Urteil des LG Krefeld vom 24.08.2007

LG Krefeld: beendigung, rechtssicherheit, gegenforderung, verwirkung, aufrechnung, verjährung, tarif, staub, ausnahme, kaufvertrag

Landgericht Krefeld, 1 S 29/07
Datum:
24.08.2007
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 S 29/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Kempen, 13 C 221/06
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsge-richts Kempen
vom 25.01.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu zahlen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufungsinstanz: €1.051,69
Entscheidungsgründe
1
I.
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Der Kläger, der Inhaber eines Holzbaubetriebs war, veräußerte seinen Betrieb am
30.07.2000 an die Beklagte zum Preis von DM 60.000,00. Die Beklagte zahlte den
Kaufpreis in monatlichen Raten mit Ausnahme von € 1.051,69, die der Kläger mit der
Klage geltend macht. Ab dem 01.08.2000 arbeitete der Kläger für die Beklagte als
Zimmermannsmeister. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag
vom 01.08.2000 Bezug genommen (Bl. 46 d. Akte).
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Klageforderung sei in Höhe von € 900,00 erloschen, da
ihr in dieser Höhe ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger zustehe, mit dem sie
die Aufrechnung erklärt hat. Dazu trägt sie vor, der Kläger, der unstreitig bis zum
30.04.2003 für sie tätig war, habe vor seinem Ausscheiden ein Angebot für den Kunden
K erstellt. Ihr sei dann nach mehrfachen Versuchen, den Kläger telefonisch zu erreichen,
im Mai 2003 von dem Kläger erklärt worden, dass das Bauvorhaben für den Kunden K
inhaltlich identisch sei mit demjenigen für den Kunden H. Daraufhin habe sie die
Fenster am Bauvorhaben K mit den entsprechenden Maßen 1,05 m x 1,28 m erstellt.
Erst nach den Arbeiten habe sich herausgestellt, dass die Fenstermaße unzutreffend
gewesen seien. Ihr Kunde habe daraufhin den Preis um € 900,00 gemindert. Die
Beklagte ist der Ansicht, ihr stehe gegen den Kläger in dieser Höhe ein
Schadensersatzanspruch zu.
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Das Amtsgericht Kempen hat der Klage am 25.01.2007 vollumfänglich stattgegeben und
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Das Amtsgericht Kempen hat der Klage am 25.01.2007 vollumfänglich stattgegeben und
zur Begründung ausgeführt, die Gegenforderung sei im Hinblick auf die zwischen den
Parteien geschlossene arbeitsvertragliche Regelung verwirkt. Zwar greife die
Ausschlussregelung in § 10 des Vertrages, wonach Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis spätestens innerhalb eines Monats nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden müssen und ansonsten verwirkt
sind, dem Wortlaut nach nicht ein, da der hier geltend gemachte Anspruch erst nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sei. Im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung sei jedoch davon auszugehen, dass die Parteien – hätten sie solche
Ansprüche mitbedacht – vereinbart hätten, dass diese Ansprüche nur innerhalb der
Monatsfrist ab dem Entstehen und Bekanntwerden des Anspruchs geltend gemacht
werden können. Da der Beklagten der von ihr behauptete Schadensersatzanspruch
bereits im Juni 2003 bekannt gewesen sei, sei der nach dem Vorbringen der Beklagten
im Dezember 2003 geltend gemachte Anspruch verwirkt.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Antrag auf Klageabweisung
weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Kempen Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen
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Die Beklagte hat die Forderung des Klägers aus dem Vertrag vom 30.07.2000 nicht
bestritten. Entgegen der Berufung ist die Forderung auch nicht durch den zur
Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch erloschen.
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Wie das Amtsgericht zutreffend und mit richtiger Begründung ausgeführt hat, ist es der
Beklagten aufgrund der Ausschlussklausel in § 10 des Arbeitsvertrages verwehrt, den
Anspruch gegen den Kläger auch nach Ablauf der Monatsfrist seit Kenntnis des
Anspruchs geltend zu machen. Die Parteien haben zwar den Fall eines nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst entstehenden Schadensersatzanspruches
nicht geregelt. Aus der in § 10 des Arbeitsvertrages vereinbarten Ausschlussregelung
ergibt sich jedoch, dass den Parteien übereinstimmend daran gelegen war, sämtliche
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb der Monatsfrist abzuwickeln und
dadurch kurzfristig Rechtssicherheit zu schaffen. Die Parteien haben die
Geltendmachung etwaiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht nur davon
abhängig gemacht, dass der Anspruch innerhalb der Frist schriftlich geltend gemacht
werden musste, sondern darüber hinaus die Ausschlussklausel für sämtliche Ansprüche
aus dem Arbeitsverhältnis – ohne irgendeine Einschränkung – vereinbart. Dabei haben
sie jedoch offensichtlich den Fall, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag erst noch entstehen können, nicht bedacht.
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Entgegen der Berufung hat das Amtsgericht auch zu Recht eine planwidrige
Regelungslücke angenommen. Das zeigt sich schon an der Weite der
Ausschlussklausel, die auf sämtliche, wechselseitige Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden sollte. Darüber hinaus würde die
Möglichkeit, dass der Arbeitgeber erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
entstehende Ansprüche auch noch nach Jahren (bis zum Eintritt der Verjährung) geltend
machen könnte, dem von den Parteien mit der Ausschlussklausel verfolgten Ziel
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zuwiderlaufen, kurzfristig Rechtssicherheit hinsichtlich des gesamten
Lebenssachverhalts des Arbeitsverhältnisses zu erzielen. Der Arbeitnehmer soll sich
bei einer Ausschlussfrist jedoch grds. darauf verlassen können, dass nach Fristablauf
gegen ihn keine Ansprüche mehr erhoben werden (vgl. Preis in: Erfurter Kommentar
zum Arbeitsrecht, 7. Aufl., §§ 104 ff. BGB Rn. 32).
Der ergänzenden Vertragsauslegung steht auch nicht entgegen, dass
Ausschlussklauseln grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. BAG, Urteil v. 07.02.1995,
3 AZR 483/94, zit. nach juris, m.w.N.). Vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht eine
vergleichbare Regelung, wonach die beiderseitigen Ansprüche binnen zwei Wochen
nach der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend zu
machen und binnen weiterer vier Wochen klageweise zu verfolgen sind, ebenfalls
ergänzend ausgelegt. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts greift die
Ausschlussfrist auch für Ansprüche ein, die erst nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses entstehen oder beziffert werden können, und beginnt, wenn die
Ansprüche fällig und bezifferbar geworden sind (BAG, Urteil v. 17.10.1974, 3 AZR 4/74,
zit. nach juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 19.12.2006 (9 AZR 343/06, zit. nach juris). Vielmehr hat das
Gericht darin ausdrücklich festgestellt, dass auch bei Ausschlussfristen eine
ergänzende (Tarif-) Vertragsauslegung grundsätzlich möglich ist, wenn – wie hier – eine
unbewusste Regelungslücke vorliegt. Allerdings stand bei dem vom
Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall einer ergänzenden Vertragsauslegung
der erkennbar gewordene Wille der Parteien entgegen, die dort – anders als in dem
vorliegenden Fall – die Anwendung der Ausschlussfrist auf nachvertraglich fällige
Ansprüche geregelt hatten.
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Demnach ist hier § 10 des Arbeitsvertrages ergänzend dahingehend auszulegen, dass
auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Ansprüche nur innerhalb
der Monatsfrist ab dem Entstehen und Bekanntwerden des Anspruchs geltend gemacht
werden können. Der Beklagten war der Schaden bereits seit Juni 2003 bekannt. Im
Hinblick auf die – ergänzend auszulegende – Ausschlussklausel hätte sie den
Anspruch damit binnen Monatsfrist bis Juli 2003 geltend machen müssen. Die Beklagte
hat von dem Kläger jedoch nach ihrem eigenen Vortrag erst im Dezember 2003
(mündlich) Schadensersatz verlangt. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch jedoch
bereits verwirkt. Sind Ansprüche verwirkt, so kann mit ihnen nicht mehr aufgerechnet
werden (vgl. Staub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl., § 205 Rn. 42).
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Ein anderes Ergebnis wäre im Übrigen auch dann nicht gegeben, wenn der Kläger sich
im Dezember 2003 bereit erklärt hätte, den Schaden in Höhe von € 900,00
"abzuarbeiten", was dieser bestreitet. Denn selbst wenn der Kläger eine solche
Erklärung abgegeben hätte, läge darin jedenfalls kein Anerkenntnis i.S.d. § 781 BGB,
auf welches die Beklagte ihre Ansprüche – ungeachtet der Begründetheit des
Schadensersatzanspruchs – stützen könnte. Vielmehr wäre dann der Anspruch auch
nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt. Verwirkung ist gemäß § 242 BGB
anzunehmen, wenn der Anspruchsberechtigte unter Umständen untätig gewesen ist und
dadurch den Eindruck erweckt, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so
dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen
zu werden (vgl. Erman/Hohloch, BGB, 11. Aufl., § 242 Rn. 123 m.w.N.). Solche
Umstände liegen hier nach dem Vorbringen der Beklagten vor. Denn der Kläger hätte
sich – den Vortrag der Beklagten als wahr unterstellt, es sei bereits ein Termin zur
Abarbeitung der € 900,00 vereinbart gewesen – darauf einstellen dürfen, dass die
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Beklagte nicht an dem Schadensersatzanspruch festhalten würde, nachdem der
vereinbarte Termin zur Abarbeitung der € 900,00 im Januar/Februar 2004 verstrichen
war und die Beklagte gleichwohl weiter die Raten aus dem Kaufvertrag gezahlt hat.
Entgegen der Berufung kommt es dabei auch nicht darauf an, dass die länger
andauernde Untätigkeit von rund drei Jahren noch keine Verjährung begründet. Denn
gerade bei Arbeitsverhältnissen kann Verwirkung unter Umständen bereits nach zwei
Jahren eintreten (vgl. Roth in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 242 Rn. 321),
jedenfalls wenn – wie hier – die Parteien ersichtlich daran interessiert waren, das
Arbeitsverhältnis kurzfristig abzuwickeln, um Rechtssicherheit zu schaffen.
Ungeachtet der weiteren Frage, ob und ggf. in welcher Höhe ein
Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger begründet gewesen wäre, ist
eine etwaige Gegenforderung der Beklagten jedenfalls aus den vorgenannten Gründen
verwirkt. Das Amtsgericht hat der Klage damit zu Recht stattgegeben.
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Die Berufung der Beklagten hat demnach keinen Erfolg.
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III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708
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Nr. 10, 713 ZPO.
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