Urteil des LG Konstanz vom 08.04.2003

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LG Konstanz Urteil vom 8.4.2003, 3 O 325/02 B
Grundstückskaufvertrag über ein Grundstück im Beitrittsgebiet: Schwebende Unwirksamkeit wegen ausstehender Erteilung einer
Grundstücksverkehrsgenehmigung; Rückabwicklung wegen unzumutbarem Zuwarten auf dem Abschluss eines vermögensrechtlichen
Restitutionsverfahrens
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.000,00 EUR nebst 4 % Zinsen daraus seit 1. Februar 1996 zu zahlen, jedoch nur Zug um Zug gegen
Herausgabe des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts K., Blatt ..., Flurstücke Nrn ...
2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Entgegennahme des oben genannten Grundstücks im Annahmeverzug befindet.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
6. Dem Beklagten bleibt die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass vorbehalten.
Tatbestand
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Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Teilklage vom Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises für ein Hausgrundstück.
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Der Beklagte ist Erbe der verstorbenen Anna F. Diese hatte mit Kaufvertrag vom 30. Dezember 1994 das in B. (in der Nähe von Berlin) gelegene
Grundstück zum Kaufpreis von 220.000,00 DM an den Kläger verkauft. Nach § 5 des notariellen Kaufvertrages sollte der auf Notaranderkonto
einbezahlte Kaufpreis von diesem an die Verkäuferin ausbezahlt werden, sobald (u. a.) die notwendige Genehmigung nach der
Grundstücksverkehrsordnung (GVO) vorliege.
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Auf Anweisung des Klägers vom 30. Januar 1995 zahlte der Notar den Kaufpreis an die Verkäuferin aus, ohne darauf hinzuweisen, dass die
erforderliche Genehmigung nach der GVO nicht vorlag. Das Verfahren auf Erteilung der Genehmigung wurde vom zuständigen Landkreis D. mit
Beschluss vom 13. Februar 1996 ausgesetzt, weil im Bezug auf das Grundstück vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht worden
waren. Am 14. Juli 1999 entschied der Landkreis, dass das Grundstück an die Restitutionsberechtigten zurückübertragen werde. Der hiergegen
gerichtete Widerspruch blieb erfolglos. Über die daraufhin beim Verwaltungsgericht C. erhobene Anfechtungsklage ist noch nicht entschieden
worden. Auch ein Verhandlungstermin ist noch nicht anberaumt worden.
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Der Kläger ist der Ansicht, ein weiteres Zuwarten sei ihm nicht mehr zumutbar, da seit Abschluss des Kaufvertrages nunmehr rund acht Jahre
vergangen seien und mit einer Entscheidung durch das Verwaltungsgericht C. in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei. Das erworbene Haus sei
dringend sanierungsbedürftig. Es sei ihm jedoch nicht zuzumuten, in erheblichem Umfang in das Haus zu investieren, obwohl es mit großer
Wahrscheinlichkeit in das Eigentum der Restitutionsberechtigten fallen werde.
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Der Kläger beantragt zuletzt:
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1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.000,00 EUR zzgl. 4 % Zinsen seit 1. Februar 1996 zzgl. Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Der Beklagte ist zur Zahlung nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Grundstücks eingetragen im
Grundbuch des Amtsgerichts K., Blatt ..., Flurstücke Nrn ... verpflichtet.
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Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des Grundstücks in Annahmeverzug befindet.
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hilfsweise:
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2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Notar H. Berlin zu UR-Nr. ... 12.000,00 EUR zzgl. Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen. Der Beklagte ist zur Zahlung nur Zug um Zug gegen Herausgabe des vorgenannten Grundstücks verpflichtet.
10 Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des Grundstücks in Annahmeverzug befindet.
11 Der Beklagte beantragt
12 Klagabweisung.
13 Er hält den Kaufvertrag vom 30. Dezember 1994 für weiterhin bindend. Es sei noch immer möglich, dass die Grundstücksverkehrsgenehmigung -
nach einem Erfolg des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - erteilt werde. Ein Rückzahlungsanspruch komme daher nicht in
Betracht.
14 Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
15 Die Klage ist - im Hauptantrag - im wesentlichen begründet.
16 Der Kläger kann die Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages vom 30. Dezember 1994 (entsprechend §§ 812, 818 BGB) verlangen.
17 Der Grundstückskaufvertrag vom 30. Dezember 1994 über das im Beitrittsgebiet gelegene Grundstück bedurfte nach § 2 Abs. 1 a) der
Grundstücksverkehrsordnung (in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. August 1992 GVO) zu seiner Wirksamkeit einer
Grundstücksverkehrsgenehmigung. So lange eine solche Genehmigung noch nicht erteilt, ihre Erteilung aber noch möglich ist, ist ein solcher
Vertrag schwebend unwirksam. Das hat zur Folge, dass Erfüllungsansprüche zwar noch nicht bestehen, andererseits können sich die Parteien
bis zum Eintritt oder Ausfall der Bedingung (Genehmigung) grundsätzlich nicht einseitig vom Vertrag lösen. Die Parteien sind unter anderem
verpflichtet, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck vereiteln würde. Daraus folgt die grundsätzliche Verpflichtung der Parteien,
vorweggenommene Vertragserfüllungen, wie sie hier vom Kläger erbracht wurden, während der Dauer des Schwebezustands - also bis zur
abschließenden Entscheidung über die erforderliche Genehmigung - bestehen zu lassen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn einem
der Vertragspartner ein weiteres Zuwarten nicht mehr zumutbar ist. Denn nach Treu und Glauben braucht kein Vertragspartner einen unbegrenzt
langen Schwebezustand hinzunehmen (vgl. hierzu BGH VIZ 98, 577 ff; BGH NJW 93, 648 ff).
18 Die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag folgt dabei nicht schon alleine aus der langen Dauer des Genehmigungsverfahrens (seit
Abschluss des notariellen Kaufvertrags sind hier mittlerweile acht Jahre vergangen); vielmehr müssen zusätzliche Umstände hinzutreten, die ein
weiteres Abwarten unzumutbar machen (vgl. BGH a.a.O.). Solche Umstände liegen hier allerdings vor:
19 Bei Schluss der mündlichen Verhandlung war im Verwaltungsrechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht C. auf die im Jahr 2000 eingegangene
Klage noch nicht einmal ein Verhandlungstermin bestimmt und mit einer Terminierung in absehbarer Zeit auch nicht zu rechnen. Bis zum
Abschluss des dortigen Rechtsstreits über die vermögensrechtlichen Ansprüche der Restitutionsberechtigten können - etwaige Rechtsmittel
eingeschlossen - noch mehrere Jahre vergehen. Dabei erscheinen die Erfolgsaussichten eher gering, nachdem bereits in zwei
Verwaltungsinstanzen Restitutionsansprüche bejaht worden sind.
20 Der Kläger kann daher nicht ernsthaft damit rechnen, Eigentümer des Hausgrundstücks zu werden, schon gar nicht in absehbarer Zeit. Über die
notwendigen Investitionen zur anstehenden Sanierung muss jedoch kurzfristig entschieden werden. Es ist dem Kläger aber nicht zumutbar, in
größerem Umfang in eine Immobilie zu investieren, die ihm derzeit nicht gehört, mit dem Risiko, diese Investitionen endgültig zu verlieren. Zu
Recht hat der Kläger bei dieser Sachlage die Rückabwicklung des Kaufvertrages vom Beklagten als dem Rechtsnachfolger der Verkäuferin
verlangt.
21 Die Rückabwicklung erfolgt nach §§ 818 ff. BGB. Hierbei sind freilich die gegenseitigen Ansprüche beider Parteien zu saldieren, so dass sich ein
einheitlicher Bereicherungsanspruch ergibt. Der Geltendmachung einer Aufrechnung oder eines Zurückbehaltungsrechts bedarf es dabei nicht
(vgl. BGH a.a.O.).
22 Der Beklagte ist daher zur Kaufpreisrückzahlung nur gegen Rückgabe des Kaufobjekts verpflichtet. Der Rückgabeanspruch ist nicht teilbar. Dass
der Kläger darüber hinaus zur Renovierung des inzwischen möglicherweise baufällig gewordenen Hauses oder zum Ersatz der hierzu
erforderlichen Kosten verpflichtet sein sollte, ist nicht ersichtlich. Das Haus ist nicht in Folge seines Verschuldens verschlechtert worden.
23 Ob der Kläger den vollen Kaufpreis zurückfordern kann oder ob bzw. inwieweit er sich Nutzungen anrechnen lassen muss, kann für den
vorliegenden Rechtsstreit offen bleiben. Soweit sich der Kläger freiwillig Nutzungen anrechnen lässt, reduziert sich dadurch der
zurückzuerstattende Kaufpreis jedenfalls nicht so weit, dass der mit der Teilklage geforderte Betrag unterschritten würde. Der Beklagte hat zu
Gegenansprüchen, die bei der Saldierung zu berücksichtigen wären und die den Rückzahlungsbetrag mindern könnten, auch auf den Hinweis
vom 11.02.2003 nichts Konkretes vorgetragen.
24 Dem Beklagte ist die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass vorzubehalten, ohne dass es der Prüfung bedürfte, ob eine
derartige Haftungsbeschränkung noch in Frage kommt (vgl. Zöller, Rdnr. 11 zu § 780 ZPO).
25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
26 Von einem erheblichen (teilweisen) Unterliegen des Klägers geht das Gericht nicht aus. Zwar hätte der ursprüngliche Klagantrag zu einer
teilweisen Klagabweisung (Verurteilung lediglich Zug um Zug) führen müssen. Der den Streitwert prägende zuletzt gestellte Klagantrag enthält
jedoch die Einschränkung der Zug-um-Zug-Leistung und ist - mit Ausnahme eines Teils der Zinsen - in vollem Umfang begründet. Von einer
teilweisen Klagrücknahme geht das Gericht ebenfalls nicht aus, da der Kläger mit dem (unklar formulierten) Klagantrag gem. Schriftsatz vom 23.
Februar 2003 offenbar nur das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten vom Angebot des vollen Kaufpreises abhängig machen wollte, aber keine
Verurteilung des Beklagten zur Rückzahlung des vollen Kaufpreises begehrt hatte.
27 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.