Urteil des LG Konstanz vom 11.06.2002

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LG Konstanz Urteil vom 11.6.2002, 11 S 243/01 B
Rechtsanwaltshonorarklage: Gerichtsstand des Erfüllungsorts
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Singen vom 21.11.2001 (9 C 81/01) aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Amtsgericht Singen, auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens, zurückverwiesen.
Tatbestand
1 - ohne Tatbestand gem. § 543 Abs. 1 ZPO -
Entscheidungsgründe
2 Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Amtsgericht Singen ist für die erhobene Klage gem. § 29 Abs. 1 ZPO zuständig. Auf die
Berufung der Klägerin war das Prozessurteil des Amtsgerichts Singen daher aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 1 Nr.
2 ZPO a.F.).
3 Die Klägerin macht mit ihrer Klage Anwaltshonorar aus einem angeblich mit der Beklagten abgeschlossenen Anwaltsvertrag geltend.
4 Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist für die vorliegende Klage ein Gerichtsstand am Kanzleisitz der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des
Erfüllungsortes nach § 29 Abs. 1 ZPO begründet.
5 Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur, insbesondere auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, liegt der
Erfüllungsort für die beiderseitigen Verpflichtungen aus einem Anwaltsvertrag am Sitz der jeweiligen Kanzlei (BGH, NJW 91, 3095 ff.; OLG Köln,
NJW-RR 97, 825 ff; Stein-Jonas, ZPO, 21. Auflage, § 29 Rnr. 31; Münchner Kommentar, ZPO, 2. Auflage, § 29 Rnr. 26; Zöller, ZPO, 23. Auflage, §
29 Rnr. 25; Schellhammer, Zivilprozess, 9. Auflage, Rnr. 1437). Dies folgt beim Anwaltsvertrag gem. § 269 Abs. 1 BGB aus der Natur des
Schuldverhältnisses, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der vertragscharakteristischen Leistung des Anwalts und dem daraus herrührenden
Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses (vgl. Münchner Kommentar, BGB, 3. Auflage, § 269 Rnr. 27; Staudinger, BGB, 13. Auflage, § 269 Rnr. 14;
Palandt, BGB, 61. Auflage, § 269 Rnr. 14). Daran ändert auch der Wandel von der Barzahlung zum bargeldlosen Zahlungsverkehr nichts, zumal
sich dieser nicht erst in den letzten zehn Jahren vollzogen hat (OLG Köln a.A. O.). Die dargestellte Auffassung vertritt die 1. Zivilkammer des
Landgerichts Konstanz, auch zur Wahrung der Rechtseinheitlichkeit, in ständiger Rechtsprechung.
6 Die im vorliegenden Fall auftretenden Besonderheiten rechtfertigen eine Abweichung hiervon nicht. Die Tatsache, dass der Kontakt zwischen den
Parteien über eine Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und die dort annoncierende Beratungsfirma erfolgte und dass in der Kanzlei
der Klägerin keine persönliche Besprechung statt gefunden hat, ändert nichts am Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses am Kanzleisitz der
Klägerin. Gegenstand des von der Klägerin behaupteten Anwaltsvertrages - im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung ist von diesem auszugehen,
unabhängig davon, ob er bestritten ist - war die Neugründung einer Aktiengesellschaft in der Schweiz für die Beklagte. Es liegt auf der Hand, dass
hierbei schwierige rechtliche und wirtschaftliche Fragen zu prüfen gewesen wären. Dies und der Entwurf von entsprechenden Beschlüssen, bzw.
Vertragstexten hätte, bzw. hat in den Kanzleiräumen der Klägerin statt gefunden.
7 Somit lag der Erfüllungsort auch im vorliegenden Fall am Sitz der Anwaltskanzlei in Singen.
8 Gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO war das Urteil des Amtsgerichts Singen aufzuheben und an das Gericht des 1. Rechtszuges zurückzuverweisen.
Eine eigene Sachentscheidung gem. § 540 ZPO erschien schon unter dem Gesichtspunkt des Verlusts einer Tatsacheninstanz nicht sachdienlich.