Urteil des LG Krefeld vom 22.12.2005

LG Krefeld: afghanistan, operation, leib, gefahr, anerkennung, wahrscheinlichkeit, abschiebung, gesundheit, vollstreckung, sicherheit

Landgericht Krefeld, 3 O 216/05
Datum:
22.12.2005
Gericht:
Landgericht Krefeld
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 216/05
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-8 U 6/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von
110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht des Geschädigten A auf
Leistung von Schadenersatz in Anspruch.
2
Der Geschädigte A verließ sein Heimatland Afghanistan am 23.02.1994 und reiste am
05.03.1994 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er fortan arbeitslos war. Der
Geschädigte verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung; in Afghanistan war
er Soldat.
3
Am 13.06.1995 unterzog sich der Geschädigte in dem von der Beklagten betriebenen
Bhospital einer Operation. Infolge der Operation kam es zu postoperativen Schäden am
Körper und der Gesundheit des Geschädigten.
4
Der Antrag des Geschädigten auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde mit
inzwischen rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 27.08.1998
zurückgewiesen. Mit gleichem Urteil wurde die Bundesrepublik Deutschland als
Beklagte verpflichtet festzustellen, dass der Abschiebung des Geschädigten aufgrund
seiner postoperativen Schäden am Körper und an der Gesundheit das
Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG entgegen steht. Insoweit wird auf die
diesbezüglichen Ausführungen im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts
Arnsberg vom 27.08.1998 (Bl. 43-58 d. A.) Bezug genommen.
5
Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Krefeld vom 11.11.2003, Az. 4 O 339/97,
wurde die Beklagte auf die Klage des Geschädigten - gesamtschuldnerisch mit Dr. B -
zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von EUR 30.000,-- sowie einer
monatlichen Schmerzensgeldrente in Höhe von EUR 150,-- verurteilt. Unter Ziff. 4 des
Urteilstenors heißt es weiter:
6
"Der im Grund- und Teilurteil vom 19.10.1999 enthaltene Feststellungsantrag wird
dahin eingeschränkt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,
dem Kläger alle immateriellen und künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die
ihm durch die Operation am 13.06.1995 durch den Beklagten zu 2) im
Krankenhaus der Beklagten zu 1) entstehen, sofern sie nicht auf den
Sozialversicherungsträger, hier den Landschaftsverband Rheinland,
übergegangen sind."
7
Auf den weiteren Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.
8
Seit dem 01.01.2001 geht der Geschädigte einer Tätigkeit bei der Lebenshilfe
Werkstätten GmbH in C nach. Bedingt durch die postoperativ erlittenen
Gesundheitsbeschädigungen kann der Geschädigte ausschließlich in einer solchen
Werkstatt für behinderte Menschen tätig sein.
9
Im Zeitraum vom 01.01.2001 bis 31.12.2002 führte die Lebenshilfe Werkstätten GmbH
für den Geschädigten Rentenversicherungsbeiträge in Höhe der Klageforderung ab.
Diesen Betrag erstattete der Bund der Lebenshilfe Werkstätten GmbH.
10
Die Beklagte wurde unter Fristsetzung zum 31.01.2005 zur Erstattung der
Klageforderung aufgefordert.
11
Der Kläger ist der Auffassung, bei den seitens des Bundes erstatteten
Rentenversicherungsbeiträgen handele es sich um vermehrte Bedürfnisse des
Geschädigten im Sinne von § 843 Abs. 1 2. Alt. BGB.
12
Die Regelung des § 179 Abs. 1 S. SGB VI stehe der Annahme eines Schadens im
Sinne von § 843 Abs. 1 S. 1 BGB nicht entgegen. Vielmehr diene die normierte
Verpflichtung des Bundes zur Zahlung eines Teils der Rentenversicherungsbeiträge
dem Geschädigten, so dass jedenfalls von einem normativen Schaden auszugehen sei.
13
Der Kläger beantragt,
14
die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 7.882,59 nebst Zinsen in Höhe von
15
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2005 zu zahlen.
16
Die Beklagte beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18
Die Beklagte ist der Auffassung, dass dem Geschädigten bedingt durch die Operation
vom 13.06.1995 kein Verdienstausfallschaden entstanden sei und der Kläger aus
übergegangenem Recht demgemäß auch nicht die Erstattung von Lohn- und
19
Nebenkosten beanspruchen könne.
Die Beklagte hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
20
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll sowie den sonstigen Inhalt der
Akte verwiesen.
21
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22
Die Klage ist unbegründet.
23
Der Kläger kann die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere
nicht auf der Grundlage von § 179 Abs. 1a S. 1 und 2 SGB VI in Verbindung mit § 843
Abs. 1 BGB auf Ersatz der der Lebenshilfe Werkstätten GmbH erstatteten
Rentenversicherungsbeiträge für den Geschädigten in Anspruch nehmen. Denn § 179
Abs. 1a SGB VI ermöglicht es dem Bund und den Kostenträgern lediglich, in bestimmten
Fällen wegen der von ihnen den Trägern von Einrichtungen wie der Lebenshilfe
Werkstätten GmbH geleisteten Erstattungen von Versicherungsbeiträgen aus
übergegangenem Recht gegen Dritte Regress zu nehmen. Voraussetzung des
Anspruches ist demgemäß, dass in der Person des Geschädigten ein auf anderen
gesetzlichen Vorschriften, so etwa den §§ 823 ff. BGB, beruhender Anspruch auf Ersatz
eines Schadens besteht, der auf Ersatz der Beiträge gerichtet ist, die für einen
Behinderten aufgrund seiner Arbeit in einer Behinderteneinrichtung gezahlt werden. Ein
auf anderen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere auf § 843 Abs. 1 BGB, beruhender
Anspruch des Geschädigten A auf Ersatz der streitgegenständlichen
Rentenversicherungsbeiträge ist indes nicht entstanden.
24
Zwar steht die grundsätzliche Schadenersatzpflicht der Beklagten für die durch die am
13.06.1995 im Bhospitals vorgenommene Operation entstandenen materiellen und
immateriellen Schäden des Geschädigten aufgrund des rechtskräftigen Urteils des
Landgerichts Krefeld vom 11.11.2003, Az. 4 O 339/97, außer Streit. Doch handelt es
sich bei den streitgegenständlichen Rentenversicherungsbeiträgen nicht um eine im
Sinne von § 249 Abs. 1 BGB erstattungsfähige Schadensposition.
25
Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadenersatz verpflichtete Schädiger den
Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende
Umstand nicht eingetreten wäre. Eine haftungsbegründende Kausalität zwischen dem
schadenstiftenden Ereignis und der notwendigen Beitragszahlung für Behinderte ist in
den von § 179 Abs. 1a SGB VI erfassten Fällen vor diesem Hintergrund nur
anzunehmen, wenn die Schädigung dazu führt, dass der betroffene Geschädigte
aufgrund des schädigenden Ereignisses nur noch in einer Einrichtung für Behinderte
tätig sein kann, hingegen keiner darüber hinausgehenden
rentenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Von einem
entsprechenden Ursachenzusammenhang kann nach dem Sachvortrag der Parteien
hier jedoch nicht ausgegangen werden.
26
Ohne das schadenstiftende Ereignis, die operative Behandlung des Geschädigten A in
dem von der Beklagten betriebenen Bhospital in C und die postoperativ eingetretenen
körperlichen Schäden, wäre das mit Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom
27.08.1998 festgestellte Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht
27
gegeben.
Gemäß § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen
anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche
konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das Vorliegen dieser
Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht Arnsberg in seinem rechtskräftigen Urteil
vom 27.08.1998 wie folgt begründet:
28
"Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner
Erkrankung eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben mit der
erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit. (...)
29
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes kann sich der Kläger in seinem
Einzelfall auf den Abschiebungsschutz des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich
Afghanistan berufen, da ihm angesichts seiner diagnostizierten Erkrankung
verbunden mit der insoweit schlechten medizinischen Versorgung der Bevölkerung
in Afghanistan (...) derzeit wohl bei einer - allein nach Kabul in Betracht
kommenden - Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr für
Leib und Leben droht."
30
Bei der das Abschiebungshindernis bildenden diagnostizierten Erkrankung handelt es
sich um die postoperativen Gesundheitsschäden des Geschädigten. Ohne ihr Vorliegen,
wäre das Abschiebungshindernis nicht begründet.
31
Inwiefern der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis und das Eingreifen des
Abschiebungshindernisses des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG und trotz der rechtskräftigen
Ablehnung seines Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter in Deutschland hätte
verbleiben und einer anderen rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit hätte nachgehen
können, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.
33
Streitwert: EUR 7.882,59
34