Urteil des LG Krefeld vom 28.07.2005

LG Krefeld: wirtschaftliches interesse, abtretung, zahlungsverweigerung, gestaltung, sicherheit, nichtigkeit, aktivlegitimation, rechtsberater, behandlung, tarif

Landgericht Krefeld, 3 S 30/05
Datum:
28.07.2005
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 S 30/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Krefeld, 80 C 168/04
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.04.2005 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Krefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
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I.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den richtig
festgestellten Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Krefeld vom
15.04.2005 Bezug genommen.
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Die Klägerin ist der Auffassung, das Amtsgericht habe in der angefochtenen
Entscheidung ihre Aktivlegitimation zu Unrecht verneint. Die an sie erfolgte Abtretung
sei wirksam; ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz sei nicht gegeben.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts Krefeld abzuändern und die Beklagte zu
verurteilen, an sie 807,87 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 17.02.2004 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der geltend
gemachten Mietwagenkosten gemäß den §§ 398, 823 Abs. 1 BGB, 7, 17 Abs. 1 StVG
i.V.m. §§ 1, 3 Nr. 1 PflVersG. Die von dem Unfallbeteiligten von H vorgenommene
Abtretung der Ansprüche ist wegen Verstoßes gegen Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG nach §
134 BGB nichtig.
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1.
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Der Inhaber eines Mietwagenunternehmens, der es geschäftsmäßig übernimmt, für
unfallgeschädigte Kunden die Schadensregulierung durchzuführen, bedarf nach
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 Abs. 1
RBerG. Dies gilt auch dann, wenn er sich die Schadensersatzforderungen
erfüllungshalber abtreten läßt und die eingezogenen Beträge auf seine Forderungen an
den Zedenten verrechnet (vgl. BGH, NJW 2005, 135). Bei der Beurteilung, ob die
Abtretung den Weg zu einer erlaubnispflichtigen Rechtsbesorgung eröffnet, ist dabei
nicht allein auf den Wortlaut der getroffenen Vereinbarung abzustellen; vielmehr kommt
es auf die gesamten zugrundeliegenden Umstände und den wirtschaftlichen
Hintergrund an. Es ist darauf abzustellen, ob die von den Parteien gewählte Gestaltung
durch formale Anpassung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten
Rechtsprechungsgrundsätze den Schutzzweck des Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG zu
unterwandern sucht (BGHZ 61, 317, 320 f.; BGH, NJW-RR 1994, 1081; BGH, NJW
2003, 1938; BGH, NJW 2004, 2516). Geht es dem Mietwagenunternehmer im
Wesentlichen darum, die ihm durch Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen,
so besorgt er eine eigene Rechtsangelegenheit und nicht eine solche des Kunden. Daß
ein solcher Fall der Besorgung eigener Rechtsangelegenheit nicht vorliegt, wenn die
Schadensersatzforderung des unfallgeschädigten Kunden eingezogen wird, bevor
dieser selbst auf Zahlung in Anspruch genommen worden ist, bedeutet nicht im
Umkehrschluß, daß eine bloße formale Vorab-Inanspruchnahme des Kunden den
Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz zu beseitigen vermag. Ein Handeln zur
Realisierung der Sicherheit kann vielmehr auch dann nicht angenommen werden, wenn
eine ernsthafte Rechtsverfolgung allein gegenüber dem Haftpflichtversicherer gegeben
ist (vgl. BGH, NJW 2005, 135, 136). Dabei unterliegt es der tatrichterlichen Würdigung,
ob unter der dargestellten Prämisse im konkreten Fall ein Verstoß gegen das
Rechtsberatungsgesetz anzunehmen ist.
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2.
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Zur Überzeugung der Kammer steht fest, daß die Klägerin dem unfallbeteiligten von H
gegenüber eine ernsthafte Rechtsverfolgung nicht beabsichtigte. Die mit der Abtretung
gewählte Gestaltung diente vielmehr vor allem dazu, durch Nichtzahlung der restlichen
Mietwagenkosten von Seiten des Kunden die klageweise Geltendmachung dieses
Schadens gegenüber der Beklagten der Klägerin zu überlassen und dieser so in deren
eigenem Interesse maßgeblichen Einfluß auf die Geltendmachung der
Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu verschaffen. Dies ergibt sich bereits
aus dem Schreiben der Rechtsanwälte der Klägerin vom 19.01.2004 (Blatt 20 f. GA), da
in diesem ein Vorgehen gegen den Kunden nur für den Fall in Aussicht gestellt wird,
daß dieser nicht bis zum 02.02.2004 erklärt, die Zahlung abzulehnen. Bei verständiger
Würdigung dieses Schreibens kann dieses nur dahin verstanden werden, daß im Falle
einer Zahlungsverweigerung eine Rechtsverfolgung gegenüber dem Kunden gerade
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nicht stattfindet. Der Geschädigte wird damit quasi zur Zahlungsverweigerung
aufgefordert. Von einer ernsthaften Zahlungsaufforderung kann vor diesem Hintergrund
keine Rede sein. Dies macht auch das weitere Vorgehen der Klägerin nach Vorlage der
Zahlungsverweigerung mit Schreiben vom 02.02.2004 deutlich. Trotz der wegen der
Frage der Aktivlegitimation bestehenden Schwierigkeit einer Rechtsverfolgung gegen
die Beklagte verfolgte die Klägerin ihre Rechte dem Kunden gegenüber nicht weiter.
Dies spricht dafür, daß von Anfang an ein derartiges Vorgehen beabsichtigt war. Darauf
deutet auch die Gestaltung der Abtretungserklärung hin. Dieser ist zu entnehmen, daß
eine direkte Inanspruchnahme des Versicherers nur bei Zahlungsverweigerung des
Kunden in Betracht kommt. Dies legt dem Geschädigten nahe, durch schlichte
Ablehnung einer Zahlung gegenüber der Klägerin dieser die Einziehung der Forderung
im Verhältnis zur Haftpflichtversicherung zu überlassen (vgl. BGH, MDR 2004, 1266,
1267). Gerade die Gestaltung der Abtretungserklärung zeigt, daß der Kunde nicht
hinsichtlich der Verfolgung und Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche selbst
tätig werden muß (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 1080, 1081; BGH, NJW 2003, 1938). Für
ein maßgebliches Eigeninteresse der Klägerin spricht dabei deren wirtschaftliches
Interesse, mit der gewählten Vorgehensweise die von ihr zugrunde gelegten
Unfallersatztarife gegenüber dem Versicherer gerichtlich geltend machen zu können.
Der einzelne Kunde ist aus Kostengründen eher geneigt, von einer gerichtlichen
Auseinandersetzung mit dem Versicherer über den zugrunde zu legenden Tarif Abstand
zu nehmen. Dies könnte wiederum zur Zurückhaltung bei der Anmietung von
Fahrzeugen zu Unfallersatztarifen führen.
3.
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Mit Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus dem Unfallgeschehen durch die
Klägerin wird im konkreten Fall der Schutzzweck des Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG berührt.
Dies gilt auch bei der gebotenen Zurückhaltung hinsichtlich der Anwendung des
Rechtsberatungsgesetzes (vgl. BVerf-GE 97, 12, 27; BVerfG, VersR 2002, 1123, 1124;
BGH, VersR 2001, 80). Das Rechtsberatungsgesetz will den Unfallgeschädigten von
einer klageweise Geltendmachung seiner Ersatzansprüche durch eine Autovermietung
schützen und eine sachgemäße Behandlung der Rechtsangelegenheit sicherstellen.
Die Erlaubnispflicht entfällt auch nicht etwa deshalb, weil der fremde
Rechtsangelegenheiten Besorgende sich dazu der Hilfe zugelassener Dritter bedienen
kann (vgl. BGH, Anwaltsblatt 1987, 622). Wer fremde Rechtsangelegenheiten besorgt,
muß dazu vielmehr in eigener Person befugt sein, da nur so der vorstehend dargestellte
Schutzzweck gewahrt wird (vgl. BGH, NJW 1987, 3013; BGH, NJW 1989, 1225). Ferner
intendiert das Rechtsberatungsgesetz den Schutz des Anwaltsstandes und anderer
zugelassener Rechtsberater vor Wettbewerbern, die keinen berufsrechtlichen,
gebührenrechtlichen oder ähnlichen im Interesse der Rechtspflege gesetzten
Schranken unterliegen (BGH, NJW 1955, 422; BGH, NJW 1967, 1558). Die Klägerin
betreibt Rechtsberatung geschäftsmäßig. Dies machen bereits die von ihr verwendeten
Formulare deutlich.
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4.
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Schließlich steht einer Anwendung des § 134 BGB i.V.m. Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG
auch nicht entgegen, daß die Beklagte bereits Teilzahlungen an die Klägerin erbracht
hat. Würde man diesem Umstand entnehmen, daß die Beklagte damit zum Ausdruck
gebracht habe, die Abtretung als wirksam akzeptieren zu wollen und somit ihrem
Verteidigungsvorbringen daher der Einwand unzulässiger Rechtsausübung
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entgegenstehe, so stünde letztlich das gesetzliche Verbot selbst zur Disposition der
Parteien. Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches
Verbot kann daher grundsätzlich nicht unter Berufung auf § 242 BGB überwunden
werden; auch kann das Rechtsgeschäft nur wirksam bestätigt werden, wenn das Verbot
entfallen ist (BGHZ 11, 60). Somit steht es jeder Partei frei, sich auf die Nichtigkeit des
Rechtsgeschäfts zu berufen (vgl. BGH, NJW 1992, 834).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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