtwidrig
unterlassener Aufklärung geltend.
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Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen der Textilbranche mit einem
Jahresumsatz von über 100 Millionen Euro. Die Beklagte ist eine deutsche Großbank.
Seit 1969 standen die Parteien in Geschäftsbeziehung zueinander. Im Vorfeld des
Vertragsabschlusses im Frühjahr des Jahres 2002 gab es Überlegungen der Klägerin,
ihre Finanzstruktur neu zu ordnen. Erstmals am 01.04.2005 erhielt die Klägerin von der
Beklagten in einer Email das Angebot zum Erwerb der streitgegenständlichen Anleihe.
Bei der Anleihe handelt es sich um eine Tandem Zinssammler-Anleihe, deren
maßgeblicher Erfolg für den Anleger von der künftigen Zinsdifferenz zwischen den
langjährigen Zinsen und den kurzfristigen Zinsen abhängt. Die Anleihe wurde der
Beklagten als Alternative zur Ablösung eines Darlehens i.H.v. € 1.800.000,00 mit einer
jährlichen Verzinsung i.H.v. 5 % bei einer Restlaufzeit von 8 Jahren angeboten. In der
Anlage der Email befand sich ein Informationsblatt über die zum Erwerb angebotenen
Anleihe. Darin wurden als Vorteile der Anlage "die Kapitalerhaltungsgarantie zum Ende
der Laufzeit" und die "Zinsgarantie für das erste Jahr" genannt. In der Email wurde als
Vorteil auch genannt, dass "sowohl die ökonomische Situation, als auch
markttechnische Faktoren für eine eher noch steigende Zinsdifferenz" sprächen, zudem
hieß es dort: "Es besteht ein komfortabler Sicherheitspuffer" zur Barriere bei einem
damaligen Stand des Spreads von 1,19 %-Punkten.
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Am 14.04.2005 kam es zu einem Beratungsgespräch im Hause der Klägerin, in
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welchem die streitgegenständliche Anleihe vorgestellt wurde. Ein Beratungsbogen nach
WpHG wurde im Verlaufe des Gespräches nicht ausgefüllt und gegengezeichnet. Der
Mitarbeiter der Beklagten hat in diesem Gespräch geäußert, dass die Beklagte bei einer
zukünftigen Vergrößerung des Spreads nach dem Ablauf der Zinsbindung mit hoher
Wahrscheinlichkeit von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen werde. Streitig ist, ob
die Beklagte der Klägerin für den Fall eines zwischenzeitlichen Kapitalbedarfs aufgrund
der Kapitalbindung eine Zusage für eine Zwischenfinanzierung erteilt oder angekündigt
hat.
Am 27.04.2005 erwarb die Klägerin 40.000 Anleihen der Beklagten als Emittentin der
Anleihe, mit einem Nennwert von € 100,00 pro Stück, insgesamt € 4.000.000,00. Bei der
Anleihe handelt es sich um eine Tandem Zinssammler-Anleihe. Die Anleihe hatte eine
Laufzeit von maximal 8 Jahren und für das erste Jahr der Laufzeit eine Zinsgarantie
i.H.v. 6 % bei 360/360 Zinstagen. Entsprechend hat die Beklagte auch im Mai 2006 an
die Klägerin eine Kuponzahlung in Höhe von 240.000,00 € erbracht. Für die restliche
Laufzeit war die Anleihe variabel verzinst und zwar in Abhängigkeit von der
Überschreitung der Barriere des für diese Anleihe vereinbarten Spreads. Bei einem
Spread handelt es sich um die Differenz zwischen zwei verschiedenen allgemein
zugänglichen Zinssätzen. Als Bezugszinssätze für den Spread waren in diesem Fall der
10-Jahres-EUR-Interbankenswapsatz und der 2-Jahres-Interbankenswapsatz
vereinbart. Als Barriere wurden 0,99 %-Punkte festgelegt. Das bedeutet, dass eine
Verzinsung i.H.v. 6 % nur an den Tagen stattfindet, an denen der Spread über der
Barriere von 0,99 %-Punkten liegt. Die Formel zur Berechnung der Zinsen lautet wie
folgt:
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Zinsertrag pro Jahr = 6% * N/D
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Wobei N die Anzahl der Tage ist, an denen der Spread über der Barriere liegt und D die
Anzahl der Zinstage im Jahr, bei der für diesen Fall vereinbarten Zinsmethode also 360.
Der Emittentin (Beklagte) stand ein einseitiges jährliches Kündigungsrecht nach Ablauf
des ersten Jahres der Laufzeit zu.
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Der Spread entwickelte sich jedoch rückläufig, so dass es im zweiten Jahr der Laufzeit
nicht zur maximalen durchschnittlichen Jahresverzinsung von 6 % kam. Zu befürchten
war vielmehr, dass für die Folgejahre keinerlei Verzinsung mehr erfolgen würde. Der
Kurs der Anleihe entwickelte sich ebenfalls negativ, so dass er unter dem Ausgabekurs
fiel, der dem Nennwert entspach und somit 100 % betrug. Die Klägerin veräußerte die
40.000 Stück der Anleihe am 10.05.2007 zu einem Nennwert von € 3.134.000,00. Am
10.05.2007 wandte sich die Klägerin per Anwaltsschreiben an die Beklagte und machte
die Differenz zwischen Rückkaufswert der Anleihe und Kaufpreis als Schadensersatz
geltend, die Beklagte lehnt mit Schreiben vom 15.05.2007 das Bestehen solcher
Ansprüche ab.
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Die Klägerin behauptet, vor Abschluss des streitgegenständlichen Anlagegeschäfts mit
der Beklagten ihr Kapital stets nur kurz- oder mittelfristig angelegt zu haben. Diese
risikoaverse Anlagestrategie beruhe auf dem eindeutig erklärten Willen der Klägerin und
andererseits nach dem Wunsch der Liquidität der Klägerin. Eine längerfristige
Kapitalbindung, beispielsweise eine Laufzeit von über einem Jahr, sei für die Klägerin
nicht in Betracht gekommen. In dem Gespräch zwischen den Parteien am 14.04.2005
habe die Beklagte geäußert, dass sich die zukünftige Zinsentwicklung als für die
Klägerin günstig darstellen würde, die Behauptung habe jedoch den tatsächlichen
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Erwartungen des Marktes widersprochen. Die tatsächliche Erwartung des Marktes habe
zu diesem Zeitpunkt einer Entwicklung des Spreads bis hin zu 0 %-Punkten
entsprochen. In dem Gespräch am 14.04.2005 habe die Beklagte die Klägerin nicht über
die Möglichkeit der Entwicklung eines Kurswertes der Anleihe unter den Ausgabekurs
von 100 % in Abhängigkeit von der Zinsentwicklung unterrichtet. Weitere Unterlagen
über die Anleihe, als die Anlage zu der Email vom 01.04.2005, habe die Beklagte der
Klägerin nicht zur Verfügung gestellt. Die Beklagte habe das ursprüngliche
Anlagevolumen i.H.v. € 2.000.000,00 auf € 4.000.000,00 aufgrund der Anpreisung der
Anleihe durch die Beklagte erhöht. Im August des Jahres 2005 habe sich die Klägerin
die Wertpapierkennnummer der Anleihe geben lassen und hätte daraufhin festgestellt,
dass der Kurswert der Anleihe um € 1,50 gesunken sei. In einer Email vom 11.08.2005
habe die Klägerin bei der Beklagten nach dem Grund für das Absinken des Kurses und
der aktuellen Entwicklung der Zinsdifferenz gefragt. Der Mitarbeiter der Beklagten habe
einen Rückgang des Kurses um € 1,00 bestätigt und mitgeteilt, dass der Spread derzeit
bei 1,00 %-Punkten liege, historisch jedoch im Durchschnitt bei 1,34 %-Punkten
gelegen habe. Trotz des Kursverlustes habe die Klägerin im ersten Jahr der Laufzeit
einen Nettoertrag i.H.v. € 200.000,00 generiert.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber
der Beklagten gem. § 280 I BGB i.V.m dem Beratungsvertrag und § 823 II BGB i.V.m. 31
WpHG wegen Empfehlung eines für die Klägerin ungeeigneten Anlageproduktes,
ungenügender Risikoaufklärung sowie beschönigender Darstellung der historischen
Entwicklung des der Zinsberechnung zugrunde liegenden Spreads. Die Beklagte habe
ihre Pflichten aus dem konkludent zwischen den Parteien geschlossenen
Beratungsvertrag verletzt. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe es versäumt, das
Anlageprofil der Klägerin zu erheben. Die Klägerin sei nicht zu Ihrer Erfahrung mit
Derivaten und Anleihen befragt worden. Sie verfüge über keinerlei Anlageerfahrung mit
dem streitgegenständlichen Produkt vergleichbaren Anlagen. Die streitgegenständliche
Anleihe sei für die Klägerin ungeeignet gewesen. Sie ist daher der Ansicht, die
Nichterhebung des Anlageprofils habe zu der Fehlberatung geführt.
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Die Klägerin behauptet, der Erwerb der Anleihe sei eine gegenüber der Ablösung des
Darlehns i.H.v. € 1.800.000,00 ungeeignete Alternative gewesen. Die Unterschreitung
des Zinsniveaus des Spreads der Anleihe sei nicht nur mehr als wahrscheinlich,
sondern viel wahrscheinlicher als die Möglichkeit der Überschreitung gewesen. Die
Erreichung einer Rendite von 6 % sei gänzlich unwahrscheinlich gewesen. Die
Beklagte habe die fehlerhafte Einschätzung der Anlage durch die unzutreffende
Behauptung verschleiert, der Zinskorridor werde sich anstatt verkleinern eher noch
vergrößern. Die Anleihe sei zudem aufgrund der Kapitalbindung für die Laufzeit von 8
Jahren für sie ungeeignet gewesen, im Übrigen auch durch das einseitige
Kündigungsrecht der Beklagten. Sie ist der Ansicht, die Kursbildung des Produktes
habe die Bindungswirkung noch verstärkt. Die Beklagte habe die Klägerin nicht darüber
aufgeklärt, dass die Beklagte durch die Zinszahlungsgarantie für das erste Jahr der
Laufzeit das einseitige Kündigungsrecht der Anleihe erkaufe und eine Liquidation der
Anleihe nur durch einen Verkauf mit Realisierung von Kursverlusten möglich sei. Die
Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Beratung durch die Beklagte nicht den
Grundsätzen einer entsprechenden Risikoaufklärung genügt habe. Weiterhin habe das
Informationsblatt zu der Anleihe deshalb nicht den Anforderungen genügt, da es für die
Entwicklung des für die Verzinsung maßgeblichen Spreads nur einen Rückblick auf den
Verlauf der letzten 10 Jahre enthalten habe, in dem keine inversen Zinslagen oder
mehrjährige Niedrigzinsphasen vorgelegen hätten. Die Klägerin hätte sich durch eben
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diese Erkenntnisse von einem Erwerb der Anlage abhalten lassen. Die Klägerin
behauptet desweiteren, dass die Anleihe zum Zeitpunkt der Ausgabe fehlbepreist
gewesen sei, denn die Anleihe habe verdeckt die "Spanne" der Beklagten enthalten.
Diese sei somit eingepreist gewesen und die Anleihe fehlstrukturiert. Darüber hätte die
Beklagte die Klägerin aufklären müssen. Die Beklagte habe sich daher in einem
Interessenkonflikt befunden, da die Interessen der Bank zu einer möglichst geringen
Verzinsung im Passivbereich diametral zu den Interessen des Kunden an einer
möglichst hohen Verzinsung bei Anlageprodukten stünden. Der Kurs der Anleihe sei
intransparent und der Kurs aufgrund der Fehlstrukturierung schon zum Zeitpunkt der
Auflage um 20 % gegenüber dem Nennwert gefallen. Die mangelnde Liquidität der
Anleihe stelle einen Mangel der Anleihe dar.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen an sie € 866.000,00 nebst Zinsen i.H.v. 5
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Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen
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Bundesbank ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, die Klägerin sei in derlei Geschäften erfahren gewesen und
habe das Anlagevolumen auf eigenes Betreiben verdoppelt. Den Verlust habe die
Klägerin selbst dadurch realisiert, dass sie die Anleihe vorzeitig veräußert habe. Bei
Fortführung der Anlage bis zum Ende der Laufzeit hätte sie eine
Kapitalerhaltungsgarantie gehabt. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Anlage eine
eigene Marktmeinung gehabt. Sie habe, aufgrund anderer Geschäfte, die sie seit Ende
des Jahres 2004 mit der Beklagten getätigt habe, grundsätzliche Kenntnisse über die
Chancen und Risiken derartiger Finanzinstrumente, wie dem streitgegenständlichen,
gehabt. Über das Risiko der Möglichkeit einer Nullverzinsung, einer so genannten Null-
Coupon-Anleihe, sei die Klägerin in dem Beratungsgespräch am 14.04.2005 aufgeklärt
worden. Sie sei auch darüber aufgeklärt worden, dass die Anleihe einem Kursrisiko
unterliege. Es habe eine vollständige produktspezifische Aufklärung stattgefunden.
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Die Klägerin tätige seit dem Jahr 2000 regelmäßig Finanzgeschäfte mit der Beklagten,
wie z.B. strukturierte Devisentermingeschäfte, OTC Derivate (over the counter) sowie
strukturierte Termineinlagen. Der Finanzvorstand der Klägerin -durch Umwandlung der
Gesellschaftsform nunmehr der Geschäftsführer- habe bei der Vorstellung der
Finanzprodukte stets einen kompetenten und interessierten Eindruck gemacht. Auch im
Jahr 2002 habe die Klägerin bereits in einen Kursschwankungen unterliegenden Fonds
investiert.
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Die Vorstellung der streitgegenständlichen Anleihe sei auf Veranlassung der Klägerin
erfolgt. Die Parteien hätten seit dem Jahr 2002 regelmäßig Gespräche zur
Renditeoptimierung der Bodensatzliquidität der Klägerin geführt. Entsprechende
Analysen zur Bodensatzliquidität habe die Beklagte der Klägerin stets zur Verfügung
gestellt. Die streitgegenständliche Anleihe sei als Alternative zur Ablösung des Kredites
i.H.v. € 1.800.000,00 vorgestellt worden. Das Ziel sei gewesen, mit der Anleihe eine die
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Kosten des Darlehens überschreitende Rendite zu erzielen. Die Beklagte ist der
Ansicht, dass die Anleihe aufgrund der Renditechance i.H.v. 6 % eine sinnvolle
Alternative zur Ablösung des Darlehens dargestellt hätte. Die Ablösung des Darlehens
sei aufgrund der günstigen Konditionen unvorteilhaft gewesen.
Das der Klägerin zur Verfügung gestellte Informationsblatt enthalte einen
ausdrücklichen Hinweis auf das einseitige Kündigungsrecht der Beklagten nach Ablauf
des ersten Jahres der Laufzeit. In dem Hinweis, dass die Kapitalerhaltungsgarantie zum
Ende der Laufzeit gelte, sei enthalten, dass eine Kapitalerhaltungsgarantie nicht für den
gesamten Zeitraum der Laufzeit gelte. In dem Gespräch am 14.04.2005 seien alle
wesentlichen Faktoren und insbesondere die Funktionsweise sowie die Risiken der
Anleihe erläutert worden. Ein Mitarbeiter der Beklagten habe dabei mehrfach betont,
dass die Anleihe Kursschwankungen unterliege und der Kurs der Anleihe unter den
Ausgabepreis sinken könnte. Es sei auch darauf hingewiesen worden, dass die
durchschnittliche jährliche Verzinsung unterhalb des möglichen Marktzinses liegen
könne. Auf das Emittentenrisiko habe die Beklagte auch hingewiesen. In dem Gespräch
sei die Bedeutung der Entwicklung des Spread für den Erfolg der Anleihe erläutert und
auf die Möglichkeit einer inversen Zinslage hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt
die Auffassung, dass das Ausfüllen eines Wertpapierberatungsbogens nach WpHG
keine Pflicht sei. Die Aufklärung habe dem Horizont der Klägerin entsprochen. Ferner
sei ein Jahresrückblick für die Entwicklung eines Spreads für einen Zeitraum von 10
Jahren ausreichend.
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Die Beklagte ist daher der Ansicht, dass sich die Klägerin dieser Möglichkeiten der
Entwicklung der Anleihe bewusst gewesen sei. Die Beklagte bestreitet, dass die
Klägerin in dem Beratungsgespräch geäußert habe, dass sie die Bodensatzliquidität
i.H.v. € 2.000.000,00 kurzfristig zur Beschaffung neuer Produktionsmittel benötige und
eine risikoaverse Anlagestrategie verfolge. Nach Beendigung des Gespräches hätten
die Mitarbeiter der Beklagten nochmals auf das Risiko einer Null-Kupon-Anleihe und
der dadurch entstehenden Durchschnittsverzinsung i.H.v. 0,75 % p.a. hingewiesen, die
allein aus der Zinsgarantie i.H.v. 6 % für das erste Jahr der Laufzeit resultiere und
unterhalb der durchschnittlichen Marktverzinsung liege. Die Erhöhung des
Anlagevolumens von € 2.000.000,00 auf € 4.000.000,00 sei aufgrund des eigenen
Wunsches der Klägerin erfolgt. Die Klägerin habe bei Abschluss des Geschäftes eine
eigene Zinsmeinung gehabt, da sie bereits am 24.03.2003 ein sogenannten Zinscap
abgeschlossen habe, bei dessen Abschluss es ebenfalls einer eigenen Zinsmeinung
bedurft habe. Die Zinsmeinungen der Beklagten seien für den damaligen Zeitpunkt
vertretbar gewesen und hätten für den Zeitpunkt der Beratung im Rahmen der
Marktzinsmeinung gelegen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass keine Fehlberatung
stattgefunden habe. Die schlechte Entwicklung der Anleihe falle in den Risikobereich
der Klägerin. Die Bewertung und Empfehlung des streitgegenständlichen
Anlageobjektes sei ex ante betrachtet vertretbar gewesen.
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Die Beklagte habe der Klägerin nie zum Verkauf der streitgegenständlichen Anleihe
geraten, sie habe vor der Veräußerung der Anteile auf die Realisierung des
Kursverlustes hingewiesen. Sie ist der Ansicht, dass die Kausalität des Schadens auf
der vorzeitigen Veräußerung der Anleihe beruhe. Die Beklagte behauptet, dass die
Anlage nicht fehlstrukturiert sei und vertritt die Auffassung, dass sie sich daher auch
nicht in einem Interessenkonflikt befunden habe. Die Anleihe sei börsennotiert und
daher auch transparent. Die Anleihe sei nicht mit Ausgabeaufschlag verkauft worden,
sondern zum Nennwert. Sie ist ferner der Ansicht, dass es sich nicht um ein
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Börsentermingeschäft handele und daher keine erhöhte Aufklärungspflicht bestehe. Die
Rechtsprechung zur Innenprovision sei nicht anwendbar. Die Beklagte habe daher
keine Aufklärungspflicht nach der Wohlverhaltensrichtlinie der BaFin und der RiL
2004/39/EG und § 7 WpHG.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll sowie den sonstigen Inhalt der
Akte verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte weder ein Schadensersatzanspruch aus § 280 I
BGB i.V.m. dem am 01.04.2005 geschlossenen Beratungsvertrag noch aus § 823 II BGB
i.V.m. § 31 II WpHG zu.
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Zwar haben die Parteien, die seit dem Jahr 1969 in laufenden Geschäftsbeziehungen
standen, durch die Präsentation der Beklagten am 14.04.2005 über die
streitgegenständliche Anleihe konkludent einen Beratungsvertrag geschlossen. Denn
tritt ein Anlageninteressent an eine Bank oder der Anlageberater der Bank an einen
Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu
beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages
stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen (BGH in
NJW 1993, 2433).
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Ein Schadensersatzanspruch steht der Klägerin aber gleichwohl nicht zu. Dabei kann
dahinstehen, ob es sich bei der streitgegenständlichen Anleihe um ein
Finanztermingeschäft i.S.d. § 2a WpHG handelt. Denn die Beklagte hat jedenfalls ihre
Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Beratungsvertrag und aus den
§§ 31 ff. WpHG nicht verletzt.
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Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalles
ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein (BGHZ 123, 126, 128, NJW
2006, 2041). Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und
das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die
Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes sowie die speziellen Risiken,
die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjektes ergeben. Während die
Aufklärung des Kunden über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat (WM
2000, 1441, 1442), muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjektes unter
Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar
sein (Nobbe in Horn/Schimansky, Bankrecht 1998 S. 235, 248). Das Risiko, dass sich
eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (BGH WM
1987, 531, 532).
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Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind von einer Reihe von Faktoren abhängig,
die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageobjekt
beziehen. Die generellen Pflichten wurden u.a. in § 31 ff. WpHG konkretisiert. Die
konkrete Ausgestaltung der Pflichten hängt entscheidend von den Umständen des
Einzelfalles ab. Zu den Umständen in der Person des Kunden gehören insbesondere
dessen Wissenstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen
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Risikobereitschaft; zu berücksichtigen ist also vor allem, ob es sich bei dem Kunden um
einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welches
Anlageziel der Kunde verfolgt ("anlegergerechte Beratung"). Die Kenntnis von solchen
Umständen kann die Bank u.a. aus langjährigen Geschäftsbeziehungen mit dem
Kunden gewonnen haben. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung des
Anlageziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein und die
Bank muss über alle Umstände und Risiken, die für die Anlageentscheidung Bedeutung
haben, richtig und vollständig informieren (BGH in NJW 1993, 2433).
Bei Zugrungelegung dieser Grundsätze hat die Beklagte die Klägerin anlegergerecht
über die Anlage aufgeklärt. Bei dem zuständigen Mitarbeiter der Klägerin handelt es
sich nicht um einen in Kapitalanlagefragen völlig unerfahrenen "Normalbürger", sondern
um den für Finanzfragen zuständigen Experten eines mittelständischen Unternehmens
mit erheblichem Umsatz im mehrstelligen Millionenbereich, der zwischenzeitlich
Finanzvorstand des Unternehmens war. Das ein solches Geschäft bei den
Unwägbarkeiten des Finanzmarktes mit einem Risiko behaftet sein muss, kann dem
Mitarbeiter nicht verborgen geblieben sein. Spätestens nach Übersendung des
Informationsblattes am 01.04.2005 und bei Aufnahme der Beratungsgespräche durfte
die Beklagte davon ausgehen, dass der Klägerin hinreichende Informationen, jedenfalls
über die grundsätzliche Ausgestaltung des Geschäftes, vorlagen und auch bekannt
waren und sie bereit war, dieses Risiko einzugehen.
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Auf die Risiken der Anleihe wurde hinreichend hingewiesen. Die erteilten Informationen
ermöglichten es der Klägerin, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Dass
die Klägerin hierbei auf die offenbar falsche Einschätzung der Beklagten vertraute,
ändert hieran nichts, weil die Empfehlung der Beklagten ex ante betrachtet nicht
unvertretbar erscheint, denn es war gerade nicht vorhersehbar, wie sich die Zinskurve
entwickeln würde (so auch LG Hanau 9 O 1501/07, von der Beklagten vorgelegt, Anlage
23).
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In dem Informationsblatt heißt es unter anderem: "Die Zinsen beginnen unter der
Vorwegnahme von zukünftigen Zinserhöhungen sukzessive die Zinsdifferenz zu
verringern. Volkswirte erwarten in naher Zukunft keine Zinserhöhung im Euroland",
Darin enthalten ist eindeutig der Hinweis, dass die Zinsdifferenz, also der Spread, bei
Zinserhöhungen sinken kann. Dass eine zuverlässige Prognose einer Zinsentwicklung
niemals möglich ist, muss der Klägerin klar gewesen sein. Auf dem Informationsblatt
findet sich weiterhin folgender Hinweis: "Aus der Wertentwicklung in der Vergangenheit
kann nicht auf zukünftige Erträge geschlossen werden". Dieser Hinweis findet sich zwar
im sogenannten "Kleingedruckten", es kann aber von der Klägerin bei einem
Gesamtanlagevolumen i.H.v. € 4.000.000,00 erwartet werden, ein solches
Informationsblatt auch dahingehend zu prüfen.
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Eine Ausdehnung der Beratungspflicht darüber hinaus geht zu weit. Der beratenden
Bank kann nicht abverlangt werden, ihren Kunden die Anlageentscheidung selbst
abzunehmen. Typischerweise erwartet ein Kunde vor allem Aufklärung über die
Eignung des Anlageobjektes für seine Zwecke und die damit verbundenen spezifischen
Risiken. Die Anlagenetscheidung selbst will er in aller Regel jedoch eigenverantwortlich
treffen. Aufgabe der beratenden Bank ist es deshalb lediglich, den Kunden durch
ausreichende Informationen in die Lage zu versetzen, eine solche Entscheidung unter
Berücksichtigung der bestehenden Risiken zu treffen. Die Grenze verläuft dort, wo die
Bank, um eine ausschließlich konservative Anlagestrategie des Kunden wissend, nicht
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in ausreichendem Maße und nicht deutlich genug über die Risiken informiert und darauf
aufmerksam macht, dass diese Form der Anlage von der bisherigen Strategie abweicht
(LG Magdeburg, Az.: 9 O 1989/06, zitiert bei juris.de)
Der Klägerin ging es im vorliegenden Fall aber genau um die Erzielung einer höheren
Rendite, als diese mit der üblichen Anlage des Kapitals in Festgelder mit einer Laufzeit
zwischen 3 und 12 Monaten zu realisieren war. Der Klägerin ging es um das Abweichen
dieser konservativen Anlagestrategie. Dass dabei Interessenkonflikte zwischen
Sicherheit der Anlage, Laufzeit bzw. Kündbarkeit und Rendite entstehen, ist eine
Selbstverständlichkeit und bedarf keiner gesonderten Erläuterung.
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Eine entsprechende Aufklärungspflicht über das Bestehen verschiedener Prognosen
und über die behauptete Wahrscheinlichkeit einer für die Klägerin ungünstigen
Zinsentwicklung bestand jedoch nicht. Aus der Unsicherheit der künftigen
Kursentwicklung folgt zwangsläufig, dass hierzu unterschiedliche Auffassungen
vertreten werden können. Dies musste die Beklagte deshalb nicht besonders erwähnen
(BGH NJW 2006, 2041). Das gleiche gilt für vermeintliche Wahrscheinlichkeiten einer
bestimmten zukünftigen Entwicklung, da auch diese letztlich auch auf subjektiven
Wertungen beruhen, die nicht verifizierbar sind. Wenn irgendjemand, und sei es durch
die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten, den zukünftigen Kursverlauf von
Finanzwerten vorhersagen könnte, würde letztlich der Markt für derart spekulative
Geschäfte zusammenbrechen.
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Der Vortrag der Klägerin, dass sie den zusätzlichen Betrag i.H.v. € 1.800.000,00 allein
auf Betreiben der Beklagten zusätzlich in die Anleihe investiert habe, überzeugt deshalb
nicht, da zum einen aus der am 01.04.2005 übersandten Email hervorgeht, dass die
Anleihe als Alternative zur Ablösung des Kredites "wie besprochen" übersandt wurde.
Die Überlegung, dass Darlehen i.H.v. € 1.800.000,00, welches nur mit einem jährlichen
Zins i.H.v 5 % zu verzinsen war, anderweitig zu nutzen, anstatt es zurückzuführen, ging
also nicht allein von der Beklagten aus. Es mögen vielmehr die Überlegungen der
Klägerin gewesen sein, dieses zusätzliche günstige Kapital mit einer die Kosten
übersteigenden Rendite anzulegen. Diese Überlegung ergibt sich aus der einfachen
Rechnung, das Kapital aus dem Darlehen mit Kosten i.H.v. 5 % in eine Anleihe mit einer
Gewinnchance i.H.v. 6 % zu investieren und somit einen möglichen zusätzlichen
Gewinn zu generieren. Dass diese Anlage daher ungeeignet ist, kann nicht festgestellt
werden. Das Risiko, dass die Anlage jedoch nicht die erhoffte maximale Rendite i.H.v. 6
% im Jahresdurchschnitt erwirtschaftet, ist genauso groß, wie bei dem restlichen
investierten Kapital und daher genauso vom Anleger zu tragen. Die wirtschaftlichen
Risiken für den Erfolg der firmeninternen Finanzpolitik können nicht auf die Beklagte
abgewälzt werden. Die Klägerin muss dazu auch eine eigene Zinsmeinung gehabt
haben. Hätte sie nämlich keine eigene Zinsmeinung gehabt, hätte sie tatsächlich das
Darlehen abgelöst und nicht die Darlehnssumme in die Anleihe investiert. Die Klägerin
ging also von einem stabilen oder sich vergrößernden Spread aus.
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Dass die Klägerin geltend macht, durch die Anleihe sei sie nicht mit der für Sie
notwendigen Liquidität ausgestattet und die Anlageform daher ungeeignet, überzeugt
bereits deshalb nicht, da Ziel der Anlage gerade war, die dauerhaft bestehende
Bodensatzliquidität der Klägerin einer Renditeoptimierung zuzuführen. Das bedeutet,
dass die Klägerin gerade den Betrag, den sie ohnehin dauerhaft zur Verfügung hatte,
als Anlage wirtschaftlicher nutzen wollte. Zudem trägt sie selbst vor, dass die Beklagte
ihr angeblich für den fall kurzfristigen Liquiditätsbedarfs eine günstige
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Zwischenfinanzierung zugesagt habe. Ihr war dieser mögliche Nachteil der
Kapitalbindung mit den eventuellen Konsequenzen mithin klar bewusst.
Dass das Geschäft spekulativ war, da niemand die zukünftige Höhe der
Referenzzinssätze (exakt) vorhersagen oder auch nur mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit zutreffend prognostizieren kann, muss jedem, der sich mit derartigen
Geschäften ein wenig auskennt – und dazu gehörten die Mitarbeiter der Klägerin nach
vorhergesagtem – klar sein (LG Wuppertal, 3 O 33/08 zitiert bei juris.de, Rndr. 108).
Jedenfalls mithilfe eines Taschenrechners konnten weitere Szenarien problemlos
ausgerechnet werden, da die Formel zur Berechnung des variablen Zinssatzes für
jemanden, der täglich mit Zahlen arbeitet, denkbar einfach war.
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Zwar betrifft der in der Präsentation enthaltene Chart zum historischen Verlauf des
Spread nur die letzten 10 Jahre. In diesem Zeitraum betrug der Durchschnitt des Spread
etwa 1,34 Prozentpunkte und lag damit etwa 1/3 oberhalb der Barriere. Selbst, wenn der
Spread für die Hälfte der Laufzeit der Anleihe unter die Barriere gesunken wäre – dabei
ist es unerheblich, ob eine inverse Zinsstruktur vorliegt, da sich daraus, anders als bei
anderen Swap-Geschäften, keine zusätzliche Zahlungslast der Klägerin ergab – hätte
die Anleihe eine durchschnittliche Verzinsung von über 3 % gehabt, allein durch die
Zinsgarantie i.H.v. 6 % im ersten Jahr der Laufzeit. Die Chance, dass die Barriere
unterschritten wird, ist dabei genauso groß, wie die, dass sie überschritten wird. Denn
eine genaue Prognose ist niemals möglich.
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Die Beklagte hat die Klägerin auch über das Risiko der Anleihe ausreichend aufgeklärt.
Hierbei sind die Besonderheiten der Tandem-Zinssamler-Anleihe der vorliegenden Art
zu berücksichtigen. Denn im Gegensatz zu den üblicherweise angebotenen Formen,
bestand grundsätzlich kein Verlustrisiko für die Klägerin. Es war nämlich für die Klägerin
gerade keine Zahlungspflicht in unbegrenzter Höhe vorgesehen. Üblicherweise sind
solche Anleihen mit eine festen Verzinsung durch die Bank und einer variablen
Verzinsung durch den Kunden in Abhängigkeit des Unter- oder Überschreitens einer
Spreadbarriere, teilweise in Verbindung mit einem Multiplikator, vorgesehen. Bei der
streitgegenständlichen Anleihe ergibt sich jedoch keine Zahlungspflicht für die Klägerin.
Sie erhält bei Unterschreiten der Spreadbarriere durch den Spread lediglich keine
Verzinsung durch die Beklagte. Das Risiko besteht also gerade nicht in einem Verlust
sondern nur darin eine geringe oder gar keine Verzinsung zu erhalten. Auch der Verlust
des eingesetzten Kapitals ist per se nicht anzunehmen, denn es besteht für diese
Anleihe eine Rückzahlungsgarantie des Nominalbetrages zum Ende der Laufzeit. Dass
der Marktwert nach Ablauf der Zinsgarantie des ersten Jahres der Laufzeit und bei
deutlichem Unterschreiten der Spreadbarriere dem einer abgezinsten Anleihe
entspricht, ist ebenfalls selbstverständlich. Denn der Erwerber ist bei dieser quasi "Null-
Coupon-Anleihe" natürlich nicht mehr bereit zu zahlen, als den um die am Markt
mögliche jährliche Verzinsung bis zum Ende der Laufzeit reduzierten Betrag. Zwar
ergibt sich aus dem genannten Chart keine inverse Zinsphase. Es kann auch
dahinstehen, ob die Mitarbeiter der Beklagten über die Möglichkeit einer solchen
inversen Zinslage in dem Gespräch am 11.04.2005 aufgeklärt haben, denn eine inverse
Zinsstrukur hat - wie oben bereits erwähnt - keine weitergehende Auswirkung auf die
Anlage.
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Das Risiko der Anlage erachtet das Gericht als überschaubar und auch angesichts der
weiteren Ungleichgewichte nicht als sittenwidrig. Insoweit war auch zu berücksichtigen,
dass die Klägerinnen Gewinne gemacht hätten, wenn sich der Spread überhaupt nicht
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verändert hätte oder größer geworden wäre. Bei festverzinslichen Wertpapieren
(Bundesschatzbriefen) beträgt noch heute – soweit gerichtsbekannt – die maximale
Verzinsung nur 4,5 % und war im Jahr 2005 aufgrund des allgemein geringeren
Zinsniveaus noch niedriger. Höhere Erträge konnten demnach nur durch Anlagen, wie
Aktien, Währungsanlagen etc. erreicht werden, die aber auch alle das Risiko
unkontrollierbarer Verluste bergen (LG Wuppertal, Az.: 3 O 33/08, a.a.O., Rndr. 83). Die
hier streitgegenständliche Anleihe beinhaltete jedoch für die Klägerin keinerlei
Zahlungsverpflichtung und auch kein Risiko unkontrollierbarer Verluste. Selbst im Fall
eines so genannten "worst-case-szenarios" wäre der Nachteil der Klägerin darauf
begrenzt, insgesamt nur die Verzinsung i.H.v. 6 % im ersten Jahr der Laufzeit zu
erhalten und den Rest der Laufzeit überhaupt keine Verzinsung zu erhalten. Das Risiko
war also letztendlich darauf begrenzt im schlimmsten Fall nur den Zinsertrag aus dem
ersten Jahr der Laufzeit zu erhalten und den Nominalwert mangels
Kündigungsmöglichkeit erst nach Ablauf weiterer sieben Jahre zurück zu erhalten, also
das Inflationsrisiko zu tragen Ein direkter Verlust konnte –nach Ablauf der vertraglichen
Laufzeit- dagegen nicht entstehen.
Die Beklagte hat auch in ausreichender Weise auf ihr einseitiges Kündigungsrecht und
damit auf die stark unterschiedlichen Möglichkeiten zur Risikobegrenzung hingewiesen.
Es kann offen bleiben, ob hierüber nochmals ausdrücklich gesondert gesprochen
wurde. Es finden sich auf dem Informationsblatt über die Anleihe jedenfalls zwei
Hinweise auf das Kündigungsrecht der Beklagten. Der Klägerin dürfte nicht entgangen
sein, dass sich eine entsprechende Regelung in dem Informationsblatt für sie nicht
findet.
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Die Beklagte war auch nicht dazu verpflichtet, die Klägerin auf den bereits kurz nach
Abschluss des Geschäftes bestehenden negativen Marktwert – wobei der Begriff an sich
schon falsch scheint – hinzuweisen. Dessen Stand kurz nach Abschluss des
Geschäftes ist nach der Überzeugung des Gerichts kein Faktor, der auf die
Entscheidungsfindung der Klägerin Einfluss gehabt hätte. Denn die Mitarbeiter der
Klägerin vertrauten auf die Prognosen der Beklagten und rechneten mit einem Anstieg
des Spread und demzufolge mit einem Zinsgewinn, wodurch der negative Marktwert
ausgeglichen worden wäre (LG Hanau 9 O 1501/07, a.a.O.) Demnach musste er auch
nicht mitgeteilt werden.
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Denn wie sich der Marktwert entwickeln würde, konnte die Beklagte ebenso wenig
vorhersagen, wie den Verlauf des Spread selbst. Allenfalls vorhersehbar war, dass der
Marktwert kurz nach dem Abschluss des Geschäfts im negativen Bereich liegen würde.
Dies ist jedoch eine Selbstverständlichkeit, denn jeder, der ein Geschäft über eine
längere Laufzeit abschließt, hat unmittelbar nach Abschluss des Geschäftes ein
Interesse, an dem Geschäft festzuhalten; ansonsten hätte er das Geschäft nicht
abgeschlossen. Deswegen ist es allgemein üblich, dass derjenige, der ein soeben
abgeschlossenes Geschäft wieder rückgängig machen möchte, sich aus dem
Vertragsverhältnis "herauskaufen" muss. Geschäfte mit einer längeren Laufzeit haben
also zu Beginn immer einen negativen Marktwert zu Lasten desjenigen, der sich vom
Vertrag lösen will (so auch LG Wuppertal, a.a.O., Rndr. 133). Dies gilt insbesondere
dann, wenn ein Kündigungsrecht für den einen Vertragsteil nicht vereinbart ist.
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Der Marktwert stellt nämlich den Zahlungsbetrag dar, gegen den die Klägerinnen die
Geschäfte im Einvernehmen mit der Beklagten hätte auflösen können. Er ändert sich
kontinuierlich, insbesondere abhängig vom Verlauf des Spread. Er stellt also keinesfalls
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den Betrag dar, den die Klägerin auf jeden Fall oder auch nur möglicherweise verlieren
würde, sondern ist nur eine Momentaufnahme. Er kann also mit dem Betrag verglichen
werden, den die Beklagte maximal zu zahlen bereit war, um sich von dem Geschäft zu
lösen. Von einem Mangel der Anlage aufgrund der Illiquidität kann daher nicht
gesprochen werden. Auf das einseitige Kündigungsrecht ist jedenfalls ausreichend
hingewiesen worden. Dass dies ebenfalls zu einer natürlichen Verringerung des
Marktwertes führt, wurde oben bereits erläutert.
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet über ihre eigenen Interessen an dem Geschäft
aufzuklären. Insoweit hat die Klägerin hier ein widerstreitendes Interesse der Beklagten
an dem streitgegenständlichen Geschäft geltend gemacht und hält die Nichtaufklärung
über die eingepreiste Gewinnmarge unter Berufung auf die Entscheidung des
Landgerichts Frankfurt vom 10.03.2008 (2-4 O 388/06, zitiert bei juris.de und WM 2008,
1061 ff.) für ein aufklärungspflichtwidriges Verhalten. Die Ausführungen des LG
Frankfurt (a.a.O.,Rndr. 98 ff.) überzeugen jedoch letztlich nicht. Insbesondere unter
Berücksichtigung der Besonderheiten des Falls vermögen die dort aufgestellten
Anforderungen an die Aufklärung der Klägerin hier nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das
"Einpreisen" einer Gewinnmarge ist grundsätzlich angesichts der Natur des Zinsswaps
selbstverständlich und auch für einen Laien ohne weiteren Hinweis einleuchtend. Denn
jeder der einen festen Zinssatz in Abhängigkeit des Überschreitens der Spread-Barriere
zahlt, hofft, dass der Spread immer möglichst unter der Barriere liegt. Diese
Grundstruktur als "Wette" auf einen Zinssatz war offensichtlich. Selbst, wenn die Bank,
wie ausweislich des Gutachtens der Klägerin dargestellt, der Ausgabepreis nicht dem
Marktpreis entsprochen habe, sondern etwa 4 % Prozent darunter gelegen habe, musste
die Bank die Klägerin aber nicht darüber aufklären. Die Rechtsprechung, auf die sich
die Klägerin bezieht und die auch von der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt
erwähnt wird, betrifft die Zahlungen von Provisionen oder Rückvergütungen, die von
oder an Dritte gezahlt werden und aus denen folgen kann, dass die Vermittlung eines
Anlageproduktes nicht nur im Kundeninteresse, sondern auch im Interesse der
Erlangung dieser Zahlung erfolgen kann. Der Kunde hat dann ein Interesse daran, zu
erfahren, wie hoch das Eigeninteresse ist (BGH NJW 2001, 962; BGH NJW 2007,
1867). Vorliegend bestand aber kein derartiges Provisionsinteresse. Die Beklagte
wurde selbst Vertragspartnerin des streitgegenständlichen Geschäfts, auch wenn sie
ihre Risiken durch den Abschluss von Hedgegeschäften abgesichert hat. Gezahlt hat
diese Marge aber niemand, zumal die Marge auch heute noch nicht abschließend
festgestellt werden kann, denn diese hängt letztendlich von Verlauf des Spread bis zum
Ende der Laufzeit der streitgegenständlichen Anleihe ab, die noch bis 2013 andauert.
Dass eine solche Gewinnerwartung bei der Beklagten vorhanden war, war
offensichtlich, sonst hätte sie das Geschäft gar nicht abgeschlossen. Dies muss auch
den Mitarbeitern der Klägerin bekannt gewesen sein, da die Marge nicht separat gezahlt
werden musste. Diese musste also notwendigerweise in die Risikostruktur eingepreist
sein. Soweit von einer Risikostruktur der Anlage gesprochen werden kann, war diese
der Klägerin aber eindeutig bekannt. Mit der durchgeführten Abwägung der Risiken hat
die Klägerin aber auch die Marge der Beklagten in Kauf genommen.
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Das durch die Klägerin zur Fehlbepreisung eingereichte Sachverständigengutachten
der X lässt bei all seiner komplexen Betrachtung zum Marktwert der Anleihe für den
Zeitpunkt des Verkaufs an die Klägerin die Rückzahlungsgarantie und die Zinsgarantie
für das erste Jahr der Laufzeit außer acht.
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Soweit die Klägerin geltend macht, dass die Anlage aller Wahrscheinlichkeit nach unter
50
der damaligen marktüblichen Durchschnittsverzinsung zurückbleiben werde, entspricht
diese Wahrscheinlichkeit genau der, dass die Anleihe über der damaligen
marktüblichen Durchschnittverzinsung liegen würde. Angesichts der Tatsache, dass die
Laufzeit der Anleihe noch nicht einmal zur Hälfte vorüber ist, bleibt dies bisher reine
Spekulation.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 13.08.2008 und 09.09.2008
(Klägerin) sowie vom 08.09.2008 (Beklagte) gaben der Kammer keine Veranlassung,
die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.
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