Urteil des LG Krefeld vom 05.07.2007

LG Krefeld: gemeinde, verfügung, rückabwicklung, betriebsmittel, liquidität, widerruf, verjährung, kapital, sicherheitsleistung, rückzahlung

Landgericht Krefeld, 3 O 41/07
Datum:
05.07.2007
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 41/07
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, 1-4 U 171/07
Tenor:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 50.736,96 nebst Zinsen in
Höhe von 4 Prozent über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11. Juni
2002 zu zahlen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die klagende Gemeinde begehrt Rückzahlung gezogener Nutzungen in Höhe von
weiteren 2 % eines rechtsgrundlos erhaltenen Betrages.
2
Die Beklagte ist ebenfalls eine Gemeinde, welche wie die Klägerin
Finanzdienstleistungen nach dem sogenannten "X-Modell" in Anspruch genommen hat.
Nach diesem Modell wurden Geldmittel in der Regel aus von einer Gemeinde kurzfristig
angelegten Termingeldern aufgebracht, ohne dass die an dem Kreditgeschäft beteiligte
andere Gemeinde mit ersterer Gemeinde in Kontakt trat. Die Beklagte zahlte am
18. Dezember 2002 eine nach dem "Xmodell" von der Klägerin an sie veranlasste
Zahlung vom 13. März 1995 in Höhe von € 511.291,88 nebst 4 %
Kapitalnutzungszinsen wieder zurück. Die Klägerin forderte die Beklagte schriftlich unter
Fristsetzung zum 10. Juni 2006 zur Zahlung von weiteren – hier streitgegenständlichen
– 2 % (insgesamt 6 %) Nutzungszinsen für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis
18. Dezember 2002 auf. Die Beklagte erklärte zuletzt mit Schreiben vom 5. Januar 2006
einen Einredeverjährungsverzicht "vorläufig bis zum 31. Januar 2007". Mit Schreiben
vom 31. Oktober 2006 widerrief sie diesen Verzicht.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie € 50.736,96 nebst Zinsen in Höhe von 4
Prozent über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11. Juni 2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie macht geltend, im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Nutzen aus dem Kapital
der Klägerin gezogen zu haben, der über die bereits geleistete Nutzungszinszahlung
hinausgehe. Sie erhebt weiter die Einrede der Verjährung und vertritt die Ansicht, die
Verzichtserklärung wirksam widerrufen zu haben.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
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I.
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Die Klägerin hat aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 (1. Alt.), 818 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf
bereicherungsrechtliche Rückabwicklung der angewiesenen "Darlehensvaluta", wobei
sich die Erstattungspflicht der Beklagten auf die gezogenen Nutzungen einschließlich
der Zinserträge erstreckt. Als Anspruchsinhaber hat grundsätzlich die Klägerin die Höhe
der tatsächlich gezogenen Nutzungen zu beweisen. Da die Klägerin zur tatsächlichen
Höhe der erstattungsfähigen Nutzungen nichts Konkretes vorgetragen hat, ist diese
nach § 287 ZPO zu schätzen. Die Kammer geht dabei in Anlehnung an § 238 Abs. 1 AO
davon aus, dass die Nutzungszinsen jährlich 6 % betragen (vgl. OLG Düsseldorf,
Urt. 22. Juli 2003, Az.: 21 U 204/02). Im Streitfall greift die nicht widerlegte Vermutung,
dass die öffentliche Hand mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wirtschaftlich
umgeht und rechtsgrundlos erlangte Beträge als Betriebsmittel einsetzt (BVerwG, NJW
1999, S. 1201 ff.). Das insoweit gegenteilige Vorbringen der Beklagten zu ihrer Liquidität
ist nicht ausreichend. Es fehlt insbesondere an konkreten Angaben, zu welchen
Zwecken die von der Klägerin überlassenen Mittel verwendet wurden. Die Beklagte
trägt auch nicht vor, die Geldmittel kurzfristig angelegt zu haben; vielmehr habe sie
lediglich die "liquiden Mittel" angelegt. Ob es sich dabei um die hier in Streit stehenden
rechtsgrundlos erlangten Gelder handelt, ist offen, kann aber letztlich dahinstehen. Denn
der von der Beklagten belegte durchschnittliche Zinssatz für die in Anlage B 3
dargestellten kurzfristigen Termineinlagen – zum Teil mit einer Laufzeit von weniger als
einem Monat – in Höhe von 3,379 % für die Jahre 1997/98, von 2,985 % für das Jahr
1999 und von etwa 4 % für die Jahre 2000 bis 2002 ist für die Berechnung der Höhe der
gezogenen Nutzungen irrelevant. Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts sind
nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen gehalten, nicht benötigte Finanzmittel
zinsgünstig, also langfristig anzulegen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte langfristige
Haushaltsüberschüsse behauptet. Auch aus diesem Grund ist auf die oben genannte
Vermutung zur Zinshöhe zurückzugreifen.
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Die Forderung ist auch durchsetzbar, insbesondere nicht verjährt. Die Beklagte hat
zuletzt mit Schreiben vom 5. Januar 2006 einen Einredeverjährungsverzicht "vorläufig
bis zum 31. Januar 2007" erklärt. Diese, der Klägerin bereits zugegangene
Verzichtserklärung konnte wegen § 130 Abs. 1 BGB nicht mehr mit Schreiben vom
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31. Oktober 2006 widerrufen werden. Die Beklagte hat sich in ihrer letzten
Verzichtserklärung den Widerruf auch nicht vorbehalten, denn in der Formulierung
"vorläufig" ist ein solcher Vorbehalt nicht zu erblicken. Das Verzichtsende konnte
demnach nur einvernehmlich verkürzt oder durch eine weitere einseitige
Einredeverzichtserklärung der Beklagten verlängert werden.
II.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB.
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III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 und S. 2
ZPO.
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IV.
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Der Streitwert wird auf € 50.736,96 festgesetzt.
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