Urteil des LG Krefeld vom 30.06.2006

LG Krefeld: erblasser, eintragung im handelsregister, gründung der gesellschaft, gesellschaftsvertrag, komplementär, testament, gesellschafterversammlung, deklaratorische wirkung, stimmrecht

Landgericht Krefeld, 5 O 51/06
Datum:
30.06.2006
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 O 51/06
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, 17 U 170/06
Rechtskraft:
Es wurde Berufung eingelegt.
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, in der xy
Arzneimittel GmbH & Co. KG mit dem Sitz in L für den
Gesellschaftsanteil der Klägerin das Stimmrecht bei der Wahl eines
Abschlussprüfers auszuüben.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist im Hinblick auf die Kosten vorläufig vollstreckbar gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin als Erbin ihres verstorbenen Vaters in
eigener Person das Stimmrecht in der xy Arzneimittel GmbH & Co KG (nachfolgend "xy
KG" oder "Gesellschaft" genannt) ausüben darf oder ob dies dem Beklagten als
Testamentsvollstrecker zusteht.
1
Die Klägerin ist aufgrund des Testaments vom 26.01.1998 alleinige Erbin ihres am
08.10.2004 verstorbenen Vaters, Herrn G, geworden.
2
Der Erblasser gründete mit Gesellschaftsvertrag vom 04.02.1985 als Kommanditist
zusammen mit der xy Arzneimittelverwaltungs-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er
bis zu seinem Tod war, die Gesellschaft. Gemäß § 3 Abs. 1 ist allein die oben genannte
GmbH die persönlich haftende Gesellschaft.
3
§ 22 2. des Gesellschaftsvertrags lautet wie folgt:
4
"Ergänzungen und Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Kein
Gesellschafter kann sich auf eine vom Vertrag abweichende tatsächliche Übung
berufen, solange die Abweichung nicht schriftlich fixiert ist."
5
In das Handelsregister wurden seit Gründung der Gesellschaft einige Änderungen der
Gesellschaftsverhältnisse eingetragen.
6
So wurde am 10.07.1987 die Kommanditeinlage der Erblasser erhöht sowie weitere
Kommanditisten aufgenommen. Am 24.03.1992 und am 14.10.1996 wurden weitere
Erhöhungen der Einlagen in das Handelsregister eingetragen. Am 21.05.1999 wurde
das Ausscheiden eines Kommanditisten eingetragen und die Einlage des Erblassers w
eiter erhöht.
7
Am 04.01.2001 wurde in das Handelsregister eingetragen, dass der Erblasser als
Kommanditist aus der Gesellschaft ausgeschieden und seitdem Komplementär der
Gesellschaft ist. Diese Anmeldung wurde von allen Gesellschaftern unterschrieben (vgl.
Anlage K 6 d. A.).
8
Bei keiner der oben genannten Änderungen wurde der Gesellschaftsvertrag vom
04.02.1985 neugefasst oder ergänzt.
9
Der Erblasser verstarb am 08.10.2004. Er war zu 99,7 % Mehrheitsgesellschafter der xy
Arzneimittel GmbH & Co KG mit Sitz in Langenfeld. Das Testament vom 26.01.1998
enthält keine Regelung über die seit dem Jahre 1998 bestehende Beteiligung des
Erblassers.
10
Es wurde Testamentsvollstreckung bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres der
Klägerin angeordnet. Der Beklagte wurde zum Testamentsvollstrecker bestellt. Er ist
gleichzeitig der Steuerberater der Gesellschafter und erstellte in dieser Funktion unter
anderem ihre Jahresabschlüsse.
11
Der Beklagte ließ im Januar 2005 den Entwurf einer Handelsregisteranmeldung
erstellen (Anlage K7 der Akte). Darin heißt es unter anderem, dass die Klägerin als
Erbin die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters nicht übernehmen,
sondern als Kommanditistin eintreten werde. Im März 2005 wurde ein zweiter Entwurf
erstellt (Anlage K2 der Akte), nach dem die Klägerin als weitere persönlich haftende
Gesellschafterin in die Gesellschaft eintrete.
12
Am 18.03.2005 teilte der Beklagte der Klägerin in einem Brief mit, dass es nur gut sei,
wenn sie die Komplementärstellung ihres Vaters übernehme.
13
Seit Beginn der Testamentsvollstreckung kam es zwischen den Parteien zu Differenzen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.08.2005 wies die Klägerin den Beklagten darauf
hin, dass ihr als persönlich haftender Gesellschafterin weitgehende Informations- und
Stimmrechte zustünden. Der Beklagte teilte der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben
vom 15.09.2005 mit, dass der Erblasser Kommanditist sei und das Handelsregister nicht
mit der materiellen Rechtslage übereinstimme.
14
Am 27.09.2005 fand eine ordentliche Gesellschafterversammlung statt, in welcher die
Jahresabschlüsse 2003 und 2004 genehmigt worden sind. Die Klägerin regte ferner an,
den Jahresabschluss der Gesellschaft künftig durch eine
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prüfen zu lassen.
15
Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.11.2005 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die
Gesellschaft entsprechend dem oben genannten Vorschlag beabsichtigte, eine neutrale
Wirtschaftsprüfergesellschaft mit der Prüfung für das Jahr 2005 zu beauftragen.
16
Die Klägerin ließ daraufhin am 05.12.2005 anwaltlich erklären, dass Auswahl eines
Abschlussprüfers Sache der Gesellschaftsversammlung ist und legte ein Angebot einer
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei.
17
Mit Schreiben vom 12.12.2005 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass am 21.12.2005
eine Gesellschafterversammlung stattfinden und er diesen Termin für die Klägerin
wahrnehmen werde. Nachdem diese Gesellschafterversammlung abgesagt wurde,
schlug der Beklagte als Vertreter der Klägerin einen Umlaufbeschluss vor. In dieser
Weise wurde durch Beschluss das Unternehmen P AG beauftragt.
18
Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei – wie ihr Vater – Komplementär(in) der Gesellschaft.
Die Testamentsvollstreckung erfasse wegen §§ 2206 BGB nicht die Ausübung von
Stimmrechten bei mit persönlicher Haftung verbundenen Gesellschafterstellungen.
Ansonsten könne der Beklagte Handlungen ausführen, die zu ihrer persönlichen
Haftung führten.
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Der Gesellschaftsvertrag habe auch geändert werden können, da der Schriftformklausel
lediglich deklaratorische Bedeutung zukomme und durch langjährige andere Übung bei
sämtlichen bisherigen Änderungen des Gesellschaftsvertrages durch die Gesellschafter
stillschweigend außer Kraft gesetzt worden sei und sie sich somit einstimmig über die
Schriftformklausel hinweggesetzt hätten.
20
Des Weiteren erlaube der Gesellschaftsvertrag nicht, dass Gesellschafterrechte durch
einen Testamentsvollstrecker ausgeübt werden. Daher könne der Beklagte nicht in
seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker an einer Gesellschafterversammlung
teilnehmen, selbst wenn sie, die Klägerin, nur Kommanditistin wäre.
21
Schließlich sei sie auch nicht verpflichtet, dem Beklagten in ergänzender Auslegung
des Testamentes eine Vollmacht zur Ausübung von Stimmrechten zu erteilen. Eine
Andeutung in Hinsicht einer Ersatzlösung komme schon deshalb nicht in Betracht, da
der Erblasser zum Zeitpunkt der Abfassung des Testaments noch Kommanditist
gewesen sei.
22
Sie habe auch ein Interesse daran feststellen zu lassen, dass der Beklagte nicht für sie
Stimm- oder Teilnahmerecht in Gesellschafterversammlungen in Anspruch nehme.
23
Sie behauptet ferner, dass sowohl die Komplementär-GmbH als auch der Beklagte
selbst davon ausgegangen seien, dass sie, die Klägerin, persönlich haftende
Gesellschafterin geworden sei. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Beklagte bei
den Jahresabschlüssen 2003 und 2004 den Erblasser als Komplementär benannt habe
und die Abschlüsse in der letzten ordentlichen Gesellschafterversammlung der
Gesellschaft am 29.05.2005 durch sämtliche Gesellschafter genehmigt worden seien.
24
Die Klägerin beantragt,
25
festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, in der xy Arzneimittel GmbH & Co.
KG mit dem Sitz in Langenfeld für den Gesell-schaftsanteil der Klägerin das Stimmrecht
bei der Wahl eines Abschluss-prüfers auszuüben.
26
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
28
Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei – wie der Erblasser – lediglich
Kommanditist der Gesellschaft. Die Eintragung im Handelsregister stimme mit der
materiellen Rechtslage nicht überein. Dazu behauptet er, der Erblasser habe sich nur
deshalb als Komplementär eintragen lassen, um der gesetzlich neu eingeführten
Publizitätspflicht entgehen zu können. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages sei
nicht gewollt gewesen.
29
Ferner ist er der Ansicht, der Vertrag habe nur schriftlich geändert werden können, da es
sich um eine konstitutive Schriftformklausel handele und keine schriftliche Fixierung
einer abweichenden tatsächlichen Übung vorliege. Diese sei nach der neueren
Rechtsprechung auch für Nichtkaufleute bindend.
30
Auch reiche die schriftliche Anmeldung zum Handelsregister nicht aus, um auch eine
Änderung des Gesellschaftsvertrages anzunehmen, da es sich um eine andere
Willenserklärung mit anderem Adressaten handele.
31
Schließlich begegne der mit dem Klageantrag verfolgte Zweck der Arglisteinrede, so
dass eine ergänzende Testamentsauslegung gemäß § 2084 BGB dahingehend
erfolgen müsse, dass sich die Klägerin durch den Beklagten bei der Bestellung eines
Wirtschaftsprüfers vertreten lassen müsste. Dem Testament sei eindeutig zu entnehmen,
dass die Erbin erst mit Vollendung des 28. Lebensjahres die Führung des
Unternehmens übernehmen sollte. Eine persönliche Haftung sei faktisch ohnehin
ausgeschlossen.
32
Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
33
Entscheidungsgründe
34
Die Klage ist zulässig und begründet und hat daher in der Sache Erfolg.
35
I)
36
Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht das gemäß § 256 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse. Die Klägerin hat ein eigenes, persönliches Interesse an der
begehrten Feststellung, da der Beklagte bereits bei der Beschlussfassung für das Jahr
2005 im Wege des Umlaufverfahrens das Stimmrecht für die Klägerin ausgeübt hat und
sich weiterhin dieses Rechtes berühmt.
37
II)
38
Die Klage ist in der Sache auch begründet.
39
Der Beklagte ist nicht berechtigt, in der xy Arzneimittel GmbH & Co. KG für den
Gesellschaftsanteil der Klägerin das Stimmrecht bei der Wahl eines Abschlussprüfers
auszuüben.
40
Die Klägerin ist als Erbin des verstorbenen Vaters wie dieser Komplementär(in) der
Gesellschaft geworden. Der Gesellschaftsvertrag wurde im Januar 2001 dahingehend
41
geändert, dass der Erblasser die Stellung als Komplementär der Gesellschaft
wahrnimmt. Die angeordnete Testamentsvollstreckung erfasst nicht die Ausübung von
Stimmrechten bei mit persönlicher Haftung verbundener Gesellschafterstellung.
Schließlich kann das Testament auch nicht so ausgelegt werden, dass die
Testamentsvollstreckung auch die Wahrnehmung von Stimmrechten in der
Gesellschafterversammlung betrifft.
1)
42
Die Klägerin ist Komplementärin der Gesellschaft, da sie durch das Testament vom
26.01.1998 alleinige Erbin des Erblassers geworden ist, der ebenfalls bei der xy KG die
Stellung eines Komplementärs inne hatte.
43
Zwar hat der Erblasser im Jahre 1985 die xy KG als Kommanditist zusammen mit der xy
Arzneimittelverwaltungs-GmbH als einziger Komplementärin gegründet. Der
Gesellschaftsvertrag ist jedoch im Januar 2001 dahingehend geändert worden, dass der
Erblasser die Stellung eines Komplementärs inne hat. Dementsprechend wurde der
Erblasser auch als Komplementär ins Handelsregister eingetragen.
44
a)
45
Diese Änderung ist nach Ansicht des Gerichts möglich, obwohl der Vertrag nicht
ausdrücklich schriftlich geändert worden ist. Zwar schreibt § 22 2. des
Gesellschaftsvertrags vor, dass Änderungen des Vertrags nur schriftlich erfolgen können
und dass sich kein Gesellschafter auf eine vom Vertrag abweichende Übung berufen
kann, solange diese nicht schriftlich fixiert worden ist.
46
Dabei kann dahin stehen, ob die Schriftform bereits durch die Unterschrift der
Gesellschafter unter die Handelsregisteranmeldung eingehalten worden ist, wofür nach
Ansicht des Gerichtes einiges spricht.
47
Jedenfalls hat die Schriftformklausel entgegen der Auffassung des Beklagten nur
deklaratorische Wirkung und stellt keine Wirksamkeitsvoraussetzung im Sinne des §
125 S. 2 BGB dar.
48
Gemäß § 125 S. 2 BGB hat der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form im
Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge. Diese Auslegungsregel kann aber vorliegend
angesichts der besonderen Verhältnisse, die für eine Kommanditgesellschaft
maßgeblich sind, auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden. Mit Rücksicht auf
die lange Geltungsdauer und die wirtschaftliche Bedeutung der Gesellschaftsverträge
liegt es in ihrer Natur, dass sie häufigen und vielfältigen Veränderungen unterliegen.
Dies führt dazu, dass die Gesellschaft sich an ständig ändernde wirtschaftliche
Verhältnisse anpassen muss. Dies geschieht in der Regel dadurch, dass die
Anpassung meist in allmählicher Abwandlung kaufmännischer Gepflogenheiten
stattfindet und auch Bereiche erfasst, die im Gesellschaftsvertrag geregelt sind. Dies
führt dazu, dass eine Schriftformklausel in der Regel keine Wirksamkeitsvoraussetzung
gemäß § 125 S.2 BGB darstellt, sondern dass ihr eine Klarstellungsfunktion zukommt
(vgl. BGHZ 49, 364-368).
49
Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall, obwohl § 22 2. des
Gesellschaftsvertrags den Zusatz enthält, dass sich kein Gesellschafter auf eine
50
abweichende Übung berufen kann, solange diese nicht vertraglich fixiert ist.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs, welcher sich das Gericht anschließt, können
nur Kaufleute eine rechtsverbindliche Klausel treffen, durch welche auf das
Formerfordernis nur durch eine schriftliche Erklärung verzichtet werden kann (vgl. BGH
66, 378, 381 = NJW 1976, 1395). Das Gesetz gesteht Kaufleuten bei Abgabe
bestimmter Willenserklärungen in stärkerem Maße Formfreiheit zu, als anderen
Teilnehmern am privaten Rechtsverkehr (vgl. § 350 HGB), so dass sie sich auch einer
größeren freiwilligen Bindung unterwerfen können. In einem solchen Fall verdient die
vertragliche Vereinbarung im Hinblick auf die Vertragsfreiheit den Vorrang.
51
Der § 22 2. des Gesellschaftsvertrages wurde aber zwischen Nichtkaufleuten vereinbart.
Haben in einem solchen Fall die Parteien übereinstimmend die Maßgeblichkeit der
mündlichen Vereinbarung gewollt, so gilt die formfreie Absprache, da sich die
Gesellschafter wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit die Schriftformklausel
mündlich abbedingen können.
52
Dem steht nach Ansicht des Gerichts auch nicht das vom Beklagten angeführte Urteil
des BAG vom 24.06.2003 entgegen (BAG NJW 2003, 3725), nachdem eine betriebliche
Übung nicht entsteht, wenn die Änderung der Schriftformklausel ihrerseits einer
besonderen Form unterstellt worden ist.
53
Die beiden Fälle sind nämlich nicht vergleichbar. § 22 (2) des Gesellschaftsvertrags
regelt nicht, dass die Schriftformklausel nur schriftlich aufgehoben werden kann,
sondern ist allgemeiner gehalten und bezieht sich auf Änderungen des Vertrags durch
betriebliche Übung. Die Klausel ist so zu verstehen, dass eine vom Vertrag
abweichende, dauerhafte Übung der Gesellschafter nur dann wirksam ist, wenn sie
schriftlich fixiert wird. Sie verbietet jedoch nicht, dass einzelne Veränderungen, wie der
Wechsel eines Kommanditisten in die Stellung des Komplementärs, nicht auch ohne
Beachtung der Schriftformklausel geschlossen werden können.
54
Zum anderen hatte das BAG darüber zu entscheiden, ob eine betriebliche Übung
zustande gekommen ist. Dabei sind andere Grundsätze anzusetzen als bei einem auf
längere Zeit ausgerichteten Gesellschaftsvertrag, bei dem sich die Gesellschaft sich
ständig ändernden wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen muss.
55
Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass sich die Gesellschafter über das
Schriftformerfordernis hinwegsetzen wollten und können müssen. Seit 1985 wurde trotz
wiederholter Änderungen (mehrfache Erhöhung der Kommanditeinlage, Eintritt und
Ausscheiden weiterer Kommanditisten, Übertragung von Anteilen) der
Gesellschaftsvertrag nicht neu gefasst. In jedem Fall wurde die Änderung nur durch eine
entsprechende Anmeldung zum Handelsregister vorgenommen. Daraus lässt sich
entnehmen, dass die Gesellschafter gerade unter Außerachtlassung der
Schriftformklausel die Gesellschaft an die wechselnden Verhältnisse anpassen wollten.
56
b)
57
Der Gesellschaftsvertrag ist durch die Handelsregisteranmeldung auch dahingehend
geändert worden, dass der Erblasser in die Stellung eines Komplementärs gewechselt
ist.
58
Am 04.01.2001 wurde diese Umwandlung in das Handelsregister eingetragen und von
sämtlichen Gesellschaftern unterschrieben. Es ist in der Rechtsprechung und Literatur
anerkannt, dass die Eintragung zum Handelsregister ein Indiz für eine
vorausgegangene ausdrückliche Vertragsänderung oder jedenfalls eine konkludente
Vertragsänderung darstellen kann (vgl. Schlegelberger § 105 Rn. 163 m. w. N.).
59
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die Gesellschafter den Vertrag in dieser
Hinsicht ändern wollten. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass alle bisherigen
Änderungen des Gesellschaftsvertrages, auch z. B. das Ausscheiden von
Kommanditisten, lediglich durch Eintragung ins Handelsregister bestätigt worden sind.
Zum anderen wollten die Gesellschafter durch die Eintragung des Erblassers als
Komplementär unstreitig zumindest der Publizitätspflicht entgehen. Diesen Erfolg
konnten sie nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages erreichen.
60
Soweit der Beklagte vorträgt, es handele sich um zwei unterschiedliche Erklärungen
und die Gesellschafter hätten nach außen der Prüfungspflicht durch Eintragung eines
Komplementärs entgehen, aber den Vertrag nicht ändern wollen, folgt das Gericht dem
nicht.
61
Das Gesetz sieht keine nur nach außen existierende Komplementärsstellung vor. Daher
ist nicht entscheidend, dass es sich um zwei Willenserklärungen mit verschiedenen
Adressaten handelt. Der Prüfungspflicht kann gerade nur dann entgangen werden,
wenn eine Person persönlich für die Verpflichtungen der Gesellschaft einsteht. Sollte
dabei tatsächlich – wie der Beklagte vorträgt – der innere Vorbehalt dahingehend
vorgelegen haben, dass nur nach außen der Eindruck einer Komplementärsstellung
erweckt werden sollte, so ist dies nach Ansicht des Gerichts unbeachtlich.
62
Denn eine nur zum Schein abgegebene Willenserklärung ist gemäß § 117 BGB dann
nicht nichtig, wenn der erstrebte Erfolg gerade die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes
voraussetzt. Dieser Rechtsgedanke muss nach Auffassung des Gerichts auch im
vorliegenden Fall zur Anwendung kommen. Das Umgehen der Prüfungspflicht konnte
nur dadurch erreicht werden, dass die Stellung eines persönlich Haftenden innerhalb
der Gesellschaft geschaffen wurde. Eine Aufteilung – wie vom Beklagten vorgenommen
– stellt daher eine unzulässige Konstruktion dar.
63
2)
64
Der Beklagte darf in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker nicht die
Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung für die Klägerin ausüben, da sie als
Erbin auch in die Komplementärsstellung eingerückt ist. Ein Testamentsvollstrecker darf
nicht in die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft eingreifen und
Mitgliedschaftsrechte ausüben (Palandt § 2205 Rn. 14).
65
Dies ist Folge daraus, dass der Testamentsvollstrecker den Erben nur im Rahmen des
Nachlassvermögens verpflichten kann, während die Klägerin als Komplementärin der
Gesellschaft persönlich und unbeschränkt haftet. Dies führt dazu, dass die
Testamentsvollstreckung im Wesentlichen auf die Außenseite der Beteiligung, also
Wahrnehmung und Erhaltung der übertragenen Vermögensrechte, gerichtet ist, während
die Geschäftsführung oder sonst zu einer möglichen Haftung der Gesellschaft führende
Handlungen nicht erfasst sind (Müller, Beck’sches Handbuch der
Personengesellschaften, § 8, Rn. 127f. ).
66
Dem steht entgegen der Auffassung des Beklagten nicht entgegen, dass – wie
behauptet – eine persönliche Haftung aufgrund der tatsächlichen wirtschaftlichen
Umstände der Gesellschaft ausgeschlossen sei. Dies ändert nichts daran, dass die
Klägerin im rechtlichen Sinne für die Handlungen des Beklagten persönlich und
unbeschränkt und nicht nur mit der Erbmasse haftet. Dessen ungeachtet ist die
Testamentsvollstreckung auch bis zum 02.04.2013 angeordnet, so dass die
wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich durchaus ändern könnte.
67
3)
68
Schließlich ergibt sich auch nicht aus dem Testament des Erblassers, dass sich die
Klägerin durch den Beklagten bei Ausübung ihres Stimmrechts in der
Gesellschafterversammlung vertreten lassen muss. Es ist nicht erkennbar, dass der
Erblasser die Klägerin verpflichten wollte, dem Beklagten eine entsprechende
Vollmacht zu erteilen (sog. Vollmachtslösung) oder eine treuhändische Übertragung des
Geschäfts auf ihn vorzunehmen (sog. Treuhandslösung).
69
Dabei ist bereits äußerst fraglich, ob der Erbe überhaupt durch eine Auflage
rechtswirksam verpflichtet werden könnte, einem Testamentsvollstrecker die Ausübung
der Mitgliedschaftsrechte zu überlassen (vgl. BGB WM 1969, 492 f.)
70
Das kann aber dahinstehen, da das Testament nicht dahingehend ausgelegt werden
kann, dass der Erblasser die Klägerin verpflichten wollte, sich bei Ausübung ihrer
Stimmrechte durch den Beklagten vertreten zu lassen. Daher kann auch dahinstehen,
ob – wie der Beklagte vorträgt – mit einer solchen testamentarischen Gestaltung keine
unzumutbaren Gefahren für den Erben verbunden sind, weil er die Erbschaft
ausschlagen könnte.
71
a)
72
Eine einfache Testamentsauslegung kommt nicht in Betracht, da der Wortlaut des
Testaments des Erblassers eindeutig und daher nicht auslegungsbedürftig ist (vgl.
Palandt § 2084 Rn. 1). Der Wortsinn lässt also keine verschiedenen Auslegungen zu.
Darüber hinaus kann der Erblasser mit seinen Worten keinen anderen Sinn verbunden
haben, da er zum Zeitpunkt der Erstellung des Testaments lediglich Kommanditist der
Gesellschaft war.
73
b)
74
Auch eine ergänzende Auslegung des Testaments führt nicht dazu, dass sich die
Klägerin auf irgendeine Weise durch den Beklagten in der Gesellschafterversammlung
vertreten lassen muss.
75
Die ergänzende Testamentsauslegung hat den Zweck, Lücken zu schließen, welche
sich daraus ergeben, dass zwischen Errichtung des Testaments und dem Erbfall
Veränderungen eingetreten sind, die der Erblasser nicht bedacht hat (Palandt § 2084
Rn. 8). Dazu ist erforderlich, dass im Testament selbst eine erkennbare Willensrichtung
des Erblassers, also ein Anhaltspunkt, vorhanden ist. (BGH NJW 81, 1737). Dann kann
die Auslegung des Testaments in Richtung des vom Erblasser gewollten, aber
verfehlten Zieles erfolgen.
76
Aus dem Testament und den äußeren Umständen lässt sich aber kein eindeutiger Wille
für den Fall entnehmen, dass der Erblasser bei der Errichtung des Testaments die
weitere Entwicklung der Gesellschaft in Betracht gezogen hätte. Des Weiteren ist zu
bedenken, dass seit der Eintragung des Erblassers als Komplementär in das
Handelsregister und dem Erbfall mehr als drei Jahre vergangen sind, ohne dass jener
sein Testament geändert hat.
77
Die Tatsache, dass der Erblasser die Testamentsvollstreckung zu einer Zeit angeordnet
hat, als er lediglich die Stellung eines Kommanditisten inne hatte, lässt nicht den
Rückschluss darauf zu, dass er auch die Klägerin, seine Tochter, für Entscheidungen
des Beklagten persönlich und unbeschränkt haften lassen wollte. Aus der
Testamentsvollstreckung mag sich der Wille des Erblassers entnehmen, dass seiner
jungen Erbin es nicht möglich sein sollte, ihren Anteil an der Gesellschaft zu veräußern.
Selbst wenn der Erblasser durch die Testamentsvollstreckung auch verhindern wollte,
dass die Klägerin vor der Vollendung des 28. Lebensjahres die Führung und
Verantwortung für das Unternehmen übernehmen sollte, bedeutet dies nicht, dass er,
hätte er die Änderung seiner Stellung bedacht, die Klägerin dazu verpflichten wollte,
dem Beklagten eine Vollmacht zur Ausübung der Stimmrechte zu erteilen. Dann würde
man dem Erblasser unterstellen, er habe gewollt, dass seine Tochter, die Klägerin,
persönlich und unbeschränkt für die Handlungen eines Dritten, des Beklagten, haften
solle. Ebenso wäre es aber auch denkbar, dass er in diesem Fall die von der Klägerin
angesprochene Lösung eines Beirates entsprechend § 10 des Gesellschaftsvertrages
gewählt hätte, um die Geschäftsführung zu überwachen und zu überprüfen. Es mag
zutreffen, dass dies zu einer gemischten Verantwortung geführt hätte. Der Erblasser hat
aber die Testamentsvollstreckung zu einem Zeitpunkt angeordnet, als eine persönliche
Haftung der Erbin ausgeschlossen war. Aus dem Testament sind keine Anhaltspunkte
dafür ersichtlich, dass er die Vollmachtslösung dem oben genannten Beirat vorgezogen
hätte.
78
Nach Ansicht des Gerichts steht dem auch nicht entgegen, dass zur Zeit des Erbfalls
eine persönliche Haftung laut Angabe des Beklagten aufgrund der wirtschaftlichen
Situation faktisch ausgeschlossen ist, da die Testamentsvollstreckung bis zum Jahr
2013 angeordnet und die wirtschaftliche Lage nicht vorhersehbar ist und war.
79
Schließlich begegnet nach dem oben Gesagten der Anspruch der Klägerin auch nicht
der Arglisteinrede, da ihr als Komplementärin der Gesellschaft trotz der angeordneten
Testamentsvollstreckung die Ausübung des Stimmrechts in der
Gesellschafterversammlung zusteht und auch eine Auslegung des Testaments zu
keinem anderen Ergebnis führt.
80
III)
81
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO, da Kosten in Höhe von mehr als 1.500 €
vollstreckbar sind.
82
IV)
83
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: 36.000,00 €.
84