Urteil des LG Krefeld vom 02.07.2009

LG Krefeld: grobe fahrlässigkeit, eigenes verschulden, verfahrenskosten, stundung, sorgfalt, straftat, reduktion, besitz, verwalter, treuhänder

Landgericht Krefeld, 7 T 155/09
Datum:
02.07.2009
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 T 155/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 93 IN 9/09
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 20.03.2009
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 12.03.2009 wird
kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe:
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I.
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Mit bei den Justizbehörden Krefeld am 03.02.2009 eingegangenem anwaltlichen
Schriftsatz stellte die Beschwerdeführerin einen Eigenantrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, einen Antrag auf Erteilung der
Restschuldbefreiung sowie einen Antrag auf Verfahrenskostenstundung. Die
Beschwerdeführerin hat die Anträge nicht persönlich ausgefüllt. So hat eine
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Mitarbeiterin ihres Verfahrensbevollmächtigten insbesondere das Formular zur
Verfahrenskostenstundung ausgefüllt. Die Beschwerdeführerin erhielt sodann die
vollständig ausgefüllten Antragsunterlagen zur Unterschrift übersandt. Sie hat diese
unterzeichnet und die Unterlagen wurden von ihrem Verfahrensbevollmächtigten bei
Gericht eingereicht. Auf das Antragsformular zur Verfahrenskostenstundung (Bl. 1 des
PKH-Heftes) wird Bezug genommen. Dort ist angekreuzt, dass in den letzten 10 Jahren
vor dem Eröffnungsantrag der Beschwerdeführerin keine Restschuldbefreiung erteilt
worden ist. Die Beschwerdeführerin versicherte, dass ihre Angaben vollständig und
wahr seien. Weiterhin versicherte sie, dass ihr bekannt sei, dass vorsätzliche
Falschangaben strafbar sein können.
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Der Beschwerdeführerin war jedoch in dem Verfahren 93 IK 38/03 mit Beschluss des
Amtsgerichts Krefeld vom 21.09.2006 Restschuldbefreiung gemäß § 300 InsO erteilt
worden. Diese Restschuldbefreiung wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger, auch solche,
die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. In den Gründen hatte das Amtsgericht
ausgeführt, dass im Rahmen der Schlussverteilung alle angemeldeten und nicht
bestrittenen Forderungen haben beglichen werden können. Dabei wurde darauf
hingewiesen, dass am Insolvenzverfahren und dem anschließendem
Restschuldbefreiungsverfahren solche Gläubiger, die zwar im Besitz einer Forderung
gegen den Schuldner sind, die sie jedoch nicht angemeldet haben, nicht teilnehmen.
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Dasselbe gelte für Gläubiger mit bestrittenen Forderungen oder
absonderungsberechtigte Gläubiger, die es versäumt haben, rechtzeitig gegen das
Bestreiten ihrer Forderungen vorzugehen bzw. gegenüber dem Verwalter/Treuhänder
den Nachweis des Ausfalls ihrer Forderung zu führen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 06.02.2009 wurden der
Beschwerdeführerin zunächst für das Eröffnungsverfahren die Verfahrenskosten gemäß
§ 4 a Abs. 1, 3 InsO gestundet. Mit weiterem Beschluss vom 12.02.2009 wurden der
Schuldnerin auch für das Hauptverfahren die Verfahrenskosten gestundet.
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Mit weiterem Beschluss vom 12.03.2009 wurden die bewilligten
Verfahrenskostenstundungen widerrufen und die Beschlüsse aufgehoben. Auf den
Inhalt dieses Beschlusses (Bl. 15, 16 des PKH-Heftes) wird Bezug genommen. Das
Amtsgericht wies in diesem Beschluss darauf hin, dass der Beschwerdeführerin im
Verfahren 93 IK 93/03 AG Krefeld bereits die Restschuldbefreiung erteilt worden war,
sie somit im Antragsformular zur Stundung der Verfahrenskosten eine falsche Angabe
gemacht habe.
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Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am
18.03.2009 zugestellten Beschluss, hat diese mit beim Amtsgericht Krefeld am
23.03.2009 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat mit
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anwaltlichem Schriftsatz vom 05.05.2009 diese weiter begründet. Auf den Schriftsatz
wird Bezug genommen (Bl. 32 ff.d.GA.).
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Das Amtsgericht Krefeld hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 08.06.2009
nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Krefeld zur Entscheidung vorgelegt.
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II.
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Die gemäß § 4 d Abs. 1, § 4 InsO i.V.m. § 567 ff. ZPO statthafte und auch fristgerecht
eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Amtsgericht Krefeld hat zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss die bewilligten
Verfahrenskostenstundungen widerrufen. Das Gericht hat die Aufhebung der bewilligten
Verfahrenskostenstundung zu Recht auf § 4 c Ziff. 1 InsO gestützt, weil die
Beschwerdeführerin grob fahrlässig unrichtige Angaben über Umstände gemacht hat,
die für die Stundung maßgeblich sind. Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden mit dem Antrag auf Erteilung der
Restschuldbefreiung. Eine solche Restschuldbefreiung konnte jedoch bereits zu diesem
Zeitpunkt gemäß § 290 Abs. 1 Ziff. 3 InsO – sofern dies im Schlusstermin von einem
Insolvenzgläubiger beantragt wird – nicht mehr erteilt werden, da in den letzten 10
Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Beschwerdeführerin
bereits die Restschuldbefreiung erteilt worden war. Es liegt nach Auffassung der
Kammer auch ein Grund gemäß § 290 Abs. 1 Ziff. 3 InsO vor. Dabei ist es unerheblich,
dass der Beschwerdeführerin vorzeitig die Restschuldbefreiung erteilt worden ist, weil
im Rahmen der Schlussverteilung alle angemeldeten und nicht bestrittenen
Forderungen haben beglichen werden können. Es handelte sich um eine normale
Restschuldbefreiung nach § 286 ff. InsO. Diese wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger,
auch gegen solche, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Nicht
uneingeschränkt richtig ist somit der Vortrag der Beschwerdeführerin, dass alle ihre
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Gläubiger keinen Verlust ihrer Forderungen erlitten hätten, da die Restschuldbefreiung
auch gegen solche Insolvenzgläubiger wirkt, die ihre Forderungen nicht angemeldet
haben.
§ 290 Abs. 1 Ziff. 3 InsO kann auch nicht im Wege einer geltungserhaltenen Reduktion
dahingehend ausgelegt werden, dass er sich nur auf die wirklichen Missbrauchsfälle
beschränken soll. Eine solche Auslegung wäre nur möglich, wenn der Gesetzgeber
unbewusst eine Norm zu allgemein formuliert hätte. Es ist jedoch davon auszugehen,
dass sich der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren hiermit auseinandergesetzt hat
und bewusst einen allgemeinen gehaltenen Versagungsgrund gewählt hat (vgl. hierzu
auch: Stephan in Münchner Kommentar zur InsO, 2. Aufl., 2008, § 290 Rdn 48 ff.).
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Ob es nicht über die Gläubiger hinaus, die ihre Forderungen im ersten
Insolvenzverfahren angemeldet haben, solche gibt, die dies nicht getan haben und die
durch die erste Restschuldbefreiung somit Verluste hinnehmen mussten, kann nicht
festgestellt werden. Es liegt somit ein Versagungsgrund gemäß § 290 Abs. 3 InsO vor.
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Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus nach Auffassung der Kammer auch grob
fahrlässig unrichtige Angaben gemacht. Grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn
der Schuldner die Sorgfalt in einem besonders schweren, ungewöhnlich hohen Maße
vernachlässigt hat. Dies ist der Fall, wenn einfachste und ganz naheliegende
Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige unbeachtet bleibt, was unter den
gegebenen Umständen jedem einleuchten musste (vgl. Stephan, a.a.O., § 290 Rdn 45
und Ganter in Müko, Kom. z. InsO, § 4 c Rdn 6).
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Zwar ist es richtig, dass sich die Beschwerdeführerin ein Verschulden ihres
Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO nicht zurechnen lassen muss. Sie
trifft jedoch eigenes Verschulden, denn sie hat die Erklärungen ihres
Verfahrensbevollmächtigten nicht überprüft. Der Antrag auf Verfahrenskostenstundung
ist übersichtlich gestaltet. In diesem musste die Beschwerdeführerin erklären, ob sie
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1. nicht wegen einer Straftat nach den §§ 283 – 283 c des StGB bereits rechtskräftig
verurteilt worden ist und ob ihr
2. nicht in den letzten 10 Jahren vor ihrem Eröffnungsantrag bereits
Restschuldbefreiung erteilt worden ist.
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Zu diesen beiden Fragen war ein Kästchen anzukreuzen. Dies ist geschehen. Die
Richtigkeit dieses Kreuzes hat die Beschwerdeführerin durch ihre Unterschrift bestätigt.
Über ihrer Unterschrift war in einem eigenen Rahmen die Erklärung enthalten:
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"Ich versichere hiermit, dass meine Angaben vollständig und wahr sind. Mir ist bekannt,
dass vorsätzlich Falschangaben strafbar sein können."
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Wer dies unterschreibt, war gehalten, sich den von ihm als richtig bestätigten Text
durchzulesen und auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Wenn die
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Beschwerdeführerin dies im "blinden Vertrauen" auf die Richtigkeit der Angaben ihres
Verfahrensbevollmächtigten nicht getan hat, so handelte sie nach Auffassung der
Kammer grob fahrlässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.
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.)
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