Urteil des LG Konstanz vom 04.04.2003

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LG Konstanz Urteil vom 4.4.2003, 9 Ns 43 Js 13075/02
Keine Freiheitsstrafe bei Bagatelldelikten trotz Bewährungsbruchs und zahlreicher Vorstrafen
Leitsätze
1. Nicht jedes Vergehen nach § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein sog. Bagatelldelikt.
2. Ist jedoch ein Schreiben, in welchem sich der Täter zu Unrecht als Rechtsanwalt ausgibt, so abgefasst, dass sich bereits aus dessen äußerer Form
für einen Laien erkennbar Zweifel an der Korrektheit desselben aufdrängen müssen, weil es weder die Orte bezeichnet, an welchen die vom Täter
behaupteten Zulassungen zum Land- und Oberlandesgericht erfolgt sein sollen, noch Telefon-/Telefaxnummern oder Email-Adresse, und enthält es
von seinem Inhalt her nur eine Bestätigung eines Angebots, welches der Adressat dieses Schreibens selbst abgegeben hat, so ist die Tat
hinsichtlich ihrer Schuldschwere am unteren Ende des Strafrahmens des § 132a StGB angesiedelt.
3. In einem solchen Fall verstößt die Verhängung einer Freiheitsstrafe auch dann, wenn es sich bei dem Verfasser des Schreibens um einen vielfach
- auch wegen Betrugs - erheblich vorbestraften, unter Bewährung stehenden Täter handelt, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (im
Anschluss an OLG Stuttgart, Die Justiz 2003, 19 und OLG Karlsruhe, StV 1996, 675).
Tenor
1. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts S vom 20.11.2002 im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der
Angeklagte zu der
Geldstrafe von 90 Tagessätzen in Höhe von je 25,00 Euro
verurteilt wird.
Dem Angeklagten wird nachgelassen, die Geldstrafe in monatlichen Raten in Höhe von je 200,00 Euro zu zahlen, beginnend mit dem 1. des Monats,
der der Rechtskraft dieses Urteils folgt.
2. Die Berufungsgebühr wird um die Hälfte ermäßigt. Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten hat er selbst zu
2/3, die Staatskasse zu 1/3 zu tragen.
Gründe
I.
1
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts S vom 20.11.2002 wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen zu der Freiheitsstrafe von
drei Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch Anwaltsschriftsatz vom 25.11.2002 form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
3
In der Hauptverhandlung hat er mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft K erklärt, dass das Urteil nur im Rechtsfolgenausspruch angefochten
werde mit dem Ziel, dass entweder eine Geldstrafe oder eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe verhängt wird.
4
Das Rechtsmittel hatte den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.
II.
5
Der 43-jährige Angeklagte ist ledig, hat keine Kinder und auch sonst keine Unterhaltsverpflichtungen. Nach der Mittleren Reife erlernte er den
Beruf des Heizungs- und Lüftungsbauers und legte die Meisterprüfung ab. Bis 1985 arbeitete er als Selbständiger in diesem Beruf, wobei er
zwischenzeitlich, nämlich 1980, das Abitur nachholte. Anschließend besuchte er die Schule für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft in Stuttgart
und war danach in der Immobilienbranche als Projektentwickler tätig. Später machte er sich als Immobilienmakler selbständig. Nach einer Zeit
der Arbeitslosigkeit hat er seit 01.04.2003 wieder eine Anstellung bei einer Gebäudetrockenlegungsfirma. Er verdient dort mindestens 1 000,00
Euro brutto im Monat. Dazu erhält er Provisionen. Er selbst rechnet mit einem Monatseinkommen von 3 000,00 bis 4 000,00 Euro brutto. Der
Angeklagte hat Schulden in Höhe von mindestens 5 000,00 Euro, die sich während der Zeit seiner Selbständigkeit angehäuft haben. Derzeit
kann er die Schulden nicht bedienen. Er hat im Jahre 2002 deshalb vor dem Amtsgericht S die eidesstattliche Versicherung abgeben müssen.
6
Der Angeklagte, der selbst auf Grund von Rückenproblemen gesundheitlich angeschlagen ist, pflegt seine in W. lebende Mutter, die auf Grund
zweier erlittener Schlaganfälle auf seine Hilfe angewiesen ist.
7
Der Angeklagte ist in der Vergangenheit immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten.
8
1. Bereits am 31.07.1985 hat ihn das Amtsgericht B in Sachen 6 Cs 934/85, rechtskräftig seit 10.08.1985, wegen Fahrens mit einem nicht
versicherten Fahrzeug zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 60,00 DM verurteilt.
9
2. Am 11.06.1986 erging Straferkenntnis des Amtsgerichts B in Sachen 6 Cs 593/96. Wegen Betrugs wurde eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen
zu je 30,00 DM festgesetzt.
10 3. Am 10.11.1986 verurteilte ihn das Amtsgericht R in Sachen 7 Ds 629/86 wegen Betrugs rechtskräftig zu der Freiheitsstrafe von drei Monaten,
deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung musste widerrufen werden. Die Strafvollstreckung war am
13.11.1987 erledigt.
11 4. Am 10.03.1988 verurteilte ihn das Amtsgericht B in Sachen 8 Cs 329/88 wegen Fahrens mit einem nicht versicherten Fahrzeug zu der
Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,00 DM.
12 5. Am 08.03.1989 verurteilte ihn wiederum das Amtsgericht B in Sachen 7 Ds 139/88 wegen Betrugs sowie Fahrens mit einem nicht versicherten
Fahrzeug in zwei Fällen zu einem Jahr Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung
musste widerrufen werden. Der Strafrest wurde wiederum zur Bewährung ausgesetzt. Auch diese Bewährungsaussetzung musste widerrufen
werden, so dass die Strafvollstreckung letztlich am 14.07.1999 erledigt war.
13 6. Am 13.03.1989 verurteilte ihn das Amtsgericht R wegen Betrugs zu der Freiheitsstrafe von einem Monat, welche für zwei Jahre zur Bewährung
ausgesetzt wurde. Auch diese Strafaussetzung wurde widerrufen. Die Strafvollstreckung war am 17.08.1992 erledigt.
14 7. Am 07.06.1991 verurteilte das Amtsgericht W den Angeklagten in Sachen 6 Ds 721/90 wegen Betrugs in vier Fällen zu elf Monaten
Freiheitsstrafe.
15 8. Am 05.02.1992 verurteilte das Amtsgericht B den Angeklagten in Sachen 9 Ls 1565/91 wegen Betrugs in elf Fällen und Unterschlagung sowie
wegen eines weiteren Betrugsfalles unter Einbeziehung der Entscheidung des Amtsgerichts W vom 07.06.1991 zu einem Jahr und neun
Monaten Freiheitsstrafe sowie wegen eines weiteren Betrugsfalles zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten.
16 Hinsichtlich der letztgenannten Strafe wurde der Strafrest durch das Landgericht U zur Bewährung ausgesetzt, die Strafaussetzung aber
widerrufen. Ein weiterer Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt bis 30.07.2001. Bezüglich der Hauptstrafe wurde der Strafrest ebenfalls zur
Bewährung ausgesetzt, die Strafaussetzung widerrufen und der dann noch verbleibende Strafrest erneut bis 30.07.2001 zur Bewährung
ausgesetzt.
17 9. Am 30.10.1998 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht B in Sachen 12 Cs 170 Js 82639/98 wegen vorsätzlichen unerlaubten Umgangs
mit gefährlichen Abfällen zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt.
18 10. Am 12.11.1998 verurteilte das Amtsgericht B den Angeklagten in Sachen 2 Ds 25 Js 23909/97 wegen Betrugs zu der Geldstrafe von 90
Tagessätzen zu je 30,00 DM.
19 11. Am 25.06.1999 verurteilte das Amtsgericht B den Angeklagten in Sachen 17 Cs 105 Js 16210/99 wegen Betrugs in acht Fällen, davon in
sieben Fällen um eines geringwertigen Vermögensvorteils Willen, zu der Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25,00 DM.
20 12. Zuletzt verurteilte das Amtsgericht K den Angeklagten am 27.06.2000, rechtskräftig seit 06.06.2001, in Sachen 11 Ls 41 Js 888/00 wegen
Betrugs in fünf Fällen in Tatmehrheit mit unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeuges zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten.
21 Das Amtsgericht K hatte hierbei folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte war im Juli 1999 aus der Haft entlassen worden. Auf Grund
eines Todesfalles rechnete er mit einer größeren Erbschaft. In Erwartung dieser Erbschaft ging er ab Oktober 1999 finanzielle Verpflichtungen
ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings noch keine Auszahlung der Erbschaft erhalten und wusste auch nicht, wann diese Auszahlungen
erfolgen würden. Er war bei Begehung der nachfolgend geschilderten Taten nicht in der Lage, die entstehenden Verbindlichkeiten zu
begleichen, was ihm bewusst war.
22 Am 20.10.1999 hatte er mit der Geschädigten W einen Mietvertrag über deren Ferienwohnung in Ü geschlossen. Bis zu seinem Auszug am
20.12.1999 bewohnte er diese Ferienwohnung. Der Mietzins sollte monatlich 900,00 DM betragen. Bei Abschluss des Mietvertrages war dem
Angeklagten bekannt und bewusst, dass er den Mietzins nicht würde bezahlen können. Jedoch trat er gegenüber W. S. als zahlungsfähiger und
zahlungswilliger Mieter auf und erreichte deshalb, dass sie ihm die Wohnung zum vereinbarten Mietzins zur Verfügung stellte, ebenso das
vorhandene Telefon, welches er benutzte. Frau S. entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 2 396,00 DM.
23 Am 02.11.1999 ließ sich der Angeklagte von der Fa. T. in S. eine Tankkreditkarte auf seinen Namen ausstellen. Bei der Erteilung dieser
Tankkreditkarte täuschte er seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit vor. Hierdurch wurde ihm ermöglicht, im November 1999 für 1 070,72 DM, im
Dezember 1999 für 813,35 DM und am 09.01.2000 für 93,47 DM, mithin insgesamt für 1 977,04 DM an Zapfsäulen der Geschädigten zu tanken,
obwohl er bereits bei Abschluss des Kreditvertrages wusste, dass sein Konto, für das er dem Autohaus eine Bankeinziehungsermächtigung
erteilt hatte, keine Deckung aufwies. Als sich dies herausstellte, zahlte er - weil er dazu nicht in der Lage war - die Gesamtverbindlichkeiten in der
Folgezeit nicht.
24 Am 07.12.1999 schloss der Geschädigte A. R. mit Frau M. B. einen Kaufvertrag über einen Pkw Marke Daimler Benz. Der Angeklagte hatte
dieses Fahrzeug von M. B. zur Nutzung überlassen bekommen und auch den Kaufvertrag zwischen beiden Parteien vermittelt. A. R. entrichtete
den Kaufpreis direkt an M. B.. Auf Grund ihrer bereits länger bestehenden Bekanntschaft gelang es dem Angeklagten, den Geschädigten zu
überreden, ihm den Pkw bis zum 11.12.1999 unentgeltlich zu überlassen, wobei er betonte, er benutze das Auto nur so lange, bis ihm ein
eigenes Fahrzeug zur Verfügung stehe. In der Folgezeit gab der Angeklagte das Fahrzeug jedoch nicht heraus. Erst bei der Festnahme des
Angeklagten am 12.01.2000 konnte der Pkw sichergestellt werden. In der Hauptverhandlung blieb ungeklärt, ob der Angeklagte neben der von
vornherein beabsichtigten unentgeltlichen Nutzung des Fahrzeuges auch die Absicht hatte, das Fahrzeug endgültig für sich zu behalten.
25 Am 04.12.1999 und am 13.12.1999 beauftragte der Angeklagte jeweils die Fa. Autohaus J. GmbH in Ü. mit Reparaturarbeiten an dem von ihm
genutzten Pkw. Es handelte sich um den vorgenannten Pkw Marke Daimler Benz. Der Angeklagte hatte A. R. zugesagt, die Kosten für die
Reparaturen zu tragen, weil dieser ihm das Fahrzeug unentgeltlich überlassen hatte. In beiden Fällen war dem Angeklagten allerdings bewusst,
dass er die Kosten für die Autoreparaturen nicht würde begleichen können. Der beauftragten und geschädigten Firma entstand mithin ein Verlust
in Höhe von 1 064,01 DM.
26 In der Zeit vom 09.12.1999 bis 30.12.1999 mietete der Angeklagte ein Zimmer im Hotel S. in L. an. Auch diesen Vertrag ging er ein, obwohl ihm
bewusst war, dass er die Kosten für die Hotelunterkunft nicht würde aufbringen können. Vielmehr verließ er am 30.12.1999 in der vorgefassten
Absicht das Hotel, die entstandenen Kosten für die Zimmermiete in Höhe von 1 870,00 DM und für den Verzehr im Gastronomiebereich im Wert
von 158,00 DM nicht zu begleichen. Insgesamt entstand dem Hotel S. ein Schaden in Höhe von 2 028,00 DM.
27 Noch vor der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht K am 27.06.2000 hat der Angeklagte die entstandenen Schäden vollständig beglichen.
III.
28 Auf Grund der zulässigen Berufungsbeschränkung sind die Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil unter II. in Rechtskraft erwachsen. Damit
steht fest, dass der Angeklagte am 26.02.2002 im Rahmen eines Rechtsstreites zwischen seiner Bekannten A. A. und der Fa. Q. AG von M. aus
an die Kundenbetreuung der Q. AG in F. Schreiben gerichtet hat, welches den Briefkopf „Anwaltskanzlei G. K., zugelassen beim Landgericht und
Oberlandesgericht“ und die Schlussformel: „Mit freundlichen Grüßen Rechtsanwalt K.“ getragen hat. Diesem Schreiben hatte der Angeklagte eine
von seiner „Mandantin“ unterschriebene Vollmacht beigefügt. Zu der Zeit, als er dieses „Mandat“ angenommen hatte, „führte“ der Angeklagte eine
„Kanzlei“ in seiner Wohnung in M. Mit diesem Schreiben trat der Angeklagte bewusst als Rechtsanwalt nach außen auf, obwohl er die
notwendige Zulassung hierfür nicht besaß. Seine fehlende Berechtigung, als Anwalt aufzutreten, war ihm bekannt und bewusst. Zwar hatte er
zuvor in Italien im Jahre 2001 einen Kurs besucht, in welchem auch Recht Gegenstand des Unterrichts gewesen war und diesen Kurs
abgeschlossen. Auch hatte er bei der Rechtsanwaltskammer in Freiburg telefonisch ein schriftliches Antragsformular für die Aufnahme in die
Rechtsanwaltskammer angefordert. Der in Italien getätigte Abschluss war jedoch völlig ungeeignet, damit eine Anwaltszulassung zu erreichen.
Dies war dem Angeklagten auch bewusst. Durch sein Auftreten als Rechtsanwalt wollte der Angeklagte der Forderung seiner Bekannten mehr
Nachdruck verleihen.
IV.
29 In der Hauptverhandlung hat die Kammer zum Sachverhalt noch ergänzend folgende Feststellungen getroffen:
30 Im „Anwaltsschreiben“ vom 26.02.2002 fehlten beim Briefkopf im Hinblick auf das genannte Landgericht und das Oberlandesgericht jeweils die
Orte der Zulassung. Außerdem enthielt dieses Schreiben weder eine Telefon- noch eine Telefax- oder E-Mail-Nummer der Anwaltskanzlei.
Inhaltlich nahm der Angeklagte in diesem Schreiben Bezug auf das Schreiben der Fa. Q. vom 21.02.2002 und teilte lediglich mit, dass er nach
Rücksprache mit seiner „Mandantin“ bereit sei, den von der Fa. Q. unterbreiteten Vorschlag anzunehmen. Er bat um Mitteilung, ob die Fa. Q.
hiermit einverstanden sei. Für die Fa. Q. bestanden sogleich Zweifel an der Echtheit des Schreibens, was die Anwaltszulassung des Angeklagten
betraf. Sie informierte deshalb mit Schreiben vom 01.03.2002 die Rechtsanwaltskammer in F, die am 20.06.2002 Strafanzeige bei der
Staatsanwaltschaft K gegen den Angeklagten erstattete.
V.
31 Die in der Berufungsverhandlung getroffenen Feststellungen beruhen auf den Einlassungen des Angeklagten. Dieser hat glaubhaft und
nachvollziehbar seine persönliche und wirtschaftliche Situation geschildert. Die ergänzend getroffenen Feststellungen beruhen ebenfalls auf den
Einlassungen des Angeklagten, die dieser auf Vorhalt des Gerichtes gemacht hat. Er hat eingeräumt, das Schreiben vom 26.02.2002, so wie
festgestellt, an die Fa. Q. in F. gesandt zu haben. Bei der polizeilichen Vernehmung am 12.07.2002 sei ihm mitgeteilt worden, dass die Fa. Q.
Mitteilung an die Rechtsanwaltskammer in Freiburg gemacht habe, weil diese Zweifel an der Berechtigung seines Auftretens als Anwalt gehabt
habe. Ihm sei weiter mitgeteilt worden, dass die Rechtsanwaltskammer F bei der Staatsanwaltschaft in K Anzeige erstattet habe. Diese habe
dann die Polizei beauftragt, ihn zu vernehmen. Er räume die Tat ohne Einschränkung ein. Er bereue, was er getan habe.
VI.
32 Der Angeklagte hat sich, wie vom Amtsgericht zu Recht festgestellt, hiermit eines Vergehens des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen im
Sinne des § 132 a Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht.
VII.
33 Bei der Verurteilung war vom Strafrahmen des § 132 a StGB auszugehen, welcher Geldstrafe und Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vorsieht.
34 Die Verhängung einer Freiheitsstrafe, wie im amtsgerichtlichen Urteil erfolgt, kam aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht in Betracht. Dies
ergibt sich zwar noch nicht allein aus dem Umstand, dass § 132 a StGB als Obergrenze des Strafrahmens eine Freiheitsstrafe von einem Jahr
vorsieht. Nicht jedes Delikt dieser Art ist damit automatisch ein sogenanntes Bagatelldelikt. Es sind vielmehr Fallgestaltungen denkbar, bei denen
die Berufsbezeichnung benutzt wird, um im Wirtschafts- und/oder Rechtsverkehr unerfahrene Personen derart zu beeindrucken oder unter Druck
zu setzen, dass diese im Glauben an die vom Angeklagten behauptete Funktion sich zu Handlungen haben verleiten lassen, die sie
möglicherweise andernfalls nicht so vorgenommen hätten.
35 Bei der vorliegend zur Aburteilung gelangten Fallkonstellation handelt es sich jedoch um ein solches Bagatelldelikt. Das vom Angeklagten
gefertigte, ihn als Rechtsanwalt bezeichnende Schreiben war bereits für einen Laien, insbesondere aber für den Empfänger, so abgefasst, dass
Zweifel an der Korrektheit dieses Schreibens sich von vornherein aufdrängen
mussten
des Oberlandesgerichts angegeben, an welchen der vermeintliche Anwalt zugelassen sein sollte noch enthielt dieses Schreiben eine Telefon-,
eine Telefax- oder eine E-Mail-Nummer der „Kanzlei“. Aber auch vom Inhalt dieses Schreibens war dieses, was die Schwere der Tat betrifft, am
unteren Ende des Strafrahmens anzusiedeln. Zweck des § 132 a StGB ist der Schutz der Allgemeinheit vor dem Auftreten von Personen, die sich
durch den unbefugten Gebrauch von Bezeichnungen den Schein besonderer Funktionen, Fähigkeiten und Vertrauenswürdigkeit geben (vgl.
Tröndle/ Fischer StGB 51. Auflage 2003, § 132 a Rdnr. 2 m.N.). Vorliegend erschöpfte sich der Inhalt des Schreibens aber nur in einer
Bestätigung eines bereits von der Fa. Q. unterbreiteten Vorschlages. Demnach bedurfte die Fa. Q. des oben bezeichneten Schutzes bereits vom
Inhalt des Schreibens her nicht. Hinzu kommt, dass die Fa. Q., wie allgemein bekannt, über eine vorzügliche Rechtsabteilung verfügt, so dass
von vornherein auszuschließen war, diese Firma würde sich durch das Auftreten eines Anwaltes in irgendeiner Weise beeindrucken lassen.
36 Zentraler Anknüpfungspunkt für die Strafbemessung ist das nach seiner Schwere abstufbare verschuldete Unrecht (vgl. OLG Karlsruhe StV 1996,
675 m.N.). Die Schuld des Täters im Sinne des § 46 Abs. 1 S. 2 StGB als Grundlage der Zumessung der Strafe ist dabei nicht als Vorwerfbarkeit
im Sinne der Voraussetzung jeder Straftat zu verstehen, sondern als das Maß des Vorwurfs, der dem Täter für seine
Tat
Tröndle/Fischer a.a.O. § 46 Rdnr. 5 m.N.). Es ist mithin die Tat und nicht die Täterpersönlichkeit, die Ausgangspunkt jeder Schuldbewertung ist
(vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.). Die Strafe darf, unabhängig vom Vorleben des Angeklagten, in keinem groben Missverhältnis zu Tatunrecht und
Tatschuld stehen und darf insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (OLG Stuttgart Die Justiz 2003, 19).
Daraus hat das Oberlandesgericht Stuttgart (a.a.O. S. 20) zu Recht den Schluss gezogen, dass bei ausgesprochenen Bagatelldelikten die
Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht vertretbar ist. Das Tatunrecht wiegt in solchen Fällen so gering, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe
eine unangemessen harte und damit gegen das Übermaßverbot verstoßende Sanktion darstellt, und zwar auch dann, wenn es sich - wie
vorliegend - um einen vielfach vorbestraften und unter Bewährung stehenden Täter handelt.
37 Wenn - wie vorliegend - von der Art der Tatausführung und deren inhaltlicher Ausgestaltung von vornherein nur eine geringe Gefahr für die
gemäß § 132 a StGB geschützten Rechtsgüter ausgeht, handelt es sich um ein solches Bagatelldelikt. Dies hat das Amtsgericht nicht
ausreichend bedacht.
38 Deshalb kam trotz des Vorlebens und der zahlreichen Bewährungsbrüche und des Umstandes, dass der Angeklagte im Hinblick auf den Strafrest
aus dem Urteil des Amtsgerichts K vom 27.06.2002 bei Begehung der Tat unter Bewährung gestanden hat, die Verhängung einer Freiheitsstrafe
nicht in Betracht.
39 Bei der Verhängung der demnach ausschließlich zulässigen Geldstrafe war allerdings neben den oben genannten für den Angeklagten
sprechenden Gesichtspunkte, was die Art der Durchführung und die inhaltliche Ausgestaltung der Tat anbetrifft, zu seinen Lasten zu
berücksichtigen, dass er in der Vergangenheit wiederholt straffällig geworden ist, die ihm immer wieder gewährten Chancen der
Bewährungsaussetzung bislang nicht nutzen konnte und während der Begehung der jetzt zur Aburteilung gelangten Tat unter Bewährung
gestanden hat.
40 Unter Berücksichtigung dieser Umstände erschien eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen tat- und schuldangemessen. Die Höhe des einzelnen
Tagessatzes entspricht den derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des erst seit dem 01.04.2003 wieder über eigenes
Einkommen verfügenden Angeklagten. Wegen dieses Umstandes und seinen Schulden wurde ihm gemäß § 42 StGB nachgelassen, die
Geldstrafe in monatlichen Raten zu zahlen.
VIII.
41 Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Dabei wurde
42 berücksichtigt, dass das Rechtsmittel weitestgehend Erfolg hatte, die Berufungsbeschränkung aber erst in der Hauptverhandlung vorgenommen
worden ist.